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Full text of "Die Kirchengeschichte Böhmens im Allgemeinen und in ihrer besonderen Beziehung auf die jetzige Leitmeritzer Diöcese"

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Die 

Kirchengeschichte  Böhmens 

im  Allgemeinen 


und 

in  ihrer  besonderen  Beziehung  auf  die  jetzige  Leitmeritzer  Diöcese 

in  der 

Zeit  vor  dem  erblichen  Königtliume. 

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Nach  den  zuverlässigsten,  grossentheils  handschriftlichen  Quellen  bearbeitet 


von 


P.  ANTON  FEIND, 

bischöfl.  Notar,  k.  k.  Gymnasial-Director  iu  Eger. 


#7 


PRAG,  1864. 

Verlag  von  Friedrich  Tempsky. 


777£  liSRA  KV 

BRIGHAM  YO  MC  3/w 

PROVO,  UlAH 


Vorrede. 


Im  Jahre  1856  feierte  die  leitmeritzer  Diöcese  das 
zweihundertjährige  Jubiläum  ihres  Bisthums,  und  im 
Jahre  darauf  das  a  c  h  t  h  u  n  d  e  r  t j  ä  h r  i  g  e  Andenken  der 
Stiftung  ihres  ehemaligen  Collegiat-  und  nunmehrigen  Dom- 
capitels;  da  war  es  der  Wunsch  Sr.  bischöflichen  Gnaden, 
unseres  hochwürdigsten  Oberhirten  Dr.  Augustin  Bartholo- 
maeus  Hille,  dass  ein  so  denkwürdiger  Zeitpunkt  durch  die 
Abfassung  einer  I)  i  ö  c  e  s  a  n  g  e  s  c  h  i  c  h  t e  verherrlicht  werde. 
Der  damalige  Professor  der  Theologie  und  nunmehrige  Ca- 
nonicus  zu  Leitmeritz,  Dr.  Joseph  Ginzel  war  der  geeig- 
netste Mann  und  auch  bereit,  diesen  Wunsch  zu  erfüllen. 

Die  Aufgabe  schien  Anfangs  verhältnismässig  leicht, 
Angesichts  der  zahlreichen  Quellen ,  die  bei  Eröffnung  der 
interessanten  Archive  des  Bisthums  ,  des  Capitels  und  des 
Consistoriums  sich  darboten.  Ueberdies  waren  die  Seel- 
sorger der  ganzen  Diöcese  über  Aufforderung  des  hochwür- 
digsten Consistoriums  so  freundlich,  das  Wissenswertlie  ihrer 
Gedenkbücher  und  Archive,  —  insbesondere  das  Zeitalter 
der  Reformation  betreffend  —  zur  Verfügung  zu  stellen; 
auch  das  hochwürdigste  Domstift  zu    Budissin  eröffnete  dem 


VI 

ersten  Unternehmer  in  Gesellschaft  des  gefertigten  Verfas- 
sers bereitwillig  seine  zahlreichen  auf  unsere  Diöcese  Bezug 
habenden  archivarischen  Schätze.  Da  sah  sich  Herr  Prof. 
Dr.  Ginzel  durch  andere  wichtigere  Arbeiten  gedrängt,  das 
eben  erst  begonnene  Werk  einer  anderen  Hand  zu  über- 
lassen. Eigenes  Interesse  für  die  Sache  und  der  Wunsch 
Sr.  bischöflichen  Gnaden  bestimmten  nun  den  Gefertigten, 
seine  geringe  Kraft  zur  Verfügung  zu  stellen. 

Bald  zeigte  sich  die  Lückenhaftigkeit  der  hiesigen 
Quellen.  In  Mitten  zahlreicher  meist  unkritischer  und  oft 
widersprechender  Aufzeichnungen  aus  früherer  Zeit  liess  sich 
nicht  einmal  ein  richtiger  Ueberblick  über  die  älteren  Schick- 
sale des  leitmeritzer  Collegiatstifts  gewinnen.  Zudem  reizte 
der  Gedanke,  die  Geschichte  eines  ehemaligen  zweiten  Col- 
legiatcapitels  im  jetzigen  Diöcesanbereiche  (zu  Melnik),  der 
zahlreichen  theils  verschwundenen  und  theils  noch  bestehen- 
den Klöster  desselben  Gebiets  und  —  wenn  möglich  — 
selbst  der  einzelnen  Seelsorgspfründen  bis  in  das  graueste 
Alterthum  zurück  zu  verfolgen.  So  musste  die  Arbeit  ein 
erhöhtes  Interesse  für  den  Leser  und  vielleicht  auch  eine 
spezielle  Bedeutung  für  jeden  Diöcesanpriester  gewinnen. 

Das  führte  zu  weiteren  Forschungen,  die  der  gefertigte 
Verfasser  mittelbar  in  einzelnen  Gegenden  durch  theil- 
nehmende  Freunde,  und  seit  October  des  Jahres  1857  und 
Anfang  1858  persönlich  in  den  interessantesten  Archiven 
und  Bibliotheken  Prags  anstellte.  Eine  reiche  Ausbeute  für 
seinen  Zweck  boten  die  kostbaren  alten  Manuscripte  der 
fürsterzbischöflichen  Bibliothek,  die  freundlichst  zur  Einsicht 


YII 

gegebenen  Register  und  Acten  des  Metropolitan-Capitelarchivs, 
die  handschriftlichen  Schätze  der  k.  k.  Universitätsbibliothek 
und  einige  äusserst  schätzbare  Manuscripte  der  Kloster- 
bibliotheken von  Strahow  und  S.  Thomas.  Auch  der  hoch- 
verdiente Professor  der  prager  Universität,  Dr.  Constantin 
Höfler  bot  seine  liebevolle  Unterstützung  durch  Darleihung 
einer  für  den  Druck  bestimmten  Sammlung  wichtiger  „Monu- 
mente (Urkunden)  des  Königthums  in  Böhmen".  Mit  solchen 
Schätzen  ausgerüstet,  und  zur  Seite  die  ausgezeichnete  alte 
und  neue  Literatur  unseres  Vaterlandes  nahm  der  Gefertigte 
sofort  seine  Arbeit  wieder  auf. 

Aber  da  war  es  um  den  ursprünglichen  Plan  einer  blos- 
sen Diöcesangeschichte  in  der  engsten  Bedeutung  die- 
ses Wortes  geschehen.  Sollte  alles  einschlägige  und  zugleich 
wichtige  Material  verwendet  werden,  so  musste  diese  Diöce- 
sangeschichte ein  annalistisches  Quodlibet  ohne  allen  organi- 
schen Zusammenhang  werden.  Da  überdiess  ein  eingehendes 
Werk  über  die  kirchliche  Geschichte  Böhmens  gänzlich  man- 
gelt, so  mussten  tausend  Dinge  im  Verlaufe  einer  blossen 
Diöcesangescichte  ganz  unverständlich  bleiben.  Auf  diese 
Weise  entstand  der  Plan,  eine  Kirchengeschichte  Böhmens 
im  Allgemeinen  und  in  ihrer  besondern  Beziehung  auf  die 
jetzige  Diöcese  Leitmeritz  zu  schreiben. 

Landes-Kirchengeschichte   sollte   sie   sein ,   in 
soweit  sie  aus   dem   bisher   möglichen   Ueberblicke   der  Er- 
eignisse   sich    darstellt,   und  in   soweit  ihre  Kenntniss  allen 
Lesern   noththut   und   insbesondere   dem  Priester  des  lieben 
Vaterlandes  nicht   fehlen  soll,  —  Diöcesangeschichte 


VIII 

aber  durch  Darbietung  alles  Details,  in  welchem  das  allge- 
meine kirchliche  Leben  des  Landes  im  engern  Bereiche  der 
jetzigen  leitmeritzer  Diöcese  zur  Erscheinung  kam.  So  lag 
auch  die  Hoffnung  nicht  fern,  dass  durch  späteres  Hinzu- 
kommen ähnlicher  Arbeiten  aus  den  übrigen  Diöcesen  all- 
mählig  eine  gründliche  und  detailirte  Kirchengeschichte  Böh- 
mens entstehen  könnte.  Indem  der  Verfasser  die  erste  Ab- 
theilung seines  so  entstandenen  Werkes  hiemit  der  Oeffent- 
lichkeit  übergibt,  kann  er  nicht  umhin,  die  im  Verlaufe  seiner 
mühevollen  Arbeit  gewonnene  Ueberzeugung  auszusprechen : 
dass  eine  in  der  angedeuteten  Weise  zu  Stande  kommende 
umfassende  Kirchengeschichte  nicht  allein  die  allgemeine  Ge- 
schichte unseres  Vaterlandes  ergänzen  und  vielfach  berich- 
tigen, sondern  auch  die  Liebe  und  Anhänglichkeit  für  den 
ehrwürdigen  Glauben  unserer  ältesten  Väter  und  für  die 
heilige  katholische  Kirche  lebhaft  entzünden  müsste. 

Die  vorliegende  Schrift  ist  —  einzelne  kleinere  Ar- 
beiten abgerechnet  —  ein  Erstlingsversuch.  Keine  besondere 
Zierlichkeit  der  Sprache  und  auch  keine  künstliche  Anord- 
nung der  Theile  werden  sie  empfehlen.  Was  einzig  für  sie 
reden  kann,  ist  —  der  gute  Wille  des  Verfassers,  nach  Kräften 
gründlich  und  wahrhaft  zu  sein.  Möge  ihm  dieser  gute  Wille 
die  Nachsicht  und  das  Wohlwollen  der  freundlichen  Leser 
gewinnen.  — 

Eger,  am  20.  August  1863. 

P.  Anton  Frind. 


ERSTE  PERIODE. 


Die  Christianisirung  Böhmens. 

I.  Zeitraum. 
Die  Einführung  des  Christenthums  in  Böhmen. 

§.  1.  Die  ersten  Bekehrungsversuche. 

1.  Die  ersten  Versuche,  unser  Vaterland  Böhmen  für  die  hei- 
lige Religion  Jesu  zu  gewinnen,  reichen  bis  in  das  4.  Jahrhundert 
hinauf.  Im  Jahre  396  wandte  sich  nämlich  Fritigild,  Königin  der 
damals  in  Böhmen  und  Mähren  sesshaften  Markomannen  an  den  heil. 
Bischof  Ambrosius  in  Mailand,  um  Unterricht  in  der  Lehre  des 
Christenthums  zu  erhalten.  In  der  That  sandte  damals  der  seelen- 
eifrige Diener  Gottes  einen  zu  diesem  Zwecke  verfassten  Katechis- 
mus an  die  lernbegierige  Fürstin,  und  diese  wieder  beeilte  sich, 
schon  im  nächsten  Jahre  persönlich  nach  Mailand  zu  reisen. ')  Lei- 
der fand  sie  den  heiligen  Bischof  bereits  im  Grabe.  Welche  Früchte 
in  unserem  Vaterlande  die  Schrift  des  heiligen  Mannes  und  die  er- 
wähnte Reise  der  Königin  getragen  haben  mag,  ist  unbekannt. 
Seien  sie  aber  auch  noch  so  reichlich  gewesen,  so  dürfte  doch  die 
auch  über  Böhmen  sich  ergiessende  Fluth  der  Völkerwanderung  in 
kurzer  Zeit  jede  Spur  derselben  vernichtet  haben. 

2.  An  die  Stelle  der  deutschen  Markomannen  traten  innerhalb 
der  böhmischen  Gränzwälder 2)  die  Cechen.  Zwischen  ihnen  und 
den  Deutschen  siedelten  sich  noch  die  sprachverwandten  Main-  und 

J)  Paalini  vita  S.  Ambrosii  bei  Baron  ad  396.  Palacky  Gesch.  Böhmens  I.  49. 
*)  Wie  sich  weiterhin  ergeben  wird,  gehörten  die  ausserhalb  „der  Gränzwälder" 
•    gelegenen  Landstriche,  das  Gebiet  von  Eger  und  das  nordböhmische  Nie- 
derland, nicht  zu  Böhmen. 

1 


Rednitzwenden  ])  an  den  Gränzen  des  alten  Grabfeldes  8)  und  Nord- 
gaus,3) und  andere  Wendenstämme  an  der  Saale  und  Elbe  an.  Zu 
den  letztern  soll  schon  um  das  Jahr  720  der  heilige  Bonifacius  als 
Glaubensbote  gekommen  sein  und  am  Zusammenflusse  der  Elster  und 
Pleisse  ein  Kloster  gebaut  haben.4)  Im  Nordgau  und  Grabfelde,  wo 
seit  Karl  dem  Grossen  auch  die  Wenden  unter  der  Verwaltung  deut- 
scher Grafen  standen,5)  wetteiferten  wenigstens  seit  dieser  Zeit  die 
Aebte  von  Fulda  als  Besitzer  bedeutender  Landstrecken/)  die  Bi- 
schöfe von  Würzburg,  welche  im  J.  846  bereits  14  unter  Karl  dem 
Gr.  erbaute  slawische  Kirchen  als  Geschenk  vom  Könige  Ludwig 
erhielten,7)  und  die  Bischöfe  von  Regensburg  als  geistliche  Ober- 
hirten des  Nordgaues,  die  letzte  Hand  an  das  Werk  der  Christia- 
nisirung  zu  legen.  Sicher  wurde  damals  das  heutige  Egerland,  zu 
jener  Zeit  ein  Theil  des  von  Main-  und  Rednitzwenden  bewohnten 
Nordgaues,  für  das  Christenthum  gewonnen.8)  Von  hier  und  von 
der  übrigen  wendischen  Nachbarschaft  musste  wohl  eine  Kunde  des 
Christenthums  auch  in  die  Gränzgegenden  der  sprachverwandten 
Öechen  dringen. 

3.  Im  .eigentlichen  Böhmen  konnten  übrigens  auch  die  wieder- 


!)  Genannt  in  einer  Urkunde  von  846  in  Erben  regesta  Böhemiae  et  Mora- 

viae  p.  11. 
a)  Die  Landschaft  von  Fulda  bis  gegen  Eger  heran. 

3)  Das  Gebiet  von  Eichstadt  und  Regensburg  bis  einschliesslich  zum  Egerlande. 

4)  Schneider  Chron.  Lips.  IV.  144.    Albini  Meiss.  Merkw.  282. 

5)  Laut  Urkunde  von  846  in  Erben  reg.  p.  11. 

6)  Urkunde  v.  16.  Febr.  824  in  Erben  reg.  p.  8. 

r)  Urkunde  ebendaselbst  p.  11.  Diese  Kirchen  lagen  „in  terra  Sclavorum 
qui  vocantur  Moinuuindi  et  Batanzuuindi." 

8)  Das  Egerland  war  vor  der  Völkerwanderung  selbstverständlich  deutsch 
und  erhielt  wohl  auch  damals  schon  einige  seiner  deutschen  Ortsnamen. 
Nachher  rings  von  Slawen  eingeschlossen,  wurde  es  gewiss  auch  slawisch 
und  zwar  wie  die  weiter  westlich  gelegene  Landschaft  der  Wohnsitz  der 
Rednitzwenden.  Von  diesen  rühren  wohl  mehrere  slawische  Ortsnamen 
her.  Da  dieses  Ländchen  noch  Jahrhunderte  lang  zu  Deutschland  ge- 
hörte, so  erfolgte  (ohne  besondere  Gewalt  der  deutschen  Gau-  und  Mark- 
grafen, wie  dies  anderwärts  viel  mehr  der  Fall  war)  die  Germanisirung 
desselben  —  hauptsächlich  in  Folge  zahlreicher  deutscher  Ansiedlungen, 
welche  die  „Ausreutungen"  des  Urwalds  bevölkerten.  Daher  stammen 
wieder  die  vielen  „Reut"  der  Gegend,  wie  Albenreut,  Frauenreut,  Voiters- 
reut,  Tirschenreut  u.  s.  w. 


holten  Kriegszüge  Karls  des  Grossen  nicht  ohne  einige  Rückwirkung 
auf  die  religiösen  Verhältnisse  des  Volkes  geblieben  sein.  Bereits 
im  J.  805  musste  ein,  wenn  auch  verhältnissmässig  kleiner  Theil 
der  Bewohner  Böhmens  —  wahrscheinlich  im  Gebiete  Sedlecko  (elbog- 
ner  Kreis)  —  der  fränkischen  Hoheit  huldigen, J)  während  ein  anderer 
sich  in  die  undurchdringlichen  Wälder  zurückzog.*)  Neue  Kriegs- 
züge in  den  Jahren  806  und  807  hatten  die  Sicherstellung  jener 
Huldigung  und  eines  dem  ganzen  Lande  auferlegten  Tributes  zur 
Folge.3)  Sofort  ward  sogar  ganz  Böhmen  Seitens  der  Franken  zu 
ihrem  Reiche  gezählt.4)  Gab  es  immerhin  unter  Ludwig  dem  From- 
men wieder  neue  Kämpfe,  so  dauerte  doch  im  Wesentlichen  ein 
Verhältniss  der  Abhängigkeit  Böhmens  und  namentlich  der  westli- 
chen Gränzgebiete  zum  christlichen  Nachbarlande  fort.  Was  ist  da 
wahrscheinlicher,  als  dass  der  unvermeidliche  Verkehr  damals  schon 
die  Anfänge  des  Christenthums  in  diese  westlichen  Gebiete  des 
eigentlichen  Böhmens  verpflanzte?  Diess  ist  um  so  mehr  anzuneh- 
men, als  es  auch  da  von  deutscher  Seite  her  nicht  an  Ausreutun- 
gen der  Wälder  und  Ansiedlungen  fehlte.5) 

V 

§.  2.    Die  Cechentaufe  in  Regensburg. 

1.  Als  im  Jahre  843  Ludwig  der  Deutsche  König  des  vom 
fränkischen  Reiche  getrennten  Deutschland  geworden  war,  liess  er 
sich  es  angelegen  sein,  die  Abhängigkeit  der  ihm  zugefallenen  Ge- 
genden Böhmens  neuerdings  und  nachhaltig  zu  sichern.  Er  fand 
in  Em  est,  dem  Markgrafen  des  Nordgaus,  den  geeigneten  Feld- 
herrn. Damals  herrschte  im  Gebiete  von  Saaz,  welches  6)  in  5  Bezir- 


')  Sedlecko  hatte  seinen  Namen  von  der  alten  2upenburg  Sedlec,  dem  heu- 
tigen Zetlitz  bei  Karlsbad. 

3)  ■Damberger  synchron.  Gesch.  III.  17. 

3)Eginhard  ad  807.  Cosmas  IL  119.  Damberger  III.  20,  72.  Dobner  annales 
Hajeäi  IL  432. 

4)Die  Carta  divisionis  imperii  (Pertz  III.  198)  sagt:  Item  Hludovicus  volu- 
mus,  ut  habeat  Bajoariam  et  Carentanos  et  Bell  ei  mos  et  Avaros  atque 
Sclavos,  qiä  ab  orientali  parte  Bajoariae  sunt 

5)  Unter  den  nachmaligen  Besitzungen  des  h.  Wolfgang,  Bischofs  von  Re- 
gensburg, wird  z.  B.  Kunigswartha,  das  heutige  Königswart  genannt,  das 
seinen  Namen  doch  keinesfalls  schon  im  Jahre  972  von  einem  Könige 
Böhmens,  sondern  gewiss  nur  von  einem  Könige  Deutschlands  haben  konnte. 

6)Nach  Cosmas. 

1* 


ken  längs  der  Flüsse  „Gutna,"  „Uzka",  „Mza"  und  „Bracnika",  sowie 
im  Umkreise  von  Saaz  selbst1)  bis  gegen  Trebnitz  (bei  Leitmeritz)  sich 
erstreckte,  als  selbstständiger  Landesherr  ein  Bruder  des  Herzogs  Kfe- 
somysl,  Namens  Wratislaw.  Diesem,  der  die  deutsche  Hoheit  an 
den  Gränzen,  wenn  nicht  gar  in  einigen  Gegenden  innerhalb  seines 
Gebietes  gewiss  ungern  sah,  galt  der  Kampf.  Derselbe  muss  für  die 
Deutschen  von  einigem  Erfolge  gewesen  sein;  denn  zu  Ende  des  Jahres 
845  erschienen  14  Häuptlinge  der  Böhmen,  wohl  aus  Wra- 
tislaws  Lande,  „sammt  ihrem  Gefolge"  bei  König  Ludwig  in 
Regensburg,  um  hier  die  h.  Taufe  zu  erbitten.  In  der  Oktav  der 
Erscheinung  des  Herrn  (13.  Jäner  846)  erfolgte  wirklich  ihre  Auf- 
nahme in  den  Schooss  der  heiligen  Kirche.2)  Der  damalige  Bischof 
Botherich  von  Regensburg  ward  überdiess  aufgefordert,  „die  Öe- 
chen  in  der  christlichen  Religion  zu  unterweisen."3) 
Dieses  Ereigniss  hat  eine  weit  höhere  Bedeutung,  als  jetzt  gewöhnlich 
angenommen  wird.  Es  ist  die  eigentliche  Aufnahme  un- 
seres Vaterlandes  in  den  Verband  der  katholischen 
Kirche.  Von  hier  an  zählten  die  kirchlichen  Oberen  unser  Land, 
und  zählteil  unsere  Vorältern  sich  selbst,  ohne  Unterbrechung  durch 
die  spätere  anderweitige  Bekehrung  des  Landesherzogs,  zur  bischöf- 
lichen Diöcese  von  Regensburg  :4)  Beweises  genug,  dass  der  erzählte 
Taufakt  zu  Regensburg  für  bedeutungsvoller  galt,  als  die  nachherige 
Taufe  Boriwojs.  In  der  That  setzen  auch  die  nachfolgenden  Kämpfe  in 
Böhmen  das  Vorhandensein  einer  christlichen  Partei  im  Lande  voraus.5) 


l)  Mza  oder  Mze  ist  entschieden  der  heutige  Miesfluss;  Uzka  oder  Uska,  jetzt 
Assig,  hiess  (nach  Jireöek  „Zupy  Öech",  in  Pamätky  archaeol.  IL  216  und 
221)  der  bei  Postelberg  mündende  Nebenfluss  der  Eger;  Bracnika  oder 
Brocznika  dürfte  (nach  demselben)  der  heutige  Goldbach  sein;  Gutna  war 
wohl  ein  Flüsschen  des  nachmaligen  Zluticer  Dekanats:  so  dass  Wrati- 
slaws  Besitz  über  die  spätem  Dekanate  von  Zatec  (Saaz),  Cadan,  2lutic 
(Luditz)  und  Tepl  sich  erstreckte.  Das  Gebiet  von  Elbogen  (das  längs  des 
Eger-  und  Teplflusses  sich  hinzog)  und  von  Bilin  (an  der  Bela)  scheint 
demnach  ausgeschlossen  gewesen  zu  sein.  Ersteres  gehörte  eben,  wie  wir 
bereits  wissen,  zum  deutschen  Lande. 

a)  Ruodolfi  annal.  Fuld.  bei  Pertz  I.  364.  Aimonius,  Sigebertus  Gemblacen- 
sis,  Magnum  chronicon  belgicum  etc.  cit.  Dobner  annal.  IL  553. 

3)Viguld  Hundius  ad  846.    Aventinus  ann.  boj.  I.  4. 

4)  Der  nähere  Nachweis  dessen  wird  später  an  geeignetem  Orte  folgen.  (Geist- 
liche Jurisdiction  und  Ritus  in  Böhmen.) 

5)  Damberger  III.  113. 


2.  Dem  Ereignisse  von  Regensburg  folgte  eine  ernste  Reaktion 
der  heidnischen  Öechen.  Ohne  Zweifel  erhob  Wratislaw  von  Saaz 
neuerdings  die  Waffen,  zunächst  wohl  zur  Vertreibung  der  von  ihm 
abtrünnigen  Grossen.  Wirklich  finden  wir  einen  solchen  „Grafen 
aus  Böhmen  (comes  ex  Boemia) "  Namens  T h a k u  1  f  weiterhin 
im  Dienste  der  Deutschen  und  später  als'  Markgrafen  der  sorabi- 
schen  Mark,1 )  denselben,  der  bei  seinem  im  J.  86-1  erfolgten  Tode 
„sein  an  der  G  ranze  Böhmens  gel  egenesLändchenS  a- 
rowe"  (Sorau  in  der  Niederlausitz)  dem  Kloster  Fulda  schenkte.8) 
Mit  abwechselndem  Glücke  stritt  man,  solange  Wratislaw  lebte.  Er 

.  starb  angeblich  850. 3)  Noch  muthiger  führte  fortan  sein  Sohn  Wla- 
stislaw  die  Waffen.  Endlich  aber  gewann  doch  der  tapfere  Markgraf 
Ernest  als  Führer  der  Deutschen  die  Oberhand.  Als  Wlastislaw  855 
im  äussersten  Osten  seines  Gebietes  die  neue  feste  Stadt  Wlastis la- 
wa  (bei  Trebnitz)  baute4)  —  wich  er  wohl  einem  gewaltigen  Drän- 
gen von  Westen  her;  und  wenn  er  fortan  seine  Waffen  zur  Erwei- 
terung seines  Gebietes  nach  Prag  hinkehrte,  band  ihn  wohl  ein 
Friedensvertrag  gegenüber  dem  deutschen  Reiche.  Thatsächtlich  wird 
berichtet,  dass  im  J.  856  „einige  Herzoge  der  Böhmen,  von 
Neuem  dem  Könige  der  Deuts  chen  sich  unterwarfen."  5) 
Dabei  scheint  es  lange  Zeit  geblieben  zu  sein,  zumal  der  kriegs- 
lustige Wlastislaw  —  angeblich  869  —  im  Streite  gegen  das  Pra- 
ger Herzogthum  seine  Macht  und  sein  Leben  verlor. 6)  Nun  konnte 
immerhin  das  Christenthum  unter  der  sorgsamen  Pflege  der  Regens- 
burger Missionäre  einigermassen  gedeihen. 

3.  Der  Bekehrungsakt  zu  Regensburg  hat  —  nach  einigen 
späteren  leider  nur  wenig  verlässigen  Chronisten  —  ein  besonderes 
Interesse  für  die  jetzige  leitmeritzer  Diöcese.   Ohne  Angabe  älterer 


')  Diese  war  das  Gebiet  der  heutigen  Niederlausitz. 

2)  Urkunde   in  Erben  regesta,  p.  13.  —  Annales  Francof.  ad  849.  —  Dam- 

berger  III.  269. 
3j  Hajek. 

4)  Cosmas,  Pulkawa  etc.  Heute  "steht  auf  dieser  Stelle  das  Dorf  Watislaw. 
Ausgrabungen  auf  einem  mit.  kreisförmigen  Wällen  umschlossenen  Hügel 
zeigen  daselbst  einen  heidnischen  Begräbnissplatz.  Kaliina,  Böhmens 
Opferplätze  S.  149. 

5)  Ännales  Francofuldenses  ad  856.  Diese  Herzoge  waren  Häuptlinge  klei- 
nerer Gebiete. 

6)  Cosmas.  Hajek. 


6 

Quellen  —  nennt  uns  Daniel  Weleslawin  unter  den  bekehrten  Häupt- 
lingen den  Herrn  von  Cadan,  wohl  derselben  „Kanaburg  am  Eger- 
flusseu,  die  schon  Karl  der  Grosse  im  J.  806  belagert  hatte.1) 
In  ähnlicher  Weise  erwähnt  Crugerius2)  als  Neubekehrten  den 
damaligen  Gebieter  von  Bilin.  Nebenbei  werden  noch  die  Herren 
von  Wary  (später  Karlsbad),  Klattau,  Pilsen,  Tepl  und  Studinec  (?) 
angeführt.  —  So  viel  scheint  übrigens  sicher  zu  sein,  dass  der  be- 
reits oben  erwähnte  Graf  T  h  a  k  u  1  f  zu  jenen  Neugetauften  gehörte 
und  ausserdem  derselbe  „Herzog  Wiztrah",  welcher  von  dieser 
Zeit  an  unter  deutscher  Hoheit  blieb.3)  Auch  ist  jedenfalls  an- 
zunehmen, dass  insbesondere  das  Gebiet  von  Cadan,  der  deutschen 
Nachbarschaft  wegen,  namentlich  von  856  an  einige  Fortschritte  im 
christlichen  Bekenntnisse  machen  musste. 

4.  Sei  übrigens  der  Erfolg  des  Bekehrungsaktes  von  846  noch 
so  günstig  gewesen:  das  ist  dennoch  nicht  in  Abrede  zu  stellen, 
dass  die  damaligen  Christen  in  unserem  Vaterlande  eben  nur  eine 
von  ihren  Gegnern  politisch  verdächtigte  und  angefeindete,  und  eben 
deshalb  an  Zahl  und  Ansehen  keineswegs  schnell  anwachsende  Par- 
tei gewesen  sind.  Nur,  wen  die  klarste  Uiberzeugung  drängte,  wollte 
in  dieser  Zeit  und  unter  solchen  Verhältnissen  ein  Kind  der  heil. 
Kirche  werden.  Erst  wenn  die  neue  Lehre  nicht  mehr  aus  dem 
Munde  der  vermeintlichen  Nationalfeinde  kam,  mochte  sie  allge- 
meine Geltung  im  weiten  Lande  gewinnen. 

§.  3.    Die  Taufe  des  Herzogs  Boriwoj  und  ihre  nächsten  Folgen. 

1.  Im  benachbarten  Mähren  war  das  Christenthum  bereits  im 
ersten  Dezennium  des  9.  Jahrhunderts  heimisch  geworden.  Als  er- 
ster Apostel  desselben  trat  dort  —  wahrscheinlich  schon  im  J.  805 
—  der  vordem  im  Widerspruche  mit  seinem  Metropoliten  auf  den 
bischöflichen  Stuhl  von  Passau  erhobene  und  eben  desshalb  in  dieser 


•jDobner  annal.  IL  475.  Palacky  Gesch.-I.  Die  Stadt  Kadan  ist  viel  jün- 
ger als  die  Burg  gleichen  Namens.  Jene  entstand  erst  um  1180.  Im  J. 
1186  schenkte  Herzog  Friedrich  burgum  novum  Cadan  den  Johannitern. 

3)  Crugerii  sacri  pulveres. 

3)  Damberger  Kritikhefte  III.  113.  Wahrscheinlich  war  es  der  Herr  von 
Weitra  im  heutigen  Oesterrcich,  welcher  Ort  sammt  Umgegend  von  da  an 
für  Böhmen  verloren  ging. 


Würde  nicht  bestätigte  Bischof  U  r  o  1  f  auf1)  und  erzielte  daselbst 
nicht  minder  glückliche  Erfolge,  als  in  dem  benachbarten  Panno- 
nien,  wo  er  seine  apostolische  Thätigkeit  bereits  im  J.  803  begon- 
nen hatte.  Er  hatte  sich  das  hohe  Ziel  gestellt,  der  ehemaligen 
Metropole  von  Lorch  in  diesen  Gegenden  neue  Glaubensgebiete  und 
bischöfliche  Diöcesen  zu  gewinnen.2)  Wir  finden  ihn  im  J.  81*7  in 
volle*  Thätigkeit  „als  Bischof  in  Mähren.3)  Im  J.  818  hatte 
er  eine  Zeit  lang  an  dem  Bischöfe  Reginar  von  Passau  einen  apo- 
stolischen Gefährten.4)  Im  J.  824  konnte  Papst  Eugen  II.  bereits 
den  christlichen  Mährenherzog  Moymar  unter  Belobung  des  bisher 
schon  bewiesenen  Eifers  bitten,  dass  er  (wie  auch  der  avarische 
Fürst  Tundun)  dem  Urolf  bei  Errichtung  neuer  Bisthümer  behilflich 
sein  möge.5)  Sofort  finden  wir  in  der  That  einen  Rathfredus,  Bi- 
schof von  Faviana  (Wien),  einen  Methodius,  Bischof  von  Spekulum 
Julium  (Iglau?  Olmütz?),  einen  Alevinus,  Bischof  von  Nitra- 
via  (Neutra)  und  einen  Annonus,  Bischof  von  Yetvaria  (Alten- 
burg?).6) Urolf  starb  nach  Einigen  im  J.  829,  nach  Andern  im 
J.  836. T)  Wenn  immerhin  die  von  ihm  errichteten  Bisthümer 
nur  von  kurzem  Bestände  waren,8)  so  bürgt  doch  für  einen  nach- 
haltigen Erfolg  der  Bemühungen  Urolfs,  insbesondere  für  das  Da- 
sein eines  christlichen  Clerus  und  Volkes  in  Mähren  die  Thatsache, 
dass  hier  fortan  förmliche  Synoden  abgehalten  wer- 
den konnten.9) 


•jDamberger  synchr.  Gesch.  III.  15,  56,  142.    Dessen  Kritikhefte  p.  20,  54. 
a)Dobrowsky  mähr.  Legende  S.  52. 
3)Damberger  1.  c. 

4)  Ginzel :  Cyrill  und  Methud  S.  31.    Boöek  cod.  dipl.  p.  11. 

5)  Dobrowsky  mähr.  Legende  p.  51. 

6)  Ebend.  52.  Nach  Salagi  lagen  Speculum  Julium  und  Nitravia  sicher  inner- 
halb des  gross-mährischen  Reichs. 

7)Dpbner  ann.  Haj.  IL  531,  Damberger  III.  193. 

8)Wir  finden  zur  Zeit  des  Fürsten  Rastislaw  von  ihnen  keine  Erwähnung. 

9)  JEpistola  episcoporum  Bavariensium  ad  Joannem  P.  IX  in  Ginzels  Codex  zur 
„Geschichte  der  Slawenapostel  Cyrill  und  Methud"  p.  68  etc. :  fiPataviensis 
episcopus,  in  cujus  dioecesi  sunt  illius  terrae  populi  (Moravi)}  .  »•  «  quando 
voluit  et  debuit  illuc  nullo  obstante  intravit  et  synodalem  cum  suis  et 
etiam  ibi  inventis  conventum  frequentavit,  .  .  .et  nullus  ei  in  faciem 
restitit."  Es  leuchtet  ein,  dass  das  nachfolgende  Werk  Methuds  und 
Constantins  (Cyrills)  nicht  die  erste  Einführung  des  Christenthums  in 
Mähren  war. 


2.  Mähren  gehörte  unmittelbar  vor  862  unbestritten  zur  Pas- 
sauer Kirchenprovinz.  Als  aber  in  dem  genannten  Jahre  der 
Mährenherzog  Rastislaw  den  Plan  fasste,  der  deutschen  Oberhoheit 
sich  zu  entledigen,  wollte  er  zugleich  sein  Volk  dem  Einflüsse 
deutscher  Bischöfe  und  Priester  entziehen.  Wohl  mochten  diese 
weniger  geeignet  sein,  das  slavische  Volk,  das  bereits  „dem  Gö- 
tzen dienst  entsagt  hatte,  im  Lesen  und  im  Gesetze 
vollkommen  zu  unterrichten:"  umso  mehr  glaubte  sich  Rasti- 
slaw berechtigt,  vom  damaligen  oströmischen  Kaiser  christliche  Lehrer 
slavischer  Zunge  sich  zu  erbitten.1)  In  Folge  dessen  kamen  im  J. 
863  die  heiligen  Brüder  Constantin  (später  erst  Cyrillus  genannt) 
und  Methud,  Söhne  des  Patriziers  Leo  von  Thessalonich,  als  christ- 
liche Glaubenslehrer  nach  Mähren,  bereisten  das  Land  nach  allen 
Seiten,  unterrichteten  das  Volk  und  weihten  zahlreiche  Kirchen.2) 
Im  J.  867  gingen  sie  in  Folge  päpstlicher  Citation  nach  Rom,  um 
dort  Rechenschaft  von  ihrem  Wirken  abzulegen.  Hier  starb  Con- 
stantin, als  er  eben  unter  dem  Namen  Cyrillus  die  bischöfliche 
Weihe  empfangen  hatte  (14.  Febr.  868), 3)  Methud  dagegen  ward 
vom  Papste  Hadrian  IL  in  gerechter  Würdigung  der  nationalen  Be- 
dürfnisse der  Slawen  zum  Erzbischof  von  Mähren  und  Pannonien  er- 
hoben mit  der  Berechtigung,  noch  zwei  Suffraganbischöfc  daselbst 
zu  bestellen.  Als  slawischer  Metropolit  wirkte  er  nun  unter  wech- 
selnder Gunst  der  äusseren  Verhältnisse  unermüdlich  für  die  feste 
und  tiefe  Begründung  der  h.  Christuslehre  in  seiner  ausgedehnten 
Kirchenprovinz.  Er  vollendete  sein  heiliges  Leben  am  6.  April  885. 
Die  kath.  Kirche  verehrt  ihn  und  seinen  Bruder  (Cyrill)  als  heilige 
Apostel  der  Slawen.4) 

l)  So  erzählt  ausdrücklich  die  Pannon.  Legende  (in  Ginzels  Codex  zu  Cyrill 
und  Methud)  p.  5.  Die  diesfalls  minder  genaue  mährische  Legende  (von 
Dobrowsky  1826  S.  17)  spricht  nur  von  der  Sendung  eines  christlichen 
Glaubenslehrers  überhaupt,  und  zwar  sei  geradezu  die  Sendung  Constan- 
tins  erbeten  worden,  dessen  Ruhm  wegen  der  Bekehrung  der  Chasaren 
(Auffindung  der  Reliquien  des  h.  Papstes  Clemens)  zu  dem  Mährerfürsten 
gedrungen  sei.  Constantin  und  Methud  bekehrten  auf  der  Reise  nach 
Mähren  das  Volk  der  Bulgaren. 

8)  Dobrowsky  mähr.  Legende  p.  19. 

')  Ginzel  Cyrill  und  Methud  S.  48.  Vgl.  Dobrowsky  mähr.  Legende  S.  9,  25  etc. 

4)  Ginzel  Geschichte  der  Slawenapostel  Cyrill  und  Methud  32—91.  Wider- 
legung der  Zweifel  Wattenbachs  in  Betreff  des  angegebenen  Todestages: 
ebend.  S.  91.  —  Item  Wattenbach  Beiträge  zur  Geschichte  der  christlichen 
Kirche  in  Mähren  und  Böhmen,  S.  6—27. 


3.  Dem  h.  Methud  gebührt  das  Verdienst,  den  Böhmenher- 
zog Bofiwoj  bei  dessen  Aufenthalte  am  Hofe  des  mährischen 
Fürsten  Swatopluk  für  das  Christenthum  gewonnen  und  feierlich 
getauft  zu  haben.1)  So  wurde  endlich  der  Sieg  der  christlichen 
Religion  über  das  Heidenthum  in  Böhmen  sicher  gestellt;  denn 
fortan  sollten  die  frommen  Bekenner  des  h.  Glaubens  Schutz  und 
Hilfe  an  den  Stufen  des  Thrones  finden,  und  von  den  Fürsten 
selbst  ins  Land  gerufen  durften  die  begeisterten  Missionäre  der 
herrlichsten  Erfolge  ihrer  Bemühungen  sicher  sein. 

Der  feierliche  Taufakt  des  Herzogs  und  seines  Geleites  von 
30  böhmischen  Edlen  geschah  zu  Welehrad  am  Johannisfeste  (24. 
Juni2),  wahrscheinlich  im  J.  879. 3) 


')  Ginzel  Geschichte  der  Slawenapostel,  S.  67  u.  f.  —  Christannus.  —  Cosmas. 
—  Dobrowsky  mähr.  Legende  p.  49.  Letztere  erzählt:  „König  Swatopluk 
habe  dem  Herzog  Boriwoj  anfangs  den  Platz  „unter  dem  Tische"  (d.  i. 
abseits  des  eigenen  Tisches)  angewiesen,  da  es  sich  nicht  zieme,  dass  ein 
Heide  mit  dem  Christen  speise.  Methud  aber  habe  dem  Boriwoj  vorher- 
gesagt, er  und  seine  Nachfolger  würden,  wenn  er  sich  taufen  licsse, 
mächtiger  als  alle  Könige  und  Fürsten  werden.  So  hätten  'Scham  und 
Hoffnung  die  Bekehrung  des  Böhmenherzogs  bewirkt. 

a)  Cosmas,  mähr.  Legende  der  h.  h.  Cyrill  und  Methud,  und  Ginzels  Codex 
pag.  18.  Christannus  (vita  S.  'Ludmilae  et  S.  Wenceslai)  sagt:  per  actis  jc- 
'  juniorum  ex  morc  solemniis.  Jordanus  bemerkt,  es  sei  eine  beständige  Tra- 
dition, dass  es  die  Vigilia  S.  Joannis  Baptistae  war.  Ebenso  Hajek  a.  h.  a. 
Dalimil  c.  23  nennt  Weichrad  als  Taufort.  Die  Bemerkung  des  Christannus 
zwingt  zur  Annahme  des  Tages  nach  der  Vigilienfaste,  also  des  Festtages 
selbst.  Vgl.  MS.  des  Athanasius  a  S.  Josepho  in  der  Prager  Univ.-Bibl., 
„Annales  ecclesiastici  regni  Boemiae,  XI.  A.  3.  Ich  zitire  hier  und  weiter- 
hin wiederholt  die  Vita  8.  Ludmilae  et  S.  Wenceslai  von  Christannus. 
Dobner  (annäl.  IV.  328)  führt  zu  viele  wichtige  Gründe  an  (im  Gegensatze 
tzu  Athanasius  a  S.  Josepho),  als  dass  man  nicht  überzeugt  sein  müsste, 
dieser  Christannus  könne  wenigstens  nicht  der  Sohn  Boleslaws  I.  gewesen 
sein.  Wahrscheinlich  war  Christannus  ein  Zeitgenosse  Wladislaws  IL  und 
dessen  Sohnes,  des  Salzburger  Erzbischofs  Adalbert.  Aber  er  zeigt  sich 
durchgehends  sehr  gut  unterrichtet  und  schöpft  anderseits  viele  Angaben 
fast  wörtlich  aus  den  altern  Biographen  des  h.  Wenzel. 

3)Das  wichtige  Ereigniss. geschah  jedenfalls  nicht  vor  868, •  wie  Baibin  (Mise. 
Boh.)  und Pesina  (Phosph.  septic.)  glauben;  denn  die  ältesten  Chronisten 
redenimmer  nur  von  Methud  allein,  so  class  das  bereits  erfolgte  Ableben  Cyrills 
anzunehmen  ist.  Ueberdiess  regierte  der  mährische  Fürst  Swatopluk  erst  seit 
870.  Selbstverständlich  ist  es  aber  auch  nicht  nach  885  -*-  dem  sichergestell- 
ten Todesjahre  des  h.  Methud  _  zu  setzen,  wie  nichts  desto  weniger  Cosmas 


10 

4.  Bofiwoj  war  Christ  geworden  und  mit  ihm  zugleich  sein 
treues  Gefolge.  Dem  Beispiele  des  Gatten  folgte  in  Kurzem  auch 
die  Gattin  Ludmila  nach  und  alsbald  ebenso  ein  grosser  Theil  der 
herzoglichen  Verwandtschaft.  Nun  traten  auch  die  bisher  hart  be- 
drängten Gläubigen  im  Lande  aus  ihrer  Verborgenheit  hervor,  und 
selbst  an  zahlreichen  neuen  Bekennern  des  christlichen  Glaubens 
konnte  es  fürder  im  Volke  nicht  fehlen.  Abgesehen  von  den  Be- 
mühungen deutscher  Missionspriester  wirkten  ja  nunmehr  auch 
slawische  Glaubensboten  in  Böhmen  ')  —  an  ihrer  Spitze  Me- 
thuds  treuer  und  frommer  Schüler  Paul  Kaych,  der  fortan  dem  neu- 
bekehrten Bofiwoj  als  Seelenführer  zur  Seite  stand  und  alsbald  zu 
Lewy  Hradek  bei  Prag,  dem  Lieblingsaufenthalte   des  Fürsten,  die 


undDobner  annehmen.  Gegen  die  Jahre  871— 873  spricht  der  Umstand,  dass 
damals  Methud  sich  gar  nicht  in  Mähren  befand.*)  Gegen  die  Jahre  880 
— 885  redet  wieder  die  sicher  gestellte  Thatsache,  dass  damals  das  Anse- 
hen Methuds  am  Hofe  Swatopluks  äusserst  gering  war,  dagegen  dieAukto- 
rität  des  deutschen  Bischofs  Wiching  (von  Neutra)  in  voller  Blüthe  stand.**) 
In  solcher  Zeit  hielt  sich  Methud  schwerlich  am  Hofe  auf.  Es  erübrigt 
also  nur  die  Zeit  von  874  bis  gegen  Ende  879,  in  welchem  Jahre  Methud 
neuerdings  nach  Rom  abging.***)  Wenn  das  Todesjahr  Boriwoj's,  wie 
gewöhnlich,  auf  890  angesetzt  wird,  ebenderselbe  aber  nur  ein  Alter  von 
35  Jahren  erreichte,-}-)  so  lassen  sich  die  Angaben,  dass  er  bei  seiner 
Taufe  „in  der  Blüthe  ausgezeichneter  Schönheit  und  ausser- 
ordentlicher Jugend  glänzte,"  ff)  und  die  traditionelle  Nachricht, 
dass  er  bald  nach  seiner  Taufe  Vater  seines  dritten  Sohnes  wurde,fft 
am  füglichsten  durch  Annahme  des  spätesten  Jahres  879  vereinigen,  in 
welchem  Boriwoj  in  einem  Alter  von  etwa  24  Jahren  stand. f*) 
!)  Dobrowsky :  Mährische  Legende :  „Boriwoj  sacerdotibus  secum  receptis  Boe- 
miam  revertitur" 

*)  Vgl.  Ginzel  S.  55,  Not.  6,  Cit.  Dümmler  Archiv  XIII. 

**)  Giazel  S.  84  etc. 
***)  Ebend.  S.  70,  cit.  Breve  des  Papstes  Johann  VIII.  ddo.  14.  Juni  87C. 

t)  Christannus  und  Marignola.  Die  abweichende  Behauptung  Hajek's,  Pe&ina's,  Balbin's,  We- 
leslawins  (75  Jahre)  führt  zu  unsinnigen  Consequenzen.  Dann  wäre  Ludmila  bei  ihrem  Tode 
im  Jahre  927  bereits  108  Jahre  alt,  und  dennoch  ihr  ältester  Enkel  erst  ein  unmündiger 
Knabe  gewesen.  Auch  konnte  bei  einem  51jährigen  Täuflinge  nicht  wohl,  wie  dies  doch 
geschah,  die  ausserordentliche  Jugend  gerühmt  werden. 

ff)  Christannus. 
ttt)  Hajek,  Dubravius,  PuCalka  etc. 

t*)  Vgl.  über  das  Taufjahr  Bofiwojs  Dr.  Ginzels  Cyrill  und  Methud  S.  67  etc.  Derselbe  stimmt 
für  878  oder  879,  weil  Methud  gerade  zu  dieser  Zeit  im  mährischen  Antheile  seines  Spren- 
geis thätig  war. 


11 

erste  ausdrücklich  bekannte  christliche  Kirche  im  Lande  zu  Ehren 
des  h.  Clemens  einweihte.1) 

5.  Ein  Ereigniss  der  ernstesten  Art  schien  die  neuaufblühende 
Kirche  unseres  Vaterlandes  arg  gefährden  zu  wollen.  Ein  Auf- 
stand erhob  sich  wider  Bofiwoj,  der  eilig  nach  Mähren  entfliehen 
musste.  An  seine  Stelle  ward  von  den  Empörern  ein  gewisser  Stoj- 
mir  auf  den  herzoglichen  Stuhl  erhoben.  Eine  eigentliche  Reaktion 
gegen  das  Christenthum  mag  diess  wohl  kaum  gewesen  sein;  denn 
der  neue  Landesfürst  war  ja  eben  aus  Deutschland  zurückgekehrt, 
wo  er  so  lange  gelebt  hatte,  dass  ihm  mittlerweile  die  Mutterspra- 
che fremd  geworden  war.8)  Somit  kann  er  auch  schwerlich  mehr 
ein  Anhänger  des  alten  böhmischen  Götterglaubens  geblieben  sein. 
Uiberdiess  blieb  ja  die  Familie  Bofiwojs  ganz  ungefährdet  im 
Lande.3)  Nichts  destoweniger  aber  musste  die  Entfernung  des  eifri- 
gen Verfechters  der  neuen  Lehre  die  Menge  der  Heiden  im  Lande 
und  insbesondere  die  in  ihrem  Erwerbe  gefährdeten  Götzenpriester 
von  Neuem  ermuthigen,  während  anderseits  die  Neubekehrten  ihren 
frommen  Schützer  schmerzlich  vermissten.  Zum  grossen  Glücke  ward 
die  Nation  des  neuen  Gebieters  sehr  bald  müde  und  sie  rief  ein- 
müthig  den  christlichen  Herzog  in  sein  Land  zurück.4)  Da  ward 
das  frühere  Unglück  eine  Quelle  des  Segens ;  denn  mit  Bofiwoj  ka- 
men nun  wieder  neue  slawische  Glaubensboten  aus  Mähren  her.5) 
Auch  Regensburg  sandte  nach  wie  vor  eifrige  Bekehrer  in  unser 
Land.  Ohne  Zwang  und  darum  auch  ohne  Widerstand  wurden  als- 
bald Tausende  und  abermal  Tausende  für  den  Glauben  des  Gekreu- 
zigten gewonnen.  Dass  auch  der  h.  Cyrill  damals  mit  nach  Böh- 
men gekommen  sei  und  auch  den  Leib  des  h.  Clemens  mit  sich 


*)  Christannus  und  Vita  S.  Ludmüae  in  bibl.  Univ.  Prag.  cit.  Dobn.  III.  300. 
Palacky  1. 137.  Die  ersten  Kirchen  Böhmens,  die  von  Methuds  Schülern  geweiht 
wurden,  tragen  den  Namen  des  heiligen  Papstes  und  Martyrs  Clemens  aus  dem 
Grunde,  weil  dieser  Heilige  seit  der  Auffindung  seiner  Reliquien  durch 
den  h.  Cyrill  der  erwählte  Missionspatron  der  beiden  heiligen  Brüder  war. 
Seine  Reliquien  wurden  von  letztern  nach  Rom  gebracht.  Eine  zweite 
Clemenskirche  entstand  alsbald  auf  dem  Wysehrad. 

2)  Christannus. 

3)  Hajek,  Dubravius  u.  A. 

4)  Christannus. 

5)Pesina  (posph.  septic).  Letzterer  nennt  (ohne  Quellenangabe)  die  Namen 
solcher  Priester:  Joannes,  Paulus,  Letomil,  Gerard,  Hostiwod,  Prostiwoj. 


12 

hieher  geführt  habe  !),  ist  in  Berücksichtigung  seines  Todesjahres 
(868)  geradezu  unmöglich.  Gegen  die  gleichfalls  behauptete  An- 
wesenheit des  h.  Methocl  aber,  und  zumal  gegen  die  Annahme  ir- 
gend einer  Amtstätigkeit  desselben  in  Böhmen2)  spricht  nicht  nur 
das  Stillschweigen  der  ältesten  Quellen, 3)  sondern  auch  der  sichere 
Umstand,  dass  Böhmen  seit  846  entschieden  zur  Diöcese  von  Re- 
gensburg gehörte, 4)  und  Method  bei  der  ihm  in  schmerzlicher  Weise 
eben  zur  Zeit  der  Taufe  Bofiwojs  bekannt  gewordenen  Eifersucht 
der  deutschen  Bischöfe  alle  Ursache  hatte,  jeden  Eingriff  in  fremde 
Diöcesanrechte  sorgfältig  zu  meiden,  und  —  nach  dem  Schweigen 
der  regensburger  Bischöfe  neben  den  lauten  Klagen  von  Salzburg 
und  Passau  her  5)  zu  schliessen  —  in  Böhmen  auch  wirklich  vermied. 

§.  4.    Der  selige  Iwan. 

Wir  dürfen  die  in  die  Zeiten  Boriwojs  und  Ludmilas  fallende 
Lebenslegende  unseres  ältesten  und  frömmsten  Eremiten  nicht  mit 
Stillschweigen  übergehen. 

Der  selige  Iwan  6)  war  ein  Sohn  des  christlichen  Kroatenkö- 
nigs7) Gestimul,  vielleicht  desselben  Slawenfürsten  Gestimul,  der  844 
von  einem  Kriegsheere  Ludwigs  des  Deutschen  überwunden  unter 
die  Oberhoheit  seines  Besiegers  sich  hatte  beugen  müssen.8)  Der 
jugendliche  Iwan,  begeistert  von  der  Lehre  Christi  und  für  ein  Le- 
ben ungestörter  Andacht,  verliess  seine  Heimat  und  sein  Vaterhaus 
und  schlug,  vergeblich  von  den  Seinen  gesucht,  als  Einsiedler  in 
Mitten    eines   unermesslichen    Gebirgswaldes    seine   Wohnung   auf. 


•)Pulkava,  Hajck  und  mehrere  spätere  Autoren. 

2)Palacky  I.  138. 

3)  Mit  Ausnahme  der  Jüngern  Vita  S.  Ludmilae  bibl.  Clementinae. 

4)Von  Palacky  I.  110  u.  228  selbst  zugestanden. 

5)Vgl.  Ginzel:  Cyrill  und  Methud,  S.  69,  Anmerkung. 

6)  Ein  lateinisches  Manuscript  aus  dem  15.  Jahrhundert,  abgedruckt  in  Dob- 
neri  monum.  hist  Bo'em.  II.  61,  nennt  ihn  bloss  „beatus".  Nachfolgende 
Legende  ist  hauptsächlich  aus  dieser  Quelle  geschöpft. 

7)Es  ist  da  nicht  an  das  heutige  Kroatien  zu  denken,  sondern  an  das  Kar- 
partenland, welches  noch  zur  Zeit  der  Stiftung  des  Prager  Bisthums  in 
Crovati  et  altera  Crovati,  diesseits  und  jenseits  der  Karpaten  gelegen, 
zerfiel.  (Urkunde  Kaisers  Heinrich  IV.  über  die  Gränzen  des  Prager 
Bisthums.) 

8)  Annales  Francofuld.  a.  h.  a. 


13 

Zehn  Jahre  vergingen  ihm  hier  in  ungetheilter  Gottseligkeit. 
Da  sah  er  einst  von  Ferne  seine  Brüder  der  stillen  Zufluchtsstätte 
nahen.  Erschrocken  wandte  er  sich  zur  Flucht  und  eilte  Tag  und 
Nacht  über  Berg  und  Thal  weiter  und  immer  weiter,  bis  er  endlich 
vor  jeder  ferneren  Entdeckung  sich  sicher  glaubte. 

2.  So  kam  Iwan  in  unser  böhmisches  .Vaterland  und  erwählte 
eine  in  Wald  und  Gestrüpp  verborgene  Höhle  in  Mitten  hoher 
Berge  und  seltsam  geformter  Felsen  am  Flusse  Lodenice  zu  seiner 
neuen  Wohnstätte.  Hier  setzte  er  sein  frommes  Leben  fort.  Hier 
aber  war  es  auch,  wo  Gott  eine  schwere  Anfechtung  über  ihn 
kommen  liess.  Mitten  in  seinen  heiligen  Uebungen  sah  sich  Iwan 
von  teuflischen  Gestalten  umgaukelt,  die  er  vergebens  von  sich  ab- 
zuwehren bemüht  war.  Der  böse  Feind  schien  es  darauf  anzule- 
gen, dem  heiligen  Manne  das  Leben  in  dieser  Einsamkeit  zu  ver- 
leiden. Fast  war  das  Ziel  erreicht.  Der  täglich  sich  erneuernde 
Kampf  und  die  geringe  Hoffnung  auf  Ruhe  ermüdeten  den  frommen 
Einsiedler,  und  er  nahm  bereits  Abschied  von  seiner  Höhle.  Aber 
eine  himmlische  Erscheinung,  in  welcher  Iwan  die  Gestalt  des  heil. 
Johannes  des  Täufers  erkannte,  hielt  ihm  das  Bild  des  gekreuzig- 
ten Heilands  entgegen  und  forderte  ihn  auf,  mit  dieser  Waffe  zu 
kämpfen  und  zu  siegen.  Iwan  folgte  dem  Rathe  und  erkämpfte 
sich  aufs  Neue  Ruhe  und  Frieden  in  seiner  Höhle. 

3.  Hier  lebte  er  nun  bis  in  sein  höchstes  Greisenalter,  und 
je  länger,  desto  unermüdeter  wurde  er  in  der  Uebung  der  Fröm- 
migkeit. Die  Welt  hatte  er  längst  vergessen,  und  wenn  er  ja 
etwas  noch  lieb  hatte  in  ihr,  so  war  es  die  zahme  Hirschkuh, 
welche  seit  Jahren  das  Lager  in  der  stillen  Felsenhöhle  mit  ihm 
theilte.  Dieses  edle  Thier  war  es,  das  endlich  die  Entdeckung 
des  heil.  Einsiedlers  herbeiführte.  Seine  Fährte  verfolgend  kam 
einst  der  Herzog  Bofiwoj  auf  der  Jagd  zu  Iwans  stiller  Höhle,  und 
lernte  den  heiligen  Mann  kennen  und  lieben.  Nun  konnte  der 
greise  Einsiedler  den  Bitten  des  wiederholt  ihn  besuchenden  Für- 
sten, und  zuletzt  auch  dem  Flehen  der  ebenfalls  herbeigeeilten 
frommen  Fürstin  Ludmila  nicht  widerstehen.  Er  musste  das  fürst- 
liche Paar  auf  der  nahen  Burg  Tetin  heimsuchen  und  einen  Tag 
und  eine  ganze  Nacht  demselben  wunderbare  Lehren  von  Gott  und 
vom  Heile  der  Seele  spenden. 

4.  Zurückgekehrt   verliess    er    seine   Zelle   niemals    wieder. 


14 

Endlich  kam  seine  Todesstunde.  Er,  der  sein  Leben  lang  treu  dem 
Herrn  gedient  hatte,  sollte  auch  einer  ganz  besonderen  Gnade  sich 
erfreuen.  Ein  Engel  mahnte  im  Traume  die  heil.  Ludmila,  den 
frommen  Priester  Paul  mit  den  heiligen  Sakramenten  und  einen 
Diener  mit  Grabgeräthen  zur  Höhle  des  Einsiedlers  zu  senden.  So 
empfing  der  Sterbende  noch  zur  rechten  Zeit  den  heissersehnten 
Seelentrost.  Sein  Geist  entschwebte  in  das  himmlische  Paradies, 
sein  Leib  aber  fand  in  der  einsamen  Höhle  ein  stilles  Grab.  Bald 
weihte  man  diese  Höhle  zu  einer  Kapelle  des  heil.  Johannes,  und 
Andächtige  aus  allen  Gauen  fanden  am  Grabe  des  seligen  Iwan 
Rettung  und  Hilfe  in  den  Nöthen  des  Leibes  und  der  Seele. 

§.  5.    Die  Söhne  Bofiwoj's.    Die  heil.  Ludmila.    Verfolgung  der  Christen. 

1.  Gross  war  der  Eifer  Bofiwojs  und  seiner  frommen  Gemah- 
lin, den  Christenglauben  allerwärts  zur  Geltung  zu  bringen;  auch 
ist  kaum  zu  zweifeln,  dass  die  zu  Welehrad  getauften  Edlen  des 
Landes  im  Vereine  mit  den  bereits  früher  Bekehrten  einen  heiligen 
Wetteifer  in  der  Ausbreitung  der  himmlischen  Wahrheit  und  in 
Erbauung  christlicher  Gotteshäuser  entwickelten.  Dennoch  erwarb 
sich  Bofiwojs  frommer  Sohn  und  Nachfolger  Spytihnew  L,  der 
wenigstens  seit  seiner  Erhebung  auf  den  Herzogsstuhl  dem  Christen- 
thume  mit  ganzer  Seele  huldigte1),  den  besonderen  Ruhm  als  Er- 
bauer heiliger  Gotteshäuser  und  als  Sammler  (congre- 
gator)  zahlreicher  Priester  und  Kleriker  im  Lande.3) 
Diesem  wieder  suchte  es  sein  Bruder  und  Nachfolger  Wrati- 
slaw,  vordem  Theilfürst  eines  besondern  Gebietes,  gleich  zu 
thun,  allerdings  im  Widerspruche  mit  seiner  den  Christen  abholden 
Gemahlin  Drahomira.  Wratislaw  erbaute  die  S.  Georgskirche  in 
Prag  als  erste  Hauptkirche  des  Landes  und  gründete  bei  derselben 
durch   Berufung  slawischer   Priester   (angeblich   1   Erzpriester,  4 


1)  Die  Behauptung  Hajeks  von  seiner  Taufe  gleichzeitig  mit  Ludmila  ist  dem 
älteren  Berichte  der  vita  S.  Wenceslai  (cit.  Dobn.  ann.  III.  324)  entgegen, 
wonach  die  Taufe  erst  nach  seinem  Regierungsantritte  zur  Zeit  Heinrich 
des  Voglers  erfolgte. 

2)  Christannus  (editio  Äthan,  a  S.  Josepho  p.  47).  Insbesondere  wird  ihm 
die  Gründung  der  Teynkirche  zugeschrieben.  {Vita  S.  Wenceslai  in  Pertz 
Mon.  VI.  pag.  214.) 


15 

Priester,  2  Diakone,  2  Subdiakone)  eine  Art  Collegiatstift. !)  Unter 
ihm  besuchte  bereits  ein  Bischof  persönlich  das  Böhmerland  und  die 
Hauptstadt  Prag.2)  Leider  starb  der  gute  Fürst  —  sowie  sein  from- 
mer Bruder  viel  zu  früh  für  unser  in  der  christlichen  Ueberzeugung 
noch  so  wenig  erstarktes  Vaterland.  Da  war  es  ein  erfreuliches  Zeichen 
des  Fortschritts  im  christlichen  Bekenntnisse,  dass  das  gesammte 
Volk  die  Erziehung  des  jugendlichen  Erben  Wratislaws  der  from- 
men Grossmutter  Ludmila  übergab  —  mit  Hintansetzung  der  heid- 
nischen Mutter  Drahomira.3) 

2.  Ludmila,  die  greise  Witwe  Bofiwojs,  war  damals  die  Freude 
und  der  Stolz  des  Landes.  „Fromm  und  sanft  in  allen  Dingen, 
freigebig  gegen  die  Armen,  unermüdet  im  Nachtwa- 
chen, andächtig  im  Gebete,  vollkommen  in  der  Liebe, 
herablassend  in  der  Demuth,  immer  eifrig  in  Dienst- 
erweisungen  gegen  die  Diener  des  Herrn,  eine  Mutter 
der  Waisen,  eine  Trösterin  der  Witwen,  eine  Freun- 
dinder Gefangenen  und  vollendet  in  allen  gutenWer- 
k  e  nu  4)  war  sie  die  erste  herrliche  Blume,  dem  Garten  der  Heiligen 
unseres  Böhmerlandes  entsprossen.  So  erzog  sie  uns  das  Vorbild 
aller  frommen  Fürsten,  ebenfalls  einen  Heiligen  und  des  Vater- 
landes höchsten  Stolz,  den  nachmaligen  Herzog  Wenzel.  Dennoch 
konnte  sie  die  Liebe  ihrer  herrschsüchtigen  Schwiegertochter  nicht 
gewinnen.  Diese,  eine  geborne  Stodoranerin 5)  und  erklärte  Ge- 
gnerin des  Christenthums,  konnte  schon  desshalb  der  glaubens- 
eifrigen Schwiegermutter  nicht  hold  sein.6)  Nunmehr  durch  selbe 
vermeintlich  in  ihrem  Ansehen  und  Einflüsse  beeinträchtigt,  veran- 
lasste sie  —  vielleicht  nur  durch  ein  voreiliges  Gebot  —  die  furcht- 
barste Gräuelthat.  Zwei  böhmische  Edle,  Tummia  und  Gommo,  ge- 
folgt von  wenigen  Begleitern,    überfielen  die  fromme  Ludmila  in 


!)  Chronik  des  Klosters  S.  Georg  von  Weitenauer,  Manuscript  der  k.  k.  Uni* 
versitäts-Bibliothek,  XVI.  B.  2   (cit.  Archiv.  S.  Georgii  X.  X.  X.  X.  §.  36.) 

2)  Siehe  weiter  unten  §.  12.  n.  2. 

3)  Christannus  p.  50. 
*)Ebend..p.  49. 

5j  Sie  heisst  auch  eine  Luticierin,  d.  i.  Lausitzerin.  Jedenfalls  entstammte 
sie  einem  Slawenstamme  nördlich  von  Böhmen,  nicht  aber  von  Luditz  (früher 
Zlutice)  oder  aus  dem  Saazer  Lande,  das  ehedem  von  seiner  Wiesenland- 
schaft Lucane  hiess. 

6)  Cosmas  a.  a.  894. 


16 

ihrer  Einsamkeit  zu  Tetin  und  wurden  die  Mörder  der  ersten  hei- 
ligen Blutzeugin  unseres  Vaterlandes  (15.  September  927). [)  Und 
nun  begann  eine  Zeit  schwerer  Anfechtung  für  die  jugendliche 
Kirche  in  Böhmen.  Die  Christen,  ihrer  hohen  Schützerin  beraubt  und 
in  schlechtem  Ansehen  bei  der  nunmehr  unumschränkt  herrschenden 
Drahomira,  wurden  allerwärts  von  den  neu  ermuthigten  Heiden 
beunruhigt,  gekränkt,  verfolgt,  hin  und  wieder  gemordet.  Dem  Klerus 
erging  es,  wo  möglich,  noch  schlimmer.  Die  Grotteshäuser  wurden 
gesperrt  und  selbst  niedergebrannt,2)  der  heilige  Dienst  gewaltsam 
gehindert,  die  Priester  —  in  so  weit  sie  einem  schlimmeren  Loose 
entgangen  waren  —  aus  dem  Lande  getrieben.  Alle  Klagen  fanden 
taube  Ohren  vor  den  jetzt  bevorzugten  heidnischen  Richtern  und 
nicht  minder  vor  dem  fürstlichen  Throne.  Auch  an  direkten  An- 
griffen von  höchster  Stelle  herab  fehlte  es  nicht,  so  dass  selbst 
der  junge  Herzog  Wenzel  nur  in  dunkler  Nacht  den  ihm  treuen 
geistlichen  Lehrer  bei  sich  empfangen  musste,  und  nur  mit 
List  dem  neuauflebenden  heidnischen  Opferdienste  sich  entziehen 
konnte.3)  Diese  traurige  Zeit  hatte  ein  Ende,  als  endlich  der  ju- 
gendliche Wenzel  selbst  die  Zügel  der  Regierung  ergriff. 

§.6.  Der  heil.  Wenzel. 

1.  Als  Knabe  schon  in  der  ersten  christlichen  Schule  zu  Budeö 
von  dem  frommen  Priester  Unego4)  in  den  heiligen  Wissenschaf- 
ten   „wie  ein  Priester"  5)  gebildet,    nachher   unter   den  Augen  der 

!)  Die  Passio  S.  Ludmilae  wurde  in  Böhmen  bis  ins  13.  Jahrhundert  am  15. 
September  gefeiert  und  erst  1245  auf  den  folgenden  Tag  verlegt.  (Do- 
browsky  kritische  Versuche  II.  Ludmila  und  Drahomira  S.  45.  —  Palacky, 
Geschichte  Böhmens  I.  204. 

3)  Weitenauer:  Chron.  von  S.  Georg  MS.  cit.  ausser  Christannus  meist  spätere 
Quellen.    Unter  den  zerstörten  Kirchen  werden   genannt:    S.    Georg   und 

'  -    S.  Maria  am  Teyn. 

3j  Hyzonis  vita  S.  Wenceslai,  Manuscript  der  Prager  Metropolitancapitel-Bi- 
bliothek,  Abschrift  in  der  Universitätsbibliothek.  Dass  Bischof  Hyzo  selbst  der 
Verfasser  gewesen  sei,  ist  nicht  nachweisbar;  doch  reicht  die  Schrift  bis  in 
seine  Zeit  hinauf. 

4)  So  nennt  ihn  die  Vita  S.  Wenceslai  des  Hyzo.  Ein  anderes  Manuscript 
(bei  Dobner  ann.  III.  436)  nennt  ihn  Duego. 

5)  Vita  S.  Wenc.  des  Hyzo.  —  Altslawische  Legende  vom  h.  Wenzel  (die 
älteste)  abgedruckt  in  Wattenbachs  „Slawischer  Liturgie  in  Böhmen", 
S.  234  etc. 


17 

heiligen  Grossmutter  zum  eifrigen  Diener  Christi  herangezogen, 
war  Wenzel  schon  längst  ein  Vater  der  Armen  und  Bedrängten, 
gross  in  der  Demuth,  Geduld,  Sanftmuth,  Liebe  und  am  meisten 
in  heiliger  Andacht,  im  treuen  Bekenntnisse  des  Glaubens,  —  ein 
erhabenes  Vorbild  seines  Volkes.1) 

2.  Das  feindselige  Benehmen  seiner  Mutter  gegen  das  auf- 
sprossende Christenthum  im  Lande  und  die  Theilnahme  derselben 
am  Kampfe  der  benachbarten  Slawenstämme  gegen  das  deutsche 
Reich  hatte  einen  Kriegszug  des  deutschen  Königs  Heinrich  X, 
und  sofort  die  Verbannung  der  heidnischen  Fürstin  und  die  Erhe- 
bung Wenzels  zur  Folge.  Dem  neuen  unter  Schutz  und  Pflicht 
des  deutschen  Reichs  gestellten  Herzoge  war  die  christliche  Reli- 
gion nicht  bloss  eine  Angelegenheit  wohlverstandener  Politik,  son- 
dern auch  des  Herzens  und  der  ganzen  Seele.  Er  rief  die  ver- 
triebenen Priester  wieder  ins  Land  zurück,  stellte  die  zerstörten 
Kirchen  wieder  her,  und  Hess  in  allen  Städten  neue  Got- 
teshäuser bauen,  die  er  alle  persönlich  am  Feste  ihrer  Weihe 
zu  besuchen  pflegte.  Prag  selbst  erhielt  vom  frommen  Sinne  des 
Fürsten  mit  ausdrücklich  erZulassung  desBischofs  von 
Regensburg  die  neue  Hauptkirche  zu  Ehren  des  h.  Veit,  die  nach- 
malige Kathedrale  des  Landes.  Auch  fremde  Geistliche  aus  Baiern 
und  Schwaben  strömten  auf  die  Kunde  vom  christlichen  Eifer  Wen- 
zels mit  heiligen  Büchern  und  Reliquien  nach  Böhmen  her,  und  der 
Landesvater  versorgte  sie  auf  das  reichlichste  mit  allem  Bedarfe.2) 
Nicht  zufrieden,  in  Wort  und  That  alles  Mögliche  zur  Beförderung 
des  Christenglaubens  unter  den  Freien  seines  Landes  gethan  zu 
haben,  kaufte  er  selbst  Sklavenkinder,  um  selbe  zu  frommen  Chri- 
sten heranbilden  zu  lassen.3)  Alle  seine  Biographen  preisen  einmü- 
thig  seine  unbefleckte  Keuschheit,  die  ihn  als  einen  Engel  im 
Fleische  erscheinen  liess,  —  dessgleichen  seine  Milde  in  der  Re- 
gierung des  Volkes,  so  dass  er  die  Todesstrafe  für  die  Zeit  seines 
Lebens  gänzlich  aufhob,  —  seinen  gottesdienstlichen  Eifer,  der  ihn 
noch  immer  dem  Priester  am  Altare  dienen  und  Hostien  und  Wein 
für  den  heiligen  Dienst  bereiten  hiess,  —  seine  Liebe  gegen  die 
Armen,    denen   er    im  Dunkel    der  Nacht   ein  unerkannter  Helfer 


*)   Hyzonis  Vita  S.  Wenceslai. 

2)  Ebend.  —  Altslawische  Legende  bei  Wattenbach  und  Christannus. 

3j  Christannus  und  die  älteren  Legendisten. 

2 


18 

ward,  —  seine  wunderbare  Sanftmuth,  die  auch  dem  erbittertsten 
Feinde  nicht  zu  grollen  vermochte.  So  stand  er  schon  im  Leben  da  als 
ein  echter  Heiliger  Gottes  ')  und  eine  (freilich  erst  von  Dalimil 
erwähnte  und  seitdem  vielfach  nacherzählte)  Sage  lässt  ihn  als 
solchen  vor  dem.  Throne  des  deutschen  Königs  Heinrich  erkannt 
und  in  Folge  dessen  mit  der  Königswürde  ausgezeichnet  werden. 

3.  Nichtdestoweniger  gab  es  viele  Missvergnügte  im  Lande, 
die  ebensosehr  dem  Ueberhandnehmen  deutschen  Einflusses  als  der 
angeblich  mönchischen  Gesinnung  ihres  Fürsten  zürnten.  Diese 
schaarten  sich  insgeheim  um  den  jüngeren  Bruder  Boleslaw,  der  in 
der  von  ihm  erbauten  Stadt  Altbunzlau  (Starä  Boleslaw)  als  Vasall 
des  älteren  Bruders  herrschte.  Von  diesen  Verführern  berückt  und 
von  eitler  Herrschsucht  geblendet,  zückte  dieser  gegen  seinen  hei- 
ligen Bruder  bei  Gelegenheit  eines  vertrauensvollen  Besuches  (Bo- 
leslaw feierte  den  Geburtstag  eines  Sohnes)  —  und  sogar  an  der 
Pforte  des  Tempels2)  das  mörderische  Schwert.  Da  fand  er  aber 
in  dem  Angegriffenen  den  stärkeren  Gegner.  Nun  eilten  auf  sei- 
nen Ruf  seine  Knechte  herbei  und  durchbohrten  meuchlings  die 
Brust  des  edelsten  Fürsten.  Auch  den  treuesten  Diener  Podiwin 
ereilte  bei  dieser  Gelegenheit  der  blutige  Tod  für  seinen  Herrn.3) 
So  starb  Wenzel  den  Tod  der  Märtyrer  (28.  September  935, 4)  und 

1)  Auch  SigbertusGemblacensis  nennt  ihn  schon,  Justitia  et  sanctitatepraeclarmn." 

2)  Dass  auch  Drahomira  am  Morde  betheiligt  gewesen  sei,  lässt  sich  nach 
älteren  Quellen  nicht  behaupten.  Aus  dem  Exile  war  sie  damals  allerdings 
schon  längst  zurück,  und  zwar  durch  Wenzel  selbst  gerufen.  Es  ist  aber 
Thatsache,  dass  sie  nach  der  Ermordung  ihres  Sohnes  weinend  herbeieilte, 
an  das  Herz  des  Entseelten  sich  warf  und  den  Leichnam  ins  geistliche 
Haus  tragen  liess.  Ebenso  ist  es  ausgemacht,  dass  damals  auch  ihr  selbst 
von  den  Verschwornen  der  Tod  zugedacht  war,  und  dass  sie  auf  die  Nach- 
richt hievon  trotz  der  Erhebung  Boleslaws  eilig  Stadt  und  Land  verliess. 
(Aelteste  slawische  Legende  des  heil.  Wenzel,  tibersetzt  in  Wattenbachs 
„Slawische  Liturgie  in  Böhmen"  S.  234.  —  Christannus.  —  Palacky  I.  209.) 

3)  So  die  auf  Befehl  Otto  II.  973 — 983  verfasste  Wenzelslegende  Gumpolds 
von  Mantua,  auf  die  nach  Dobrowsky  die  zu  seiner  Zeit  bekannten  Wen- 
zelslegenden zurückzuführen  sind.  (Vgl.  Palacky,  Würdigung  böhmischer 
Geschichtsschreiber,  S.  294.)  So  auch  Christannus.  Ebenso  stellt  auch 
ein  Gemälde  der  Leitmeritzer  Domkirche  (von  Skreta)  den  Tod  des  heil. 
Wenzel  dar.  Die  Ermordung  durch  die  Hand  Boleslaws  selbst  ist  ge- 
schichtlich unbegründet. 

4)Die  synchronistische  Zusammenstellung  erweiset  eben  dieses  Jahr.  Vergl. 
Damberger  synchr.  Gesch.  IV,  Kritikh.  216.    Pertz  V.  438,  Note. 


19 

besiegelte  mit  seinem  Blute  die  heilige  Ueberzeugung,  der  er  sein 
ganzes  Leben  gewidmet  hatte.  Boleslaw  aber  stieg  über  die  Leiche 
des  heiligen  Bruders  empor  auf  den  Herrscherstuhl. 

§.  7.    Die  beiden  Boleslawe. 

1.  Der  unglückseligen  That  folgte  zunächst  eine  schwere  Be- 
drängniss  für  die  Kirche  Böhmens.  Dem  Namen  nach  war  es  eine 
Reaction  gegen  das  unter  Wenzels  Begierung  emporgekommene 
deutsche  Wesen  im  Lande  und  zugleich  gegen  die  Oberherrschaft 
der  Könige  von  Deutschland:  in  Wirklichkeit  galt  der  Kampf  Sei- 
tens der  zur  Herrschaft  erhobenen  Partei  nur  zu  sehr  dem  Kle- 
rus und  den  glaubenseifrigen  Christen  des  Landes.  In  Prag  selbst 
starben  gar  Viele  den  Tod  der  Glaubenstreue  in  den  Fluthen  der 
Moldau:  „nur  Gott  kannte  ihre  Zahl  und  gesellte  sie  zu  seinen 
Auserwählten".1)  Auf  dem  Lande  hielten  unterschiedliche  Herren 
treuer  zum  deutschen  Reiche  als  zu  dem  neuen  blutbefleckten 
Landesfürsten;  andere  scheinen  auf  eigene  Faust  völlige  Un- 
abhängigkeit angestrebt  zu  haben.  Da  gab  es  denn  einen  langen 
und  schlimmen  Kampf,  welcher  der  jungen  Pflanzung  des  Chri- 
stenthums  gewiss  nichts  weniger  als  günstig  war,  zumal  auch  die 
gegen  Boleslaw  entsandten  Heere  des  deutschen  Königs  Otto  I. 
durch  14  Jahre  mit  geringem  Glücke  stritten  und  mit  den  ver- 
folgten Deutschen  leider  auch  die  meisten  christlichen  Priester 
aus  dem  Lande  entfliehen  mussten.  Als  endlich  um  950  die 
Waffen  Otto's  I.  den  lang  ersehnten  Frieden  und  Böhmens  altes 
Verhältniss  zum  deutschen  Reiche  wieder  herzustellten  vermochten, 
hatte  auch  Boleslaw  die  vollständige  Unterwerfung  aller  Gaue  des 
Landes  beendet  —  und  vielleicht  hiedurch  nicht  weniger  als  durch 
den  Brudermord  den  Namen  des  Grausamen  sich  erworben.3) 

2.  Indess  hatte  Gott  seinen  heiligen  Blutzeugen  bereits  durch 
zahlreiche  Wunder  verherrlicht.  Was  bisher  keine  Predigt  vermocht 
hatte,  das  bewirkte  alsbald  der  nach  allen  Richtungen  sich  ver- 
breitende Ruf  des  Heiligen.  Sofort  verlangten  auch  die  bisher  Ver- 
härteten zahlreich  nach  dem  Bade  der  Wiedergeburt,  und  selbst  aus 
dem  Brudermörder  ward  endlich  durch  die  Gnade  Gottes  —  ein  reue- 


!)  Christannus,  und  Gumpolds  Legende. 
2)Vgl.  Palacky  I.  211—214. 

2* 


20 

voller  Büsser.  ])  Es  stand  nicht  bei  ihm,  dem  Gemordeten  das 
Leben  wieder  zu  geben:  darum  bereitete  er  wenigstens  dem  ver- 
herrlichten Leichname  desselben  in  der  neuen  Set.  Veitskirche  zu 
Prag,  die  er  durch  einen  Stellvertreter  des  Regensbur- 
ger Bischofs  Tuto  weihen  Hess,  ein  ehrenreiches  Grab.3)  Er 
führte  fortan  auf  seinen  Münzen  neben  dem  eigenen  auch  seines  heili- 
gen Bruders  Bild.3)  Den  Sohn  (Strachkwas),  bei  dessen  Geburtsfeier 
die  unselige  That  geschehen  war,  verlobte  er  dem  Kloster  zu  S. 
Emmeram  in  Regensburg,  auf  dass  derselbe  dort  durch  ein  Leben 
der  Gottseligkeit  und  Selbstverleugnung  die  Schuld  des  unglückli- 
chen Vaters  sühnen  helfe.4)  Daheim  erzog  er  selbst  der  böh- 
mischen Kirche  ausser  diesem  ersten  Ordensbruder  auch  Böhmens 
erste  Klosterfrau  (Mlada),  dem  nachbarlichen  Polenvolke  die  erste 
christliche  Landesmutter  (Dubrawka),  dem  Vaterlande  den  frömm- 
sten seiner  Fürsten  (Boleslaw  IL)  Er  zeigte  sich  nun  um  so  unzwei- 
felhafter als  Gönner  und  Beförderer  des  Christenthums  in  seinem 
Reiche,  indem  er  nach  dem  Beispiele  seines  verklärten  Bruders  meh- 
rere Kirchen  baute5)  und  für  die  Stiftung  eines  eigenen  Bisthums 
sich  bemühte. 6)  Doch  in  letzterer  Beziehung  nöthigte  ein  höherer 
Rathschluss  ihn,  der  bisher  dem  Könge  David  in  der  Sünde  und  in 
der  Busse  nachgefolgt  war,  wie  einst  David  —  solch'  geistigen  Tem- 
pelbau dem  durch  keine  Blutschuld  befleckten  Sohne  zu  hinterlassen. 
Boleslaw  I.  starb  am  15.  Juli  967.  Der  Sieg  des  Christenthums  war 
im  Land  entschieden.  Entbehrt  auch  die  zuerst  von  Hajek  erzählte 
Sage,  dass  S.  Wenzel  als  himmlischer  Ritter  auf  dem  Felde  bei 
Tursko  die  Heiden  in  die  Flucht  geschlagen  habe,  einer  älteren 
historischen  Begründung,  so  ist  sie  uns  dennoch  recht  lieb  und  werth 
—  als  verkörperte  Ueberzeugung,  dass  eben  Wenzels  Martyrthum 
der  Lehre  Jesu  in  ganz  Böhmen  den  Sieg  gewonnen  habe. 

3.  Boleslaw  IL,  von  der  Nachwelt  stets   der  Fromme   ge- 
nannt,   trat  ganz  in  die  Fussstapfen   des  h.  Wenzel,    nur  dadurch 


l)  Altslawische  Legende  bei  Wattenbach. 
3)  Ebendaselbst.    t 

3)  Dobneri  annal.  III.  630.    . 

4)  Cosmas.    Solche  Widmungen  unmündiger   Kinder  sind  in  jener  Zeit  und 
auch  noch  später  sehr  häufig  gewesen. 

5)  Hajek. 

6)Dobn.  ann.  IV.  147  u.  158.    Hajek  ad  ann.  966. 


21 

von  diesem  verschieden,  „dass  er,  obwohl  friedliebend  und  milde, 
doch  auch  mit  den  Waffen  vertraut  war,  in  allen  Schlachten  sieg- 
reich kämpfte  und  harten  Stahl  dem  glänzenden  Golde  vorzog/' 
Im  Uebrigen  aber  war  er  „der  christlichste  Fürst,  der  Beschützer 
aller  Witwen  und  Waisen,  der  Helfer  aller  Nothleidenden,  der  frei- 
gebige Gründer  sehr  vieler  Kirchen  im  Lande."  ')  Herrlich  er- 
blühte unter  seiner  Regierung  der  christliche  Glaube  in  Böhmen. 
Nur  Eines  fehlte  noch:  das  Volk,  „allerdings  in  der  Lehre  Jesu 
unterrichtet  und  von  den  alten  Götzenbildern  abgewendet,  ent- 
behrte noch  eines  eigenen  Oberhirten  und  verstand  es 
darum  noch  wenig,  die  neue  Religion  auch  im  Leben  zu 
üben."2)  Auch  das  segensreiche  Institut  des  klösterlichen  Lebens, 
ebenso  ein  Ideal  christlichen  Wandels  als  eine  Schule  der  Volks- 
erziehung, ging  dem  Lande  ab.  Beides  sollte  Böhmen  dem  frommen 
Boleslaw  verdanken,  und  hiemit  ein  interessanter  Wendepunkt  in 
der  Geschichte  der  böhmischen  Kirche  eintreten.  Der  n  a  ch 
Aussen  hin  sieg  gekrönte  Glaube  sollte  nun  auch  die 
Reste  des  alten  Heidenthums  in  den  Herzen  unserer 
Väter  überwinden. 

§.  8.    Das  erste  Gedeihen  des  Ghristenthums  im  Bereiche  der  jetzigen 

Diöcese  von  Leitmeritz. 

1.  Hundert  Jahre  waren  vergangen,  seit  Bofiwoj  als  Erstling 
der  böhm.  Herzoge  zum  h.  Christusglauben  sich  bekehrt  hatte ;  hun- 
dert Jahre  des  steten  Kampfes  der  heiligen  Ueberzeugung  der  Neube- 
kehrten mit  dem  beleidigten  Fanatismus  der  Heiden.  Endlich  war 
allerwärts  der  Untergang  des  Götzendienstes  und  der  Sieg  des 
Kreuzes  entschieden.  Nur  im  Verborgenen  konnte  der  alte  Aber- 
glaube noch  einige  Zeit  sich  ein  kümmerliches  Dasein  fristen  und 
im  Leben  des  Volkes  mochte  noch  vielfach  die  angewohnte  Sitte 
einzelnen  Anforderungen  des  Christenthums  sich  entgegen  stellen. 
Hier  den  Sieg  der  Kirche  zu  vollenden,  blieb  die  Aufgabe  der 
nächsten  Zukunft. 

2.  In  unserer  jetzigen  Diöcese  Leitmeritz  gedieh,  abgesehen 
von  den  ersten  Anfängen  unter  Carl  dem  Grossen  und  Ludwig  dem 


l)  So  Cosmas.    Derselbe  gibt  die  Zahl  dieser  Kirchen  auf  20  an. 
8)  So  Vita  S.  Wolfgangi  ap.  Mabill  p.  986. 


22 

Deutschen,  die  christliche  Lehre  wohl  am  allerfrühesten  in  der 
Landschaft  von  Melnik,  der  damaligen  Zupe  Psowane  (von  der 
älteren  Burg  Psow l)  so  genannt).  Dieselbe  war  gewiss  nicht 
minder  umfangreich,  als  das  nachmalige  bekannte  Dekanat  von 
Melnik,  und  erstreckte  sich  somit  von  Elbekostelec  an  längs  der 
Elbe  bis  Gastorf  und  nordwärts  bis  in  die  Nähe  von  Böhmisch- 
Leipa.2)  Herr  dieses  Gaues  war  zu  Bofiwojs  Zeit  der  Vater  Lud- 
milas,  der  edle  Slawibor.  Als  Bofiwoj  alsbald  nach  seiner  Bekeh- 
rung sein  liebes  Vaterland  wieder  verlassen  musste,  soll  seine  bereits 
getaufte  Gemahlin  ihre  Zuflucht  bei  ihrem  Vater  in  Melnik  (wahr-  * 
scheinlicher  wohl  in  Päow3)  gesucht  und  auch  gefunden  haben. 
Ebendaselbst  ward  sie  der  Sage  nach  Mutter  ihres  dritten  Sohnes 
Boleslaw,4)  bei  dessen  Taufe  —  wenn  nicht  vielleicht  früher 
schon  —  Slawibor  mit  seiner  Gattin  Lidoslawa 5)  und  ihrem  Sohne 
Hausek, 6)  dem  Erbauer  der  Burg  Hauska,  den  christlichen  Glauben 
annahmen.  Es  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass  sofort  in  der  Burg  des 
Gaues  eine  christliche  Kirche  erbaut  wurde.  —  Ueberhaupt  ist 
soviel  sicher,  dass  seit  der  Bekehrung  Boriwojs  die  ersten  Gottes- 
häuser in  der  Regel  in  den  Burgen  der  ihm  zugethanen  Grossen 
des  Landes  und  vor  allen  in  den  Hauptorten  der  unterthänigen 
Zupen  standen,   wo  gewiss  nur  christliche  Beamte  des  christlichen 


x)  Dieselbe  dürfte  in  der  nächsten  Nähe  der  heutigen  Stadt  Melnik  gestanden 
sein,  wo  jetzt  noch  der  Bach  und  die  Ortschaft  Sopky  (eigentlich  wohl 
Psowky)  an  den  alten  Namen  erinnern.  Vgl.  Jirecek  £upy  Öech  in  Pamät- 
ky  archeol.  IL  267. 

3)  Die  Dekanate  fielen  auch  nachmals  zumeist  mit  den  £upen  zusammen.  Im 
J.  1384  zählte  das  Dekanat  Melnik  folgende  Seelsorgsstationen:  Melnik,  Ne- 
buzel,  Zebus,  Dauba,  Steti  (Wegstädtl),  Wysoka,  Liboch,  Krp,  Liblic, 
Wtelno,  Chorusic,  Radaun,  Krusina  (Habichtstein?),  Destna  (Teschen), 
Kanina,  Medonos,  Chodeö,  Öeöelic,  Widim,  Chlum,  Zabor,  ßepin,  Wsetat, 
Kozly  und  Hlawno. 

3)Die  Stiftungsurkunde  des  Prager  Bisthums  von  972  (enthalten  in  der  Be- 
stätigungsurkunde  des  Kaisers  Heinrich  IV.)  nennt  diese  Landschaft  noch 
immer  Psowane.  Die  Stadt  Melnik  in  der  Nähe  der  Burg  Psow  entstand 
wohl  erst  um  diese  Zeit  und  nahm  sofort  die  ^upenverwaltung  in  sich  auf. 

4)Dubravius  I.  4.    Pulkawa.    Hajek. 

5)Hajek  ad  892.    Der  Name  ist  vor  Hajek  nicht  erwähnt. 

G)  Hajek  ad  878.  Die  Burg  Hauska  lag  in  der  Nähe  des  Pösig.  Auch  der 
Name  des  Hausek  wird  in  älteren  Schriften  nicht  erwähnt;  doch  bleibt  es 
möglich,  dass  Hajek  aus  verlässigen  Lokalsagen  schöpfte. 


23 

Fürsten  ihren  Wohnsitz  hatten.  Der  bei  einem  solchen  Gottes- 
hause bestellte  Leutpriester  (plebanus)  oder  Pfarrer  (parochus ') 
bekehrte  auf  häufig  wiederholten  Missionsgängen  die  nähere  und 
weitere  Umgebung,  welche  auch  desshalb  noch  ziemlich  lange  an 
die  Mutterkirche  des  Gaues  sich  halten  musste.  Späterhin  wurden 
wohl  auch  auswärts  Kirchen  gebaut 2),  aber  immer  noch  von  der 
jetzt  zahlreicher  gewordenen  Priesterschaft  der  Mutterkirche  exkurri- 
rencl  versehen.  Erst  als  dieses  beim  Anwachsen  der  christlichen 
Bevölkerung  als  minder  vorteilhaft  sich  herausstellte,  ging  man 
an  die  Errichtung  mehrerer  Pfarreien  im  Gaue  3),  die  aber  sämmtlich 
der  Aufsicht  des  Seelsorgers  im  Zupensitze  als  Dekans,  später 
aber  irgend  eines  andern  Pfarrers,  der  aber  vom  Zupensitze  den 
Dekanstitel  führte,  unterstellt  waren.4)  —  In  Melnik  selbst  gab 
es  in  Folge  des  erwähnten  Umstandes  der  Priester  alsbald  so 
viele,  dass  nachher  die  Einführung  der  Regel  Chrodegangs  unter 
ihnen  möglich  ward,  und  so  das  Kollegiatkapital  daselbst  entstand. 
Eine  der  ersten  selbstständigen  Landkirchen  des  Gaues  —  wenn 
nicht  unbedingt  die  erste,  war  die  zu  Chocebus  (Zebus),  welche 
schon  im  J.  993  dem  neuerrichteten  Benediktinerkloster  Bfewnow 
überantwortet  wurde.  Wahrscheinlich  war  sie  eine  jener  20  Kir- 
chen, welche  Boleslaw  der  Fromme  erbaut  hatte.5) 

3.  Unter  die  ersten  Anhänger  des  Christenthums  in  Böhmen 
gehörte   auch  der  Graf  von  Libic,    der  Grossvater  des  heiligen 


')  Der  Parochus  ist  der  Verwalter  einer  xccoomlcc  —  parochia  —  d.  i.  der 
Ansiedlung  im  Gebiete  eines  Gotteshauses.  Der  deutsche  Name  Pfarrei 
und  Pfarrer  stammt  ebendaher.  In  älterer  Zeit  ist  der  Name  plebanus 
häufiger. 

2)  Diese  Kirchen  waren  meist  von  Holz  und  so  klein,  dass  das  Volk  dem 
Gottesdienste  nur  ausserhalb  stehend  beiwohnen  konnte.  Chorknaben  ver- 
kündeten dem  Volke  die  Verrichtungen  des  Priesters.  Eines  möglichen 
Ueberfalls  wegen  ward  es  Sitte,  dass  einige  Bewaffnete  vor  dem  Eingange 
Wache  hielten.    (Vgl.  Schmidt:  oberlausitzer  Kirchengalerie,  S.  210.) 

3)  Nach  dem  kanonischen  Rechte  wurden  zur  Bildung  einer  eigenen  Seelsorge 
wenigstens  10  christliche  Familien  erfordert. 

4)Vgl.  Palacky  I.  180.  und  die  allgemeine  Sitte  des  christlichen  Alterthums. 
Der  Dekanus  war  dem  Wortbe griffe  nach  der  Aufseher  von  10  Priestern, 
dies  zunächst  im  Orden  der  Benedictiner  und  weiterhin  auch  im  Säkular- 
klerus. 

5)  Instrum.  erect.  Brewnow.   Erben  regesta,  p.  33. 


24 

Adalbert.  Die  Burg  Libic  liegt  unmittelbar  jenseits  der  äussersten 
Südostgränze  der  jetzigen  leitmeritzer  Diöcese,  —  in  der  Nähe 
von  Podöbrad.  Das  im  neunten  und  zehnten  Jahrhunderte  dazu 
gehörige  Gebiet  hatte  zu  Gränzen  —  im  Westen  „den  Bach  Su- 
rina (Surma)  und  die  Burg  auf  dem  Berge  Osek  in  der  Nähe  des 
Flusses  MsaUI)  —  gegen  Süden  „Chinow,  Dudleby  und  Netolice 
bis  in  die  Mitte  des  Waldes,"  —  gegen  Osten  Leitomischl  und 
gegen  Norden  die  Burg  Kladsko. 2)  So  unbestimmt  auch  diese 
Gränzen  theilweise  bezeichnet  sind,  so  gehörte  doch  jedenfalls  auch 
ein  Theil  der  jetzigen  Diöcese  Leitmeritz  zum  Gebiete  von  Libic, 
sicher  das  ganze  nachmalige  Dekanat  Hawran  3)  (später  Nimburg) 
und  die  Gegenden  von  Libun  und  Liban,  die  dem  alten  Dekanate 
von  Jicin  angehörten. 4)  Jener  Graf  von  Libic  wird  als  Schwe- 
stermann, und  sein  Sohn  Slawnik  als  ein  Neffe  des  deutschen  Kö- 
nigs Heinrich  des  Voglers  5)  bezeichnet.  Er  soll  zugleich  bedeu- 
tende Besitzungen  im  deutschen  Reiche  inne  gehabt  haben  und 
als  deutscher  Graf  der  Schwiegersohn  des  vormaligen  Sach- 
senherzogs geworden  sein. c)  Es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass 
er  damals  schon  Christ  war;  im  entgegengesetzten  Falle  würde 
doch  wenigstens  seiner  christlichen  Gemahlin  das  Verdienst  seiner 


l)  Ritter  Kaliina  v.  Jaethenstein  hat  in  einer  Versammlung  der  hist.  Sektion 
in  der  böhmischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  (7.  Jänner  1841)  nach- 
gewiesen: dieser  Berg  Osek  sei  der  jetzige  Berg  Hradist  beim  heutigen  Dorfe 
Yosek  in  der  Nähe  von  Radnitz  im  Pilsner  Kreise. 

3)  Cosmas  ad  981.  Ohne  Zweifel  sind  hier  mehrere  getrennte  Gebiete  in 
den  bezeichneten  Gegenden  anzunehmen. 

8)  In  Hawran  (jetzt  nur  ein  Hof)  befand  sich  gewiss  auch  die  älteste  Kirche. 

4)  Das  Dekanat  Hawran  bildete  muthmasslich  mit  dem  von  Bydzow  die  nach- 
herige 2upe  Libic,  die  bald  von  der  neuen  2upenburg  auch  den  Namen  Ha- 
wran erhielt.  Das  Dekanat  von  Jiöin  ist  wohl  identisch  mit  der  alten  2upe 
2eleznice,  so  genannt  von  der  gleichnamigen  Burg  in  der  Nähe  von  Jicin. 
(Vgl.  Jirecek  £upy  Cech  in  den  Pamätky  archaeol.  II.  269.  u.  270.) 

5)  „Henrici  imperatoris  proximus  nepos"  bei  Anonym,  chron.  Boh.  apud 
Menken  III.  p.  1642;  ebenso  bei  Christannus  de  Skala,  und  in  der  ältesten 
Vita  S.  Adalberti  cit.  Dobn.  arm.  IV.  p.  202. 

G)  Bonfinius  dec.  IL  lib.  1.  Brotuffius,  Baibin  etc.  cit.  ber  Bolelucky  JRosa 
boemica  p.  32.  Wäre  es  nicht  denkbar,  dass  derselbe  am  Ende  gar  ein 
Descendent  des  ehemaligen  sorabischen  Markgrafen  Thakulf  gewesen  ist, 
den  wir  als  einen  gebornen  Böhmen  erkannt  haben,  und  der  einst  eben- 
falls in  Deutschland  begütert  war? 


25 

Bekehrung  zugeschrieben  werden  müssen.  Sicher  arbeiteten  beide 
Gatten,  sowie  an  der  christlichen  Erziehung  ihrer  Söhne,  so  auch 
an  der  Christianisirung  ihrer  Unterthanen  im  Gebiete  von  Libic  mit 
so  günstigem  Erfolge,  dass  nachmals  der  erste  Biograph  ihres  heiligen 
Sohnes  Adalbert  von  dieser  Gegend  rühmen  konnte,  es  habe  da 
zur  Zeit  Slawniks  das  Christenthum  am  allerschönsten  geblüht.1) 

4.  Von  Altbunzlau  aus,  wo  bereits  zur  Zeit  des  heiligen 
Wenzel  eine  christliche  Kirche  bestand , 3)  musste  die  christ- 
liche Lehre  alsbald  in  die  dazu  gehörige,  westlich  von  Melnik 
und  östlich  von  Libic  begränzte  Landschaft  dringen,  welche  nach- 
mals in  die  Dekanate  und  Zupen  von  B  u  n  z  1  a  u  (Jungbunzlau)  und 
K am  e  n i  c  e  (später  B  e  1  a  oder  Weisswasser)  zerfiel.  Dennoch  erhielt 
sich  hier  in  den  von  der  Mutterkirche  entfernteren  Gegenden  noch 
einige  Zeit  das  alte  Heidenthum.  Waren  doch  bei  Mseno  (am  Gal- 
genberge), Sudomef,  Kowan,  Hradek  (bei  Skalsko)  und  Hrobka 
(dem  späteren  Jungbunzlau)  uralte  heidnische  Opferstätten 3),  an 
denen  das  Volk  der  Umgegend  noch  mit  vieler  Vorliebe  hing. 
Hier  war  es  denn  auch,  wo  alsbald  eine  feindselige  Reaktion  gegen 
das  ringsum  aufblühende  Christenthum  sich  erhob,  so  dass  der 
sonst  so  milde  Herzog  Boleslaw  H.  (um  973)  sich  genöthigt  sah, 
ein  Kriegsheer  (angeblich  unter  Bratfimil  von  Hru§owa)  zu  Gun- 
sten der  bedrängten  Gläubigen  einschreiten  zu  lassen.  Die  Heiden 
sollen  sich  auf  den  Burgen  Stranow  und  Zamost  gesammelt  haben, 
alsbald  aber  in  einer  Feldschlacht  gänzlich  unterlegen  sein.  Auf 
dem  Schlachtfelde  erbaute  der  Herzog  ebensowohl  zum  Schutze  des 
Christenthums  als  zur  Sicherung  seiner  Regierungsgewalt  die  Burg 
Jungbunzlau  (Mladä  Boleslaw),  an  deren  Fusse  sofort  eine  Stadt, 
ebenso  wie  der  frühere  Begräbnissplatz,  Hrobka4)  genannt,  sich  erhob, 
—  ein  neuer  Mittelpunkt  des  immer  kräftiger  sich  entfaltenden  kirch- 


')  „Inillisfmibus,  tibi  Christiamt atis  (?)pulcherrima  floruit"  Acta  SS.  ad  23.  Apr. 
c.  1.  p.  178.  cit.  Dob.  annal.  IV.  111. 

2)  Das  Altbunzlauer  Gnaclenbild,  das  schon  der  h.  Wenzel  verehrte,  war  an- 
geblich aus  einem  ehemaligen  Götzenbilde  der  h.  Ludmila  geschnitzt  worden. 
(Weitenauer:  Chron,  S.  Georg.  MS.  „secundum  plures  scriptores") 

3)  Kaiina  von  Jaethenstein :  Böhmens  Opferplätze  S.  131,  164,  195,  196. 

4)  Nowotny  Kronika  Ml.  Boleslawskä,  p.  44.  Hajek  a.  a.  973.  Die  Stadt 
erhielt  den  Namen  Jungbunzlau  erst  1334,  als  man  selbe  unmittelbar  an 
die  Burg  verlegt  hatte.    Nowotny  Krön.  Ml.  Bolesl.  p.  47. 


26 

liehen  Lebens  der  Gegend.  Zunächst  ward  damals  in  der  befe- 
stigten Burg  eine  hölzerne  Kirche  zu  Ehren  der  Himmelfahrt  der 
allerseligsten  Jungfrau  angelegt  als  nachmalige  Hauptkirche  des  ge- 
sammten  bunzlauer  Archidiakonats.  *)  Wohl  auch  um  dieselbe  Zeit 
wurde  die  Stadt  Kamenice  (um  1380  schon  zerstört)  am  Pösig- 
berge  der  Standort  der  Mutterkirche  für  die  dortige  Umgebung.2) 
5.  Der  noch  erübrigende  nördliche  Theil  des  jetzigen  bunz- 
lauer Kreises,  wohl  die  späterhin  bei  der  Erektion  des  prager 
Bisthums  erwähnte  Zupe  Lemuzi,3)  verdankt  seine  Bekehrung 
zum  Christenthum  der'  seligenPfibislawa,  einer  Schwester  des 
heil.  Wenzel,  Herrin  der  Burg  und  des  weiten  Gebietes  von  Jablona 
oder  Gabel.4)  Diese  „Schwester  des  seligen  Martyrs  war  eine 
ehrwürdige  Matrone,  die  von  der  Wiege  an  gelernt  hatte,  ohne 
Klage  Christo  dem  Herrn  zu  dienen  nach  den  Geboten  des  Evan- 
geliums. Nachdem  sie  der  Herr  von  den  Pflichten  des  Ehestan- 
des entbunden  hatte,  weihte  sie  sich  ungetheilt  dem  Dienste  Gottes 
und  in  glühender  Sehnsucht  nach  dem  heiligen  Schleier  (des  klö- 
sterlichen Lebens)  verharrte  sie  Tag  und  Nacht  in  Gebet,  Fasten 
und  Wachen."  5)    Von  solcher  Gesinnung  durchdrungen   folgte  sie 


')  Ebendaselbst  S.  161  cit.  Kezel  p.  4. 

2)  Die  Seelsorgpfründen  des  Kamenitzer  Dekanats  werden  wie  die  der  übrigen 
weiterhin  angeführt  werden. 

3)  Lemuzi  soll  eine  Burg  in  dieser  Gegend  gewesen  sein,  angeblich  auch 
Skäly  genannt.  Dann  könnte  es  wohl  Gross-  oder  Kleinskai  bei  Turnau 
gewesen  sein. 

4)  In  der  ältesten  Legende  des  h.  Wenzel,  die  alsbald  nach  dessen  Martyr- 
tode  geschrieben  worden  ist,  (bei  Wattenbach  „die  slawische  Liturgie  in 
Böhmen"  S.  234  etc.)  heisst  es:  „Er  hatte  4  Schwestern,  und  sie  gaben  sie 
weg  in  verschiedene  Fürstenthümer  und  statteten  sie  aus."  —  Den  Namen 
Pribislawa  nennt  uns  zuerst  Christannus.  Ihr  Wirken  in  Gabel  berichtet 
Hajek  a.  a.  945  —  hier  wohl  auf  Grund  einer  uralten  Sage,  die  sich  auch 
in  der  dortigen  Gegend  erhalten  hat.  Baibin  beruft  sich  auf  einen  Codex 
pervetustus,  dass  sie  „m  pago  Jablon  sub  monte  Krutina"  begraben  lag, 
bis  ihr  Leichnam  1367  von  Carl  IV.  nach  Prag  übertragen  wurde.  (Vgl. 
Chron.  Benesii  in  Dobneri  monum.  IV.  50.) 

5)  Christannus.  Die  von  einer  Pribislava  erzählte  Entwendung  einiger  Reli- 
quien des  h.  Wenzel  verweist  Dobner  (annal.  IV.  54  u.  55)  auf  eine  spätere 
Person  desselben  Namens,  die  der  angebliche  Christannus  mit  der  Pribi- 
slava verwechselt  hat.  Dobner  begründete  seine  Ansicht  durch  einen  Ver- 
gleich des  Christannischen  Textes  mit  dem  Ottonianischen  (der  Vita  S.  Wen- 
ceslai,  die  auf  Befehl  des  Kaisers  Otto  von  Gumpoldus  verfasst  wurde.) 


27 

gewiss  dem  schönen  Beispiele  ihres  verklärten  Bruders  und  er- 
baute ebenso  wie  dieser  so  manche  christliche  Kirche  innerhalb 
ihres  Gebietes,  —  am  sichersten  wohl  die  älteste  Kirche  von 
Gabel  selbst,  die  nun  für  viele  Jahrhunderte  die  Mutterkirche  des 
gleichnamigen  Dekanates  bleiben  sollte.  Um  das  Jahr  1000  soll  bereis 
in  ihr  der  h.  Bruno  (Missionsbischof  für  Preussen)  gepredigt  haben. ') 
Pribislawa  erbaute  auch  am  Berge  Krutina  eine  Kapelle,  in  der 
sie  selbst  unablässig  der  Andacht  oblag  und  bei  welcher  sie  nach 
Vollendung  ihres  heiligmässigen  Lebens  eine  stille  Grabesstätte 
fand.  Die  dankbare  Nachwelt  ehrte  dort  die  Abgeschiedene  als 
eine  Selige,  und  so  zahlreich  strömten  ihre  andächtigen  Verehrer 
herzu,  dass  nachmals  der  Wladik  (Zupan?)  Chotislaus  jene  Kapelle 
zu  einer  geräumigen  Kirche  erweitern  musste2).  Nächst  Gabel 
mögen  die  nachmaligen  Dekanatsitze  Turnau  und  Hradiste  (Mün- 
chengrätz)  frühzeitig  eine  kirchliche  Bedeutung  erlangt  haben. 

§.  9.    Fortsetzung. 

1.  Leitmeritz  war  der  Sage  nach3)  im  J.  771  von  Lido- 
mir,  dem  Sohne  Kosais  (des  traditionellen  Erbauers  der  Burg 
Kosfäl)  und  der  Bela  (der  angeblichen  Erbauerin  Bilins),  ge- 
gründet worden  —  damals  „nahe  der  Burg  Hradec  (auf  dem 
Domberge)  und  unterhalb  des  Dorfes  Pokratic,"  also 
auf  dem  Platze  der  jetzigen  Vorstadt  Zasada.  Die  Burg  Hradec 
war  sofort  die  Zupenburg4)  der  „Leitmeritzer  Provinz,"  welche 
letzere  um  855  im  Süden  bis  über  Trebnitz  hin  sich  erstreckte, 5) 
nach  den  übrigen  Seiten  hin  aber  gewiss  nicht  minderen  Um- 
fang hatte,  als  das  nachmalige  Dekanat  dieses  Namens/)  Als 
Zupane  dieses  Bezirkes  erscheinen  der  Ueberlieferung  nach  die 
Wrsowecen,    ein   böhmisches    Herrengeschlecht,     wohl   von  einem 


')  Palme:  Rückblicke  in  die  Vorzeit  des  böhmischen  Niederlandes.    Manusc. 
2)  Sommer:  Bunzl.  Kreis,  S.  270  u.  271. 
3)Hajek  ad  771. 

4)  Die  Stiftungsurkunden  des  Leitmeritzer  Kapitels  nennen  den  gegenwärti- 
gen Domberg  ausdrücklich  das  „castrum  Litomericense" 

5)  Dies  erfahren  wir  aus  Cosmas,  wo  er  die  Gründung  von  Wlatislawa  er- 
zählt: hienach  erstreckten  sich  die  Gränzen  der  provincia  Litomericensis 
bis  ad  confinia  pagelli  Skalka  bei  Wlatislawa. 

6)  Vgl.  §.  23. 


28 

gleichnamigen  Orte  bei  Prag  so  genannt,  das  aber  —  angeblich  schon 
seit  887  —  eine  neue  Familienburg  dieses  Namens,  das  heutige 
Wr§owice,  bei  Laun  besass.1)  Die  Stadt  Leitmeritz  hat  ihnen  an- 
geblich ihre  zweite  Gründung  zu  verdanken.  Zu  grösserer  Sicher- 
heit sollen  sie  nämlich  einen  geeigneteren  Platz  neben  dem  bishe- 
rigen offenen  Burgflecken  mit  Wallgräben  und  Mauern  umzogen, 
und  am  nordwestlichen  Ende  (auf  der  jetzigen  sogenannten  Hrade) 
die  Burg  Hrad2)  erbaut  haben.  Leitmeritz  war  unter  der  Regie- 
rung Boleslaws  IL  jedenfalls  schon  christlich.  Abgesehen  davon, 
dass  dieser  fromme  Herrscher  eine  Menge  christlicher  Kirchen 
sogar  in  unbedeutenderen  Ortschaften  gründete,  und  am  allerwenig- 
sten in  der  nächst  Saaz  wichtigsten  Äupenburg  des  Landes  das 
Fortbestehen  des  Heidenthums  geduldet  haben  würde :  so  ist  auch 
erwiesen,  dass  damals  die  Wrsowecen  —  die  Zupane  von  Leitme- 
ritz und  Saaz  —  vom  h.  Adalbert  exkommunizirt  wurden,  was  doch 
nothwendig  ihr  christliches  Bekenntniss  voraussetzt.  Es  ist  sogar 
anzunehmen,  class  Leitmeritz  zu  jenen  Orten  des  Landes  gehörte, 
wo  schon  der  h.  Wenzel  christliche  Gotteshäuser  baute,  deren 
Weihefeste  er  alljährig  zu  besuchen  pflegte. 3)  Diese  Wahrschein- 
lichkeit steigt  fast  zur  Gewissheit,  wenn  —  wie  angenommen 
werden  darf  —  dieser  Heilige  im  J.  925  eine  Zeit  lang  zu  Leit- 
meritz seinen  Wohnsitz  hatte,  und  hier  durch  den  Eindruck  seiner 
persönlichen  Erscheinung  den  aufrührerischen  Dfislaw  besiegte.4) 
Wo  aber  die  älteste  Kirche  des  Ortes  —  und  der  ganzen  Äupe  — 
gestanden  sein  mag,  lässt  sich  mit  voller  Sicherheit  nicht  sagen. 
Wahrscheinlich  ist  es,  dass  sie  innerhalb  der  Burg  (Hradec)  er- 
richtet ward,  und  vielleicht  nur  aus  Holz,  wie  fast  überall.  Erst 
Herzog  Spytihnöw  IL  erbaute  die  steinerne  Kirche  („Basilica")  zu 
Ehren  des  h.  Stephan  im  J.  1057  und  stiftete  dabei  ein  Kollegiat- 
kapitel.  Wie  letzteres  gewiss  nur  den  früheren  Klerus  der  Burg  zum 


J)  Hajek  ad  a.  887. 

2)  Vgl.  „Leitmeritz  in  der  Gegenwart  und  Vorzeit"  von  Berthold.    S.  5  u.  6. 

3)  Vgl.  S.  5,  auch  Hyzonis  Vita  &  Wenceslai. 

4)  Dalimil,  der  das  Ereigniss  erzählt,  nennt  als  Schauplatz  die  herzogliche 
Burg  Zitomierz.  Doch  ist  letzterer  Name  in  mehreren  Manuscript-Codices 
Dalimils  „Litomierz"  geschrieben.  Schon  Dobner  [anndl.  III.  525)  ver- 
muthete,  dass  diese  letztere  Leseart  die  richtigere  sei,  da  ein  Zitomierz 
als  herzogliche  Burg  nirgends  vorfindig  ist. 


29 

kanonischen  Leben  vereinte:  so  mochte  sich  wohl  auch  das  neue 
Gotteshaus  auf  dem  Grunde  des  alten  erhoben  haben.  Die  Haupt- 
kirche der  eigentlichen  Stadt  (zu  Allerheiligen)  entstand  erst  im  J.  1127, 
und  die  Erbauung  derselben  aus  Stein  fällt  gar  erst  in  das  J.  1207, 
wie  später  berichtet  werden  wird.  Uebrigens  mag  sich  auch  in  und 
um  Leitmeritz  ein  Rest  des  alten  Heidenthums  noch  einige  Zeit 
erhalten  haben,  und  zwar  um  so  mehr,  als  muthmasslich  im  älte- 
ren Burgflecken  selbst  —  am  heutigen  S.  Adalbertsbrunnen  — 
und  sicherer  noch  auf  dem  benachbarten  Berge  Doblik  bei  Cir- 
kowitz,  der  jetzt  noch  auf  seinem  künstlich  geebneten  Gipfel  heid- 
nische Ueberreste  aufweist,  altheidnische  Heiligthümer  (auf  letzte- 
rem Orte  wohl  ein  Opferplatz  des  Diblik  oder  Öernoboh)  bestan- 
den. ])  Einer  noch  lebenden  Sage  zu  Folge  ist  nachher  der  heil. 
Adalbert  auf  seiner  ersten  Visitationsreise  auch  nach  Leitmeritz 
gekommen  und  hat  da  persönlich  für  die  ungetheilte  Aufnahme 
des  Christenthums  sich  bemüht.  Der  Brunnen,  wo  er  nach  den 
Mühen  des  Tages  Labung  gesucht,  habe  hinfort  seinen  Namen  er- 
halten, und  sei  später  mit  dem  Standbilde  des  Heiligen  geziert 
worden.  Nebenbei  aber  ist  bekannt,  dass  die  Klugheit  der  Mis- 
sionäre alte  den  früheren  Götzen  geheiligte  Quellen  in  der  Regel 
nach  einem  Heiligen  benannte  und  dessen  Abbildung  daselbst  an- 
zubringen suchte,  —  eben  so,  wie  sie  auch  an  abgöttisch  verehr- 
ten Riesenbäumen  Bilder  des  Heilands  und  der  seligsten  Jungfrau 
befestigte  und  auf  Bergen  und  Kreuzwegen  das  Abbild  des  heil. 
Kreuzes  aufrichtete,  um  so  die  gewohnte  Verehrung  des  Ortes  auf 
den  rechten  Gegenstand  hinzuleiten.3)  Wäre  ein  Aehnliches  in  Be- 
treff des  S.  Adalbertsbrunnen  anzunehmen,  so  fiele  wohl  die  gänz- 
liche Ausrottung  der  letzten  heidnischen  Gebräuche  —  ebenso  wie 
in  vielen  anderen  Gegenden  —  in  etwas  spätere  Zeit  und  wäre 
dann  ein  Verdienst  der  Leitmeritzer  Burg-Geistlichkeit,  welcher 
ohnehin  die  Vollendung  der  Bekehrung  des  Gaues  zugeschrieben 
werden  muss. 

2.  Im  Norden  des  Leitmeritzer  Gaues    erstreckte  sich  bis  in 
die  Mitte  des  äussersten  Gebirgswaldes  die  alte  Provinz  D  a  c  i  a  n  e  3) 


*)  Kaiina:  Böhmens  Opferplätze,  S.  151. 

3)  Vgl.  Kaiina,  S.  14  u.  15. 

3)  So  wird  sie  in  der  Erektionsurkunde  des  Prager  Bisthums  genannt. 


30 

oder  Deöin  (Tetschen),  später  die  2upe  von  Leipa  genannt. 
Die  Mutterkirche  des  ganzen  Gaues  bis  Kreibitz,  Bürgstein  und 
Pawlowitz  hin  war  die  alte  Kirche  „Unserer  lieben  Frau"  zu 
Tetschen  (Decin). l)  Nach  einer  alten  Lokaltradition  stand  dieses 
Gotteshaus,  sowie  auch  der  alte  Burgflecken  auf  der  sogenannten 
„wüsten  Stätte."  Am  28.  September  1059  sollen  beide  durch  eine 
beispiellose  Ueberschwemmung  gänzlich  vernichtet  worden  sein, 
worauf  der  damalige  Zupan  Jakob  die  neue  Stadt  mit  einer  Kirche 
des  h.  Wenzel  (diess  zum  bleibenden  Andenken  an  den  Unglücks- 
tag) an  ihrer  jetzigen  Stelle  erbaut  habe. 2)  Ist  dem  so,  dann  ist 
die  christliche  Lehre  sehr  früh  in  diese  Gegend  gedrungen:  es  ist 
sogar  anzunehmen,  dass  auch  sogar  Decin  als  einer  der  wichtigsten 
Zupensitze  des  Landes  schon  vom  heil.  Wenzel  ein  Gotteshaus  er- 
hielt. Dem  eben  erwähnten  Zupan  Jakob  schreibt  die  dankbare 
Ueberlieferung  auch  die  Wiedererbauung  der  Stadt  Lipa  (Leipa) 
zu,  nachdem  die  alte  am  entgegengesetzten  Ufer  der  Pulsnitz  gele- 
gene Stadt  gleichzeitig  mit  Tetschen  durch  die  Ueberschwemmung 
im  J.  1059  zu  Grunde  gegangen  war.3)  Gewiss  ist  damals  auch 
die  Kirche  zu  Leipa  erbaut  worden,  die  in  späterer  Zeit  dem  ganzen 
Dekanate  den  Namen  gab.  Dagegen  sollen  die  äussersten  Wohn- 
sitze des  Gaues,  Kreibitz  (Kripska)  und  Windischkamnitz  (Kame- 
nice  slowanskä  im  Gegensatze  zu  Kamenice  ceskä)  in  Mitten  der 
damaligen  Gränzwälder  erst  in  den  Zeiten  des  deutschen  Kaisers 
Heinrich  IL  entstanden  sein,  —  und  zwar  durch  wendische  Flücht- 
linge, die  dort  in  verborgenen  Thälern  für  sich  und  ihren  heidni- 
schen Kult  eine  Zuflucht  suchten  und  fanden  vor  dem  ihre  Heimat 
(Lausitz)  unterjochenden  Heere  der  Deutschen.4)  Hier  fällt  daher 
die  völlige  Christianisirung  in  etwas  spätere  Zeit  und  ward  ein 
Verdienst  der  nächstbenachbarten  Geistlichkeit  von  Böhmisch-Kam- 
nitz,   sowie  der  frommen  Grundherren  der  Gegend,  —  der  muth- 


')  Ueber  den  Umfang  der  Zupe  und  des  Dekanats  Tetschen-Leipa  vgl.  §.  23  b. 
3)  Illustr.  Chronik  I.  44. 

3)  Kirchenbücher  von  Leipa  cit.  Illustr.  Chron.  I.  49.  Irriger  Weise  wird 
derselbe  Zupan  (da  doch  nur  einer  in  der  Zupa  existirte)  in  Tetschen 
Jakob  von  Howora  und  in  Leipa  Jakob  von  Berka  genannt  —  an  letzterem 
Orte  als  Pfandinhaber  des  Leiper  Krongebiets.  Erbliche  Namen  bestanden 
in  dieser  Zeit  noch  nicht. 

4)  "Vgl.  Palme:  Chronik  von  Warnsdorf  S.  10. 


31 

masslichen  Nachkommen  der  alten  erblichen  Zupane  von  Tetschen, 
der  nachmaligen  Herren  von  Michelsberg-(Wartenberg. ]) 

§.  10.    Fortsetzung. 

].  In  derSaazer  Provinz  war,  wie ' bereits  erzählt  wurde, 
der  christliche  Glaube  schon  von  805  an  nicht  ganz  unbekannt  ge- 
blieben. Nach  dem  Falle  Wlastislaws  (869)  gehörte  dieses  Land 
wieder  unmittelbar  den  Herzogen  von  Prag,  die  es  fortan  als  die 
vorzüglichste  Zupe  des  Landes  an  die  ausgezeichnetsten  Edlen  und 
wiederholt  an  jüngere  Prinzen  des  fürstlichen  Hauses  zur  Verwaltung 
vergaben.  Es  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  nun  die  Stadt  Saaz  als  bevor- 
zugter Zupensitz,  bald  nach  der  Bekehrung  Boriwojs,  sicher  aber  zur 
Zeit  des  h.  Wenzel,  eine  christliche  Kirche  und  christliche  Priester 
erhielt.  Doch  ist  auch  zuzugeben,  dass  hier  nicht  minder  wie  an- 
derwärts die  alten  heidnischen  Opferplätze  noch  eine  Zeit  lang 
vielen  Zuspruch  fanden.  Als  solche  sind  durch  Ausgrabungen  sicher 

v  V 

gestellt :  Zizelic,  Leska,  Hassenstein,  Schönburg  (vielleicht  Sumbor), 
Burberg  und  der  jetzige  Kirchenhügel  in  Niklasdorf.3)  Auch  in  der 
Nähe  vom  heutigen  Kaaden  soll  ein  heidnischer  Tempel,  muthmass- 
lich  der  Zukunftsgöttin  Cadania  geweiht,  gestanden  sein,  ein  be- 
liebter Wallfahrtsort  der  Heiden,  dem  wohl  die  nahe  Burg  Ur- 
sprung und  Namen  zu  verdanken  hatte. 3)  Möglich,  dass  es  da 
zu  einigen  Reibungen  zwischen  Heiden  und  Christen  kam,  die 
später  ein  ernstes  Einschreiten  der  weltlichen  Macht  nöthig 
machten. 4)  Aber  an  eine  allgemeine  Eingenommenheit  der 
Saazer  gegen  das  Christenthum  ist  wohl  kaum  zu  glauben,  zu- 
mal keiner  der  wohlunterrichteten  Chronisten  vor  Hajek  irgend 
etwas  davon  zu  erzählen  wusste,  —  insbesondere  nicht  von  einer 
Versammlung  der  heidnischen  Häuptlinge  des  Saazer  Gebietes  zu 
Laun  (936),    um  da    die  gemeinschaftlichen  Schritte  nach  der  Er- 


')  Kreibitz  soll  im  Jahr  1144  die  erste  Kirche  erhalten  haben.  (Palme,  Rück- 
blicke in  die  Vorzeit  des  böhmischen  Niederlands.    Manuscript.) 

2)  Kaiina:  Böhmens  Opferplätze  S.  134,  155,  156,  161. 

3j  Ebendaselbst  S.  160.  Als  Stadt  erscheint  Cadan  —  wie  erwähnt  —  erst 
um  1180. 

4)  Hajek  ad  975  erzählt  einen  Kampf  Boleslaws  IL  gegen  die  angeblich  heid- 
nischen Saazer. 


32 

mordung  des  h.  Wenzel  zu  berathen,  und  auch  nicht  von  einer 
Gesandtschaft  an  Boleslaw,  um  Mittel  zur  Unterdrückung  der  Wun- 
dergerüchte über  den  h.  Märtyrer  anzugeben,  und  ebenso  wenig 
von  einer  Volksversammlung  zu  Tursko,  wo  die  himmlische  Er- 
scheinung des  Heiligen  alle  Heiden  auseinander  gejagt  habe.  Jene 
nachtheilige  Meinung  stammt  gewiss  nur  von  der  zufälligen  Ver- 
wechslung des  Volkes  der  Luzanen  (oder  Stodoraner),  aus  welchem 
Drahomira  stammte,  mit  der  ähnlich  genannten  Einwohnerschaft 
von  Saaz. !)  Erst  als  man  Ludic  (das  alte  Zlutice)  zum  Geburts- 
und nachmaligen  Zufluchtsorte  der  heidnischen  Fürstin  machte, 
musste  man  sich  auch  die  dahin  gehörige  Landschaft  noch  durch- 
aus heidnisch  denken.  Auch  die  oft  wiederholte  Erzählung  von 
einem  Zuge  Boleslaws  IL  (975)  gegen  die  widerstrebenden  Saazer, 
in  welchem  er  die  einen  zur  Annahme  des  Christenthums  ver- 
mocht, die  anderen  aber  ausser  Landes  verwiesen  habe,  hat  keinen 
andern  Ursprung.  Sicher  ist  es  vielmehr,  dass  im  J.  936  nach  dem 
Tode  des  h.  Wenzel  ein  Zupan  (subregulus)  dieser  Gegend  von  dem 
die  deutsche  Oberhoheit  verschmähenden  Herzoge  Boleslaw  abfiel  und 
enger  an  Deutschland  sich  anschloss. s)  Es  ist  das  wohl  derselbe 
Dobromir,  Zupan  von  Saaz,  den  nach  Hajeks  Bericht  der  sieg- 
reiche Boleslaw  im  J.  939  nach  Baiern  vertrieb.3)  Diese  Thatsache 
bestätigt  weit  eher  eine  Vorliebe  der  Saazer  für  das  anfänglich 
von  Boleslaw  angefeindete  Christenthum,  als  das  Gegentheil. 4) 

2.  Die  Landschaft  von  B  i  1  i  n  (Belinsko,  die  nachmaligen  De- 
kanate von  Bilin  und  Aussig  und  den  westlichen  Theil  des  Deka- 
nats   von   Trebnitz    umfassend 5)   bestand,    wenn   nicht   schon  zur 


*)  Das  Saazer  Gebiet  heisst  noch  bei  der  Erektion  des  Prager  Bisthums  Lu- 
öane  (Lucsane)  und  bei  Cosmas  auch  kurzweg  Luka.  Hajek,  dem  wir  jene 
zweifelhaften  Berichte  verdanken,  baute  bei  seiner  Darstellung  lediglich 
auf  die  Auktorität  des  wenig  älteren  Racek  Dobrohorsky.  Vgl.  Dobneri 
annal.  ÜI.  620.  Die  Wundersage  vom  Felde  bei  Tursko  wird  auch  von 
den  Bollandisten  verworfen.     (Ad  28.  Sept.  §.  10.  n.  183.) 

3)  Witichindus  ad  936. 

3)  Hajek  ad  939.  —  Durch  fortgesetzten  glücklichen  Kampf  gelangte  damals 
wohl  die  Provinz  Sedlice  (Zelza,  der  jetzige  Elbogner  Kreis)  wieder  an 
Böhmen  zurück. 

4)  Ueber  den  Umfang  des  Saazer  Gebiets  vergl.  §.  23. 

5)  Vgl.  §.  23. 


33 

Zeit  des  erwähnten  Wlastislaw  (f  869)  ])  oder  bei  der  Erektion 
des  prager  Bisthnms  8),  so  doch  unzweifelhaft-  zu  Ende  des  zehnten 
Jahrhunderts  als  eine  selbstständige  Provinz  Böhmens, 3)  und  von 
1041  an  kennen  wir  bereits  einzelne  Zupane  derselben  mit  Na- 
men, 4)  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  die  christliche  Lehre 
schon  frühzeitig  in  diese  Provinz  gedrungen  sei.  Auch  abgesehen 
von  dem  schon  besprochenen  Einflüsse  der  Nachbarschaft  seit  805, 
und  von  der  Sage,  dass  ein  Graf  von  Bilin  846  unter  den  14 
edlen  Täuflingen  zu  Regensburg  sich  befunden  habe,  konnte  unter 
den  späteren  christlichen  Herzogen  Böhmens  eine  damals  schon 
blühende  Stadt  nicht  länger  heidnisch  sein,  zumal  nicht  Bilin, 
wo  sich  bekannter  Weise  sogar  eine  fürstliche  Hofburg 
ausser  der  2  u  p  e  n  b  u  r  g  befand.5)  Bilin  müsste  wenigstens 
zu  jenen  Städten  unseres  Vaterlandes  gezählt  werden,  wo  der 
h.  Wenzel  Gotteshäuser  anlegte.  Doch  ist  ein  solches  hier  je- 
denfalls nur  von  Holz  erbaut  worden.  Eine  steinerne  Kirche  zu 
Ehren  des  heil.  Petrus  erbaute  erst  der  Zupan  Mztis,  Sohn  des 
Boris,  im  J.  1061.  Es  ist  dies  derselbe  Mztis,  welcher  vordem 
den  damaligen  Prinzen  Wratislaw  durch  Gefangenhaltung  der  Ge- 
mahlin desselben  schwer  beleidigt  hatte.  Jetzt,  als  Wratislaw  auf 
dem  herzoglichen  Throne  sass,  gedachte  Mztis  seine  Gnade  wieder 
zu  gewinnen,  indem  er  ihn  zum  Feste  der  Einweihung  der  neuer- 
bauten Peterskirche  einlud.  Die  Feierlichkeit  wurde  durch  den 
Bischof  Severus  vollzogen  —  in  Gegenwart  des  Landesfürsten. 
Mztis  aber  empfing   statt  der  gehofften  Aussöhnung  die  Absetzung 


')  Nach  Cosmas  baute  er  in  confinio  provinciaritm  Beiina  und  Lutomerici 
seine  neue  Stadt  Wlastislawa.  Dies  konnte  Cosmas  wohl  auch  vom  Stand- 
punkte seiner  Zeit  aus  sagen. 

3)  Bei  selber  wurde  Bilin  als  Gränzprovinz  nicht  namentlich  angeführt. 

3)  Die  Bestätigungsurkunde  des  Klosters  Brewnow  vom  J.  993  nennt  aus- 
drücklich diese  Landschaft. 

4)  So  1041  Prkos  comes  in  urbe  Belin,  1043  Eppo  praefectus  Belinensis  (bei 
Cosmas).  Eppo  schenkte  im  J.  1043  das  Dorf  Kostelani  in  Mähren  dem 
Kloster  „Cella  S.  Joannis  in  Moravia",  dessgleichen  in  demselben  Jahre 
das  Dorf  Cebranice,  ebenfalls  in  Mähren,  dem  Kloster  Brewnow,  war  also 
ein  religionseifriger  Herr.    (Urkunden  in  Erbens  regesta  p.  43  u.  44.) 

5)  Cosmas  ad  1061.  Hiernach  stand  die  Burg  des  2upans  neben  der  Kirche 
und  war  verschieden  von  der  Hofburg,  welche  wahrscheinlich  an  der  Stelle 
des  jetzigen  Schlosses  stand. 

3 


34 

vom  Amte  und  konnte  sich  einem  traurigeren  Loose  nur  durch 
eilige  Flucht  entziehen.  Er  ward  durch  Kojata,  den  Sohn  Wsebors 
ersetzt.1)  —  Seit  der  Bekehrung  des  Zupensitzes  kam  das  Chri- 
stenthum  auch  in  der  Umgegend  immer  mehr  in  Aufnahme  und 
immer  mehr  verödeten  die  Stätten  des  alten  Götzendienstes.  Gerade 
diese  Gegend  war  an  solchen  sehr  reich  gewesen.  So  zeigt  das 
uralte  Krupa  (Graupen)  noch  heutzutage  Spuren  eines  heidnischen 
Opfer-  und  Begräbnissplatzes,  —  ebenso  wie  der  Schlossberg  (Dou- 
brawskä  hora)  bei  Teplitz.8)  In  diese  Gegend  soll  aber  schon 
um  970  der  h.  Wolfgang,  Bischof  von  Regensburg,  als  Oberhirt 
gekommen  sein.  Die  fromme  Ueberlieferung  zeigte  ehedem  ober- 
halb Graupen  die  in  Felsen  eingeprägten  Fussstapfen  des  Heili- 
gen.3) Der  nächste  Umkreis  von  Bilin  verlor  wohl  eben  so  früh 
den  abergläubischen  Götterkult.  Noch  heute  zeigt  dort  der  nahe 
Badelstein  unverkennbare  Spuren  eines  uralten  Baues  von  Men- 
schenhand und  innerhalb  desselben  weisen  Nachgrabungen  einen 
alten  heidnischen  Opfer-  und  Begräbnissplatz  nach.  Mehrere  Orte, 
der  Umgegend,  Radowesic,  Radcic,  Radzin,  dürften  ihre  Namen  von 
einem  Worte  herleiten,  das  auch  der  Hauptbestandteil  des  Na- 
mens Radelstein  war,  nämlich  Rad  oder  Radegast,  dem  vielleicht 
der  Radelstein  geheiligt  war.  Ebenso  dürften  die  benachbarten 
Ortsnamen  Tfebin,  Mukow,  Zelenec,  Hrobcic  (von  treba  Opfer, 
muka  Marter,  zel  Trauer,  hrob  Grab)  auf  heidnische  Todtenplätze 
deuten.4)  Auch  zu  Böhmisch-Zlatnik  zeugten  zufällige  Nachgra- 
bungen in  der  Nähe  der  Pfarrei  die  Spuren  einer  alt-heidnischen 
Begräbnissstätte.5)  Mit  dem  Aufblühen  des  Christenthums  in 
Bilin  verwaisten  alle  diese  Stätten  des  alten  Götzendienstes  mehr 
und  mehr  und  einige  derselben  erhielten  sofort  durch  die  umsich- 
tigen Glaubensprediger  christliche  Weihe.  Diess  scheint  —  abge- 
sehen von  den  nachmaligen  Pfarorrten  Radcic,  Radowesic  und 
Mukow  —  insbesondere  auf  dem  Kotinaberge  bei  Zalany  {Many 
Traurigkeit)  der  Fall  gewesen  zu  sein,  einem  unverkennbaren 
Opferplatze  der  heidnischen  Slawen,  der  nun  mit  dem  Namen  wahr- 


»jCosmas  ad  1061. 

2)  Kaliina:  Böhmens  Opferplätze  S.  151  u.  152. 

3)  Crugerius  ad  31.  Oktober. 

4)  Kallina:  Böhmens  Opferplätze  S.  148. 

5)  Lokalbericht  des  Herrn  Pfarrers  Uhl. 


35 

scheinlich  auch  eine  Kapelle  der  h.  Katharina  erhielt,1)  Ein  ähn- 
licher Fall  zeigt  sich  bei  Osek  (Ossegg),  wo  ein  Hügel  unfern  der 
Riesenburg  zuversichtlich  als  heidnischer  Opferplatz  gedient  hat :  die 
Kirche  zu  Ossegg,  welche  urkundlich  schon  lange  vor  der  Ankunft 
der  Cisterzienser  bestand,  dürfte  die  Bestimmung  gehabt  haben,  der 
gewohnten  Andacht  das  rechte  Ziel  zu  zeigen.2)  Nächst  der  Zu- 
penstadt  Bilin  erhob  sich  in  Kurzem  die  Stadt  Üsti,  das  heutige 
Aussig  an  der  Elbe  zu  besonderer  Bedeutung.  Angeblich  schon 
773  von  einem  gewissen  Koten  erbaut,  und  827  von  Rusiswad 
aus  dem  Dorfe  Bucinky  (bei  Leipa),  dem  traditionellen  Erbauer 
von  Swadow  (Schwaden)  und  seinem  Bruder  Lahobof,  dem  Gründer 
von  Wietrus  (Gross-Priesen)  zur  Stadt  erweitert,3)  —  erhielt  sie 
einer  alten  Tradition  nach  die  erste  christliche  Kirche  im  weiten 
Umkreise,  die  Mutterkirche  des  gesammten  nachmaligen  Dekanats 
von  Aussig,  welches  im  Laufe  der  Zeiten  sich  bis  nach*  Königstein 
im  heutigen  Sachsen  erstreckte.  So  kam  auch  in  dieser  das  alte 
Heidenthum  zum  Falle.4) 

§.11.    Fortsetzung. 

1.  Im  äussersten  Norden  Böhmens  liegt  heute  das  sogenannte 
b  ö  h  m  i  s  ch  e  Nieder  land,  welches  die  Bezirke  von  Hains- 
pach,  Schlukenau ,  Rumburg,  Reichenberg,  Friedland  und  den  nörd- 
lichen Theil  des  Bezirkes  Warnsdorf  (die  ehemaligen  Herrschaften 
Hainspach,  Schlukenau,  Rumburg,  Reichenberg,  Friedland,  Grafen- 
stein) umfasst.  Ein  Gebirgszug,  der  vom  Jeschkenberge  bei  Rei- 
chenberg bis  an  die  P^lbe  bei  Schandau  sich  hinzieht,  —  das  lau- 
sitzer Gebirge  —  trennt  das  in  zwei  isolirten  Zungen  nach  Sachsen 
hinein  sich  erstreckende  Ländchen  von  der  eigentlichen  Grund- 
masse Böhmens.  Dieses  Gebiet  ist  einst  viel  grösser  gewesen, 
ja  es  hat  sogar  den  Schwerpunkt  seines  ehemaligen  Terrains  im 
jetzigen  Gebiete    von  Sachsen.    Es    gehörte   dazu  die  Burgwartei 


1)  Kaliina  S.  145.  Mauerüberreste  lassen  einen  solchen  Bau  erkennen.  Hajek 
versetzte  hieher  irriger  Weise  sogar  ein  Nonnenkloster,  welches  2izka 
zerstört  haben  soll. 

2)  Ebendaselbst  S.  150. 

3)  Hajek  ad  773  u.  827. 

4)  Ueber  den  Umfang  des  Dekanats  vgl.  §.  23. 

3* 


36 

H  o  h  e  n  s  t  e  i  n  bis  an  die  Elbe  und  Wesenitz  im  Westen  und 
bis  in  die  Umgegend  der  alten  Burg  Sycin  (Seitschen)  im  Norden, 
ausserdem  das  grosse  nachmalige  Dekanat  von  Zittau  und  alles 
Land  östlich  von  Friedland  bis  an  die  schlesiche  (damals  pol- 
nische) Gränze.  Mann  nannte  dieses  Gebiet  noch  im  13.  Jahr- 
hunderte von  seiner  Lage  jenseits  des  lausitzer  Gebirges  das  Land 
Zagost,  d.  i.  Hinterwaiden.1)  Dieses  Gebiet  hatte  wohl  nebst  der 
übrigen  jetzigen  Oberlausitz  vor  Zeiten  unter  die  Bothmässigkeit 
Böhmens  gehört,  da  noch  im  J.  861  das  Ländchen  Sorawe  (das 
Gebiet  der  niederlausitzer  Stadt  Sorau),  welches  Graf  Thakulf  dem 
Kloster  Fulda  verehrte,  als  „an  der  Gränze  Böhmens'1  gelegen, 
bezeichnet  wurde.2)  Bei  Errichtung  der  Mark  Meissen  wurde  Za- 
gost dahin  einverleibt.3) 

2.  In  dieser  Zeit,  da  innerhalb  der  böhm.  Gränzgebirge  der 
christliche  Glaube  zu  sprossen  begann,  wohnten  im  Ländchen  Zagost 
und  im  Gebiete  von  Budisin  die  slawischen  Stämme  der  Milcencr 
undZelpoler.  Noch  heute  erinnern  der  Berg  Cernobog  (der  schwarze 
Gott)  bei  Löbau  und  die  Ortschaft  Jüterbog  (Jitrobog  der  Morgen- 
oder  Lichtgott)  an  ihre  alten  heidnischen  Heiligthümer.4)  Möglich, 
dass  schon  durch  den  christlichen  Herrn  des  Gebiets  von  Sorau, 
den  erwähnten  Grafen  Thakulf,    und  mehr  noch  durch  die  freilich 


')  Dieser  Umfang  von  Zagost  ergibt  sich  aus  den  Gränzvergleichen  zwischen 
Zagost  und  Budisin  in  den  Jahren  1228  u.  1241.  (Urkunde  bei  Erben 
S.  482  etc.)  In  diesen  erscheint  unter  andern  das  heutige  Einsiedeln  bei 
Sebnitz  als  „locus  tibi  mansit  heremita" ,  der  Sebnitzbach  als  Lozina, 
der  Hochwald  mit  dem  Buchberge  bei  Wolmsdorf  als  Bukowä  hora,  über- 
haupt eine  Menge  gegenwärtig  theils  verschwundener,  theils  noch  üblicher, 
theils  jetzt  verdeutschter  slawischer  Namen,  jedoch  inmitten  derselben  auch 
bereits  zahlreiche  deutsche  Benennungen,  als  eben  so  viele  Andeutungen 
über  die  damalige  Bevölkerung  von  Zagost.     Siehe  den  Anhang. 

8)  Urkunde  bei  Erben  regesta  12  u.  13. 

3)  Heinrich  der  Vogler  eroberte  es  um  das  Jahr  930. 

4)  In  diesem  Gebiete  fand  man  ehemalige  heidnische  Opferherde  bei  Weigs- 
dorf  und  auf  dem  Spitzberge  bei  Oderwitz.  Heidnische  Begräbnissplätze 
entdeckte  man  in  Zittau,  bei  der  Neissbrücke  unweit  Hirschfelde,  bei 
Grottau,  bei  Grossschönau  auf  dem  Eigen,  bei  Tollenstein.  (Palme:  Rück- 
blicke in  die  Vorzeit  des  böhm.  Niederlandes,  MS.;  vgl.  Peschck:  Gesch. 
v.  Zittau  I.  3,  368:  Knothc:  Gesch.  von  Hirschfelde  S.  2;  Schmidt:  Ober- 
laus. Kirchengalerie  S.  3(J,  209,  232.  Kaliina:  Opferplätze. 


37 

nur  vorübergehende  Besitzergreifung  des  sorauer  Gebietes  von 
Seiten  des  -Klosters  Fulda  der  Ruf  des  Christenthums  auch 
in  diese  Gegend  drang;  wahrscheinlich  sogar,  dass  die  Christia- 
nisirung  des  Umkreises  von  Gabel  auch  die  angränzenden  Gegen- 
den von  Zagost  berührte :  dass  aber  die  h.  Ludmila  selbst  das 
Christenthum  in  dieser  Landschaft  befördert  und  die  erste  christ- 
liche Kapelle  daselbst  an  der  Neisse  (angeblich  bei  einem  Dorfe 
Tachow)  erbaut,  und  dass  sogar  der  h.  Methud  diese  Kapelle  per- 
sönlich eingeweiht  habe,1)  entbehrt  alles  positiven  Grundes,  und 
widerspricht  sogar  den  bereits  sicher  gestellten  historischen  That- 
sachen.2)  Die  völlige  Christianisirung  dieser  Gegenden  fällt  in 
eine  etwas  spätere  Zeit  und  ward  einWerk  derBischöfe  von 
Meissen.  Urkundlich  erstreckte  sich  die  im  Jahre  973  errich- 
tete bischöfliche  Diöcese  von  Prag  auf  dieser  Seite  „bis  in  die 
Mitte  des  Gebirgswaldes,"3)  unter  welchem  eben  nur  das 
bereits  erwähnte  lausitzer  Gebirge  verstanden  werden  kann.  An- 
dererseits lief  die  schon  um  936  festgestellte  Gränze  des  meissner 
Bisthüms  vom  Ursprünge  der  Elbe  geradeaus  zwischen  den  Land- 
schaften Nisen4)  und  Böhmen  hin,  dann  über  die  Elbe  hinweg 
längs  des  Erzgebirges  bis  an  die  Quelle  der  freiberger  Mulde.5) 
Wohl  gelangte  das  Gebiet  von  Zittau  (mit  Warnsdorf,  Rumburg 
und  Schönlinde)  späterhin  wieder  unter  die  Jurisdiktion  des  prager 
Bischofs:6)  dagegen  blieb  das  übrige  Zagost  nebst  Bu- 


')  Karpzow :  Ehrentempel  c.  2,  S.  25. 
3)  Vgl.  S.  12. 

3)  Cosmas  ad  1086. 

4)  Nisen  ist  der  Eibgau  von  Pirna  bis  in  die  Nähe  von  Meissen,  nordöstlich 
von  der  jetzigen  Oberlausitz  (damals  Gau  Budisin)  und  südwestlich  vom 
alten  Gau  Glomaci  begränzt.  Vgl.  solche  bei  Calles:  Series  episcoporum 
Misnens.  p.  50,  78,  79  etc.  Noch  1346  heisst  diese  Gegend  Archidiaconatus 
Nisicensis.  Vgl.  Matricula  jurisdictionis  episcopatus  Misnensis  ad  1346  in 
orig.  im  domstiftlichen  Archive  zu  Budisin  und  bei  Calles. 

5;  Calles:  Series  episcop.  Misn.  p.  17. 

G)  Wahrscheinlich  geschah  diess  in  der  Zeit  der  Einverleibung  des  Zittauer 
Kreises  zum  Lande  Böhmen^  nachdem  der  Gau  Budisin  mit  Görlitz  an 
Brandenburg  verloren  gegangen  war  (c.  1260).  Zittau  soll  im  J.  1010 
von  Chitava,  der  Gattin  des  Markgrafen  Manfred,  und  zwar  zunächst  als 
Kloster  angelegt  worden  sein.  Den  dort  entstandenen  Burgflecken,  der 
als  Hauptort  des  Dekanats  wahrscheinlich  älter  war  als  die  übrigen  Ort- 
schaften  der   Gegend,   erhob   erst  Premysl  Ottocar  IL  1255  zur  Stadt.  — 


38 

disin  durch  das  ganze  Mittelalter  hindurch  und  bis 
in  die  neuere  Zeit  herab  derDiöcese  vorn  Meissen 
einverleibt.  Auf  dem  jetzt  böhmischen  Antheile  entstanden 
von  dort  aus  allmälig  die  zum  Dekanate  Seide nberg  zugewie- 
senen Pfarreien  des  friedländer  Gebiets :  Friedland,  Wiese,  Kuners- 
dorf,  Bertsdorf,  Bullendorf,  Ullrichsdorf,  Bernsdorf,  Heinrichs dorf, 
Lusdorf,  Raspenau  und  Ringenhain.  Zum  Dekanate  von  Lob  au 
zählte  die  Station  Georgswalde,  zum  Dekanate  von  Hohen  stein 
(später  Sebnitz)  wurden  die  Pfarrorte  Schlukenau,  Nixdorf,  Schö- 
nau,  Lobendau,  Hainspach  und  Zeidler  gerechnet,  letztere  beiden 
aber  unter  der  unmittelbaren  Jurisdiktion  (und  Collatur)  des  jewei- 
ligen Dechants  der  Kollegiatkirche  zu  Budisin.  In  ähnlicher  Weise 
gehörten  die  am  meissnischen  Abhänge  des  Erzgebirges  gelegenen 
nunmehr  böhmischen  Pfarrdörfer  Moldau  und  Flöhau  zum  freiberger 
Jurisdiktionsbezirke  des  Propstes  von  Meissen.1)  Diess  sind  also 
die  Seelsorgsgemeinden  der  jetzigen  Diöcese  Leitmeritz,  welche 
die  ersten  Anfänge  ihres  kirchlichen  Lebens  in  Meissen  zu  suchen 
haben. 

3.  Im  J.  930  erbaute  der  deutsche  König  Heinrich  der  Vogler 
nach  vollbrachter  Unterwerfung  der  slawischen  Dalemincier  in  Mitten 
ihres  Landes,  wo  die  beiden  Gaue  Nisen  und  Glomaci  sich  be- 
rührten, die  feste  Burg  Meissen  und  erhob  selbe  zum  Sitze  eines 
mächtigen  Markgrafen.  Von  hier  aus  eroberte  der  tapfere  Fürst 
auch  das  Gebiet  der  Milcener  und  Zelpoler  (Zagost  und  Budisin), 
das  seitdem  für  lange  Zeit  dem  böhmischen  Mutterlande  entfrem- 
det blieb.  Sein  noch  grösserer  Sohn  Otto  trug  die  .siegreichen 
Waffen  noch  weiter  in  die  Länder  der  nördlicheren  Slawen.  Er 
that  aber  noch  mehr  als  dieses :  er  hinterliess  den  Besiegten  die 
christliche  Lehre  und  gründete  zur  Pflege  derselben  mehrere  Bis- 
thümer.    Für    die    meissnische  Mark   erhob    sich    948 2)    d  i  e  b  i- 


Görlitz  wurde  vom  böhmischen  Herzog  Sobeslaw  I.  1125  als  Flecken  Dre- 
benau  angelegt  und  nach  dessen  Brande  1131  als  Horelec  (Görlitz)  zur 
Stadt  erhoben.     (Grossem:  Laus.  Merkw.  I.  44.  32.) 

*)  Matric.  jurisd.  Misn.  ad  1346  ut  supra.  Ein  unbedeutend  abweichender 
Abdruck  bei  Calles,  p.  3G5  etc. 

a)  Stiftungsbrief  bei  Calles  series  episc.  Misn.  p.  11;  doch  wird  seine  Aecht- 
heit  angefochten.  Auch  bei  Schöttgcn:  Historie  der  chursächsischen  Stifts- 
stadt Würzen,  u.  a.  0. 


39 

s chö flieh e  Kathedrale  zu  Meissen  als  sicherer  Mittel- 
punkt und  nachhaltige  Pflanzstätte  begeisterter  Glau- 
bensprediger. Sofort  ward  hier  die  Religion,  die  man  an  den 
Gränzen  der  Dalemincier  dereinst  schon  aus  dem  Munde  des  heil. 
Bonifacius  vernommen,  und  späterhin  auch  von  den  karolingischen 
Gränzburgen  Magdeburg  und  Halle  aus  kennen  gelernt  hatte,  zur 
heiligen  Ueberzeugung  des  gesammten  Volkes,  und  diess  um  so 
mehr,  als  die  Bischöfe  selbst  unermüdlich  waren  im  apostolischen 
Werke  der  Heidenbekehrung. 

4.  Nisin,  Zagost  und  Budisin  waren  schon  das  Ziel  der  Mis- 
sionsreisen des  ersten  meissner  Bischofs  Burchard.  Einst  ein 
frommer  Klosterbruder  in  Regensburg,  dann  der  treue  Kapellan 
des  grossen  Kaisers  Otto,  trug  er  beiläufig  seit  949  den  bischöfli- 
chen Hirtenstab.  Ausdrücklich  rühmen  seine  Biographen  ihm  nach, 
dass  er  den  Slawen  jenseits  des  rechten  Eibufers  die 
Lehre  des  gekreuzigten  Heilands  verkündigt  -habe.1) 
Damals  (c.  958)  entstand  auf  einem  schon  807  angebauten  Hügel 
am  Ufer  der  Spree  die  feste  Burg  zu  Budisin  3)  als  nachmaliger 
Mittelpunkt  des  christlichen  Bekenntnisses  für  das  weite  Gebiet 
vom  Fusse  des  lausitzer  Gebirgs  bis  an  die  äussersten  Gränzen 
der  Niederlausitz.  Ohne  Zweifel  erhob  sich  alsogleich  in  der 
neuen  Burg  unter  dem  Schutze  der  christlichen  Burggrafen  das 
erste  christliche  Gotteshaus,  wenn  auch  immerhin  unansehnlich 
und  aus  blossem  Holz  erbaut.  Bischof  Burchard  starb  in  Mitten 
seiner  apostolischen  Thätigkeit  am  1.  Juli  972. 3) 

§.  12.    Die  geistliche  Jurisdiction  in  Böhmen. 

1.  Es  wurde  bereits  (§.  2)  erzählt,  dass  die  erste  Aufnahme 
unseres  Vaterlandes  in  den  Verband  der  h.  Kirche  durch  die  Taufe 
der  14  böhmischen  Edeln  zu  Regensburg  im  J.  846  erfolgt  war, 
ebenso  auch,    dass  damals  der  Bischof  Botherich    von  Regensburg 

•V 

den  Auftrag  erhielt,  das  Volk  der  Cechen  in  der  ch  ri  st  li- 
eh en  Religion  zu  unterweisen.    Die  gewissenhafte  Ausfüh- 


*)  Albmus  p.  27S.    Calles  36— 39.# 

2)  Sintenis:  Die  Oberlausitz,  S.  61  u.  62. 

3)  Albinus  u.  Calles  1.  c. 


40 

rung  dieser  Mission  machte  damals  schon  Böhmen  zu  einer  Pro- 
vinz der  bischöflichen  Diöcese  von  Regensburg.  Es  war  diess  auch 
in  den  Zeiten  des  h.  Methud  in  der  Weise  anerkannt,  dass  im  J. 
880,  als  vom  Papste  Johann  VIII.  der  Auftrag  ergangen  war,  nebst 
Neutra  noch  einen  zweiten  Bischofssitz  im  grossen  Metropolitan- 
sprengel  zu  gründen, ')'es  demgrossen  Slawenapostel  nicht 
einmal  in  den  Sinn  kam,  dem  weiten  Lande  Böhmen  sei- 
nerseits einen  eigenen  Oberhirten  geben  zu  wollen, 
was  doch  unfehlbar  hätte  geschehen  müssen,  falls  unser  Vaterland 
zu  Methuds  Erzdiöcese  gerechnet  werden  durfte. 

2.  Die  altslawische  Legende  vom  h.  Wenzel  *)  erzählt  uns 
eine  interessante  Thatsache  aus  der  Piegierungszeit  Wratislaws, 
des  Sohnes  Bofiwojs.  Dieser  Fürst  „berief,  einen  B  i  s  ch  o  f 
mit  der  ganzen  Geistlichkeit,  und  nachdem  sie  die  Li- 
turgie abgesungen  hatten  in  der  Kirche  der  h.  Maria, 
nahm  der  Bischof  das  Kind  (den  h.  Wenzel),  stellte  es 
auf  die  Stufen  vor  den  Altar  und  segnete  es  mit  den  Worten: 
Herr  Jesus  Christus,  segne  dieses  Kind  mit  dem  Segen,  mit  wel- 
chem Du  alle  Gerechten  gesegnet  hast.  Darauf  schoren  andere 
Fürsten  seine  Haare."  —  Es  ist  diess  das  erste  sicherge- 
stellte Auftreten  eines  Bischofs  in  Böhmen.  Methud 
war  damals  längst  schon  in  die  Ewigkeit  gegangen.  Sollte  es  also  etwa 
jener  Johannes  Bischof  von  Podiwin  (in  Mähren)  gewesen  sein,  der 
nach  Stfedowsky  3)  um  913  in  Böhmen  sich  viele  Verdienste  um  die 
Religion  erworben  haben  soll?  Leider  wusste  vor  dem  genannten 
Schriftsteller  durch  so  viele  Jahrhunderte  Niemand  etwas  von  einem 
Bischöfe  zu  Podiwin  und  noch  weniger  von  einem  Besuche  desselben 
in  Böhmen.  Dagegen  ist  es  ausgemacht,  dass  im  J.  899  der  Papst 
Johann  IX.  einen  Erzbischof  Namens  Johann  nebst  den  zwei  Bi- 
schöfen Benedict  und  Daniel  nach  Mähren  sandte,  aber  nur,  um 
sich  als  apostolische  Legaten  durch  eigene  Anschauung  über  den 
kirchlichen  Zustand  des  Landes  zu  unterrichten,  und  nach  gewon- 
nener Ueberzeugung    das   Nothwendige   und  Erspriessliche   vorzu- 


l)  Vgl.  den  Brief  Johann  VIII.  an  fcjwatopluk  d.  d.  mense  Junio  880  in  Gin- 

zels  Codex  zur  Geschichte  der  Slawenapostel  S.  G0  etc. 
3)  Bei  Wattenbach:  die  slawische  Liturgie  in  Böhmen,  S.  234. 
3)  L.  V.  c.  1.  pag.  4G4. 


41 

kehren.  Mit  der  Eintheilung  „Mährens"  in  einen  erzbischöfli- 
chen und  3  bischöfliche  Sprengel  und  der  Einsetzung  der  erfor- 
derlichen Oberhirten  war  ihre  Sendung  vollendet.1)  Böhmen  war 
dabei  um  so  weniger  einbezogen,  als  es  sich  damals  geradezu  den 
Baiern  anschloss,  um  den  Protest  der  salzburger  Kirchenprovinz 
gegen  jene  Anordnung  der  päpstlichen  Legaten  auch  noch  durch 
einen  feindlichen  Einfall  in  Mähren  zu  unterstützen.  Wenige  Jahre 
darauf  aber  wurde  Mähren  eine  Beute  der  Magyaren  und  in  den 
Untergang  des  Reiches  war  auch  der  Ruin  der  mährischen  Kirche 
verflochten.2)  Wir  werden  also  nicht  irren,  wenn  wir  in  dem  von 
Wratislaw  wahrscheinlich  um  920  berufenen  Bischöfe  den  Ober- 
hirten  von  Regensburg  sehen.  Ein  lateinischer  Bischof  war  es  im-, 
zweifelhaft,  da  die  altslawische  Legende  bald  nach  der  citirten 
Stelle  vom  heil.  Wenzel  rühmt,  derselbe  habe  begonnen,  „latei- 
nische Bücher  zu  verstehen,  wie  ein  guter  Bischof 
oder  Priester."  3)  Für  den  Bischof  von  Regensburg  spricht  aber 
das  schon  oben  Erwähnte  und  endlich  ganz  unbestreitbar  der  wei- 
tere Verlauf  der  Geschichte. 

3.  Der  jugendliche  Wenzel  war  mittlerweile  zur  Herrschaft 
gelangt.  Wiederholt  wendete  er  sich  nun  in  kirchlichen  Angele- 
genheiten '  an  den  Bischof  von  Regensburg  als  Oberhir- 
ten Böhmens.  Als  er  mit  dem  Gedanken  umging,  seiner  verklär- 
ten Grossmutter  Ludmila  eine  würdige  Ruhestätte  zu  bereiten, 
that  er  es  nicht,  ohne  zuvor  „eine  Gesandtschaft  nach  Re- 
gensburg zu  senden,  um  den  Bischof  jener  Stadt, 
dessen  Diöcesanen  damals  die  Böhmen  waren,  dar- 
über  zu  befragen,"  und  selben  zur  feierlichen  Uebertragung 
der  heiligen  Ueberreste  einzuladen.4)  Ebenso  ersuchte  er  denselben 
Bischof,  Namens  Tuto,  die  noch  ungeweihte  Kirche  S.  Georg  zu 
konsekriren,  und  es  geschah  seiner  Bitte  dadurch  Genüge,  dass 
der  erkrankte  Oberhirt  einen  bischöflichen  Stellvertreter  an  seiner 
Statt  zur  heiligen  Weihehandluug  entsendete.5)    Als  der  gottbegei- 


')  Nachweis  bei  Ginzel:  Geschichte  der  Slawenapostel,  S.  98  u.  99.    Vergl. 
Dobner  annal.  III.  443. 

2)  Ginzel,  S.  101,  cit.  Gfrörer  a.  a.  0.  II.  385. 

3)  Wattenbach:  slaw.  Liturgie  S.  235. 

4)  Christannus  de  Skala:  Vita  S.  Ludmilae  et  S.  Wenceslai. 

5)  Historia  translationis  S.  Ludmilae  ex  MS.  Clementino  cit.  Dob.  ann.  III, 


42 

sterte  Fürst  daran  ging,  eine  neue  Kirche  des  h.  Veit  in  seiner 
herzoglichen  Burg  zu  errichten,  that  er  es  wieder  nicht,  ohne 
zuvor  die  ausdrückliche  Erlaubniss  des  regensburger  Bi- 
schofs einzuholen,  wobei  noch  bemerkenswerth  ist,  dass  er  sich 
ausdrücklich  auch  auf  das  Beispiel  seines  verstorbenen 
Vaters  berief.1) 

4.  Selbst  unter  der  Herrschaft  Boleslaws  I.  ward  die  Juris- 
diktion des  regensburger  Bischofs  in  vollem  Maase  anerkannt. 
Als  es  sich  um  die  Weihe  des  vollendeten  S.  Veitsdomes  handelte, 
sandte  auch  dieser  den  Ausländern  nichts  weniger  als  freundliche 
Fürst  eine  Gesandtschaft  nach  Regensburg  „an  den  dortigen 
B  i  s  cli  o  f,  i  n  d  e  s  s  e  n  D  i  ö  c  e  s  e  damals  n  a  ch  d  e  n  B  e  s  t  i  m  m  u  n- 
ge'n  der  kirchlichen  Canonen  Böhmen  gelegen  war."2) 
Der  damalige  Bischof  Michael  —  anfangs  noch  dem  Brudermörder 
zürnend  —  Hess  sich  endlich  erbitten:  er  reiste  persönlich  nach 
Prag,  wo  er  von  dem  ihm  entgegen  eilenden  Klerus  und  Volke 
mit  Ehren  und  Frohlocken  empfangen  ward,  und  sofort  die  feier- 
liche Konsekration  am  24.  September  945  (?)  vollzog.3) 

5.  Es  wurde  bereits  (§.  10)  der  alten  Sage  gedacht,  dass 
auch  der  h.  Wolfgang,  Bischof  von  Regensburg,  auf  seinen  apo- 
stolischen Reisen  in  unser  Vaterland  gekommen  sei.  Wichtiger 
als  dieses  ist  die  erwiesene  Thatsache,  dass  Böhmen  unter  An- 
derem auch  der  uneigennützigen  Gesinnung  dieses  Mannens  ein  ei- 
genes Bisthum  verdankt.  Es  wird  erzählt,4)  dass  Kaiser  Otto  IL 
Abgeordnete  an  den  frommen  Bischof  sandte,  „damit  dieser  ihm 
gestatte  gegen  Uebergabe  einiger  Güter  in  Böhmen 
ein  eigenes  Bisthum  zu  errichten."  Hoch  erfreut  ob 
dieser  Botschaft  berief  Wolfgang  seine  geistlichen  Räthe.  Als  aber 


584.  Der  Stellvertreter  war  ein  Chorepiscopus  des  regensburger  Bischofs. 
Im  J.  932  erscheinen  urkundlich  Dilpertus  und  Svaterlohus  als  Re- 
gensburger Chorepiscopi.  Einer  dieser  beiden  dürfte  der  Consecrator  der 
Georgskirche  gewesen  sein.  Codex  episcopatus  Batisbonensis  Thomae  Ried. 
I.  96,  et  Index  p.  368. 

')  Hyzonis  Vita  S.  Wenceslai}  ebenso  der  ottonianische  Biograph. 

J~)  Worte  des  dem  Ereignisse  sehr  nahe  stehenden  ottonianischen  Biographen 
des  heil.  Wenzel,  der  freilich  Boleslaws  Namen  nicht  ausdrücklich  nennt. 
Die  Geschichte  der  Gesandtschaft  des  Boleslaw  bei  Cosmas  p.  40. 

3)  Cosmas  p.  40. 

4)  Anonymus  idemqiie  sodedis  S.  Wolfgangi  Biographus  bei  Dobn.  ann.  IV,  214. 


/  43 

diese  ihm  abriethen,  des  Kaisers  Wunsch  zu  erfüllen,  sprach  er: 
„Wir  sehen  im  Boden  jenes  Landes  eine  kostbare  Perle  verborgen, 
die  wir  nicht  gewinnen  können,  wenn  wir  nicht  unsere  Schätze 
dahingehen.  Desshalb  höret,  was  ich  sage.  Freudig  opfere  ich 
mich  selbst  und  all  das  Meine  auf,  damit  dort  ein  Haus  des  Herrn 
durch  die  in  Glauben  gekräftigte  kirchliche  Gemeinde  erbauet  werde." 

§.13.    Fortsetzung. 

Es  bleibt  nach  all'  dem  Gesagten  kein  Zweifel  übrig,  dass 
Böhmen  ohne  Unterbrechung  bis  zum  Augenblicke  der  Errichtung 
eines  eigenen  Bisthums  zum  bischöflichen  Sprengel  von  Regens- 
burg gehörte.  Sonach  hat  unser  Vaterland  als  seine  ersten  Ober- 
hirten die  nachfolgenden  Bischöfe  von  Regensburg  zu  verehren. 

a)  Botho  rieh  (Baturicus).  Derselbe  wird  schon  819  als 
Bischof  von  Regensburg  erwähnt.1)  Im  J.  846  taufte  er  die  14 
böhmischen  Edlen  und  übernahm  sofort  den  weiteren  Unterricht 
der  Böhmen  im  christlichen  Glauben. 

b)  Erchanfried.  Dieser,  vordem  Kaplan  des  Bischofs  Bo- 
thorich,  wird  von  848  bis  853  in  öffentlichen  Urkunden  als  Bischof 
von  Regensburg  genannt.2) 

c)  Embricho  (Ambrichus,  vielleicht  gleichbedeutend  mit 
Emmerich)  wird  zuerst  in  einer  Urkunde  v.  864  namentlich  ange- 
führt.'5) Im  J.  872  nahm  er  an  dem  Kriegszuge  Ludwigs  des  Deut- 
schen gegen  die  Mährer .  thätigen  Antheil  und  entkam  damals  nur 
mit  Noth  der  allgemeinen  Niederlage.4)  Er  wird  noch  im  J.  889 
genannt.5)    Als  sein  Todesjahr  wird  das  Jahr  891  angegeben. 

d)  Aspertus  war  im  J.  889  noch  Diakon  und  Erzkanzler 
des  deutschen  Königs  Arnulph.6)  Er  bestieg  nach  dem  Ableben 
Embricho's  den  bischöflichen  Stuhl  von  Regensburg. 

e)  Tuto,  vordem  Klosterbruder  bei  S.  Emmeram  zu  Regens- 
burg,   gelangte    im  J.  894  auf  den  bischöflichen   Stuhl.    Er  wird 


*)  Urkunde  in  Ried:  Codex  Ratisbonensis  I,  17. 

2)  Ebendaselbst  I,  41-44.    Vgl.  p.  26. 

3)  Ebendaselbst  I,  49  etc. 

4)  Annales  Fidd.  ad  872. 

5)  Codex  Batisbon.  I,  69. 

6)  Ebend.  I,  70  und  71. 


44 

als  ein  Mann  von  grosser  Sanftmuth  und  Frömmigkeit  so  wie 
auch  von  ausgezeichnetem  Geiste  gerühmt.1)  Wahrscheinlich  war 
es  dieser  Bischof,  der  um  912  die  bereits  erzählte  Ceremonie  der 
Haarabschneidung  mit  dem  herzoglichen  Prinzen  Wenzel  vornahm. 
Sicher  ist,  dass  er  nachmals  unter  der  Regierung  dieses  heiligen 
Fürsten  ganz  unbeschränkt  die  Jurisdiktion  in  Böhmen  ausübte. 
In  öffentlichen  Urkunden  geschieht  seiner  zuletzt  im  J.  925  Er- 
wähnung.2) Doch  starb  er  erst  im  J.  930,  nachdem  er  längere 
Zeit  als  völlig  erblindeter  Greis  der  Aushilfe  der  Chorbischöfe  Dil- 
pertus  und  Swaterlohus  in  seinem  bischöflichen  Amte  bedurft  hatte.3) 

f)  Isangrin,  der  unmittelbare  Nachfolger  Tutos,  partici- 
pirte  an  der  Provinzialsynode,  welche  im  J.  932  unter  dem  Vor- 
sitze des  Metropoliten  von  Salzburg  zu  Dingelfingen  abgehalten 
wurde.  Als  Gegenstand  der  Verhandlungen  wird  der  „kirchliche 
Stand"  angeführt.4)  Gewiss  wurde  dabei  auch  Böhmens  mitge- 
dacht. Die  bekannten  öffentlichen  Urkunden  erwähnen  Isangrins 
Namen  zum  letzten  Male  im  J.  940. 5)  Sein  Tod  soll  aber  erst  im 
J.  943  erfolgt  sein.6) 

g)  Günther,  Mönch  bei  S.  Emmeram,  wurde  im  J.  944  zum 
Nachfolger  Isangrins  erwählt,  starb  aber  schon  nach  6  Monaten,7) 
und  es  folgte  ihm  noch  in  demselben  Jahre  im  bischöflichen  Amte 

h)  Michael,8)  dem  —  wie  bereits  berichtet  wurde  —  unser 
Vaterland  die  Konsekration  der  S.  Veitskirche  verdankt.  Er  wohnte 
—  wahrscheinlich  auch  von  Vertretern  des  böhmischen  Klerus  be- 
gleitet —  im  J.  948  der  grossen  Synode  zu  Ingelheim  bei,  bei 
welcher  ausdrücklich  ausser  34  Bischöfen  eine  Menge  „vom  Klerus 
der  Diöcesen,  von  Aebten,  Kanonikern  und  Mönchen"  als  anwesend 
angeführt  wurden.  Es  wurden  da  sehr  heilsame  Gesetze  zur  För- 
derung des  kirchlichen  Lebens  und  zum  Schutze  des  geistlichen 


')  Dobn.  annal.  III,  301,  cit.  Bucellin.  Germ.  sacr.  I,  44,  und  Cänis.  anüqu. 
lect.  IL 

2)  Codex  Batisbon.  I,  95. 

3)  Dobn.  annal.  III.  585  u.  602.  cit  Arnulphus  L.  1  u.  oben  num.  3. 

4)  Codex  Batisbon.  I,  95. 

5)  Ebendaselbst  I,  96. 
G)  Dobn.  annal.  IV,  49. 

7)  Ebendaselbst. 

8)  Chron.   breve   Bojar,   anonymi  Emmeramensis  monachi   (732 — 1062   bibl. 
Univ.  Prag  XI,  A.) 


45 

Standes  erlassen.  Insbesondere  sollten  fortan  Laien  nicht  über 
Kirchen  verfügen  ohne  Bewilligung  des  Bischofs,  nicht  die  Geistli- 
chen belästigen,  und  nicht  die  Opfer  auf  dein  Altare  in  Anspruch 
nehmen.  Auch  wurde  bei  dieser  Gelegenheit  die  Zahl  der 
Feiertage  zu  Ostern  und  Pfingsten,  und  die  kirchliche  Faste  in  der 
Bittwoche  festgesetzt.  Processe,  den  kirchlichen  Dezem  betref- 
fend, sollten  nicht  vor  dem  weltlichen  Gerichte,  sondern  vor  der 
Synode  geführt  werden.  Ehen  in  verbotenen  Graden  der  Verwandt- 
schaft wurden  strengstens  verpönt.1)  Bischof  Michael  wohnte  auch 
im  J.  952  der  Synode  zu  Augsburg  bei,  vielleicht  wieder  in  Be- 
gleitung böhmischer  Geistlicher.  Es  wurde  hier  promulgirt,  dass 
Geistlichen  das  Wohnen  mit  Frauenspersonen,  Jagd  und  Würfel- 
spiel streng  verboten  und  dass  ein  Beweibter,  der  eine 
heilige  Weihe  besitze,  seines  Amtes  zu  entsetzen  sei. 
Dezimationsstreitigkeiten  sollten  vor  das  Forum  des 
Bischofs  gehören.*)  Wir  führen  diese  Bestimmungen  aus  dem 
Grunde  an,  weil  sie  auch  für  unser  Vaterland  Böhmen  massgebend 
sein  mussten.  Im  J.  958  fand  neuerdings  eine  Synode  von  41  Bi- 
schöfen zu  Ingelheim  statt,  an  der  gewiss  auch  Bischof  Michael 
sich  betheiligte.  Sicher  befand  er  sich  im  J.  962  mit  Kaiser 
Otto  I.  auf  der  Synode  zu  Born.3)  Er  starb  im  J.  972,4)  und  es 
folgte  ihm 

i)  der  h.  Wolfgang  in  der  bischöflichen  Würde  nach.  Dieser 
„hellste  Stern  des  Jahrhunderts"  5)  stammte  aus  einer  an- 
sehnlichen Familie  in  Schwaben.  Als  Jüngling  hatte  er  seine  erste 
wissenschaftliche  Bildung  im  Kloster  Iteichenau  und  später  in 
Würzburg  erhalten.  Als  sein  Verwandter  Heinrich  den  erzbischöf- 
lichen  Stuhl  zu  Trier  bestieg,  ward  auch  Wolfgang  beredet,  in 
diese  Stadt  zu  ziehen:  doch  erwählte  er  sich  unter  den  angebote- 
nen Schätzen  und  Ehren  —  lediglich  das  Amt  eines  Lehrers  der 
Kleinen,    die    er    sofort    ebensowohl  in  der  Heiligkeit  als  in  der 


')  Anndlista  Saxo  ad  h.  a.    Dobn.  annäl.  IV,  67  cit.  Frodoard  und  die  Con- 
ciliarakten  bei  Lambecius  und  Conc.  Germ.  II.  610. 

2)  Dobn.  arm.  IV,  90.  cit.  Hermann :  Contractus  et  uita  S.  Udalrici  apud  Ma- 
billon;  Concil.  Germaniae  II.  p.  622. 

3)  Dobn.  arm.  IV.  117  u.  130. 

4)  Necrol.  Fttldense  cit.  bei  Dobn.  cum.  IV,  203. 
5J  Fleury:  hist.  eccl.  XIII,  522. 


46 

Wissenschaft  heranzubilden  bemüht  war.  Nach  Heinrichs  Tode  zog 
ihn  der  heil.  Bruno,  Erzbischof  von  Köln,  in  seine  Nähe.  Alle 
Würden  verschmähend,  erbat  er  sich  hier  die  Freiheit,  fortan  im  Klo- 
ster zu  Einsiedeln  als  armer  Mönch  leben  zu  dürfen.  Doch  erhob  ihn 
seine  hohe  Bildung  in  Kurzem  zum  Lehrer  der  dortigen  Kloster- 
schule, welche  durch  ihn  einen  ausgebreiteten  Ruf  gewann.  Da 
wollte  er  um  970  seinem  Ruhme  dadurch  entfliehen,  dass  er  als 
Glaubensprediger  zu  den  Magyaren  zog.  Ein  wenig  befriedigender 
Erfolg  führte  ihn  von  da  nach  Passau  zurück,  von  wo  er  wieder 
zurückeilen  wollte  in  seine  klösterliche  Einsamkeit.  Da  ereilte 
ihn  zu  Passau  die  einstimmige  Wahl  des  Kaisers  sowie  des 
Klerus  und  Volkes :  —  widerstrebend  musste  er  den  bischöflichen 
Stuhl  zu  Regensburg  besteigen.  Wie  er  hier  selbst  bis  zu 
seinem  Tode  Kleid  und  Sitte  des-  armen  Klosterbruders  be- 
wahrte und  unermüdlich  war  in  Werken  der  Frömmigkeit  und 
Selbstverleugnung:  so  suchte  er  auch  nach  Aussen  in  jeder  Weise 
frommen  Sinn  und  ■  christliche  Sitte  zu  fördern.  Nach  allen  Rich- 
tungen seine  weite  Diöcese  durchwandernd,  ward  er  überall  der 
Wiederhersteller  klösterlicher  Zucht  und  der  eifrigste  Lehrmeister 
für  Klerus  und  Volk.  Eigenen  Vortheils  gedachte  er  nie.  So 
entsagte  er  freudig  der  guten  Sache  zu  Liebe  dem  Einkommen 
des  Klosters  S.  Emmeram,  welches  seine  Vorfahren  bisher  genos- 
sen hatten;  und  um  auf  Otto  I.  Fürsprache  der  jugendlichen 
Kirche  Böhmens  ein  nachhaltiges  Gedeihen  zu  sichern,  willigte  er 
eben  so  bereit  in  die  Errichtung  des  prager  Bisthums  ein.  Mitten 
in  seinem  h.  Wirken  rief  der  Todesengel  den  edelsten  und  frömm- 
sten Bischof  zur  himmlischen  Vergeltung  —  am  31.  Oktober  994. 
Er  starb  zu  Puppingen  in  Oesterreich.  Den  durch  zahlreiche 
Wunder  Verherrlichten  setzte  Papst  Leo  IX.  1052  unter  die  Zahl 
der  Heiligen  Gottes.1) 

§.  14.    Ritus  in  Böhmen. 

1.  Die  Frage  nach  dem  ursprünglichen  Ritus  in  Böhmen  ge- 
winnt eine  besondere  Wichtigkeit  durch  den  Umstand,  dass  spä- 
terhin   die    akatholische  Partei     in    Böhmen    ihren    Widerwillen 


])  Mabill.  saec.  V.  Benecl.  241  etc.     Vit.  saec.  V.  Bened.  812  etc.    Martyr. 
Rom.  31.  Okt. 


47 

gegen  die  heil.  Kirche  theilweise  auf  die  Behauptung  stützte,  erst 
Mlada,  die  Schwester  Boleslaws  IL,  habe  den  römi- 
schen Ritus  in  unser  Vaterland  gebracht,  der  sofort  von 
den  auf  einem  Landtage  versammelten  Geistlichen  und  Edeln  an- 
genommen worden  sei;  das  Volk  aber  habe  den  alten  sla- 
wischen Ritus  durch  alle  Jahrhuiulerte  im  Stillen 
bewahrt,  bis  endlich  die  husitische  Bewegung  denselben  wieder 
zur  Geltimg  brachte.1)  Wenn  aber,  wie  bisher  nachgewiesen  wurde, 
die  kirchliche  Jurisdiktion  der  Bischöfe  von  Regensburg  vom  ersten 
Anfange  an  unbestritten  und  ununterbrochen  bis  zur  Errichtung 
eines  eigenen  Bisthums  in  Böhmen  bestanden  hat:  so  ist  eigent- 
lich in  Vorhinein  kaum  ein  Zweifel  mehr  übrig,  dass  in  unserem 
Vaterlande  auch  der  lateinische  Ritus  der  römischen  Kirche  ur- 
sprünglich und  ausschliesslich  zu  Hause  war.  Einen  andern  konnten 
ja  die  von  Regensburg  aus  jurisdiktionirten  Priester  nicht  ins 
Land  bringen,  und  einen  anderen  würden  die  Bischöfe  von  Regens- 
burg  nimmer  geduldet  haben,  da  diese  gewiss  auf  ihre  Rechte 
nicht  weniger  eifersüchtig  waren,  als  ihr  Metropolit  zu  Salzburg 
und  ihr  Konprovinziale  von  Passau  in  Bezug  auf  Mähren  und 
Pannonien.  Am  allerwenigsten  aber  darf  es  dem  heil.  Methudius 
zugemuthet  werden,  dass  er  —  der  unbestritten  heilige  Mann  — 
ohne  eine  ähnliche  Authorisation,  wie  er  sie  bezüglich  des  mäh- 
risch-pannonischen  Sprengeis  vom  Papste  selbst  überkommen  hatte, 
irgend  welche  Rechte  auf  entschieden  fremdem  Gebiete  in  Anspruch 
genommen,  und  somit  ein  schweres  Unrecht  gegen  einen  benach- 
barten Bischof  sich  erlaubt  habe.  Zum  Ueberflusse  ist  das 
ruhige  Schweigen  des  regensburger  Oberhirten  ein 
beredtes  Zeugniss  gegen  einen  derartigen  Verdacht. 
2.  Aus  der  altslawischen  Wenzelslegende,2)  die  sogar  in  die 
Zeiten  Boleslaws  I.  hinaufreichen  soll,  erfahren  wir  ganz  genau, 
was  für  Priester  unser  Vaterland  nach  der  Taufe  Bofiwojs  besass. 
Dort  wird  von  dem  heiligen  Jünglinge  Wenzel  berichtet,  „dass 
er  lateinische  Bücher  zu  verstehen  begann,  sowie  ein 
guter  Bischof  oder  Priester."  Auch  wird  gesagt,  dass  seine 
Grossmutter Ludmila  „ihn  in  slawischer  Schrift  unterrichten 


')  So  Paulus  Stränsky  c.  6,  num.  47  ohne  Angabe  irgend  einer  altern  Quelle. 
s)  Wattenbach:  slawische  Liturgie  in  Böhmen,  S.  234  etc. 


48 

Hess,  wie  einen  Priester."  Demzufolge  musste  damals  ein 
Priester  in  Böhmen  unbedingt  die  lateinische  Sprache  verstehen, 
die  ihm  doch  völlig  überflüssig  gewesen  wäre,  wenn  der  Ritus 
nicht  eben  der  lateinische  war.  Obendrein  kann  es  nichts  weniger 
als  gleichgültig  erscheinen,  dass  die  öffentliche  Schule,  wo  der 
heilige  Prinz  die  lateinische  Sprache,  „wie  ein  guter  Bischof  oder 
Priester"  erlernte,  zu  Budec,  also  mitten  im  Herzen  des  Landes 
sich  befand,  und  dass  sein  dortiger  Lehrer  Unego  wahrscheinlich 
ein  Slawe  war.1)  Allerdings  musste  ein  Priester  in  Böhmen  zu- 
gleich auch  in  der  slawischen  Sprache  gewandt  sein  und  insbeson- 
dere in  der  slawischen  Schrift;  jenes  um  das  Wort  Gottes  frucht- 
bringend zu  verkünden,  und  dieses,  um  die  gewiss  schon  üblichen 
Perikopen  der  heiligen  Bücher  (muthmasslich  sogar  die  vom  heil. 
Cyrillus)  vorlesen  und  andere  in  ihrer  Lesung  unterrichten  zu 
können.8) 

3.  Als  angeblichen  Beweis  für  das  Bestehen  des  slawischen 
Ritus  in  Böhmen  hat  man  das  alte  Kirchenlied  „Gospodi  po- 
miluj  nyu  angeführt,  das  in  seinen  Wortformen  kirchenslawisch 
sein  soll.3)  Dieses  Lied  hat  sich  in  seiner  Gänze  sogar  bis  auf 
die  Gegenwart  erhalten,  während  ehedem  der  Endrefrain  desselben, 
das  dreimalige  Krles  (statt  Kyrie  eleison)  ebenso  als  allgemeiner 
Freudenruf  bei  feierlichen  Anlässen,  sowie  als  Kampfgeschrei  in 
offener  Feldschlacht  üblich  war.  Zum  eigentlichen  kirchlichen 
Ritus  hat  aber  dieses  Lied  in  den  ältesten  Zeiten  eben  so  wenig 
gehört,  wie  heute  irgend  ein  anderes  Lied,  das  vom  Volke  wäh- 
rend des  h.  Messopfers  abgesungen  wird.  Es  könnte  also  höchstens 


')  Beide  Umstände  führt  die  vita  et  passio  B.  Wemeslai  M.  (angeblich)  von 
Bischof  Hyzo  ausdrücklich  an. 

8)  Seltsamer  Weise  hat  Wattenbach  (slawische  Liturgie  in  B.  S.  224)  nur 
die  Stelle  vom  slawischen  Unterrichte  des  heil.  Wenzel  berücksichtigt 
und  versteigt  sich  in  Folge  dessen  zu  der  Behauptung:  das  Bestehen  des 
slawischen  Ritus  in  Böhmen  wäre  sicher  gestellt,  wenn  die  Echtheit  dieser 
Stelle  zugegeben  würde.  Ihm  scheint  also  in  dieser  Stelle  das  gewichtigste 
Argument  für  die  fragliche  •Sache  zu  liegen.  Am  Ende  nur  desshalb  fühlt 
er  sich  (S.  232)  gedrängt,  zum  Schlüsse  die  Sache  als  noch  unbewiesen  hin- 
zustellen, weil  er  an  jener  Echtheit  zweifelt.  Wir  aber  lesen  in  der  an- 
gezogenen altslawischen  Legende  nur  einige  Zeilen  weiter  und  kommen 
so  gerade  zu  einem  entgegengesetzten  Resultate. 

3)  Wattenbach  1.  c.  S.  225.   Palacky  I,  155. 


49 

für  ein  ehemaliges  Verständniss  der  slawischen  Kirchensprache  in 
Böhmen  Zeugniss  geben.  Aber  konnte  dazu  nicht  schon  die  ursprüng- 
lich viel  nähere  Verwandtschaft  derselben  mit  der  alt-böhmischen 
Sprache  und  die  wohl  zu  allen  Slawen  gedrungene  Kenntniss  der 
nichtrituellen  Schriften  des  h.  Cyrillus,  der  einzigen  slawischen 
christlichen  Literatur  jener  Zeit,  genügen?  Zudem  wissen  wir  ja, 
dass  jenes  Lied  erst  durch  den  heiligen  Adalbert  in  unser 
Vaterland  gekommen  ist.  Dieser  h.  Bischof,  dem  gewiss  Niemand 
einen  andern,  als  den  lateinischen  Ritus  zumuthen  wird,  galt  sogar 
ziemlich  allgemein  als  Verfasser  des  lieblichen  Liedes ;  ')  wahr- 
scheinlicher aber  hat  er  es  bei  Gelegenheit  seiner  ersten  Heimkehr 
von  Born  aus  den  südslawischen  Ländern  mitgebracht,3)  wo  da- 
mals das  Kirchenslawische  Volks-  und  Kitussprache  zugleich  war. 
Es  kann  also  für  die  fragliche  Sache  nicht  im  Geringsten  als  Be- 
weis dienen.  Ebenso  wenig  Gewicht  hat  das  angebliche  Haupt- 
zeugniss  für  das  ursprüngliche  Bestehen  des  slawischen  Ritus  in 
Böhmen:  der  Umstand  nämlich,  dass  späterhin  (um  1012)  der  h. 
Prokop  in  der  cyrillischen  Schrift  vollkommen  unterrichtet 
war.  Wir  leugnen  eben  —  wie  schon  erwähnt  —  nicht  im  Ge- 
ringsten ein  ursprüngliches  Verständniss  der  (nichtrituellen)  Werke 
des  Mährenapostels  in  Böhmen,  es  musste  dies  vielmehr  für  die 
Priesterschaft  sehr  nützlich  und  fast  unerlässig  sein.  Aber  „cyril- 
lische Schrift"  ist  für  uns  nicht  gleichbedeutend  mit  „Allem, 
was  zum  Gottesdienste  nach  diesem  Ritus  gehörte."3) 
Gerade  die  Thatsache,  dass  nachher  im  Kloster  Prokops  nicht  der 
cyrillische  (oder  besser  methudische),  sondern  der  griechisch-sla- 
wische Ritus  eingeführt  wurde,  spricht  gegen  eine  solche  Annahme. 
Es. gewinnt  dadurch  die  zuerst  von  Dobrowsky  aufgestellte  Mei- 
nung hohe  Wahrscheinlichkeit:  Prokop  habe  nämlich  die  neue  Li- 


J)  So  die  uralte  Tradition,  welche  dieses  Lied  das  des  h.  Adalbert  nannte.  So 
auch  Dobner  in  seinen  Annal.  IV,  253  und  Voigt  in  seiner  Abhandlung 
vom  Kirchengesange  in  Böhmen  (Abhandlungen  einer  Privatgesellschaft  in 
Böhmen  I,  210)  u.  a.  m. 

*)  Vgl.  Forsst:  Leben  des  h.  Adalbert.  Manuskript  der  Universitäts-Bibliothek 
in  Prag  XI,  A,  wo  erzählt  wird,  S.  Adalbert  habe  die  Erlaubniss  aus 
Rom  mitgebracht,  dieses  Lied  auch  in  Böhmen  zu  singen. 

3)  An  diese  Gleichheit  glaubt  Wattenbach:  slaw.  Ritus  in  Böhmen,  S.  227. 

4 


50 

turgie  zugleich  mit  den   fremden  kroatischen  Mönchen  in  das  Klo- 
ster Sazawa  aufgenommen.1) 

4.  Endlich  kann  ja  gar  nicht  zugegeben  werden,  dass  die  Li- 
turgie des  h.  Methud  ein  eigentümlicher  neuer  Ritus  war:  viel- 
mehr war  es  entschieden  die  römische  Messe,  die  seine  Priester 
feierten,  und  das  römische  Brevier,  das  man  in  seiner  Diöcese 
betete,  und  das  römische  Ceremoniale,  das  bei  der  Ausspenduug 
der  hh.  Sakramente  üblich  war,  —  nur  dieses  Alles  in  slawischer 
Sprache.  Den  heiligen  Metropoliten,  der  in  Rom  zum  Bischöfe 
geweiht,  und  von  Rom  aus  für  den  pannonisch-mährischen  Spren- 
gel jurisdiktionirt  —  allezeit  im  treuen  Anschlüsse  an  die  römische 
Kirche  verharrte,  hatte  zu  jener  slawischen  Neuerung,  die  noch 
überdiess  im  J.  880  die  vollste  Approbation  des  päpstlichen  Stuhles 
erlangte,  einerseits  die  mangelnde  lateinische  Bildung  seiner  Geist- 
lichkeit und  andererseits  die  Hoffnung  eines  besseren  Erfolges  im  heil. 
Werke  der  Slawenbekehrung  gedrängt.2)  Seine  liturgische  Ordnung 
hat  sich  als  römischer  Ritus  in  altslowenischerSprache 
bis  auf  die  Gegenwart  in  den  glagolitischen  Kirchengemeinden  der 
römisch-katholischen  Diöcesen  von  Veglia,  Zara,  Spalato  und  Se- 
benico  erhalten.3)  Im  alten  Mähren  aber  bestand  sie  unleugbar 
nur  mit  und  neben  der  älteren  lateinischen  Liturgie;  denn  that- 
sächlich  war  Methuds  Suffragan  zu  Neutra,  Bischof  Wiching,  als  Deut- 
scher in  seinen  liturgischen  Verrichtungen  ein  treuer  Anhänger  der 
lateinischen  Sprache.  Ueberdiess  war  bekanntlich  der  mährische 
Fürst  Swatopluk  von  allem  Anfange  her  kein  Freund  der  slawischen 
Neuerung,  und  begünstigte  entschieden  den  lateinischen  Klerus.4) 
Somit  kann  nicht  einmal  mit  Sicherheit  behauptet  werden,  dass 
die  im  Gefolge  Bofiwojs  nach  Böhmen  kommenden  slawischen 
Priester  der  slawischen  Liturgie  huldigten.  Diess  eben  um  so  we- 
niger, als  dieselben  vom  Hofe  Swatopluks  kamen.    Endlich  wurden 


])  Vgl.  Wattenbacli  slaw.  Liturgie  S.  227.  Ginzels  Geschichte  der  Slawen- 
apostel, S.  139  etc. 

8)  Das  Nähere  ist  in  Ginzels  Geschichte  der  Slawenapostel  56—83  historisch 
nachgewiesen.         ' 

3)  Ein  authentisches  Verzeichniss  der  glagolitischen  Gemeinden  von  1857 
bringt  Ginzels  Geschichte  der  Slawenapostel  im  Anhange  111. 

4)  Vgl.  ebendaselbst  S.  83  etc. 


51 

nach  Methuds  Tode  im  J.  886  alle  geistlichen  Schüler  des  grossen 
Slawenapostels,  an  200  an  der  Zahl,  durch  Militärmacht  aus  den 
mährischen  Landen  bis  über  die  Donau  geschafft,  von  wo  sie  sich 
sämmtlich  nach  der  Bulgarei  wandten.1)  Fortan  war  ein  Aufkom- 
men der  methudischen  Liturgie  in  Böhmen  schon  gar  nicht  mehr 
möglich.8) 


II.  Zeitraum. 

Die  jugendliche  Kirche  Böhmens  im  siegreichen  Kampfe  mit  den 
Ueberresten  des  alten  Heidentimms. 

§.  1 5.    Die  Errichtung  des  Bisthums  in  Prag. 

1.  Das  Volk  der  Böhmen  „war  allerwärts  im  christlichen 
Glauben  unterrichtet  und  hatte  —  wenn  auch  hin  und  wieder  mit 
einiger  Lauigkeit  —  die  alten  Götzenbilder  beseitigt;  aber  eines 
eigenen  Oberhirten  entbehrend,  hatten  sie  noch  nicht  gelernt,  die 
neue  Lehre  auch  im  Leben  zu  üben."  3)  Noch  bewahrte  man  an 
vielen  Orten  wenigstens  insgeheim  eine  grosse  Anhänglichkeit  an 
die  falschen  Nationalgottheiten,  begrub  die  Todten  gern  in  den 
früheren  heiligen  Opferhainen  und  beging  für  dieselben  die  alten 
heidnischen  Trauergebräuche.4)  Die  Ehe  wurde  noch  vielfach  nach 
heidnischer  Sitte  als  eine  auflösbare  Verbindung  angesehen  und 
leichtfertig    wieder   getrennt.    Man  achtete  dabei  auch  sehr  wenig 


l)  Ebendaselbst  S.  94.  cit.  vita  Clementis  c.  11 — 14. 

3)  Ign.  Joh.  Hanus  hat  in  seiner  Ausgabe  des  „bulgar.  Mönchs  Chrabru"  (Ar- 
chiv für  Kunde  österr.  Geschichtsquellen,  23.  Bd.  1.  Abth.)  bewiesen,  dass 
Cyrill  der  Erfinder  des  heutigen  glagolitischen  Alphabets  war;  sonach  war 
also  der  jetzige  glagolitische  Ritus  gewiss  auch  der  Ritus  der  beiden  Sla- 
wenapostel. (Vgl.  ebend.  S.  6,  13,  15,  22,  24—30,  35,  39,  44—46.)  Das  wich- 
tigste Zeugniss,  das  Hanus  anführt,  ist  das  des  Chrabru  selbst  aus  dem 
9.  und  10.  Jahrhundert,  der  von  Cyrill  die  Erfindung  einer  Schrift  erzählt, 
die  geradezu  nur  die  heutige  glagolitische  sein  kann.  (S.  45.) 

3)  Vita  S.  Wolfgangi  bei  Mabillon  p.  986. 

4)  Cosmas  a.  a.  1039.  Vgl.  diessfalls  auch  die  weiter  unten  behandelten  Sy- 
nodalstatuten der  ersten  Bischöfe  Böhmens. 


52 

das  kirchliche  Hinderniss  naher  Blutverwandtschaft. ')  und  selbst 
Vielmännerei  und  Vielweiberei  traten  nicht  eben  selten  zu  Tage.'-) 
Nicht  einmal  die  Geistlichkeit  achtete  ohne  Ausnahme  die  Tugend 
der  Keuschheit B)  und  gegen  alle  Verbote  der  frühem  christlichen 
Jahrhunderte4)  gab  es  Verheiratete  und  sogar  Wiederholtverheira- 
tete  in  ihrer  Mitte.5)  Den  christlichen  Lehren  zum  Trotze  hielt 
man  noch  an  der  grausamen  Blutrache  fest  und  verschonte  nicht 
einmal  die  Gotteshäuser  mit  blutigen  Grüueln/')  Die  Sklaverei  be- 
stand noch  immer  im  Lande  :)  und  zahlreiche  Christenkinder  waren 
eine  verkäufliche  Waare  in  den  Händen  der  Juden.  Nj  Auch  die 
Trunksucht  herrschte  vielfach  unter  dem  Volke  und  ward  nicht 
selten  die  Veranlassung  zu  den  traurigsten  Verletzungen  des  christ- 
lichen Gesetzes.9)  Alle  diese  Gehrechen  mussten  noch  geheilt  und 
an  ihrer  Statt  ein  Lehen  im  Sinne  der  heiligen  Lehre  Jesu  zur 
allgemeinen  Geltung  gebracht  werden. 

2.  Zu  diesem  Ende  schien  vor  Allem  die  Errichtung  eines 
eigenen  Bisthums  im  Lande  unerlässlich ;  denn  ein  Oberhirt  ausser- 
halb des  Landes  und  in  weiter  Entfernung  konnte  unmöglich  alle 
nöthige  Aufsicht  üben  und  die  volle  Kraft  seines  Amtes  handha- 
ben.   Um   aber  die  Errichtung  eines  eigenen  Bisthums  zu  ermög- 

')  Erben  reg.  p.  33.    Wattenbach,  Beiträge  p.   51.    Vgl.   die  nachfolgenden 
Statuta  synodalia. 

■-I  Cosmas,  Vita  S.  Aäalherü:  Buxerat  hie  ternas  mores,  iste  guaterneu,  foe- 
»una  nee  solo  contenta  marito. 

f  Statuta  Synodalia  in  Höflers  Concilia  Pragensia,  Einleitung  p.  YIII  &  IX 

4)Lpiscopi,  presbyteri,  diaconi  uut  virgincs  diguntur  aut  vidui,  aut  certe  post 
sacmlotinm  in  aeternum  pudki.  8.  Hieran,  ad  Pammacb,  Diess  war  die 
alte  kirchliche  Praxis  in  der  Aufnahme  zum  geistlichen  Stande.  Im  J  400 
wurde  gegen  den  Bischof  Antoninus  von  Ephesus  (also  sogar  im  Oriente) 
unter  die  Anklagepunkte  auch  dieser  aufgenommen,  dass  er  nach  seiner 
Priesterweihe  noch  immer  mit  seiner  Frau  eheligen  Umgang  gepflogen 
habe,  iliuse,  Pauliuus  p.  199.)  Die  Conciliarbeschlusse  von  Klvira  305 
Neu-Ctaarea  81 1.  Aneyra  81 1.  Toledo,  Pavia  1012  gegen  die  PÄeBtewhen 
sind  bekannt. 

*)  Cosmas,  Vita  S.  Adull,  :  „Saeris  aUarÜ  «umstrü  eonnuUa  mahn- 

)  Vgl.  das  traurige  Ereigniss  mit  dem  Gcschlechte  der  Wrfoweoen  im  .1   905 

7)  Vgl.  das  Leben  des  h.  Wenzel. 

8J  Cosmas:  Vita  S.  Adalberti. 

»jEuend.  Vgl.  auch  die  spätem  Statuta  Synodalia  und  die  Verordnungen 
des  Bischofs  Severus. 


53 

liehen,  mussten  sich  die  rastlosen  Bemühungen  des  frommen  Her- 
zogs Boleslaw  II.  mit  der  edlen  Opferwilligkeit  der  Bischöfe  von 
Regensburg  vereinigen.1)  Gleich  nach  dem  Tode  Boleslaws  I. 
(f  15.  Juli  967)  brachte  Mlada  (Maria),  die  fromme  Schwester  des 
neuen  Herrschers,  die  Bitten  ihres  frommen  Bruders  nach  Rom.5) 
Eä  gab  da  überaus  Vieles  zu  regeln  und  zu  ordnen.  Das  neue 
Bisthum  sollte  eben  alle  Länder  Boleslaws  II.  umschliossen,  also 
aussei-  dem  bisher  zu  Regensburg  zugethcilten  Böhmen  auch  noch 
die  nördlichen  Gebiete  des  alten  mährisch-pannonischen  Sprengeis. 
Ferner  war  den  bischöflichen  Mutterkirchen  vielfältig  Ersatz  zu 
leisten  für  die  Kirchen,  die  sie  in  den  bezeichneten  Ländern  auf 
eigene  Kosten  erbaut,  für  die  Pfarreien,  die  sie  fundirt,  und  für 
Zehent-  und  andere  Rechte,  die  sie  nebst  liegenden  Gütern  da- 
selbst erworben  hatten.  Endlich  sollte  die  neue  Diöcese  nicht  zur 
Metropolie  von  Salzburg,  wie  bisher  Regensburg,  sondern  zum  erz- 
bischöflichen Sprengel  von  Mainz  gehören  als  Ersatz  für  den 
Verlust,  den  letzterer  soeben  durch  Errichtung  des  Erzbisthums 
Magdeburg  erlitten  hatte.'1)  Die  opferwillige  Gesinnung  aller  Be- 
theiligten  brachte  die  Verhandlung  schon  im  J.  972  zum  Abschlüsse. 
Bevor  Papst  Johann  XIII.  aus  diesem  Leben  schied  (f  6.  Sept.  972) 
konnte  er  dem  edeln  Herzoge  Böhmens  in  einem  freundlichen 
Schreiben  die  Erfüllung  seines  Ansuchens  melden  4)  (die  Contirma- 
tion  seihst  geschah  erst  durch  seinen  Nachfolger  Penedikt  VI.), 
und  auch  der  grosse  Kaiser  Otto  konnte  noch  vor  dem  Ende  seiner 
Tage  (f  7.  Mai  973)  die  heilige  Stiftung  bestätigen.  So  ward 
das  Bisthum  in  Prag  gleichsam  ein  letztes  V  er  mäch  t- 


')  Gegen  das  vielseitig  behauptete  Widerstreben  des  Regensburger  Bischofs 
Michael  —  angeblich  bis  zu  seinem  im  Jahre  972  erfolgten  Tode  —  spricht 
die  Unmöglichkeit,  dass  dann  das  langwierige  Geschäft  einer  Bisthums- 
stiftung  noch  vor  dem  7.  Mai  973  (dem  Todestage  Otto  I.)  geordnet  hätte 
werden  können.  Ueberdiess  muss  die  Einwilligung  Joliann  XIII.  wenig- 
stens schon  in  das  Jahr  972  gesetzt  werden,  da  dieser  Papst  schon  in  dem- 
selben Jahre  gestorben  ist. 

•j  Cosmas. 

3)  Damborger:  synchr.  Gesch.  V.  189. 

4)  Das  Schreiben  Johann  XIII.  an  Boleslaw  bei  Cosmas.  Menken  scr.  III. 
1641.  Annul.  Sax.  a  907  u.  A.  Ginzels  Geschichte  der  Slawenapostel 
weist  dessen  wesentliche  Echtheit  nach. 


54 

niss    der    beiden  Häupter   der   Christenheit    an  unser 
Vaterland.1) 

3.  Von  erstaunlichem  Umfange  war  der  neue  bischöfliche 
Sprengel.  Ausser  dem  eigentlichen  Böhmen  umfasste  er  im  Süd- 
osten nicht  allein  Mähren,  sondern  auch  die  ganze  Slowakei  im 
nördlichen  Ungarn  bis  an  die  Donau  und  das  Matragebirge  hin; 
dann  das  heutige  Galizien  bis  an  die  Flüsse  Bug  und  Stry  in  der 
Gegend  von  Lemberg,  die  Landschaft  am  Bug  hinab  bis  in  die 
heutige  Wojwodschaft  Podlachien,  alles  Land  von  da  bis  an  die  Oder 
zwischen  Breslau  und  Glogau,  und  endlich  noch  das  ganze  übrige 
Schlesien  am  linken  Ufer  der  Oder.2)  Es  war  diess  eben  der 
Umfang  des  böhmischen  Reiches  in  jener  Zeit.  Die  nachfolgenden 
Ereignisse  haben  den  Besitz  unserer  Landesfürsten  bedeutend  ge- 
schmälert, und  die  nothwenclige  Stiftung  neuer  Bisthümer  im 
Norden  und  Osten  unseres  Vaterlandes  hat  allmälig'  auch  die  Diö- 
cese  von  Prag  auf  Böhmen  und  die  nachmals  schlesische  Graf- 
schaft Glatz  beschränkt. 

4.  Grossartig  wie  der  Umfang  des  Bisthums  war  auch  die 
Dotation  des  Bischofs,  so  dass  dieser  als  ein  wahrer  Fürst 
neben  dem  Fürsten  des  Landes  förmlichen  Hof  hielt  und  eine 
zahlreiche  von  ihm  belehnte  Ritterschaft  in  Krieg  und  Frieden  zu 
seinem  Gefolge  zählte.  Nach  Cosmas  war  Alles,  was  das  Bisthum  zu 
seiner  Zeit  (um  1125)  besass,  schon  vonBoleslaw  II.  dem  h.  Adal- 
bert  als  herzogliche  Schenkung  —  und  vielleicht  auch  zum  Theile 
als  beigefügtes  Familiengut  des  h.  Bischofs,  —  bestätigt  worden. 
In  dieser  Zeit  des  Cosmas  aber  gehörten  den  Bischöfen  unzwei- 
felhaft schon  die  grossen  Besitzungen  von  Bischofteinitz  und  Bi- 
schoff eöic,  die  von  ihnen  den  Namen  erhielten,  von  Rokycan,  Raud- 
nitz  und  Zircinewes  (in  der  Nähe  von  Königinhof).  Allmälich  kamen 
neue  Güterkomplexe  dazu,  und  zwar  um  Prag,  Bürglitz  und  Zdic,  Pri- 
bram,  Moldauthein,  Chynow,  Böhmischbrod,  Laun,  Leitmeritz  und 
Teplitz,  nebst  Gütern  in  Mähren  und  Baiern;  im  Ganzen  bis  1421 
neunzehn   grosse  Herrschaften,    ungerechnet    die   kleineren   Güter. 


1)  Die  Bischöfe  von  Regensburg  erhielten  als  theilweise  Entschädigung  durch 
Otto  IL  Vermittlung  (vgl.  §.  12,  n.  5)  einige  ansehnliche  Güter  in  Böhmen.  Als 
•solches  wird  insbesondere  KönigswartvombairischenChronistenKales  genannt. 

2)  Palacky,  Geschichte  I.  226.  Diesen  Umfang  bestätigt  das  Confirmations- 
diplom  K.  Heinrich  IV.  vom  Jahre  1086  bei  Cosmas.    Siehe  den  Anhang. 


55 

Ausserdem  gehörte  den  allgemeinen  Kirchengesetzen  gemäss  auch 
der  Zehent  von  allen  Landfrüchten  der  Diöcese  —  und  zwar  ur- 
sprünglich 100  Garben  und  später  2  Metzen  Getreide  von  jedem 
Pflugmasse  Ackers  — ,')  und  nach  der  besonderen  Sitte  unseres 
Landes  auch  die  Abgabe  der  sogenannten  Rauch pfennige  zur 
Dotation  des  prager  Bisthums.2) 

5.  Die  grossen  Besitzungen  der  Bischöfe  von  Prag  hatten 
nicht  bloss  den  Zweck,  das  Ansehen  der  geistlichen  Oberhirten 
des  Landes  in  den  Augen  des  Volkes  und  Adels  möglichst  hoch  zu 
stellen ;  es  ist  auch  bekannt,  dass  die  Bischöfe  nach  den  allgemeinen 
Gesetzen  der  Kirche  geradezu  den  grössten  Theil  ihres  Einkom- 
mens dazu  benützen  sollten  und  wirklich  benützten,  um  Kirchen 
und  Geistlichkeit  mit  allem  Notwendigen  zu  versehen  und  insbe- 
sondere auch  für  die  allgemeinen  geistlichen  Bedürfnisse  des  Landes 
entsprechend  zu  sorgen.3)  Es  lag  in  der  Natur  der  Sache,  dass 
namentlich  die  unmittelbaren  Besitzungen  des  Bischofs  diessfalls 
einer  besonderen  Fürsorge  sich  zu  erfreuen  hatten,  und  dass  in 
Folge  dessen  gerade  hier  die  grosse  Aufgabe  dieser  Zeit  —  der 
heilige  Kampf  gegen  die  Ueberreste  heidnischer  Sitten  —  zu  einem 
glücklichen  Ende  gedieh.  Im  Umkreise  der  jetzigen  Diöcese  Leit- 
meritz  gehörten  zu  diesen  letzteren  die  nachfolgenden  Seelsorgsta- 
tionen. 

a)  Gastorf  (Hostka),  Robic,  Wetla  (Wettel),  Tuhan 
und  Blizwedly  (Bleiswedel).  Diese  Orte  waren  wahrscheinlich 
bereits  zur  Zeit  der  Entstehung  des  Bisthums  Bestandteile  der 
bischöflichen  Herrschaft  Raudnitz  4)  und  erhielten  wohl  auch  schon 
frühe  durch  die  Fürsorge   ihrer   hohen  Patrone   eigene   Seelsorger. 


*)  Tomek,  Gesch.  Prags.    S.  78  u.  79.    Palacky  III.  2.  219. 

3)  Die  Rauchpfennige  waren  von  den  Seelsorgern  bei  Gelegenheit  der  Haus- 
visitation (am  Feste  Epiphaniae)  nach  der  Zahl  der  Rauchfänge  zu  erhe- 
ben und  bei  Gelegenheit  der  jährlichen  Synodalversammlung  an  den  Bischof 
abzutragen.  (Laut  Anordnung  des  Bischofs  Ekhard  v.  J.  1023.)  Später 
ging  diess  Einkommen  als  Theil  der  Collecta  (Koleda  genannt)  an  die 
Seelsorger  und  von  diesen  häufig  an  die  Schullehrer  über. 

3)  Tomek,  Gesch.  Prags  I.  78  u.  79.  Fessler,  Gesch.  der  Kirche  p.  270.  Die 
meisten  der  obigen  Bareinkünfte  wurden  alsbald  den  Seelsorgdotationen 
zugewendet.    Vgl.  vorige  Note. 

4)  Hierher  gehörte  später  auch  das  jetzt  verschollene  Schloss  Helfenburg  — 
muthmasslich  die  jetzige  Affenburg  (Hrädek)  bei  Auscha. 


56 

Wenn  es  begründet  ist,  von  dem  Reichthum  einer  Kirche  auf  ihr 
Alter  zu  schliessen,  welches  allerdings  in  Ermangelung  anderer 
Nachrichten  den  allmäligen  Anwuchs  eines  bedeutenden  Vermö- 
gens am  besten  erklären  kann:  so  sind  Gastorf,  Robic  und  Wettel 
entschieden  die  ältesten  Landkirchen  des  nachmaligen  leitmeritzer 
Dekanates,  indeni  sie  im  J.  1384  in  der  weiten  Umgegend  den 
höchsten  Kirchenzehent  mit  dem  halbjährigen  Betrage  von  je  27 
(Wetla  mit  24)  böhmischen  Groschen  zu  entrichten  hatten.  Da- 
mals betheiligte  sich  Tuhan  mit  18  und  Blizwedly  mit  9  böhm. 
Groschen.1)  Gastorf  erhielt  im  J.  1266  durch  Vermittlung  des  da- 
maligen Bischofs  Johann  III.2)  und  Blizwedly  im  J.  1296  auf  Ver- 
wendung des  Bischofs  Tobias3)  die  Marktgerechtigkeit.  Die  oben 
genannten  Orte  blieben  bis  zur  Husitenzeit  im  ununterbrochenen 
Besitze  der  geistlichen  Oberhirten  unseres  Vaterlandes.4)  Nur 
Wettel  gelangte  1332  durch  den  Erzbischof  Johann  IV.  in  den 
Besitz  des  von  diesem  gestifteten  Klosters  der  regulirten  Augusti- 
nerchorherren in  Eaudnitz.5) 

b)  Die  S.  Adalbertskirche  in  der  Vorstadt  Zasada  zu 
Leitmeritz  oberhalb  des  bereits  erwähnten  S.  Adalbertibrunnens, 
deren  selbstständige  Seelsorger  nebst  wenigstens  einem  Altaristen 
in  den  Confirmationsbüchern  wiederholt  erwähnt  werden,6)  gehörte 
gleichfalls  zum  Patronate  des .  jeweiligen  prager  Bischofs,  dessen 
Vorfahren  wahrscheinlich  in  unbekannter  Zeit  dieses  Gotteshaus 
zum  Andenken  ihres  heiligen  Vorgängers  gegründet  hatten.  .  Im 
J.  1337  gelangte  das  Patronat  zugleich  mit  den  nahen  Ortschaften 
Smolnic  (jetzt  unbekannt),   Hlinna  (Hliney),  Babin  (Babina), 


')  Vgl.  das  Register  der  Kirchenzehenten,  welche  1384  in  Folge  päpstlichen 
Auftrags  an  den  König  Wenzel  IV".  zur  Unterstützung  eines  projektiven 
Römerzugs  zu  verabfolgen  waren.  Balbini  Miscell.  hist.  JBohem.  lib.  V. 
p.  9—37.     Original-Mänuscr.  in  fürst-erzbisch.  Bibliothek  in  Prag. 

a)  Sommer:  Leitmeritzer  Kreis. 

3)  Balb.  litt,  publicaej  p.  22. 

4)  Nach  den  in  der  Prager  erzbisch.  Bibliothek  aufbewahrten  Conhrmations- 
büchern(von  1358— 1419),  den  Originalprotokollen  aller  geistlichen  Anstellun- 
gen jener  Zeit,  übten  die  Erzbischöfe  ihr  Patronatsrecht  aus:  für  Gastorf 
in  den  Jahren  1358,  1361,  1365,  1374  u.  1403;  für  Robic  1374,  1419;  für 
Tuhan  1363,  1371,  1377,  1418;  für  Blizwedly  1404. 

5)  Vgl.  Palacky:  Archiv  öesky,  I.  503. 
ü)  1363,  1366,  1370,  1394,  1402,  1417. 


57 

Bf  ezi  (wahrscheinlich  Friesen  auf  der  Domain e  Lobositz)  und  Zbu- 
dow  (Pudova)  an  das  neugestiftete  Lateranenserkloster  zu  Raud- 
nitz;1)  von  dem  es  um  1363  an  die  Herren  von  Wartenberg  zu 
Tetschen  und  um  1394  an  die  Herren  von  Kamyk  auf  Pokratic 
überging.2)  Dagegen  verblieb  ein  Weinberg  (Chlistnowska)  bei 
Leitmeritz  bis  1424  im  Besitze  der  geistlichen  Oberhirten  unseres 
Vaterlandes.3) 

c)  Pocedelic,  jetzt  eine  Filiale  von  Koschow,  Obora  bei 
Laun  und  Wtelno  bei  Brüx,  beide  jetzt  noch  selbstständige 
Seel sorgstationen  sind  ebenfalls  uralte  Patronatpfarren  der  Bi- 
schöfe von  Prag  gewesen.  Ihr  hohes  Alter  geht  aus  dem  Um- 
stände hervor,  dass  Pocedelice  (damals  zum  Schlauer  Dekanate 
gehörig)  im  J.  1384  als  Halbjahrszehent  den  ungewöhnlich  hohen 
Betrag  von  24,  Obora  (damals  zum  Dekanate  von  Saaz  gerechnet) 
die  ebenfalls  nicht  geringe  Leistung  von  15  und  Wtelno  (zum  Bi- 
liner  Dekanate  zugehörig)  den  Betrag  von  12  prager  Groschen  zu 
entrichten  hatten.4)  Obora  war,  zugleich  mit  dem  nahen  Orte 
WrSowice,  dem  Markte  Slawetin  und  der  Hälfte  des  Pfarrortes 
Blsany  (Flöha  im  alten  Dekanate  Bakonic)  erst  um  1268  durch 
Tausch  in  das  Eigenthum  der  prager  Bischöfe  gelangt.5)  Dagegen 
scheinen  Poöedelice  (mit  Weltez)  und  Wtelno  viel  früher  schon 
zur  bischöflichen  Kammer  gehört  zu  haben.6) 

d)  Zu  den  erwähnten  Besitzungen  des  prager  Bisthums  kam 
1335  noch  durch  Kauf  das  Gut  Geiersberg  oder  Supihora  (seit- 
dem auch  Bischofsberg  genannt)  bei  Graupen  mit  den  Ortschaften 
Sobechleby  (Sobochleben),  Marsow  (Marschen)  und  Uncin 
(Hohenstein).7)    Vordem   schon    hatte  der  Bischof  Johann  IV.    in 


l)  Tomek,  Gesch.  Prags,  I.  409. 

3)  Libri  confirmationum  ad  1363 — 1394,  1394 — 1417.  Libri  erectionum  (die 
Originalstiftungsbücher  jener  Zeit  1358 — 1420,  13  Foliomanuscripte  des  Pra- 
ger Domkapitels)  XIII.  J.  9.     Excerpirt  von  ßalbin  Mise. 

3)  Derselbe  wurde  1424  vom  apostasirten  Erzbischof  Konrad  um  den  Preis 
von  100  Schock  an  Racek  von  Kojsic  veräussert.  (Palacky,  Archiv  I.  40G.) 

4)  Register  der  Kirchenzehenten  von  1384  bei  Baibin. 

5)  Tomek,  Gesch.  Prags  I.  407,  cit.  eine  Urkunde  des  Prager  Domkapitels. 

G)  Vgl.  ebendaselbst  I.  410.  Confirmationsakte,  wobei  die  Prager  Metropoliten 
als  Patrone  genannt  sind,  finden  sich  in  den  libris  confirmationum  für  Po- 
öedelice  1411  und  1415,  Obora  1415  und  für  Wtelno   1413.     (Libr.  conf.) 

7)  Tomek,  Gesch.  Prags  I.  409.    Die  Burg    Geiersberg   (in   den  husitischen 


58 

dieser  Gegend  das  Gut  und  diePfarrkollaturTuchomySl  (Schönfeld), 
das  Pfarrdorf  M  o  d  1  an  y  und  die  jetzt  zum  Dominium  Kulm  gehörigen 
Ortschaften  L  o  ch  o  ö i  c  (Lo cht s elvi tz),  H  ab  f  i  (Habrschie),  H o to wi c 
(Hottowitz)  und  Sobedruh  (Soborten)  besessen,  dieses  Gebiet 
aber  um  1332  dem  von  ihm  gestifteten  Kloster  Raudnitz  einver- 
leibt. Im  J.  1337  tauschte  derselbe  diese  Dorfschaften  gegen  an- 
dere (?)  zwischen  Leitmeritz  und  Aussig  wieder  ein,  und  vereinigte 
sie  mit  dem  bischöflichen  Gute  Geiersberg. ])  Im  J.  1384  entrichtete 
Tuchomysl  6  und  Modlan  9  böhm.  Groschen  als  halbjährigen  Kir- 
chenzehent  für  die  Römerreise  Wenzels  IV. a)  Dieser  verhältniss- 
mässig  geringere  Beitrag  lässt  vermuthen,  dass  beide  Pfarrbenefi- 
zien  kaum  vor  die  Zeit  des  bischöflichen  Besitzes  zurückreichen 
dürften. 

e)  Unmittelbar  vor  der  husitischen  Bewegung  (wie  lange 
auch  vorher  schon,  ist  nicht  zu  ermitteln)  besassen  die  Oberhirten 
Böhmens  auch  das  alte  Pfarrdorf  Zercice,  das  jetzige  Zemcin 
auf  der  Herrschaft  Dobrowitz  im  bunzlauer  Kreise,  welches  der 
Erzbischof  Ernest  neu  wieder  auferbaut  hatte,3)  nebst  den  benach- 
barten Dörfern  Kobylniky  und  Öizowka,  letzteres  auf  der  je- 
tzigen Domaine  Bfezno.  Im  J.  1384  zahlte  Zeröice  die  damals 
hohe  Summe  von  21  b.  Groschen  als  halbjährigen  Kirchenzehent 
ab.4)  Um  das  J.  1420  verpfändete  der  Erzbischof  Conrad  diese 
ganze  Besitzung  um  300  Schok  an  Janek  von  JestSrb.5)  Bei  einem 
so  bedeutenden  Grundbesitze  innerhalb  der  jetzigen  Diöcese  von  Leit- 
meritz hat  für  diese  die  Geschichte  der  Bischöfe  von  Prag  ausser 
dem  allgemeinen  auch  noch  ein  besonderes  lokales  Interesse.6) 


Unruhen  dem  Bisthume  entfremdet)  ward  1526  durch  eine  aus  Unvorsich- 
tigkeit entstandene  Feuersbrunst  eine  Kuine.  Vgl.  Sommer:  Leitm.  Kr. 
p.  202,  der  aber  irrig  die  alte  Burg  Chlumec  nennt  und  ihre  früheren 
geistlichen  Besitzer  nicht  kennt. 

l)  Ebendaselbst.  Nach  den  Libr.  Confirmationum  üben  die  Erzbischöfe  von 
Prag  ihr  Collaturrecht  noch  1418  für  die  Pfarrei  Tuchomysl,  und  1364, 
1402,  1409,  1413  und  1415  für  die  Pfarre  Modlan  aus. 

3)  Dtcemregister  bei  Baibin. 

3)  Balbini  Bohemia  saneta,  §.  LVIII.  p.  86. 

4)  Begist.  deeimarum. 

5)  Palacky  Archiv  II.  461.    Vgl.  Üb.  confirm.  ad  1406. 

G)  Bis  1421  besass  das  Bisthum  17  grosse  Herrschaften  in  Böhmen,  ohne  die 
kleineren  Güter  mitzuzählen:  1.  iSiudnitz,  2.  Hradek  (Helfenburg,  1375  ge- 


59 


§,16.  Die  Einsetzung  des  Bischofs  Dietmar. 


1.  Papst  Johann  XIII.  hatte  in  seinem  an  Boleslaw  IL  ge- 
richteten Schreiben1)  „die  Kirche  der  Im.  Märtyrer  Veit  und  Wen- 
zel" (welcher  letztere  hiemit  vom  päpstlichen  Stuhle  selbst  als 
Heiliger  und  als  Landespatron  anerkannt  wurde)  zur  Kathedral- 
kirche des  neuen  Bisthums  bestimmt,  und  in  Betreff  der  Person 
des  künftigen  Bischofs  nur  die  einzige  Bedingung  gestellt,  „nicht 
etwa  nach  dem  Ritus  und  nach  der  Sekte  des  bulgarischen  Volkes 
oder  der  russischen  und  slawonischen  Sprache,  sondern  vielmehr 
nach  Massgabe  der  Einrichtungen  und  Anordnungen  des  apostoli- 
schen Stuhles  zu  diesem  geistlichen  Amte  einen  hervorragenden 
Kleriker  der  allgemeinen  Kirche  zu  erwählen,  welcher  der  latei- 
nischen Sprache  vorzüglich  mächtig  sei.2)  Die  Bischofswahl  geschah 
sofort  in  derselben  Weise,  wie  sie  seit  dem  Concile  von  Nicäa  fast 
überall  stattfand.  Klerus  und  Volk  hatten  sich  über  den  Würdig- 
sten zu  einigen,  dem  Landesfürsten  stand  es  frei,  durch  Vorschläge 
oder  Bestätigung  sich  hiebei  zu  betheiligen,  dazu  hatten  endlich 
die  Bischöfe  der  Provinz  durch  ihren  Metropoliten  die  Zustimmung 
zu  geben.3)  Wie  um  diese  Zeit  fast  all erwärts,  so  sprach  damals 
der  Klerus  Böhmens  zumeist  durch  seine  Prälaten  (resp.  Mitglieder 
des  Domstifts)  und  das  Volk  durch  die  Edeln  des  Landes:  diese 
und  jene  aber  waren  gewohnt,  sich  auf  den  Landtagen  zu  treffen, 
wo  überdiess  auch  der  Landesfürst  zugegen  war.  So  wurde  die 
Bischofswahl  von  selbst  eine  Angelegenheit  des  böhm.  Landtags. 
Der  Gewählte  musste    darauf  das  Anrecht  auf  die  weltlichen  Besi- 


kauft),  3.  Geiersberg  (s.  1335),  4.  Bischofteinitz,  5.  Herstein,  6.  Rokitzan, 
7.  Pribram  (s.  1216),  8.  Rozmital,  9.  Moldautein  mit  Bechin,  10.  Cheynow, 
11.  Pilgram,  12.  Reichenau,  13.  Roth-Reöic,  14.  Heralec,  15.  Kriwsudow, 
16.  Stepanow,  17.  Böhmisch-Brod*  Dazu  kamen  in  Mähren  die  Herrschaft 
18.  Kojetin  und  in  Baiern  die  Herrschaft  19.  Luhe.    (Palacky  III.  2.   219.) 

T)  Erben  reg.  p.  29  n.  67. 

3)  Ebendaselbst.  —  Diese  gestellte  Bedingung  beweist  nur  die  weise  Fürsorge 
des  Papstes  angesichts  des  kürzlich  erfolgten  ersten  Schismas  der  Griechen, 
dem  auch  die  slawischen  Stämme  Ost-Europa's  beigetreten  waren;  keines- 
wegs aber  beweist  sie,  wie  man  wollte,  eine  vorangegangene  Geltung  des 
slawischen  Ritus  in  Böhmen.  In  solchem  Falle  hätten  die  päpstlichen 
Worte  sicher  anders  gelautet. 

3)  Vgl.  Alzog,  Kircheng.  S.  299  etc. 


60 

tzungen  des  Bisthums  durch  kaiserliche  Belehnung  (Investitur)  em- 
pfangen, und  hiedurch  unter  die  Fürsten  des  Reiches  eingereiht 
werden.  Darum  verfügte  er  sich  sobald  als  möglich  an  den  kaiser- 
lichen Hof,  der  damals  bald  da,  bald  dort,  nicht  selten  sogar  jen- 
seits der  Alpen  sich  aufhielt.  Zuletzt  bedurfte  er  noch  der  Be- 
stätigung des  Metropoliten  von  Mainz,  der  zu  diesem  Zwecke  erst 
eine  gewissenhafte  Prüfung  des  Wahlaktes  vornahm  und  im  gün- 
stigen Falle  sofort  dem  Erwählten  die  bischöfliche  Weihe  ertheilte. 
Der  neu  geweihte  Bischof  kehrte  dann  erst  nach  Böhmen  zurück, 
hielt  seinen  feierlichen  Einzug  in  Prag  und  wurde  in  Gegenwart 
des  Landesfürsten,  der  Geistlichkeit,  des  Adels  und  des  Volkes 
auf  den  bischöflichen  Thron  zur  Seite  des  Hauptaltars  in  der  Set. 
Veitskirche  geleitet.  Der  Klerus  sang  dabei  den  ambro siani sehen 
Lobgesang  (Te  Deum  laudamus),  Adel  aber  und  Volk  in  späterer 
Zeit  den  etwas  entstellten  Refrain  des  nationalen  Liedes  Gospodi 
pomiluj:  Christe  keynaclo  und  Krles  (Kyrie  eleyson).  Es  war  ein 
Tag  allgemeinen  Jubels  im  ganzen  Lande.1) 

2.  Zum  ersten  Bischöfe  wurde  Dietmar  auserkoren,  ein  from- 
mer deutscher  Benediktinermönch  aus  Magdeburg,  ein  Mann  von  gros- 
ser Gelehrsamkeit  und  Beredsamkeit,  bei  Fürst  und  Volk  —  wohl  seit 
längerer  Zeit  apostolischen  Wirkens  in  Böhmen  —  beliebt  als  ein 
vorzüglicher  Kenner  der  slawischen  Sprache,  und  eben  hiedurch 
zum  neuen  hohen  Amte  ausnehmend  geeignet.2)  Er  empfing  die 
Investitur  noch  vom  Kaiser  Otto  I.  am  23.  März  973  zu  Quedlin- 
burg3) und  die  bischöfliche  Weihe  von  seinem  Erzbischofe  Rupert 
zu  Mainz.4)  Acht  Jahre  lang  durchwanderte  er  sofort  als  Bischof 
das  weite  Gebiet  seiner  Diöcese,  führte  viele  Tausende,  die  bisher 
noch  dem  Heidenthume  angehangen  hatten,  durch  die  h.  Taufe  zum 


')  So  ist  bei  Cosmas  die  Inthronisation  des  Bischofs  Dietmar  beschrieben. 
Wenn  hier  schon  vom  Volksrufe  Knies  erzählt  wird,  so  ist  dies  wohl  ein 
Anachronismus.    Vgl.  Tomek,  Gesch.  Prags  I.  77  u.  78. 

2)  Cosmas  ad  a.  967.  —  Crugerius  sacr.  pulv.  ad  2.  Jan. 

3)  Ännal  Queälirib.  a  973.  Annal.  Sax;.  a.  973.  Otto  I.  starb  noch  im  selben 
Jahre  am  7.  Mai. 

4)  So  Fabricius  II.  Sax.  in  Otton.  I.  Rupert  regierte  dem  Schematismus  der 
Mainzer  Diöcese  nach  von  970—975.  Weleslawin  und  Pesina  (Phosphorus 
septicornis)  nennen  irrthümlich  den  Erzbischof  Hatto,  den  Vorgänger  Ru- 
perts, Kreibich  (memorabilia,  MS.  bei  S.  Thomas  in  Prag)  und  Andere  Ru- 
perts Nachfolger  Wiligisis  als  Consecrator. 


61 

christlichen  Glauben  ein  und  weihte  sehr  viele  Kirchen.1)  Letztere 
hatte  theils  der  gläubige  Landesfürst  erbaut  (20  an  der  Zahl), 
theils  verdankten  sie  dem  freigebigen  Eifer  des  neuen  Oberhirten 
ihre  Entstehung.2)  An  h.  Eifer  in  der  Bekämpfung  der  alten  heid- 
nischen Laster  und  in  der  Hebung  eines  echt  christlichen  Lebens 
wurde  er  das  Vorbild  aller  folgenden  Bischöfe:3)  Mit  begeisterter 
Rede  und  wohlbedachter  Strenge  suchte  er  sein  Volk  vorzüglich 
den  herrschenden  Ausschweifungen  in  Trunk  und  Wollust  zu  ent- 
reissen.4)  Dem  Klerus  wollte  er  durch  sein  eigenes  Leben  ein 
Vorbild  frommen  Wandels  geben.5)  Seine  Zeit  war  aber  zu  kurz 
und  die  Gebrechen  im  Volke  waren  zu  tief  eingewurzelt,  als  dass 
er  eines  vollkommenen  Gelingens  seiner  Bestrebungen  sich  hätte 
rühmen  können.  Diess  beklagte  er  denn  auch  auf  seinem  Sterbe- 
bette unter  heissen  Thränen.6)  Er  ging  am  2.  Jänner  982  im 
Rufe  der  Heiligkeit  in  ein  besseres  Leben  hinüber.7) 

§.17.    Der  heilige  Adalbert. 

1.  Wenige  Wochen  nach  Dietmars  Tode,  am  19.  Februar 
982,  versammelte  sich  das  verwaiste  Volk  (Priester  und  Laien) 
um  seinen  Fürsten  in  Lewy  Hradec8)  und  mit  einstimmigem  Jubel 
ward  hier  als  Nachfolger  im  bischöflichen  Amte  ein  „Landsmann 
begrüsst,  dessen  Adel,  Reich thum,  Wirken  und  Leben  ganz  vor- 
züglich mit  der  neuen  Ehrenstellung  harmonirten".9)  Es  war  Adal- 
bert, der  Sohn  Slawniks,  des  oben10)  erwähnten  Grafen  von  Libic, 
und  der  frommen  Gemahlin  Stfezislawa.  Sein  Geburtsname  war 
Wojtech  (Vincentius. ! ')    In    seiner  Kindheit    bereits  von   schwerer 


l)  Cosmas. 

3)  Vgl.  §.  7.  n.  3,  und  §.  15.  n.  5. 

3)  Kreibich  1.  c. 

4)  Vgl.  später  seine  Klage  auf  dem  Sterbebette. 

5)  Kreibich  1.  c.    . 

6)  Vgl.  Primus  S.  Adalberti  biographus,  apud  Mabill.  c.  I.  p.  851.  Er  schrieb 
sein  Werk  schon  zur  Zeit  des  Kaisers  Otto  III.  und  auf  Befehl  desselben- 

7)  Cosmas  und  Aeneas  Sylvius.    Pertz  XL  536. 

8)  Cosmas. 

9)  Primus  biographus  S.  Adalberti. 
,0)  Vgl.  §.  8.  n.  2. 

ll)  Vincentius  nennt  ihn  ein  bei  Dobn.  anndl.  IV.  111  citirter  Codex  von  M. 


62 

Krankheit  auf  dem  Altare  der  seligsten  Jungfrau  (zu  Libic?)  wun- 
derbar geheilt,1)  war  er  durch  ein  frommes  Gelübde  der  Eltern 
dem  geistlichen  Stande  und  dem  besonderen  Dienste  der  h.  Gottes- 
mutter geweiht  worden.2)  Um  962  wurde  er  als  Kind  von  dem 
aus  Russland  heimkehrenden  Missionsbischofe  Adalbert  gefirmt.  Von 
972  an  verlebte  er  9  Jahre  als  Schüler  der  Wissenschaften  in 
Magdeburg,3)  wo  er  unter  der  Leitung  des  Philosophen  Obtricus 
ausgezeichnete  Fortschritte  machte.  „Diese  ganze  Zeit  hindurch 
ahmte  er  in  keiner  Weise  diejenigen  nach,  welche  Uebles  thaten, 
und  folgte  eben  so  wenig  dem  Rathe  derer,  die  auf  Unnützes  und 
Knabenhaftes  sich  verlegten.  In  ihm  erblühte  die  Gerechtigkeit 
seines  Vaters  und  in  seiner  jugendlichen  Brust  erglänzte  das  treue  Ab- 
bild der  Frömmigkeit  seiner  Mutter." 4)  Hier  erwählte  er  den  geist- 
lichen Stand  und  empfing  mit  dem  Kleide  des  Klerikers  den  neuen 
Namen  Adalbert. 5)  Im  J.  980  kehrte  er  als  Subdiacon  ins  Vaterland 
zurück  6)  und  stand  982,  damals  wohl  schon  als  Priester,  bei  dem 
Sterbebette  des  frommen  Bischofs,  dessen  Nachfolger  er  werden  sollte. 
2.  Seine  Investitur  und  Weihe  als  Bischof  ward  durch  den 
Umstand  verzögert,  dass  zur  Zeit  der  Erwählung  Kaiser  und  Erz- 
bischof eben  in  Krieg  mit  den  Saracenen  verwickelt  im  südlichen 
Italien  weilten.  Erst  am  3.  Juni  983  empfing  er  endlich  zu  Verona 
Ring  und  Stab  aus  den  Händen  des  Kaisers  Otto  IL  und  ebenda- 
selbst am  29.  Juni  die  bischöfliche  Weihe 7)   vom  Mainzer  Metro- 


Cassino  und  ein  altes  Manuscript  von  S.  Caecilia,  deren  beider  die  Acta 
sanctorum  ad  23.  April  gedenken.    Dobner  übersetzt  den  Namen  Woytech 
mit  „Trost  des  Heeres". 
!)  Primus  biographus  S.  Adalberti. 

2)  Älter  biographus. 

3)  Alter  biographus. 

4)  Primus  biographus. 

5)  So  Palacky  I.  234.  Der  zweite  Biograph  des  Heiligen  und  Cosmas  (Vita 
S.  Adalberti)  erzählen  dagegen  von  einer  aus  Irrthum  geschehenen  zweiten 
Firmung,  in  welcher  Woytech  den  neuen  Namen  empfangen  habe.  Die 
Böhmen  nannten  ihren  nachmaligen  Bischof  noch  immer  mit  dem  alten 
slawischen  Namen,  während  bei  den  Deutschen  der  bekanntere  Name 
Adalbert  üblich  wurde.  So  kam  es,  dass  man  weiterhin  den  letzteren  für 
eine  Uebersetzung  des  ersteren  hielt. 

6)  Cosmas. 

7)  Tomek  I.  650  nennt  den  3.  und  11.  Juni  982;  Palacky  I.  235  richtiger 
den  3.  und  29.  Juni  983,  den  Weihetag  setzt  der  zweite  Biograph  ausdrück- 
lich auf  das  Fest  der  hh.  Petrus  und  Paulus. 


63 

politen  Wiligisis  —  ein  Heiliger  von  einem  Heiligen  am  Feste  der 
heiligen  Apostelfürsten. 

Als  Bischof  zeigte  sich  Adalbert  vor  Allem  als  eifrigen  Be- 
förderer des  Christenthums.  Er  widerrieth  dem  glaubenseifrigen 
Herzog  Boleslaw  IL,  länger  noch  Gewalt  zu  brauchen  gegen  die 
Anhänger  des  Heidenthums:  lieber  möge  die  gänzliche  Bekehrung 
derselben  der  ausschliesslichen  Sorge  des  Bischofs  überlassen  wer- 
den. ')  Nach  dem  Vorbilde  Dietmars  alle  Gaue  des  weiten  Vater- 
landes durchwandernd,  war  er  unermüdlich  in  der  Verkündigung 
des  göttlichen  Worts.  Hierbei  suchte  er  bald  durch  Unterricht 
und  Beispiel  und  bald  durch  kluge  Strenge  den  vielfach  verkom- 
monen  Klerus  zu  sich  empor  zu  heben.  Mit  heiligem  Eifer  kämpfte 
er  gegen  die  heidnische  Barbarei  der  Vielweiberei  und  gegen  das 
herrschende  Laster  der  Unzucht. 3)  Die  üblichen  Ehen  unter  nahen 
Verwandten  suchte  er  mit  aller  Macht  zu  verhindern  und  abzu- 
stellen. 3)  Auch  gegen  die  allgemeine  Trunksucht  kehrte  er  mit 
Muth  seine  geistlichen  Waffen.4)  Den  Verkauf  christlicher  .Sklaven 
suchte  er  wenigstens  durch  Auslösung  derselben  mit  seiner  eigenen 
Habe  zu  verringern.5)  Er  selbst  suchte  keine  andern  Genüsse  als  die 
der  Tugend  und  Andacht,  der  Wohlthätigkeit  und  Frömmigkeit. 
Je  höher  er  stand,  desto  mehr  befliss  er  sich  der  Demuth;  je 
reicher  an  irdischen  Gütern,  desto  eifriger  war  er  in  der  Entbeh- 
rung und  Selbstabtödtung.  Stets  speisten  12  Arme  mit  ihm,  und  allen 
Kranken,  von  denen  er  Kunde  erhielt,  brachte. er  persönlich  Trost 
und  Hilfe.  So  suchte  er  Allen  Alles  zu  werden  und  Alle  vereint 
zum  Heile  zu  leiten.6) 


l)  Hajek  a.  a.  973. 

8)  Cosmas,  Vita  S.  Adalberti. 

s)  Erben,  regesta,  p.  33. 

4)  Ebendaselbst.  —  In  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  schrieb  die  allgemein 
herrschende  Sage  dem  h.  Adalbert  die  über  alle  Bürger,  welche 
sich  mit  Bierbrauerei  befassten,  in  grauer  Vorzeit  verhängte 
Excommunication  zu.  König  Wenzel  I.  reichte  in  Rom  um  deren 
Aufhebung  ein.  Durch  eine  Bulle  Innocenz  IV.  ddo.  Lugduni  III.  nonas 
üecembris,  wurde  der  Abt  Clemens  von  Brewnow  beauftragt,  diese  Ex- 
communication zu  relaxiren.  Dobn.  annal.  IV.  340  und  Monumenta  Boem. 
VI.  19. 

5)  Cosmas. 

,;)  Ebend.     Palacky  I.  237. 


64 

3.  Zu  seinem  grossen  Schmerze  entsprach  der  Erfolg  seinen 
Bemühungen  viel  zu  wenig.  Da  ward  er  endlich  misstrauisch  auf 
seine  Kraft.  Es  drängte  ihn,  den  Hirtenstab  in  eine  Hand  zu  legen, 
die  er  für  kräftiger  hielt,  am  liebsten  in  die  des  Benedictinermönchs 
Christian  (Strachkwas),  der  als  Bruder  des  regierenden  Herzogs 
bei  Volk  und  Adel  ein  grösseres  Ansehen  und  mehr  Einfluss  haben 
könnte.  Obgleich  dieser  die  Annahme  von  sich  abwehrte,  ])  so  eilte 
doch  Adalbert  nach  Rom,  um  dort  zu  den  Füssen  des  Vaters  der 
Christenheit  die  Enthebung  vom  bischöflichen  Amte  zu  erflehen. 
Er  erlangte  wohl,  was  er  so  sehnlich  wünschte;  denn  sofort  wollte 
er  nach  Jerusalem  pilgern,  um  am  Grabe  des  Erlösers  einzig  nur 
der  Andacht  zu  leben.  Doch  statt  dessen  nahm  er  auf  den  Rath 
des  frommen  Abtes  von  Monte  Cassino  das  Kleid  des  h.  Benedict. 
Als  demüthiger  Klosterbruder  lebte  er  nun  im  Ordenshause  seines 
Rathgebers  und  begab  sich  später,  da  er  sich  hier  noch  als  Bischof 
behandelt  glaubte,  zu  den  Basilianern  nach  Valleluca  und  endlich 
nach  Rom  ins  Kloster  des  h.  Alexius,  wo  er  zuerst  als  Novize  den 
niedrigsten  klösterlichen  Arbeiten  sich  unterzog  und  alsbald  alle 
Brüder  an  Strenge  und  Frömmigkeit  überbot.2) 

4.  Indess  hatte  Gott  unser  Vaterland  mit  Pest  und  Hungers- 
noth  schwer  heimgesucht.3)  Fürst  und  Volk  sahen  die  Trübsal  als 
eine  wohlverdiente  Züchtigung  für  die  früheren  Kränkungen  des  h. 
Bischofs  an  und  sehnten  sich  nach  seiner  Rückkehr.  Desshalb  ver- 
wendeten sie  sich  zuerst  an  den  Metropoliten  Wiligisis  zu  Mainz 
und  nachher  mit  dessen  Rath  und  Hilfe  im  J.  992  nach  Rom.  Da 
erhielt  Adalbert  vom  Papste  selbst  den  Befehl,  in  sein  Bisthum 
wieder  zurückzukehren,  indem  die  Böhmen  ihm  genauen  Gehorsam 
versprachen.  Ohne  Säumen  fügte  er  sich  dem  Gebote  —  doch  ohne 
selbst  dem  klösterlichen  Kleide  wieder  zu  entsagen.  Er  nahm  viel- 
mehr zwölf  Ordenssöhne  des  h.  Benedict  mit  sich  ins  Vaterland,4) 
als  Genossen  seiner  Frömmigkeit,  als  Erstlinge  eines  künftigen  Or- 
densstandes und  als  vorzügliche  Werkzeuge  zur  völligen  Umwand- 
lung seines  Volkes.    Auf  dem  Wege  in   sein  Vaterland  zog  er  — 


*)  Cosmas  und  Anndlista  Saxo. 

a)  Cosmas.    Palacky  239.    Die  Ablegung  der  Klostergelübde  geschah  am  17. 
April  990  nach  Palacky  1.  c,  —  am  2.  April  991  nach  Erben  regesta  p.  33. 

3)  Cosmas. 

4)  Palacky  I.  240. 


65 

als  päpstlicher  Legat  —  predigend  und  taufend  durch  das  Land  der 
Ungarn  und  hatte  selbst  die  Freude,  dem  h.  Stephan  das  h.  Sakra- 
ment der  Wiedergeburt  zu  spenden.  ')  Noch  im  J.  993  zog  er  end- 
lich in  Prag  ein,  mit  lautem  Jubel  und  mit  Freudenthränen  vom 
Volke  und  von  seinem  Fürsten  empfangen. 2)  Vor  dem  versammelten 
Adel  des  Landes  verkündete  der  Herzog  Boleslaw  das  Recht  des 
Bischofs,  nach  Anordnung  der  heiligen  Gesetze  alle  unerlaubten 
Ehen  zu  trennen,  den  kirchlichen  Dezem  zu  erheben  und,  wo  es 
zweckmässig  erscheine,  neue  Gotteshäuser  zu  erbauen. 3) 

5.  Leider  kam  ungeachtet  der  besten  Vorsätze  und  der  hei- 
ligsten Versprechungen  die  böse  Unsitte  unserer  Ahnen  nur  zu  bald 
wieder  zum  Vorschein.  Diessmal  war  es  die  fürchterliche  Blut- 
rache, die  aller  christlichen  Unterweisung  zum  Trotze  Land  und 
Heiligthum  entweihte.  Die  ehebrecherische  Gattin  eines  Wrsowe- 
cen  hatte,  verfolgt  von  ihrem  blutdürstigen  Gemahle  und  seinen 
Brüdern,  eine  Zufluchtsstätte  im  Kloster  S.  Georg  gesucht.  Dort 
schützte  sie  das  Asylrecht  der  Kirche  und  sicherte  ihr  ein  gerech- 
tes Urtheil.  Aber  die  wüthenden  Verfolger  schmähten  und  höhnten 
den  Bischof  und  mordeten  die  Verfolgte.  Da  sah  sich  Adalbert 
genöthigt,  den  Bann  der  Kirche  über  die  Frevler  zu  sprechen,  und 
zum  zweiten  Male  pilgerte  er  nach  Rom,  um  dort  mit  Erlaubnis s 
des  Papstes  seine  Tage  in  klösterlicher  Einsamkeit  zu  beschliessen 
(995).  Während  daheim  die  gebannten  Wräowecen  Rache  dürstend 
in  einem  von  ihnen  erregten  Bürgerkriege  die  4  Brüder  des  heil. 
Bischofs  sammt  Weibern  und  Kindern  in  Libic  ermordeten,4)  be- 
klagte und  beweinte  Adalbert  in  der  Stille  seines  Klosters  die  arge 
Verblendung  seines  Vaterlandes. 


')  Damberger,  synchron.  Geschichte  V.  421.  So  auch  Dubravius  und  der 
zweite  Biograph  des  h.  Adalbert.  Palacky  I.  236  setzt  (nach  Dlugoss  hist. 
Pol.)  die  Reise  nach  Ungarn  ins  Jahr  984  und  macht  sie  zu  einem  Abstecher 
bei  Gelegenheit  einer  in  der  Slowakei  von  Adalbert  gehaltenen  bischöfli- 
chen_Visitation.  Für  das  Jahr  993  spricht  aber,  abgesehen  vom  zweiten  Bio- 
graphen des  Heiligen,  auch  der  Umstand,  dass  Geisa  in  diesem  Jahre  seinem 
Sohne  als  Nachfolger  huldigen  Hess,  und  dass  auch  Stephans  Vermählung 
mit  Gisela  in  dieselbe  Zeit  fällt.  Prinzen,  die  nicht  schon  als  Kinder  ge- 
tauft waren,  empfingen  damals  die  Taufe  meist  bei  solchen  Gelegenheiten. 

2)  Cosmas. 

3)  Erben  regesta  p.  33  und  Wattenbach  p.  51  ex  codice  S.  Crucis. 

4)  Tomek,  Gesch.  Prags  I.  115.    Palacky  I.  243. 

5 


66 

6.  Unbekannt  mit  dem  traurigen  Ende  seines  Hauses,  entschloss 
sich  der  Heilige  noch  einmal  zur  Rückkehr.  Von  neuem  drängte 
der  Erzbischof  von  Mainz  zu  diesem  Entschlüsse ;  Kaiser  Otto  III., 
der  eben  bei  seinem  Aufenthalte  in  Rom  den  zum  Prior  seines 
Klosters  erwählten  Adalbert  liebgewonnen  hatte,  vereinte  damit 
seine  Bitten;  von  allen  Seiten  bestürmt,  sprach  endlich  auch  Papst 
Gregor  V.  den  Befehl  zur  Rückkehr  aus,  —  diessmal  aber  zugleich 
mit  der  Erlaubniss,  dass  Adalbert  fortan  sein  Leben  der  Bekeh- 
rung der  Heiden  weihen  dürfe,  wenn  die  Böhmen  ihm  keinen  Ge- 
horsam schenken  würden.  So  folgte  nun  Adalbert  zuerst  seinem 
kaiserlichen  Freunde  nach  Mainz.  Mit  Entsetzen  hörte  er  dort  die 
fürchterliche  That  der  Wrsowecen.  Da  entsagte  er  seinem  Vater- 
lande —  um  fortan  mit  einigen  treuen  Gefährten  unter  den  heid- 
nischen Preussen  als  Apostel  des  Evangeliums  zu  wirken.  Dort 
sollte  er  den  Tod  eines  Blutzeugen  Christi  finden.  Nachdem  er 
auf  der  Durchreise  durch  Polen  Manches  für  die  Befestigung  des 
Christenthums  gewirkt,  weilte  er  in  der  Gegend  von  Danzig  und 
belehrte  und  taufte  daselbst  zahlreiche  Haufen  des  Volkes.  Als  er 
aber  übers  Meer  an  die  Küste  von  Samland  sich  begab,  wurde  er 
bereits  von  den  barbarischen  Bewohnern  bedroht  und  misshandelt. 
Zuletzt  ward  er  auf  dem  Götzenfelde  von  Romowe  von  wüthcnden 
Haufen  überfallen,  gebunden,  noch  stehend  und  betend  mit  Wurf- 
spiessen  durchbohrt,  endlich  mit  zahllosen  Wunden  getödtet.  (23. 
April  997.)  Sein  unzertrennlicher  Bruder  Raclim  (S.  Gauclentius  ') 
und  der  Priester  Benedikt  brachten  die  Kunde  dieses  Martyrthums 
zu  dem  Herzoge  von  Polen,  der  sofort  den  kostbaren  Schatz  des 
h.  Leichnams  um  theueren  Preis  von  den  Heiden  erkaufte  und 
ehrenvoll  in  seiner  Hauptstadt  Gnesen  begrub.2) 

7.  Gott    verherrlichte   seinen  h.  Blutzeugen  alsogleich   durch 
zahlreiche  Wunder.  Schon  im  J.  1000  wallfahrtete  Kaiser  Otto  III. 


1)  Radim  —  des  h.  Adalbert  Bruder  von  Geburt,  Ordensregel  und  Missions- 
beruf —  wurde  nach  seinem  Bruder  Missionsbischof  für  Polen  (polnische 
Schriftsteller  nennen  ihn  irrig  bereits  Erzbischof  zu  Gnesen)  und  weihte 
diesem  Berufe  sein  ganzes  übriges  Leben.  Er  wurde  in  Gnesen  begraben 
und  als  Heiliger  verehrt.  Im  Jahre  1040  wurde  sein  heiliger  Leib  zugleich 
mit  dem  des  h.  Adalbert  nach  Prag  übertragen  und  im  Dome  in  der  Ka- 
pelle der  hh.  Cosmas  und  Damian  beigesetzt. 

2)  Palacky  I.  244  u.  245. 


67 

zu  seinem  Grabe,  uiid  erbaute  noch  im  selben  Jahre  eine  Kirche 
in  Aachen  l)  und  im  folgenden  eine  zweite  zu  Rom 3)  zu  Ehren 
seines  von  allen  Zeitgenossen  als  heilig  gepriesenen  Freundes.  Die 
Völker  Polens  und  Böhmens  verehrten  ihn  als  ihren  Landespatron. 
An  ihn  sollte  fortan  eine  —  jetzt  wenig  verstandene —  Sitte  erin- 
nern, die  von  Polen  ausgehend,  bald  in  allen  Ländern  Aufnahme 
fand,  wo  unser  Heilige  gewirkt  hatte.  In  Polen  soll  nämlich  schon 
Herzog  Mesko  nach  Anhörung  einer  christlichen  Predigt  befohlen 
haben,  am  nächsten  Sonntage  (dem  4.  in  der  Faste)  die  alten 
Götzenbilder  zu  zerschlagen  und  die  Trümmer  in  Sümpfe  und  Ge- 
wässer zu  werfen.  Das  sei  denn  auch  wirklich  geschehen,  und  zur 
Zeit  des  Aufenthalts  des  h.  Adalbert  mag  auf  dessen  Drängen  noch 
die  letzte  Hand  ans  Werk  gelegt  worden  sein.  Seitdem  bereiteten 
die  polnischen  und  böhmischen  Kinder  alljährig  aus  Stroh  und 
Fetzen  ein  Zerrbild  der  alten  Götzen,  trugen  es  aus  den  Ort- 
schaften unter  dem  Rufe:  Wir  tragen  den  Todten  hinaus,  und 
warfen  es  schliesslich  ins  Wasser.  Der  Sonntag,  an  welchem  diess 
geschah,  heisst  deshalb  noch  vielfach  der  Todtensonntag.3) 

8.  Es  lag  in  der  Natur  der  Sache,  dass  die  bischöfliche 
Wirksamkeit  des  h.  Adalbert  auch  die  jetzige  Diöcese  von  Leit- 
meritz  nahe  berühren  musste.  Sicher  darf  so  manches  der  älte- 
sten Gotteshäuser  dieser  Gegend  unter  jenen  gesucht  werden,  die 
der  Heilige  an  so  vielen  Orten,  wo  er  es  für  erspriesslich  hielt, 
aus  eigenen  Mitteln  erbaute.4)  Ohne  Zweifel  geschah  diess  be- 
sonders auf  den  Gütern  seiner  Familie  um  Libic  (im  nachmaligen 
Dekanate  Hawran)  und  auf  den  schon  erwähnten  bischöflichen 
Gütern.  Der  alten  Tradition,  dass  er  schon  auf  seiner  ersten  Vi- 
sitationsreise auch  nach  Leitmeritz  kam  und  daselbst  nach  den 
apostolischen  Bemühungen  des  Tages  an  dem  fortan  nach  ihm  be- 
nannten Adalbertibrunnen  Labung  fand,  haben  wir  bereits  oben  er- 
wähnt.5) Seine  Nachfolger  auf  dem  bischöflichen  Stuhle  verewigten 


')  Chronica  Aquisgran. 

2)  Dobn.  annal.  IV.  463. 

3)  Cureus  cit.  bei  Bolelucky:  Rosa  Boemica  p.  407  u.  407.  In  Böhmen  ist 
der  5.  Faste nsonntag  der  sogenannte  Todtensonntag.  Die  geschilderte  ur- 
alte Sitte  ist  jetzt  vielfach  im  Ersterben. 

4)  Siehe  N.  4  Schluss. 

5)  Vgl.  §.  9. 

5* 


68 

später  sein  Andenken  an  diesem  Orte  durch  die  Erbauung  einer 
Kirche  zu  Ehren  des  heil.  Adalbert.1)  Leider  war  es  auch  wieder 
das  Gebiet  unserer  jetzigen  Diöcese,  und  namentlich  die  Gegend 
von  Leitmeritz  und  Saaz,  welche  eine  Zeit  lang  den  Unsegen  jenes 
Fluches  trug,  den  der  h.  Bischof  über  ihre  Herren,  die  Wrsowecen, 
aussprechen  musste.  Es  war  eben  eine  traurige  Zeit  des  Kampfes 
zweier  widerstreitender  Elemente  —  des  Heidenthums  in  seiner 
letzten  Kraft  und  des  Christenthums  in  seinem  Erblühen. 

§.  18.    Thiddag,  Ekhard  und  Hyzo. 

1.  Während  der  zweimaligen  Abwesenheit  des  h.  Adalbert  in  Rom 
hatte  der  meissnische  Bischof  Volcold  (Volkhold)  die  notwendigsten 
Functionen  in  der  böhmischen  Diöcese  versehen.2)  Nach  Adalberts 
völliger  Entsagung  sollte  nun  des  Herzogs  Bruder  Christian  (Strach- 
kwas),  der  bereits  sechzigjährige  Mönch  von  S.  Emmeram 3)  den 
bischöflichen  Stuhl  besteigen.  Kaum  anders  als  mit  Widerstreben 
nahm  der  Greis  eine  Würde  an,  gegen  die  er  bereits  früher  sich 
gesträubt  hatte.4)  Da  starb  er  nach  erlangter  kaiserlicher  Inve- 
stitur —  plötzlich  vom  Schlage  gerührt  zu  Mainz  (f  998),  als  er 
eben  zum  Bischof  geweiht  werden  sollte.5) 

2.  Nun  wurde  einstimmig  ein  frommer  Mönch  von  Neu-Cor- 
vey,  Namens  Thiddag  (Deodatus,  Bohdal)  zum  Bischöfe  erwählt, 
der  im  J.  995  durch  seine  ausgezeichnete  Heilkunde  das  Leben 
Boleslaws  IL  gerettet  und  seitdem  in  Böhmen  weilend  die  allge- 
meine Liebe  sich  erworben  hatte.6)  Er  empfing  am  7.  Juli  998 
zu  Mainz  die  bischöfliche  Weihe.7)  „Er  war  ein  würdiger  Nachfol- 
ger Adalberts,  jungfräulich  an  Keuschheit,  golden  in  seinen  Sitten, 


')  Siehe  §.  15.  5.  b. 

2)  Ditmar  und  annal.  Saxo. 

3)  In  Regensburg. 

4)  Damberger  V.  528. 

5)  Palacky  I.  246.  P.  verwirft  mit  Recht  das  harte  Urtheil  des  Cosmas,  der 
das  „arripitiif  atroci  daemonio"  wahrscheinlich  für  ein  Gottesurtheil  ge- 
halten hat. 

6)  Ditmar,  1.  7.  p.  414. 

7)  So  erzählt  Cosmas.  (Vgl.  Palacky.)  Nach  Fabricius  (orig.  Sax.  fol.  228) 
ward  er  vom  Erzbischof  Wiligis  in  Prag  geweihet.  Diese  weit  spätere 
Nachricht  ist  minder  glaubwürdig. 


69 

noch  kostbarer  in  seinen  Werken.  Er  trat  ganz  in  die  Fussstapfen 
seines  heiligen  Vorgängers;  streitend  gegen  die  Laster  des  Volkes 
ward  er  ein  Martyr,  zwar  nicht  dem  Leibe  nach,  wohl  aber  in 
seinem  Herzen".1)  Leider  starb  schon  im  ersten  Jahre  seiner  bi- 
schöflichen Verwaltung  in  Boleslaw  IL  sein  kräftigster  Schützer 
und  edelster  Freund,  (f  7.  Febr.  999.)  Auch  für  die  jugendliche 
Kirche  des  Vaterlandes  starb  der  fromme  —  wenn  auch  zuletzt 
etwas  schwache  Fürst  viel  zu  früh.  Ihm  folgte  „zu  Böhmens  Un- 
glück der  unwürdigste  Mann,  der  je  das  Scepter  geführt  hat .  .  .  ., 

Boleslaw  III ,    ein  gemeiner  Wüstling,   schwach,  misstrauisch, 

geizig,  grausam  und  rachsüchtig".3)  Ein  Wütherich  gegen  seine 
eigenen  Brüder,  ein  Tyrann  gegen  Alle  —  brachte  er  in  Kurzem 
(im  Sommer  1002)  das  ganze  Land  zur  verzweifelten  Empörung. 
Die  Wrsowecen  (von  Saaz  und  Leitmeritz)  stellten  sich  an  die 
Spitze.  Boleslaw  III.  ward  aus  Böhmen  verjagt  und  Wladiwoj  von 
Polen,  der  Sohn  der  böhmischen  Doubrawka  auf  den  Thron  erho- 
ben. Indess  waren  schon  im  J.  1000  die  Gebiete  von  Krakau, 
Schlesien,  Mähren  und  Slowakei  für  Böhmen  verloren  gegangen,  — 
um  sofort  grossentheils  auch  der  Diöcese  von  Prag  entfremdet  zu 
werden.  Polen  und  Ungarn  beeilten  sich,  eigene  bischöfliche  Sitze 
in  den  neuerworbenen  Provinzen  zu  gründen.  Noch  im  J.  1000 
entstanden  so  die  Bisthümer  zu  Breslau  und  Krakau,  während  Bi- 
schof Thiddag  nicht  einmal  in  Böhmen  selbst  ein  Plätzchen  finden 
konnte,  um  sein  Leben  vor  der  misstrauischen  Wuth  des  unnatür- 
lichen Tyrannen  zu  schützen.3)  Hatte  Wladiwojs  Erhebung  unse- 
rem Vaterlande  einige  Ruhe  gebracht,  so  stürzte  es  sein  Tod  (1 003) 
aufs  Neue  in  schreckliche  Wirren.  Jaromir,  der  Bruder  des  ver- 
jagten Tyrannen  muss  in  Kurzem  diesem  selbst  wieder  weichen. 
Aber  auch  der  wiedererhobene  Boleslaw  III.  wird  auf  allgemeines 
Verlangen  noch  im  selben  Jahre  (1003)  vom  polnischen  Herzoge 
Boleslaw  Chrobry  verjagt,  der  sofort  selbst  den  böhmischen  Thron 
besteigt.  Doch  diesen  verdrängt  wieder  (1004)  der  deutsche  Kaiser 
Heinrich  IL,  mit  dessen  Hilfe  Jaromir  zum  zweitenmal  den  Herr- 
scherstab ergreift,  — -  um  nach  einiger  Zeit  (1012)  neuerdings  dem 


')  Cosmas. 

2)  Palacky  I.  248. 

3)  Wiederholt  vertrieben  lebte   er   am   Hofe   des   meissnischen  Markgrafen 
Ekhard.    Ditmar  VIT.  414.    Vgl.  Fabric.  {orig.  Saxon.) 


70 

jüngsten  Bruder  Udalrich  zu  unterliegen,  und  entmannt  und  später 
auch  noch  geblendet  zu  Lissa  sein  trauriges  Leben  zu  beschlies- 
sen. ')  Solche  Verhältnisse  mussten  auch  dem  eifrigsten  Bischöfe 
die  Häüde  binden.  Weit  mehr,  als  sein  Wort  und  Beispiel  auf- 
bauen konnte,  riss  da  die  Barbarei  des  Bürgerkrieges  wieder  ein. 
Darum  lebte  Bischof  Thiddag  als  ein  „Martyr  im  Herzen"2)  und 
starb  mit  allem  Schmerze  eines  unglücklichen  Vaters  am  10.  Juni 
1017.  — 

3.  Bei  der  neuen  Bischofswahl  wünschte  der  Fürst  seinen 
Kaplan  Pfibislaw,  das  Volk  den  durch  Gelehrsamkeit  berühmten 
Horso  von  Budec,  der  Klerus  aber  den  deutschen,  jedoch  der  sla- 
wischen Sprache  kundigen  Propst  Ekhard.  Letzterer  trug  endlich 
den  Sieg  davon.  Er  war  ein  Verwandter  des  deutschen  Kaisers 
Heinrich  II.3)  und  Ordensbruder  des  h.  Benedikt,  als  welcher  er  ehe- 
dem eine  Zeit  lang  im  neuerrichteten  Kloster  zu  Brewnow  gelebt 
hatte.4)  Um  996  war  er  bereits  Abt  des  Benediktinerstiftes  zu 
Naumburg,  welche  Würde  er  23  Jahre  lang  bekleidet  haben  soll.5) 
Wahrscheinlich  war  er  eben  erst  zur  Propstei  des  Domkapitels  in 
Prag  berufen  worden,6)  als  ihn  die  Wahl  zur  bischöflichen  Würde 
traf.  Er  empfing  die  kaiserliche  Investitur  im  Oktober  zu  Merse- 
burg und  ebendaselbst  auch  vorn  anwesenden  mainzer  Erzbischofe 
Erkenbald  am  8.  selben  Monats  die  bischöfliche  Consecration.7)  Er 
erwarb  sich  in  seinem  bischöflichen  Amte  den  Nachruhm,  dass  er 
der  beredteste  Verkündiger  des  göttlichen  Wortes,  mild  gegen  die 
Armen,  sanft  und  gut  gegen  die  Niedrigen,  muthig  aber  gegen  die 
Grossen  gewesen  sei.8)    Gerade  das  letztere  Lob  lässt  vermuthen, 


»)  Vgl.  Palacky  I.  254—265. 

2)  Cosraas. 

3)  Dobner  annal.  V.  102  citirt  hiefür  eine  kaiserliche  Urkunde  von  1004. 
Vgl.  auch  Palacky  I.  265  und  Tomek  I.  650. 

4)  Ziegelbauer,  hist.  monast  Bfevnov,  p.  112.  Er  beruft  sich  auf  alte  Manu- 
scripte  von  Brewnow. 

5)  Dobner  annal.  V.  102. 

6)  Aehnliches  geschah  öfters  auch  bei  andern  Kapiteln.  Als  Propst  wird 
Ekhard  von  Pesina  (Phosphorits  septicomis)  und  in  einem  Manuscripte  des 
Prager  Canonicus  Bubna  (Canon  capituli  Prag,  im  Prager  Kapitelarchive) 
angeführt. 

7)  Dies  weist  Dobner  nach  in  annal.  V.  102. 

8)  Cosmas. 


71 

dass  auch  er  in  der  Bekämpfung  der  sittlichen  Gebrechen  des 
Landes  in  die  Fussstapfen  des  h.  Adalbert  getreten  ist.  Seinen  geist- 
lichen Eifer  beweist  auch  die  angeblich  im  J.  1023  an  den  gesamm- 
ten  Klerus  erlassene  Verordnung,  dass  fortan  „jeder  Landgeistliche 
wenigstens  einmal  im  Jahre  an  einem  bestimmten  Tage  in  Prag 
sich  einfinden  müsse,  um  über  sein  Seelsorgsamt  und  die  ihm  an- 
vertraute Heerde  Rechenschaft  zu  geben.1)  So  richtete  er  also 
auch  in  unserem  Vaterlande  das  alte  kirchliche  Institut  der  Diö- 
cesansynode  ein  als  das  bewährteste  Mittel  des  Bischofs,  eindring- 
lich auf  den  gesammten  Klerus  und  durch  diesen  auf  das  Volk  zu 
wirken.  Ueberdiess  ist  es  das  Verdienst  Ekhards,  dass  er  die  bis- 
herige Decemabgabe  an  den  Klerus  regelte.  Fortan  sollte  von  je- 
dem Joch  Feldes  ein  Mass  Weizen  und  ein  Metzen  Haber  an  den 
Seelsorger  abgeführt  werden.2)  Der  vierte  Theil  dieser  Abgabe 
gehörte  der  Ortsgeistlichkeit,  ein  zweiter  Viertheil  dem  Bischöfe, 
ein  dritter  den  Armen;  der  vierte  sollte  zur  Erhaltung  des  Got- 
teshauses verwendet  werden.3)  Der  ausgezeichnete  Bischof  starb 
leider  schon  am  8.  August  1023,  vom  Fürsten,  Volk  und  Klerus 
mit  vielen  Thränen  beweint.4)  Auch  Kaiser  Heinrich  war  tief  er- 
schüttert über  seinen  Verlust.5) 

4.  Noch  in  demselben  Jahre  folgte  Hyzo  in  der  bischöflichen 
Würde  nach.  Man  hält  ihn  für  einen  Eingebornen  unseres  Vater- 
landes, angeblich  derselben  edlen  Familie  der  Buzowicen  entspros- 
sen, die  nachher  in  den  Linien  der  Herren  von  Waldek,  Schellen- 
berg und  Hasenburg   (mit   dem   gemeinsamen  Wappenzeichen    des 


')  Hajek  a.  a.  1023. 

3)  Cosmas.  Hajek.  Dieses  alte  Mass  war  ein  cylindrisches  Gefäss  im  Breiten- 
durchmesser ä  Handflächen  und  in  der  Höhe  5  Handflächen  und  2  Finger- 
breiten messend,  an  der  Rückseite  mit  dem  herzoglichen  und  bischöflichen 
Siegel  versehen.  (Hajek  ad  1022.)  Hajek  sagt,  dass  jeder  Ackersmann 
seinem  Priester  diesen  Decem  abzuliefern  hatte.  Nach  Cosmas  geschah 
dies  an  den  Bischof.  In  der  Sache  ist  beides  dasselbe.  Der  Priester 
sammelte  eben  diese  Abgabe  im  Namen  des  Bischofs,  dem  die  Anordnung 
der  weiteren  Vertheilung  derselben  zustand. 

3)  So  das  älteste  Pönitentiale  Böhmens  (vor  1150)  in  Höflers  Concilia  Pra- 
gensia  p.  VIII  (nach  Cod.  Bibl.  Univ.  III.  F.  6.  f.  231). 

4)  Cosmas,  —  Hajek  a.  a.  1024. 

5)  GJiron.  Quedlinburg,  apud  Meibom.  III.  295. 


72 

Eberkopfes)  zu  hoher  Berühmtheit  gelangte.1)  Er  hatte  einst  der 
frommen  Ordensfamilie  der  Benediktiner  zu  Bfewnow  angehört3) 
und  war  unter  seinem  bischöflichen  Vorgänger  zur  Propsteiwürde 
im  prager  Domkapitel3)  erhoben  worden.  Ein  Greis  von  seltener 
Schönheit,  edel  von  Geschlecht  aber  noch  viel  edler  in  seinem 
Leben,4)  ausgezeichnet  in  der  Kenntniss  der  heiligen  Schriften,5)  — 
lenkte  er,  ohne  es  zu  wollen,  bei  der  neuen  Bischofswahl  aller 
Augen  und  Herzen  auf  sich.  Er  empfing  am  29.  Dezember  1023 
die  bischöfliche  Weihe  zu  Bamberg  von  seinem  dort  weilenden 
Metropoliten  6)  Aribo.  Er  ist  wohl  die  Seelengüte  selbst  gewesen ; 
denn  ohne  einen  Akt  der  Strenge  zu  erwähnen,  rühmt  unser  älte- 
ster Chronist7)  ihm  nach,  dass  er  täglich  40  Arme  speiste,  wobei 
er  persönlich  die  Tischgebete  sprach  und  selbst  die  nöthige  Bedie- 
nung leistete,  dass  auch  Niemand  so  bekannt  im  eigenen  Hause 
sein  kann,  als  dieser  Bischof  es  in  den  Häusern  der  Kranken  und 
der  Gefangenen  war.  So  starb  er,  „von  Allen  nicht  anders,  als 
wie  ein  Vater  beweint,"  am  30.  Jäner  1030. 8)  — 

§.  19.    Bischof  Severus. 

1.  Wir  begegnen  nun  wieder  einem  heiligen  Manne  unter  den 
Nachfolgern  eines  Heiligen.  Es  ist  Severus,  dessen  Andenken 
das  alte  Martyrologium  der  prager  Kirche  mit  den  Worten  be- 
wahrt :  „Tertio  calendas  Julii  ordinatio  sancti  Severi  episcopi 
sexti  Pragensis   ecclesiae."     (Am    29.  Juni    die  Bischofsweihe    des 


J)  Pesina  Phosph.  p.  605,  Bubna  Canon  capituli  Prag.  MS.  mit  Berücksichti- 
gung der  Erörterungen  Palacky's  über  altböhmische  Adelshäuser  II.  2.  S.  10. 
Cosmas  nennt  ihn  einfach:  nöbüis  genere. 

2)  Ziegelbauer:  hist.  monast.  JBrevnov,  p.  112;  er  beruft  sich  auf  alte  Manu- 
scripte  des  Klosters. 

3)  Als  solcher  erscheint  er  in  Bubna's  Canon  cap.  Prag.  MS.  und  in  Pesina's 
Phosph.  p.  605. 

4)  Cosmas. 
5)Hajek  ad  a.  1024. 

6)  Dobner  annal.  V.  127. 

7)  Cosmas. 

8)  Ebendaselbst.  Pesina  hielt  ihn  für  den  Verfasser  der  schon  öfters  citirten 
lieblichen  Legende  des  h.  Wenzel.  Dieselbe  befindet  sich  in  einem  grossen 
Pergament- Codex  der  Prager  Kapitelbibliothek,  und  in  einer  Abschrift  (von 
W.  Duchowsky  1763)  in  der  k.  k.  Universitätsbibliothek  zu  Prag. 


♦** 


73 

heiligen  Severus,  sechsten  Bischofs  der  Kirche  zu  Prag.)  Einer 
edlen  Familie  Böhmens  entsprossen, ])  ausgezeichnet  durch  zierliche 
Gewandtheit  und  eben  so  eifrige  als  treue  Dienstfertigkeit,  war  er 
als  junger  Kleriker  im  fürstlichen  Gefolge  —  eine  seltene  Erschei- 
nung —  der  Liebling  des  Fürsten  sowohl,  wie  des  gesammten 
Hofes.  Damals  verschmähte  er  es  nicht,  ausnahmsweise  einmal 
den  herzoglichen  Leibkoch  zu  machen,  indem  er  auf  der  Jagd  einen 
Eberschweif  auf  das  künstlichste  für  seinen  Fürsten  bereitete,  um 
dafür  das  scherzhafte  Lob  entgegenzunehmen:  für  solch  ein  köstli- 
ches Gericht  sei  er  eines  Bisthums  werth.2)  Später  soll  er  dage- 
gen das  Mönchskleid  genommen  und  im  Kloster  zu  Brewnow  ein 
Leben  der  Frömmigkeit  begonnen  haben.3)  Zuletzt  war  er,  wie 
seine  beiden  Vorgänger,  in  das  Domkapitel  zu  Prag  eingetreten 
und  hatte  daselbst  die  Würde  des  Propstes  erlangt.4)  Der  fort- 
dauernden Gunst  des  Herzogs  Udalrich,  und  dem  allgemeinen 
Ruhme,  dass  er  der  erste  sei  in  allen  geistlichen  Pflichten,  5)  ver- 
dankte er  nach  Hyzos  Tode  seine  Erhebung  auf  den  bischöflichen 
Stuhl.  Schon  im  Anfange  des  Jahres  1030  gewählt,  erlangte  er 
doch  wegen  des  damaligen  Zerwürfnisses  Udalrichs  mit  Kaiser 
Konrad  IL  erst  am  29.  Juni  1031  die  kaiserliche  Investitur  und 
die  bischöfliche  Weihe.6)  Als  Bischof  liess  er  es  in  keiner  Weise 
an  Fleiss  und  Eifer  mangeln,  um  die  ihm  anvertraute  Diöcese  zu 
ausgezeichneter  Blüthe  zu  bringen.7)  Desshalb  ging  er  vor  Allem 
an  die  Fortsetzung  des  Kampfes,  den  schon  Bischof  Dietmar  be- 
gonnen hatte.  Die  noch  immer  nicht  völlig  überwundenen  altheid- 
nischen Unsitten  fanden  in  ihm  einen  energischen  Gegner.8)  Dabei 
zeigte  er  sich  selbst  als  Freund  der  Andacht  und  Selbstabtödtung, 
indem  er  unter  Anderem  im  J.  1036  bei  einem  gewaltigen  Erdbe- 
ben, welches  Häuser  und  Thürme  niederriss,  nicht  blos  eine  allge- 


!)  Paprocius  —  irregeführt  durch  den  böhmischen  Namen  Sebir  —  nennt  ihn 

einen  Berkowsky  von  Sebirowa. 
2j  Cosmas  a.  h.  a.    Marignola  p.  268. 
3)  Ziegelbauer,  hist.  monast.  Brevnov.  p.  112. 
4)Pesina:  Phosph.  und  Bubna:  canon  cap.  Prag. 

5)  Cosmas. 

6)  Cosmas.    Marignola.    Dobner  annal.  V.  178. 

7)  Anonymus  apud  Menken,  tom.  3. 

8)  Dies  beweisen  seine  späteren  Gesetze. 


74 

meine  Faste  zur  Versöhnung  des  göttlichen  Zornes  ausschrieb,  son- 
dern auch  selbst  aller  Speise  und  alles  Trankes  sich  enthielt  und 
unablässig  auf  dem  Boden  liegend  unter  heissen  Thränen  die  Er- 
barmung des  Himmels  anflehte.1) 

2.  Im  Jahre  1037  am  9.  November  verschied  Herzog  Ulrich, 
der  stete  Gönner  unseres  Bischofs.  Der  noch  lebende  blinde  Ja- 
romir  führte  selbst  unter  allgemeiner  Rührung  den  Sohn  des  Ver- 
storbenen, Bretislaw,  den  böhmischen  Achilles,  auf  den  Herzogstuhl. 
Dieser  hatte  vordem  —  übermüthig  genug  —  aus  einem  Kloster 
in  Schweinfurt  in  der  Person  der  dort  in  Erziehung  befindlichen 
Schwester  des  Markgrafen  Otto  sich  eine  Gemahlin  geraubt.  Küh- 
nen Muthes  hatte  er  Mähren  von  den  Polen  zurückerobert  und  den 
Titel  eines  Herzogs  daselbst  angenommen.  Eigenmächtig  hatte  er 
im  Bunde  mit  Kaiser  Konrad  den  ungarischen  König  Stephan  be- 
kriegt. Zuletzt  hatte  er,  flüchtig  vor  seinem  Vater,  an  der  Spitze 
eines  deutschen  Heeres  die  Wiederaufnahme  ins  Vaterland  sich 
erzwungen.2)  Da  konnte  es  wohl  nicht  fehlen,  dass  Bischof  Seve- 
rus  als  Günstling  und  treuer  Anhänger  des  Vaters  Udalrich  nicht 
eben  ein  Liebling  des  Sohnes  ward.  Bretislaw  brachte  die  kühn- 
sten Pläne,  vereint  mit  dem  tapfersten  Muthe,  mit  auf  den  Her- 
zogstuhl. Böhmens  alte  Grösse,  das  riesige  Reich  der  beiden  er- 
sten Boleslawe,  wollte  er  wieder  erneuern.  Auch  die  Unabhängig- 
keit von  Deutschland  wollte  er  sich  erstreiten.  In  zwei  Feldzügen 
(1038  und  1039)  eroberte  er  das  polnische  Reich.  Der  kostbare 
Schmuck  der  Kirchen  des  Landes  wanderte  nach  Böhmen.  Da 
ward  auch  der  Leib  des  heil.  Adalbert  unserem  Lande  wiederge- 
geben. Bischof  Severus,  der  mit  seinen  Mannen  am  Zuge  hatte 
theilnehmen  müssen,  liess  das  wilde  Kriegsvolk  vor  der  Erhebung 
des  heiligen  Leichnams  drei  Tage  lang  fasten  und  Busse  thun. 
Zugleich  nahm  der  Herzog,  diessmal  im  Einverständnisse  mit  dem 
Bischöfe  und  auf  Einrathung  desselben  die  Gelegenheit  wahr,  in 
feierlicher  Weise  einige  Gesetze  zur  endlichen  Abstellung  altheid- 
nischer Missbräuche  zu  verkünden  und  von  allen  Anwesenden  be- 
schwören zu  lassen.  Darauf  ward  unter  Psalmengesang  das  Grabmal 
des  Heiligen  geöffnet,  süsser  Wohlgeruch  duftete  Allen  entgegen,  meh- 


')  Hajek  a.  h.  a. 

2)  Vgl.  Palacky  I.  270—277. 


75 

rere  Kranke  wurden  plötzlich  gesund.  Der  Leichnam  ward  völlig  un- 
versehrt gefunden,  und  zugleich  mit  den  Leibern  des  seligen  Gau- 
dentius,  ersten  Erzbischofs  von  Gnesen  (Adalberts  Bruder  Radim) 
und  der  heiligen  Märtyrer  des  Benediktinerordens  Benedikt  mit 
den  Brüdern  (Matthäus,  Isaak,  Johannes  und  Christinus)  mit  gros- 
sem Pomp  an  der  Spitze  des  Heeres  nach  Prag  übertragen. ')  (Fest 
der  Uebertragung  des  h.  Adalbert  und  Benedikts  mit  den  Brüdern 
am  25.  August.) 

3.  Die  in  Gnesen  so  feierlich  beschworeren  Gesetze,  kraft 
welcher  endlich  der  Kampf  der  jugendlichen  Kirche  Böhmens  mit 
den  Ueberresten  des  alten  Heidenthums  beendigt  werden  sollte, 
sind  folgende: 

a)  Die  Ehen,  welche  bisher  wie  Anstalten  der  Unzucht  und 
ähnlich  den  wilden  Thieren  gehalten  wurden,  sollen  jetzt  nach  den 
Bestimmungen  der  heil.  Kirchengesetze  gesetzlich,  einfach  und  un- 
auflöslich sein,  so,  dass  der  Mann  mit  einem  Weibe,  und  das  Weib 
mit  einem  Manne  zufrieden  lebe.  Wenn  aber  das  Weib  den  Mann 
oder  der  Mann  das  Weib  verachten,  und  unter  ihnen  ein  Streit 
bis  zur  Scheidung  ausbrechen  sollte,  so  soll  derjenige  Theil  von 
beiden,  welcher  zur  früheren  rechtmässigen  Verbindung  nicht  zu- 
rückkehren will,  zwar  nicht  nach  der  frühern  Sitte  des  Landes 
zur  Sklaverei  verdammt,  sondern  vielmehr  kraft  dieser  unverän- 
derlichen Anordnung  ohne  Unterschied  der  Person  nach  Ungarn 
verbannt  werden  und  in  keiner  Weise  ihm  erlaubt  sein,  sich  los- 
zukaufen oder  ins  Vaterland  zurückzukehren.  Wer  dagegen  han- 
delt, der  sei  im  Banne. 

b)  Dasselbe  Urtheil  soll  jene  unkeuschen  Jungfrauen  und 
Witwen  treffen,  welche  überwiesen  werden,  dass  sie  ihren  guten 
Namen  verloren  und  die  Keuschheit  verletzt,  oder  in  Unzucht  em- 
pfangen haben.  Wenn  aber  ein  Ehe-Weib  sich  beklagt,  dass  ihre 
Liebe  nicht  erwiedert  und  dass  sie  vielmehr  von  ihrem  Manne 
roh  behandelt  und  geschlagen  werde :  so  werde  unter  ihnen  ein 
Gottesgericht  gehalten,2)  und  wer  als  schuldig  unter  ihnen  erschei- 
nen wird,  der  möge  die  Strafe  erleiden. 


')  Cosmas. 

3)  Gottesgerichte  waren  noch  lange  Zeit  bei  den  Gerichten  in  allen  Ländern 

das  vorzüglichste  Beweismittel.    Auch  sie  waren  eigentlich  ein  Ueberrest 

des  früheren  Heidenthums. 


76 

c)  So  sollen  auch  diejenigen,  welche  eines  Mordes  geziehen 
werden,  vom  Erzpriester  dem  Grafen  (2upan)  der  Stadt  gemeldet 
werden.  Der  Graf  soll  sie  vor  sich  rufen  und  die  Widerspensti- 
gen in  den  Kerker  werfen,  bis  sie  entweder  Busse  thun,  oder, 
wenn  sie  läugnen,  durch  Feuer-  oder  Wasserprobe  (Gottesgericht) 
geprüft  werden,  ob  sie  schuldig  sind.  Bruder-  und  Vatermörder 
aber,  sowie,  wer  einen  Priester  getödtet,  oder  eine  ähnliche  Blut- 
schuld auf  sich  geladen  bat,  die  soll  der  Erzpriester  dem  Grafen 
oder  Herzog  anzeigen,  welcher  sie  an  Händen  und  Leibe  gebrand- 
markt aus  dem  Lande  verbannen  wird,  damit  sie  gleich  Kain,  ruhe- 
und  heimatlos  die  Erde  durchirren. 

d)  Es  sei  im  Banne,  wer  ein  Schankhaus,  welches  die  Wurzel 
alles  Uebels,  der  Ausgangsort  der  Diebstähle,  der  Todschläge,  Ehe- 
brüche und  aller  übrigen  Sünden  ist,  errichtet  und  ein  bereits  er- 
richtetes erwirbt.  Der  Schankwirth,  der  dieses  Gesetz  verletzt, 
soll  auf  dem  mittelsten  Markte  an  einen  Pfahl  gebunden  und  bis 
zur  Ermüdung  des  Schergen  geschlagen  und  seines  Haupthaares 
verlustig  werden.  Seine  Getränke  sollen  keineswegs  konfiscirt, 
sondern  auf  die  Erde  ausgegossen  werden,  damit  Niemand  mit  dem 
fluchwürdigen  Trünke  sich  beflecke.  Wer  als  Trinker  ergriffen 
wird,  soll  nicht  früher  aus  dem  Kerker  entlassen  werden,  als  bis 
er  300  Groschen  in  den  herzoglichen  Schatz  erlegt  hat. 

e)  Märkte  dürfen  an  Tagen  des  Herrn  durchaus  nicht  gehal- 
ten werden.  Wenn  Jemand  an  Sonn-  und  Festtagen  bei  irgend 
einer  knechtlichen  Arbeit  angetroffen  wird,  so  soll  die  Arbeit  und 
das  dabei  befindliche  Vieh  vom  Erzpriester  hinweggenommen  und 
überdiess  der  Betrag  von  300  Groschen  in  den  Schatz  des  Herzogs 
erlegt  werden. 

f)  So  sollen  auch  diejenigen,  welche  es  wagen,  ihre  Todten 
in  Feldern  und  Wäldern  zu  begraben,  dem  Erzdiakon  ein  Rind  und 
in  den  herzoglichen  Schatz  300  Groschen  zahlen,  den  Todten  aber 
neuerdings  auf  dem  Begräbnissplatze  der  Gläubigen  beerdigen.1) 

4.  Wir  dürfen  nicht  zweifeln,  dass  diese  Gesetze  unter  so  er- 
greifenden Umständen  gegeben,  so  feierlich  beschworen,  und  ebenso 
von  dem  strengen  Fürsten  wie  von  dem  eifrigen  Bischöfe  auf  das 
Pünktlichste    vollzogen,    einen    erfreulichen  Umschlag  in  den  reli- 

')  Cosmas. 


77 

giös-sittlichen  Zuständen  unseres  Vaterlandes  hervorgebracht  haben. 
Was  Dietmar  als  unerfüllt  in  der  Todesstunde  beklagt,  was  den  h. 
Adalbert  zum  Martyr  gemacht  hatte,  um  was  alle  ihre  bisherigen 
Nachfolger  so  ernstlich  bemüht  gewesen  waren :  das  schien  nun 
endlich  in  der  Hauptsache  erreicht.  Der  siegreiche  Kampf  des 
Christenthums  mit  den  Resten  des  alten  Heidenthums  war  in  der 
Mehrheit  des  Volkes  zu  Ende  gediehen.  Nur  insgeheim  opferten 
noch  hin  und  wieder  einige  Bauern  hinter  dem  Rücken  ihrer 
christlichen  Priester  den  alten  „Diasen,"  beteten  zu  ihren  alten 
Hausgötzen  (Skfety),  begruben  ihre  Todten  in  den  altheiligen  Hai- 
nen, feierten  Trauerfeste  (Tryzny)  über  ihren  Gräbern  und  wand- 
ten sich  zu  den  Nordslawen  in  Rethra  und  Arkona  um  geheime 
Belehrung  in  ihrem  Aberglauben. ')  Diesem  letzten  Unwesen  machte 
um  das  J.  1106  der  eifrige  Herzog  Bfetislaw  IL  im  Vereine  mit 
dem  Bischöfe  Herrmann  ein  Ende.  — 

§.  20.  Fortsetzung. 
1.  Für  den  Bischof  Severus  folgte  nun  eine  Zeit  der  schwer- 
sten Verlegenheiten  und  der  grössten  Bedrängnisse.  Des  Helden- 
herzogs kühne  Bestrebungen  für  Böhmens  Grösse  und  Selbststän- 
digkeit, in  der  Heimat  mit  Jubel  begrüsst,  anderwärts  aber  desto 
unliebsamer  aufgenommen,  waren  die  Quelle  dei selben.  Wie  einst 
Rastislaw  von  Mähren  seine  Befreiungspläne  vorerst  durch  Herstel- 
lung kirchlicher  Selbstständigkeit  eingeleitet  hatte:  so  jetzt  auch 
Bfetislaw.  Er  wollte  das  Bisthum  in  Prag  zum  Erzbisthum  erhe- 
ben, und  so  die  hergebrachte  Abhängigkeit  Böhmens  vom  Metro- 
politen in  Mainz  beseitigen.  Eifrige  Unterhandlungen  wurden  be- 
reits in  Rom  gepflogen,  —  ohne  Wissen  und  Willen  des  Erzbischofs 
Bardo.2)  Welche  schiefe  Stellung  unseres  Bischofs  Severus,  der 
nicht  wagen  durfte,  die  Pläne  des  ungestümen  Herrschers  zu  durch- 
kreuzen! Aber  Bfetislaw  schien  noch  viel  weiter  gehen  zu  wollen. 
Als  er  im  J.  1039  den  Bau  des  Klosters  Sazawa  vollendet  hatte, 
führte  er  dort  slawische  Mönche  aus  den  ruthenischen  Gegen- 
den Ungarns    mit   griechisch -slawischem   Ritus  ein.3)    Da 


')  Palacky  I.  336,  cit.  Adami  Bremensis  hist.  eccl.  p.  37. 

2)  Palacky  I.  278  Note.     Cit.  Annalist.  Saxo  p.  477. 

3j  Ginzel:  Gesch.  der  Slawenapostel,  S.  139.     cit.  Kopitar.   Dass   der   neue 


78 

es  sich  um  eine  damals  noch  nicht  dem  Schisma  verfallene,  von 
der  Kirche  geduldete  liturgische  Ausnahme  zu  Gunsten  eines 
einzigen  Klosters  zu  handeln  schien,  glaubte  wohl  Bischof  Severus 
seine  Einwilligung  geben  zu  müssen,  um  nicht  das  traurige  Aer- 
gerniss  eines  gänzlichen  Zerfalles  mit  seinem  heftigen  Fürsten  her- 
aufzubeschwören. Aber  —  wie  einst  Rastislaw  —  so  mochte  wohl 
auch  unser  böhmische  Achilles  die  Einführung  der  slawischen 
Sprache  in  die  Feier  des  Gottesdienstes  als  ein  besonders  dienli- 
ches Mittel  für  seine  politischen  Pläne  erachten,1)  und  es  lag  sehr 
nahe,  dass  er  desshalb  bei  der  Neuerung  in  Sazawa  nicht  stehen 
bleiben  werde.  Grund  genug,  um  die  Besorgnisse  des  mainzer  Me- 
tropoliten noch  zu  steigern,  und  dadurch  die  Verlegenheit  des  Bi- 
schofs Severus  zu  vermehren. 

2.  Nun  hatte  Bfetislaw  eben  auch  die  Eroberung  Polens 
vollendet.  Die  Klagen  der  vertriebenen  Witwe  Mecislaws  II.  bei 
Kaiser  Heinrich  III.  und  die  Klagen  des  Volkes  wegen  Verletzung 
und  Plünderung  der  Kirchen  bei  Papst  Benedikt  IX.  in  Rom  schie- 
nen der  Welt  über  Bfetislaws  Pläne  die  Augen  zu  öffnen.  Auch 
Severus  war  als  Theilnehmer  im  Kampfe  und  wegen  der  Hinweg- 
nahme der  Reliquien  des  heil.  Adalbert  und  anderer  Heiligen  schwer 
beinzichtigt.  Nur  mit  Mühe  vermochte  Bfetislaw  vorläufig  noch 
den  Frieden  mit  Heinrich  III.  zu  erhalten,  welcher  —  einer  der 
grössten  Regenten  der  Geschichte  —  ganz  der  rechte  Mann  war, 
um  das  Gedeihen  der  für  Deutschland  so  gefährlichen  Entwürfe 
des  böhmischen  Helden  zu  hindern.2)  Indess  musste  eine  böh- 
mische Gesandtschaft  durch  ein  reumüthiges  Geständniss  und  durch 
Betheuerung  ernstlicher  Busse  die  Verzeihung  des  Papstes  gewin- 
nen. Dieselbe  erfolgte  auch  in  der  That  unter  der  Bedingung: 
dass  Herzog  und  Bischof  als  Busswerk  gemeinschaftlich  an  einem 
geeigneten  Orte  ein  Kloster  erbauen,  dasselbe  mit  allen  kirchli- 
chen Erfordernissen  hinreichend  versehen,  und  erprobte  geistliche 
Personen  daselbst  einsetzen,  welche  für  alle  Zeit  Gott  dem  Herrn 
zur  Sühne  und  zum  Heile  der  lebenden  und  abgestorbenen  Christ- 


Ritus  der  graecoslawische  war,  beweisen  die  1S55  von  Prof.  Const.  Höfler 
aufgefundenen  glagolitischen  Fragmente,  die  nach  dem  Urtheile  Safariks 
Bestandtheile  von  liturgischen  Büchern  nach  griechischem  Ritus  sind. 

')  Ginzel,  ebendaselbst. 

a)  Palacky  I.  281  und  279. 


79 

gläubigen  eifrig  dienen.1)  In  folge  dessen  entstand  das  noch  heute 
bestehende  Kollegiatstift  zu  Alt-Bunzlau.  Von  der  Errichtung 
eines  Erzbisthums  in  Böhmen  war  nun  keine  Rede  mehr. 

3.  Unterdessen  war  an  Heinrichs  Forderung,  die  geraubten 
polnischen  Silberschätze  innerhalb  eines  bestimmten  Termins  auf 
Heller  und  Pfennig  zu  ersetzen,2)  die  längere  Erhaltung  des  Frie- 
den gescheitert.  Im  August  1040  standen  zwei  deutsche  Heere  an 
Böhmens  Grenzen,  das  eine  unter  dem  Kaiser  in  Baiern,  das  andere 
in  Meissen  unter  Anführung  des  Erzbischofs  von  Mainz.  Welche  Lage 
für  Severus:  auf  der  einen  Seite  der  ungestüme,  misstrauische 
Landesfürst,  auf  der  andern  der  Träger  der  kaiserlichen  Krone, 
welcher  er  bei  seiner  Investitur  den  Eid  beständiger  Treue  gelei- 
stet hat,3)  und  der  strenge  Metropolit,  welcher  mit  ihm  nach  Sy- 
nodalrecht vorzugehen  droht!4)  Die  Expedition  des  Kaisers  schei- 
terte durch  eine  Niederlage  am  23.  August  1040  am  Fusse  des 
Böhmerwaldes.  Da  musste  auch  das  bereits  bis  Brüx  vorgedrun- 
gene Meissnische  Heer  den  Rückweg  suchen.  Glücklicher  war  der 
zweite  Feldzug  im  nächsten  Jahre.  Am  8.  September  1041  wehte 
auf  dem  nachmaligen  Zizka-Berge  bei  Prag  das  deutsche  Banner. 
Da  floh  Severus  insgeheim  in  das  kaiserliche  Lager,  um  mit  in- 
ständigen Bitten  denjenigen  zu  überwinden,  der  als  Sieger  bereits 
vor  den  Thoren  stand.  Bretislaw  musste  Frieden  schliessen  und 
alle  seine  kühnen  Pläne  aufgeben.  Aber  schwer  war  seine  Rache 
gegen  jene  im  Lande,  welche  dazu  mitgewirkt  hatten.  So  fiel  der 
zu  den  Deutschen  übergegangene  Graf  Prkos  von  Bilin  unter  dem 
Schwerte  des  Henkers.5)  Der  Bischof  Severus  konnte  sich  nur  da- 
durch retten,  dass  er  bis  in  das  J.  1042  am  Hofe  des  Kaisers 
verweilte.  Der  letztere  selbst  leitete  endlich  in  diesem  Jahre  bei 
Bfetislaws  Anwesenheit  in  Regensburg  die  Wiederversöhnung  ein. 
Da  kehrte  Severus  ins  Vaterland  zurück,  leider  zu  seinem  Un- 
glücke. Er  fand  da  Ketten  und  Kerker.6)  Doch  wurde  er  endlich 
—  wohl  auf  Verwendung  des  Kaisers  selbst  —  wieder  befreit  und 


')  Cosmas. 

*)  Cosmas  ad  a.  1040. 

3)  Vgl.  Dolmer  annal.  5.  265,  und  Gerlacus,  Momtm.  Boem.  1.  126. 

4)  Annaliata  Saxo,  a.  h.  a. 

5)  Palacky  I.  286  u.  287. 

6)  Cosmas. 


80 

der  kräftigen  Fürsorge  für  seine  Diöcese  wiedergegeben.  Bis  zu 
Bfetislaws  Tode  scheint  wieder  ein  erträgliches  Verhältniss  zwischen 
dem  weltlichen  und  dem  geistlichen  Oberhaupte  bestanden  zu 
haben.  In  dieser  Zeit  betheiligte  sich  Severus  an  den  Synoden  zu 
Pavia  und  Sutri  (1047)  zur  Beseitigung  eines  traurigen  Schismas; 
mehr  als  wahrscheinlich  auch  an  der  Synode  zu  Mainz  (1049),  wo 
es  sich  in  Gegenwart  des  Kaisers  und  des  Papstes  um  die  Abstel- 
lung aller  Simonie  und  der  ungesetzlichen  Priesterehen  handelte ; 
endlich  wieder  bei  einer  Synode  zu  Mainz  (1054),  wo  auf  Verwen- 
dung und  Bitte  der  Römer  der  Bischof  Gebhard  von  Eichstädt 
zum  Papste  gewählt  wurde.1)  Herzog  Bfetislaw  aber  benützte 
diese  Zeit  zu  edlen  kirchenfreundlichen  Werken.  Im  J.  1048  ver- 
mehrte er  die  Stiftung  des  Benediktinerpriorats  zu  Raigern  bei 
Brunn  (Raihrad)  und  erwirkte  dessen  Erhebung  zu  einem  selbst- 
ständigen Kloster.  In  gleicher  Weise  vergrösserte  er  darauf  die 
Besitzungen  der  Klöster  Bfewnow,  Ostrow  und  Sazawa.3)  Er  starb 
am  10.  Jan  er  1055. 

4.  Unter  Bfetislaws  Sohne  Spytihnew  IL  kehrte  Sever's  gol- 
dene Zeit  zurück.  Dieser  „ Vater  des  Klerus"  gab  —  gewiss  mit 
Zuthun  des  Bischofs  —  dem  Vaterlande  die  völlige  Einheit  in  der 
Liturgie  zurück,  indem  er  die  seit  Aufgebung  der  ehrgeizigen 
Pläne  Bfetislaws  nutzlos  gewordene  slawische  Liturgie  des 
Klosters  Sazawa  durch  Entlassung  der  ruthenischen  Mönche 
und  Aufnahme  einer  Kolonie  von  Bfewnow  wieder  beseitigte.  Wohl 
bewog  ihn  hiezu  auch  der  Umstand,  dass  der  griechische  Ritus, 
dem  jene  slawische  Liturgie  erwiesener  Massen  folgte,  seit  etlichen 
Jahren  (1054)  zugleich  mit  der  griechischen  Kirche  schismatisch 
geworden  war.3)  Fromm  und  eifrig  im  Dienste  des  Herrn  verrich- 
tete Spytihnew  die  kirchlichen  Andachten  inmitten  seines  Klerus 
mit  einer  Pünktlichkeit,  die  Allen  zum  Muster  dienen  konnte.  Er 
stiftete  im  J.  1057  das  neue  Kollegiatstift  inLeitmeritz  zu  Ehren 
des  h.  Martyrs  Stephan,  das  im  Laufe  der  Zeiten  zu  einem  Bis- 
thum  sich  gestalten  sollte.  Im  J.  1060  legte  er  auch  den  Grund  zu 
einer  neuen  Domkirche  in  Prag  an  der  Stelle  der  alten  vom  h.  Wenzel 


')  Vgl.  Dobner  annal.    V.  290,  291,  302,  323. 

2)  Urkunden  in  Erben  reg.  45,  44,  47  und  50. 

3)  Chron.  Sazaviense  I.  97. 


81 

erbauten,  deren  Umfang  dem  Bedarfe  nicht  mehr  genügen  konnte.  *) 
Die  Vollendung  derselben  erlebte  er  nicht;  er  starb  am  28.  Januar 
1061.  Mit  dem  alten  Dome  war  gleichsam  auch  die  alte  Zeit  der 
böhmischen  Kirche  verschwunden;  mit  der  neuen  S.  Veitskirche 
und  mit  dem  neuen  Herrscher  sollten  neue  Interessen  und  neue 
Bewegungen  auch  die  Kirche  Böhmens  in  Anspruch  nehmen. 

Severus  überlebte  den  kirchenfreundlichsten  Fürsten  nur  we- 
nige Jahre.  Er  starb  —  als  ein  Heiliger  verehrt  —  am  9.  De- 
zember 1067  2),  nachdem  er  noch  im  Jahre  1063  seine  Einwilli- 
gung zur  Errichtung  eines  eigenen  Bisthums  in  Olmütz  und  zur 
Beschränkung  der  bischöflichen  Jurisdiction  von  Prag  auf  die  Grän- 
zen  des  eigentlichen  Böhmens  gegeben  hatte.  3)  Hiedurch  war  für 
die  Zukunft  eine  desto  kräftigere  Entfaltung  des  kirchlichen  Le- 
bens ermöglicht. 

§.  21.  Die  Theilnahme  der  meissnischen  Bischöfe  am  siegreichen  Kampfe 
gegen  das  Heidenthum  im  Norden  Böhmens. 

1.  Der  Kampf  gegen  die  Ueberreste  altheidnischer  Sitte  in  Böh- 
men und  die  endliche  Ueberwindung  derselben  war  die  grosse  Auf- 
gabe dieses  Zeitraums  gewesen.  Wie  allerwärts,  so  hatten  die  Bi- 
schöfe Prags  im  Vereine  mit  den  glaubenseifrigen  Landesfürsten 
diese  Aufgabe  auch  in  jenen  Gegenden  der  Diöcese,  die  jetzt  den 
leitmeritzer  Sprengel  bilden,  mit  glücklichem  Erfolge  gelöst. 

Dasselbe  Werk  war  aber  auch  imäussersten  Norden  des 
Landes,  in  den  zur  meissner  Diöcese  gehörigen  Gebie- 
ten zu  vollbringen  gewesen.  Hier  nun  hatten  die  Oberhirten  von 
M  e  is  s  e n  ebenfalls  redlich  ihre  Pflicht  gethan,  —  eine  um  so  schwe- 
rere Pflicht,  als  es  hier  zugleich  einen  harten  Kampf  gegen  tiefge- 
wurzelte  nationale  Antipathien  galt. 

2.  Auf  den  ersten  Slawenbekehrer  im  Gebiete  von  Budisin, 
Lausitz  und  Zagost  war  Volcold  nachgefolgt  (972 — 993),  der 
Freund  und    Gesinnungsgenosse  des  h.  Wiligisis  von  Mainz,  der 


J)  Palacky  I.  295—297. 

2)  Cosmas  a.  h.  a. 

3)  Dobner  annal.  V.  379.  —  Augustinus  Olomucensis.  —  Cosmas  gibt   dage- 
gen das  Jahr  1067  an. 

6 


82 

eifrige  Reformator  seiner  Geistlichkeit.  Als  Glaubensbote  in  den 
Norden  seines  Sprengeis  zu  ziehen  hinderten  diesen  leider  die 
damaligen  Aufstände  aller  Wenden  (981  und  982),  die  allerdings 
zunächst  gegen  die  Bedrückungen  ihrer  deutschen  Gebieter  gerich- 
tet waren,  aber  zugleich  auch  zu  argen  Kämpfen  gegen  die  von 
Deutschland  gekommenen  christlichen  Institutionen  des  Landes  aus- 
arteten. Vielleicht  gingen  da  die  Früchte  der  Bemühungen 
des  seligen  Burcbard  in  trauriger  Weise  zu  Grunde.  Eine  glück- 
lichere Zeit  erlebte  der  nächste  Nachfolger  Eido  (Egidius,  993 — 
1015).  Ein  neuer  Aufstand  der  Wenden,  den  der  Widerwille  gegen 
die  fremden  Sieger  hervorgerufen,  hatte  im  J.  995  ein  für  die  deut- 
schen Waffen  glückliches  Ende  gefunden.  Da  zog  Eido,  der  ehe- 
malige Klosterbruder  von  Magdeburg,  persönlich  als  Glaubensapostel 
nach  Zagost  und  Budisin,  und  gewann  durch  Wort  und  Beispiel 
der  Lehre  Christi  neuerdings  zahlreiche  Bekenner.  !)  Wenn  es 
begründet  ist,  dass  eben  in  der  Stadt  Budisin  im  J.  999  eine  stei- 
nerne Kirche  —  wohl  an  der  Stelle  einer  zerstörten  hölzernen  aus 
früherer  Zeit  —  vollendet  ward8),  so  ist  unzweifelhaft  Bischof 
Eido  der  Consecrator  derselben  gewesen.  Er  starb  schon  im  Jahre 
1015  im  Kufe  der  Heiligkeit.  3)  Die  neue  Kirche  in  Budisin  aber 
blieb  der  Mittelpunkt  des  christlichen  Bekenntnisses  der  gesammten 
Gegend.  Unter  Bischof  Eido  kam  der  Tradition  nach  auch  der 
heilige  Bruno  (Graf  von  Querfurt,  Missionserzbischof  für  Preussen) 
in  die  Gegend  von  Budisin  und  predigte  da  in  der  „Kapelle  zu 
Jüterbok",  —  angeblich  auch  in  Gabel  (c.  1000).4)  Dennoch  war 
das  alte  Heidenthum  in  den  Gauen  Budisin  und  Zagost  nicht  völlig- 
besiegt.  Es  kräftigte  sich  noch  einmal  an  dem  Hasse  gegen  die 
Fremden,  als  der  christliche  Polenherzog  Boleslav  Chrobry  in  den 
Jahren  1003  und  1007  dieser  Gegenden  sich  bemächtigte.  Auch 
der  deutsche  König  Heinrich  IL,  der  Heilige,  fand  als  neuer  Herr 
dieser  Landschaft  die  Gemüther  Vieler  in  heftiger  Erbitterung,  nicht 
nur  gegen  die  fremde  Macht,  sondern  auch  gegen  den  christlichen 


1)  Fabricius  annal.  Misn. 

2)  Es  war  diess  dieselbe  Kirche,  welche  1215  als  alt  und  finster  abgerissen 
wurde.  Sie  stand  an  der  Stelle  des  jetzigen  Chors  des  S.  Peterdoms.  Vgl. 
Sintenis:  die  Oberlausitz,  S.  64. 

3)  Ditmarus  et  annalista  Saxo  bei  Calles  series  episc.  Misn.  p.  55. 

4)  Palme:  Rückblicke  in  die  Vorzeit  des  böhm.  Niederlandes.  MS. 


83 

Glauben.  Er  musste  mit  dem  Schwerte  die  Widerspänstigen  be- 
drängen (1015).  *)  Da  flohen  die  Unbeugsamsten  vor  der  Ueber- 
macht  des  Königs  in  die  dichten  Wälder  an  der  Gränze  von  Zagost 
und  Böhmen,  wo  sie  wohl  noch  eine  Zeit  lang  in  stiller  Verbor- 
genheit ihre  hergebrachten  Ueberlieferungen  bewahrten,  endlich  aber 
dennoch  durch  den  friedlichen  Einfluss  der  böhmischen  Nachbar- 
schaft für  die  heilige  Kirche  gewonnen  wurden.  Die  Sage  bezeichnet 
die  heutigen  Ortschaften:  Kreibitz  und  Windisch-Kamnitz  in  Böh- 
men, Oderwitz  und  Eubau  in  der  Oberlausitz  als  ehemalige  Nie- 
derlassungen jener  flüchtigen  Wenden.2)  Dieser  aber  waren  am 
Ende  doch  nur  verhältnissmässig  wenige  gewesen.  Die  grosse 
Mehrheit  in  der  wendischen  Heimat  wollte  dagegen  mit  dem 
Segen  des  Friedens  das  Heil  des  Christenthums  empfangen.  Gewiss 
thaten  sofort  die  meissnischen  Bischöfe  Eil  ward  (Eduard  1015 — 
1023),Hugbert(Wipert,  1023— 1024),  und  Theodorich  (1024— 
1046  3)  ihr  Möglichstes,  um  •  das  äussere  Bekenntniss  der  Menge 
zur  heiligen  Ueberzeugung  des  Herzens  zu  gestalten.  Dennoch  folgte 
noch  eine  und  zwar  die  letzte  Reaktion.  Alle  Slawen,  die  zwischen 
der  Elbe  und  Oder  wohnten  und  grossentheils  durch  mehr  als  70 
Jahre  das  Christen thum  bekannt  hatten,  erneuerten  im  Jahre  1035 
den  Kampf  gegen  die  Deutschen  und  brachten  ihrer  nationalen 
Antipathie  schon  wieder  den  christlichen  Glauben  zum  Opfer.4) 
Da  bedurfte  es  einer  abermaligen  Unterwerfung  und  eines  neuen 
Apostels. 

3.  Die  neuen  Bischöfe  Meinhard  (1046 — 1051),  Reiner 
(Reginhard,  1051 — 1060),  der  Vollender  des  S.  Afraklosters  in  Meis- 
sen,  undCrafto,  der  ehemalige  Propst  von  Goslar  (1060 — 1066  5) 
Hessen  es  wohl  an  heiligem  Eifer  für  den  Unterricht  der  Wen- 
den nicht  fehlen :  aber  sie  alle  übertraf  ihr  Nachfolger,  der  grosse 
Wendenapostel,  der  heilige  Benno(1066  —  f  16 Junill06). 
Dieser  besuchte  alljährig  die  einzelnen  Städte  und  Dörfer  seiner 
ausgedehnten  Diöcese.    Besonders   den  Landschaften  Zagost    und 


')  Chron.  Mansfeld.  239. 
a)  Vergl.  Seite  30. 

3)  Calles  series  ejpiscoporum  Misnensium.  55 — 64. 

4)  Helmold.  L.  I.  —  Chron.  Slav.  c.  16. 
5)   Calles  series  episcop.  Misn.  65 — 73. 

6* 


84 

Budisin  widmete  er  seine  oberhirtliche  Sorgfalt.  Es  gelang  ihm, 
den  Götterkult  in  den  alten  h.  Hainen  zu  beseitigen,  die  den  Göt- 
tern geheiligten  Bäume  auszurotten,  die  heidnische  Sitte,  in  Wäl- 
dern und  Feldern  die  Todten  zu  begraben,  gänzlich  aufzuheben,  — 
alles  dieses  durch  die  Kraft  seines  gotterleuchteten  Wortes  und 
seines  wahrhaft  heiligen  Lebens. !)  Von  höchster  Bedeutung  musste 
es  sein,  dass  er  in  diesen  Gegenden  als  zeitweiligen  Ruhesitz  die 
Burg  G  ö  d  a  u  3)  erwarb,  wo  fortan  B  e  z  e  1  a ,  die  fromme  Mutter 
des  heiligen  Bischofs,  die  letzten  Jahre  ihres  Lebens  in  Werken 
der  Gottseligkeit  verlebte.  Eine  fromme  Sage  erzählte  einst,  als 
Gödau  noch  katholisch  war,  dass  dasselbst  die  gottselige  Witwe 
täglich,  selbst  in  der  härtesten  Winterzeit  die  Kirche  besucht  und 
hiebei  den  sie  begleitenden  Kaplan  wiederholt  aufgefordert  habe, 
in  ihre  erwärmten  Fussstapfen  zu  treten.  Hier  fand  sie  auch  ihre 
letzte  Ruhestätte,  nachdem  sie  all  ihr  Eigenthum  der  bischöflichen 
Kirche  von  Meissen  testirt  hatte.  3)  Es  leuchtet  ein,  dass  die 
Umgegend  von  Gödau,  die  sofort  den  Meissner  Bischöfen  als  Ei- 
genthum gehörte,  und  wo  vielleicht  schon  in  dieser  Zeit  die  bischöfliche 
Stadt  Bischofswerde  emporblühte,  auch  einer  besonderen  Fürsorge  von 
Seiten  des  h.  Benno  sich  erfreute.  So  konnte  es  nicht  fehlen,  dass 
der  christliche  Glaube  insbesondere  auch  in  dem  jetzt  böhmischen 
Theile  von  Zagost,  insoweit  derselbe  damals  bereits  bevölkert  war, 
endlich  bleibende  Wurzeln  fasste  und  in  Kurzem  die  edelsten 
Früchte  eines  echtchristlichen  Lebens  trug. 


])  Cosmas  de  Bretislav  IL 

a)  Emser  cit.  bei  Calles  p.  78.  Aehnliche  Ruhesitze  hatte  Benno  zu  Bresnic 
(Priesnitz  bei  Dresden),  wo  noch  lange  Zeit  eine  königliche  Burg  und  ein 
bischöfliches  Lustschloss  bestand   (Huhn  Lex.  v.  Deutschland). 

3)  De  S.  Bennone  variorum  scripta  bei  Menken  scrip.  II.  p.  1856  etc. 


85 


Die  kirchlichen  Verhältnisse  und  Institutionen  in  der  Zeit  des 
Kampfes  der  Kirche  mit  dem  unterliegenden  Heidenthume. 

(972—1067.) 
§.  22.  Der  Säcularclerus  der  Diöcese. 

1.  Aus  den  Seelsorgen  der  einzelnen  2upenburgen,  wie  wir 
solche  zur  Zeit  der  Einführung  des  Christenthums  in  Böhmen  ken- 
nen lernten,  waren  unter  den  ersten  Bischöfen  bereits  eben  so 
viele  Archipresbyterate  geworden,  deren  Gränzen  wohl  von 
den  spätem  Dekanaten  zur  Zeit  Karls  IV.  nicht  bedeutend  ver- 
schieden waren.  Nachweisbar  ist  diese  Einrichtung  im  Jahre  1039 
eine  längst  bestehende  gewesen,  da  die  damals  am  Grabe  des  heil. 
Adalbert  beschworenen  Gesetze  ausdrücklich  die  Existenz  eines 
Erzpriesters  neben  den  einzelnen  ^upenvorstehern  voraussetzen.  *) 
Hiemit  war  aber  auch  das  gleichzeitige  Bestehen  untergeordneter 
Landseelsorgen  (Pfarreien,  plebaniae)  bedingt. 

Den  Titel  eines  Archipresbyters  (Erzpriesters)  hatte  ur- 
sprünglich in  der  katholischen  Kirche  nur  der  der  Weihe  nach  äl- 
teste Priester  am  Sitze  des  Bischofs  geführt,  dem  es  in  Verhinde- 
rung des  Letzteren  zustand,  die  gottesdienstlichen  Hauptfunktionen 
zu  verrichten.  Seit  dem  fünften  und  sechsten  Jahrhunderte  treffen  wir 
bereits  in  vielen  Diöcesen  Rural-Erzpriester,  deren  Hauptaufgabe 
es  war,  die  Landgeistlichen  eines  gewissen  Bezirkes  zu  beaufsich- 
tigen und  deren  Vergehen  zur  Kenntniss  der  bischöflichen  Behörde 
zu  bringen.  In  der  Karolingischen  Zeit  ist  dieses  Institut  bereits 
allgemein,  und  deshalb  kaum  zu  bezweifeln,  dass  auch  die  Bischöfe 
von  Regensburg  wenigstens  einen  solchen  Erzpriester  in  Böhmen 
angestellt  hatten.3)    In  dieser  Zeit  bekamen  auch  die  Archipres- 


»)  Vgl.  §.  19.  N.  3.  c,  d,  e. 

2)  Ein  solcher  war  vielleicht  der  in  dem  frctgmentum  praebendarum  etc.  et- 

clesiae  S.  Georgii   (Dobner.  monum.    VI.  342)  im  Jahre  912  ausdrücklich 

erwähnte  Archipresbyter  Vlita  bei  S.  Georg  in  Prag. 


86 

byterate,  analog  einer  ähnlichen  Einrichtung  bei  den  Benediktiner- 
Conventen  und  vielleicht  auck  von  der  gewöhnlichen  Anzahl  der 
untergebenen  Seelsorgstationen,  schon  den  Namen  Dekanate.  Von 
nun  an,  und  also  auch  zu  der  eben  geschilderten  Zeit  in  unserem 
Vaterlande,  hatte  der  Erzpriester  die  Geistlichen  seines  Bezirkes 
zu  beaufsichtigen,  kleinere  Streitigkeiten  derselben  zu  richten,  die 
Verordnungen  des  Bischofs  in  Vollzug  zu  setzen,  die  Ordinanclen 
seines  Sprengeis  dem  Bischöfe  zur  Weihe  vorzuführen  und  am  er- 
sten Tage  eines  jeden  Monats  mit  der  ihm  unterstehenden  Geist- 
lichkeit eine  Pastoralkonferenz  abzuhalten,  deren  Zweck  haupt- 
sächlich die  gegenseitige  Fortbildung  und  der  Austausch  gemein^ 
sanier  Erfahrungen  und  Gedanken  sein  sollte.1) 

Ursprünglich  wohnten,  wie  aus  den  Severischen  Gesetzen  er- 
sichtlich ist,  die  Erzpriester  oder  Dekane  in  den  Zupensitzen.  Spä- 
ter zogen  sie  wohl  in  die  bedeutendste  Stadt  des  Bezirks,  wo  zu- 
gleich die  Cuda  (das  herzogliche  Gericht)  seinen  Sitz  nahm.  Aus 
dieser  Zeit  mag  die  Benennung  der  meisten  Dekanate  stammen. 
Späterhin  ernannte  der  Bischof  irgend  einen  Seelsorger  des  Bezirks, 
der  aber  desswegen  seine  Station  nicht  verlassen  musste,  zum  Erz- 
priester oder  Dekan.2) 

2.  Ueber  den  Erzpriestern  eines  gewissen  Umkreises  stand  in 
der  ebenerwähnten  Zeit  ein  Archidiaconus  (Erzdiakon,  Erz- 
dechant).  Ursprünglich  befand  sich  in  einer  Diöcese  nur  ein  ein- 
ziger Archidiakon  und  zwar  am  Sitze  des  Bischofs,  wo  er  den 
Unterricht  und  die  Erziehung  der  jungen  Kleriker  leitete,  die 
Aufsicht  über  die  Diakonen  und  alle  niederen  Kirchendiener  führte, 
und  vorzüglich  die  Unterstützung  und  Verpflegung  der  Armen  be- 
sorgte. Das  letztere  Geschäft  machte  ihn  alsbald  zum  Verwalter 
der  bischöflichen  Einkünfte  und  in  Folge  dessen  auch  zum  Gehilfen 
des  Bischofs  in  Sachen  der  allgemeinen  Administration  und  Juris- 
diktion. Man  nannte  ihn  das  Auge  und  die  Hand  des  Bi- 
schofs. Seit  dem  8.  Jahrhunderte  wurden  grössere  Diöcesen 
schon  in  mehrere  Archidiakonate  getheilt,  denen  eben  so  viele 
Kural-Archicliakone   nebst   dem   Archidiakon   der   Kathedrale 


])  Vergl.  Benedikt  Weite  Kirchenlex.  1.  Band,  407  und  408. 
8)  Laut  der  Libri  confirmationum.  In  diesen  werden  häufig  Pfarrei'  als  De- 
kane genannt,  die  keineswegs  im  alten  Dekanatssitze  wohnten. 


87 

vorgesetzt  waren.  In  dieser  Zeit  und  bis  in's  zwölfte  Jahrhundert 
visitirten  und  straften  sie  fast  unabhängig  die  Pfarrer  und  Erzprie- 
ster (Dekane),  legten  ihnen  Abgaben  auf,  durften  excommuniciren 
und  suspendiren,  und  hielten  sogar  mit  dem  Klerus  ihres  Spren- 
geis kleine  Synoden.  ]) 

3.  Im  zwölften  Jahrhunderte  werden  im  Umkreise  Böhmens 
dreizehn  Archidiakonate  erwähnt ,  welche  wahrscheinlich 
auch  schon  unter  den  ersten  Bischöfen  bestanden.  Ihre  Titularsitze 
waren :  Prag,  Kauf  im,  Bechin,  Bischof-Teinitz  (Tyn  HorSow),  Pilsen, 
Saaz,  Leitmeritz,  Bunzlau,  Königgrätz  (Hradec),  Rokytzan,  Raudnitz, 
Zircinewes  (nördlich  von  Königgrätz)  und  Leitomischl.  Raudnitz 
und  Rokytzan  wurden  später  dem  Archidiakonate  von  Prag,  letzte- 
res auch  theilweise  dem  zu  Pilsen,  Zircinöwes  aber  dem  Archi- 
diakonate von  Königgrätz  einverleibt.  Dafür  erscheint  nachweis- 
bar seit  1216  das  Archidiakonat  von  Bilin.  2) 

Soweit  die  urkundlichen  Nachweise  zurückreichen  (c.  1160), 
waren  die  Archidiakonatswürden  sammt  den  dazu  gewidmeten  Ein- 
künften einzelnen  nicht  präbendirten  Domherren  des  prager  Dom- 
kapitels zugetheilt,  die  als  solche  stabil  in  Prag  wohnten  und  nur 
zeitweilig  ihre  Archidiakonate  bereisten.  Im  13.  und  14.  Jahrhun- 
derte und  beziehungsweise  auch  in  früherer  Zeit  bestand: 

a)  das  Archidiakonat  von  Prag  aus  den  Dekanaten 
Prag,  Benesov,  Rican,  Ofechov  (Karlsteiner  Gebiet),  Podbrdy  (un- 
ter dem  Brdywalde ,  Gegend  von  Beraun),  Rakonitz,  Schlan ,  Rip 
(Georgsberg,  Gegend  von  Raudnitz),  Chlumin  und  Brandeis. 

b)  Das  Archidiakonat  von  Kauf  im  aus  den  Dekana- 
ten: Kauf  im,  Brod  (Deutschbrod),  Recic,  Kolin  und  Stepanov. 

c)  Das  Archidiakonat  von  Bechin  aus  den  Dekanaten : 
Bechin,  Moldau  (Gegend  von  Nechwalic),  Chynov,  Dudleby  (Teind- 
les),  Wolyn,  Bozen  (Gegend  von  Rozmital)  und  Prachin. 

d)  Das   Archidiakonat  von  Pilsen  aus  den  Dekanaten: 
Pilsen,  Rokytzan  und  Klattau. 

e)  Das  Archidiakonat  von  Bischofteinitz  bestand 
nur  aus  dem  einzigen  gleichnamigen  Dekanate. 

f)  Das  Archidiakonat  von  Königgrätz  (Hradec)    mit 


J)  Weite  Kirchenlex.  L,  405,  406. 
2)  Tomek,  Gesch.  Prags.  I.  84. 


88 


den  Dekanaten :  Königgrätz,  Jiöin,  Bydzov,  Kladsko  (Grafschaft  Glaz), 
Dobru&ka,  Königinhof  (früher  Dekanat  2iröin£ves),  Kosteletz  und 
Braunau. 

g)  Das  Archidiakonat  Leitomischl  (LitomysT)  mit 
den  Dekanaten  Litomysl,  Hohenmauth  (auch  Dek.  Wratislaw),  Chru- 
dim,  Landskron  und  Poliöka. 

h)  Das  Archidiakonat  Leitmeritz  aus  den  Dekana- 
ten: Leitmeritz,  Trebnitz  und  Leipa. 

i)  Das  Archidiakonat  von  Jung-Bunzlau  aus  den 
Dekanaten  Jungbunzlau,  Melnik,  Havran  (später  Dek.  Nimburg), 
Kamenec  (später  Dek.  Weisswasser),  Turnau,  Gabel  und  Zittau. 

k)  Das  Archidiakonat  von  Saaz  aus  den  Dekanaten: 
Saaz,  Elbogen  (Sedlic),  2lutic  (Luditz),  Kadan  und  Tepl. 

I)  Das  Archidiakonat  von  Bilin  aus  den  Dekanaten: 
Bilin  und  Aussig. 

Ausserdem  gehörte  das  Gebiet  von  Eger  bis  in  die  neue 
Zeit  zur  Diöcese  von  Regensburg  und  die  §.11  erwähnten  Grenz- 
gebiete der  jetzigen  Diöcese  von  Leitmeritz  zum  Bisthume  Meissen. l) 

§.  23.  Die  alten  Seelsorgspfriinden  der  jetzigen  Diöcese  von  Leitmeritz. 

Wir  zählen  nun  von  den  seit  den  ältesten  Zeiten  bis  in  die 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  entstandenen  Landseelsorgen  diejenigen 
auf,  welche  sich  im  Umkreise  der  jetzigen  Diöcese  Leitmeritz  be- 
fanden. Insofern  die  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts 
ersichtliche  Dotation  derselben  ein  Massstab  ihres  Alters  ist,  er- 
scheinen sie  nach  der  Reihenfolge  ihrer  Stiftungszeit  geordnet. 2) 
In  den  allerseltensten  Fällen  ist  ein  bestimmtes  Jahr  der  Entste- 
hung sicher  zu  stellen.  Doch  ist  anzunehmen,  dass  nahezu 
das  erste  Drittel  der  Pfründen  eines  Dekanats  bis  in 
die  Zeit  des  11.  Jahrhunderts  zurückreichen  dürfte. 
1.  Im  Leitmeritzer  Archidiakonate,  und  zwar: 
a)  Im  Dekanate  Leitmeritz  (Litomöfice)  befanden  sich 


l)  Nach  dem  Eegistrum  decimarum  bei  Baibin  Miscell.  Dec.  1.  lib.  V.  u.  Pa- 
lacky,  Dejiny  I.  2.  priloha  D. 

a)  Die  eingeschaltenen  Ziffern  bedeuten  den  im  J.  1384  mit  päpstl.  Bewilligung 
von  den  einzelnen  Kirchen  an  König  Wenzel  abgegebenen  halbjährigen 
Zehent  in  böhmischen  Groschen.    Seh.  bedeutet  Schock  böhm.  Groschen. 


89 

die  Beneficien:  Die  Pfarrei  Allerheiligen  in  Leitmeritz  (1  Seh.  9 
gr.),  die  Archidiakonatspfründe  f  (45  gr.)  *),  die  Pfarreien  HoStka  f 
(Gastorf  27),  Robeö  f  (Robitsch  27) ,  2itenic  f  (Schüttenitz  24), 
Wetla  f  (Wettel  24),  Hruäovan  f  (24),  Libeäic  (24),  Strafte 
(Strasnitz  24),  Bickovice  f  (Pischkowitz  21),  Usk  (Auscha  21), 
Tuhanf  (18),  Cerniöeves  (Cernewes  bei  Wettel  15),  Tfebusmf 
(Triebsch  13),  Levinf  (12),  Maleäovf  (Maischen  12),  S.  Laurenz 
in  Leitmeritz  (9),  S.  Adalbert  in  Leitmeritz  f  (9),  Sobenicef  (9), 
Blizvedlf  (Bleiswedel  9),  2ernosekf  (Gross-Tschernosek  9),  Libo- 
chovan  (9),  Prackovice  f  (Praskowitz  9),  Stebno  (Steben  9),  Kr esic  f 
(9),  S.  Stephan  in  Leitmeritz  f  (6),  Kaplanei  S.  Nicolaus  amRado- 
byl  (6),  Zubrnicef  (Saubernitz  6),  ProboStovf  (Proboscht  6),  Pra- 
chovaf  (ehemals  bei  Hruschowan  6),  Kostelec  (Weisskirchen  bei 
Konoged6),  S.  Johann  in  Leitmeritz  f  (4),  Mlikojedy  (4),  S.  Georg 
in  Leitmeritz  (3),  Mukafov  (Munkern  3),  Cirkovic  (3),  Kaplanei  S. 
Peter  in  Leitmeritz  f  (3),  Kaplanei  S.  Wenzel  in  Leitmeritz  (3), 
Launky  (Launken  bei  Wettel). 2) 

Es  ist  beachtenswerth,  dass  fast  2  Dritttheile  der  Pfründen 
dieses  Dekanats  geistliche  Kollatoren  und  somit  wahrscheinlich 
auch  geistliche  Gründer  hatten. 

b)  Im  Dekanate  Leipa:  Leipa  mit  der  Filiale  Dobronov 
oder  Dobern  (1  Seh.) 3),  DScin  (Tetschen,  der  ältere  £upensitz,  30 
gr.),  Äandov  (Sandau  24),  Kravary  oder  Radausov  (Grabern  f  18), 
Nebuzan  oder  Nebocady  (Neschwitz  17),  Holany  (Hohlen  15),  Be- 
ne§ov  (Bensen  12),  Drmy  oder  Stwolenky  (Drumf  12),  Mnichov 
(ein  jetzt  verschwundenes  Dorf  um  Quitkau  und  Töschen,  9),  4) 
Jedlka  oder  Hewlice  (Höflitz  9),  Jezwe  (Neustadtl  9),  Stadt  Kame- 
nic  (Böhm.  Kamnitz  9),  Pawlovice  (Pablowitz  6),  Kvitkov  (Quitkau 
6),  Richnov  (Reichen  6),  Libechov  (Libich   6),  Slup   (Bürgstein  6), 


*)  Die  mit  f  bezeichneten  Pfründen  hatten  geistliche  Kollatoren,  welche  im 
Verlaufe  der  Geschichte  genannt  werden  sollen. 

2)  Ausser  diesen  gehörten  auch  noch  die  jetzt  zur  Prager  Erzdiöcese  gehö  • 
rigen  Pfarreien  Pocaply  +  (9)  und  Chodzovice  bei  Raudnitz  f  (9)  zum  leit- 
meritzer  Dekanate. 

3)  Dobern  wurde  1392  eine  selbstständige  Pfarrei.  Lib.  Confir.  ad  1392 
und  1410. 

4)  Die  Pfarrer  von  Quitkau  u.  Töschen  werden  in  den  Lib.  conf.  als  Nach- 
barn von  Mnichow  genannt. 


90 

Palic  (Politz  f  6),  Drchlava  (Dürchel  6),  Wolfardsdorf  oder  Wol- 
fartice (Wolfersdorf  6),  Arnoldsdorf  oder  Arnoldice  (Arnsdorf  4), 
Skalice  oder  Langenau  (3),  Windisch-Kamenice  (Windischkamnitz 
3),  Marquardsdorf  oder  Markwartice  (Markersdorf  3),  Tichlovica 
(Tichlowitz  3)  '),  Cvikava  (Zwickau  3),  Rosendorf  (3),  Günthersdorf 
(3),  Bertholdsdorf  (ein  jetzt  unbekanntes  Pfarrdorf  bei  Algersdorf) 
3),  Kfibska  (Kreibitz  3),  Hostikovice  (Hospitz  bei  Hohlen  3),  Mer- 
bordsdorf  oder  Merboltice  (Mertendorf  3),  Wernersdorf  oder  Wer- 
nefice  (Wernstadt  3),  Conradsdorf  oder  Kunratice  (Kunnersdorf  2), 
Mergenthai  (Mafenice?  — ). 

c)  Im  Dekanate  Trebnitz:  Die  Pfarreien :  Tf ebenice  f 
(Trebnitz  40), 2)  Brozanf  (1  Seh.),  Libochovice  (46  gr.),  Dlasko- 
vice  (30),  Chodzovf  (30),  Solany  (Solan  27),  Kozly  f  (Kosel  24), 
Sirejovice  f  (Schirschowitz  21),  Klepy  (21),  Kfesin  (21),  Tfebiw- 
lice  f  (Tfiblic  21),  Lovosicef  (Lobositz  18),  Merunice  (18),  Wele- 
minf  (18),  Libceves  (Liebschhausen  18),  Sutom  (16),  Risutyf 
(15),  Chotesovf  (12),  Bausovicef  (12),  Duban  (9),  Robeice  (Hrob- 
schitz  9),  Dolanek  f  (9),  Zelkovice  (9),  Nedvedice  (Nedweditsch  8), 
Cizkovice  (6),  Slatinaf  (6),  MiroSovice  (4),  Mrzlice  (Merschlitz  4), 
Chauc  (Kauzf  3),  Lipa,  Mokov. 

2.  Im  Biliner  Archidiaconate,  und  zwar: 
ä)  Im  Decanate  Bilin:  Bilinf  (48),  die  Archidiakonats- 
pfründe  f  (45),  Most  f  (Brüx  42),  Duchcov  (Dux  24),  Rvenice  (See- 
stadtl  18),  Teplice  zu  S.  Johann  f  (18),  Becov  (Hochpetsch  18), 
Teplice  bei  S.  Maria  (18),  Zlatnik  (Böhm.  Schladnig  12),  Wtelno  f 
(12),  Radovesice  (12),  Kopie  f  (9),  Jifetinf  (Georgenthal  9),  Neu- 
dorf oder  Novosedly  (9),  Luzice  (Luschitz  9),  Hradistef  (Ratsch 
9),  Kostomlaty  (Kostenblatt  9),  Zabrusany  (Sobrusan  9),  Öaus 
(Tschausch  6) ,  Slatinice  (Deutsch  Zladnig  6) ,  Jenik  (Janigg  6), 
Radeice  f  (Maria  Ratschitz  6),  Libkovicef  (Liquitz  6),  Nesveticef 
(jetzt  unbekannt  6),  Holetice  (Holtschitz  6),  Zidovice  f  (Seidowitz 
6),  Kfemyz  (6),  die  Klosterpfarre  in  Svetecf  (Schwaatz  6),  Dorf 
Svetec  f  (6),  Altosek  f  (6),  Litvinov   (Oberleitensclorf  3),  Bohusu- 


1)  Um  1360  nach  Lib.  Confirm.  eine  selbstständige  Pfarrei,  1384  Filiale  von 
Neschwitz.  (Begistr.  deeim.)  Neuerdings  selbstständig  1412  und  1413. 
Lib.  Confirm. 

2)  Blieb  als  Klosterpfarre  im  Einkommen  zurück,  da  die  Schenkungen  meist 
dem  Kloster  selbst  zufielen. 


91 

dov  (in  der  Gegend  von  Kulm  und  Mariaschein,  3),  l)  Ugezd  Je- 
nisuv  (ügest,  H.  Osek,  3),  Gelenke  (Selnitz  3),  S.  Stephan  (?  3), 
Albrechtice  (Olbersdorf  2),  Daubravice  f  (ehemals  am  Fusse  des 
Schlossberges  bei  Teplitz  gelegen,  — ),  Kliny  (mons  S.  Wenceslai, 
Göhrn  — ),  Novosedlice  (Weisskirchlitz   — ).   ► 

b)  Im  Decanate  Aussig:  Üsti  (Aussig  1  Seh.),  Trmice 
(Türmitz  24),  Krupa  (Graupen  18),  S.  Adalbert  in  Aussig  (18), 
Chabafovice  (Karbitz  18),  Chvojno  (Böhmischkahn  13),  Svadovf 
(Schwaden  12),  Ktin  (Hrtine  12),  Sachov  oder  fiechlovice  (Tschochau 
10),  Rudniky  f  (Raudnik  10),  Waltifov  (Waltirsche  9),  Modlan  f 
(9),  Brozanf  (Prosanken  9),  Chlumec  (Kulm  9),  Zim  (Schima  9), 
Tuchomyslf  (Schönfeld  6),  Wsebofice  (Schöbritz  6),  Skoratice 
(Gartitz  6),  Bofislav  f  (Boreslau  6),  Mojzif  (Mosern  6),  Jilove 
(Eulau  4),  Kolcz  (?  4),  Arnoltice  oder  Arnoldsdorf  (Arnsdorf  3), 
Piozbölesy  (Rosawitz  3),  Zezice  (Sesitz  3),  Bukovf  (Böhmisch- 
Bockau  3),  Schönborn  (1),  Peterswalde  (0) ,  Königswald  oder  Li- 
buchec  (0),  Lipovä  oder  Spenersdorf  (Spansdorf  — ),  Cermna 
oder  Ludgersdorf  (Leukersdorf  — ),  Habartice  (Ebersdorf  — ),  Ko- 
monin  (Deutsch  -  Kahn — ),  Naklefov  (Nollendorf  — ),  Pfedlice 
(Predlitz  — ). 

Ausserdem  gehörten  zu  diesem  Dekanate  noch  die  jetzt  säch- 
sischen Ortschaften:  Königstein  (4),  Strupin  (Struppen  4),  Kotlava 
(Gottleube  4),  Rynarec  oder  Reinhardsdorf  (4),  Heinrichsdorf 
(Hermsdorf  4),  Markvartice  oder  Marquartsdorf  (Markersbach  — ), 
01e§nä  (Oelsen)  und  Rosenthal  ( — ). 

3.  Im  Saazer  Archidiakonate,  und  zwar: 

a)  Im  Decanate  Saaz:  Zatec  (Saaz),  die  Archidiakonats- 
pfründe  f  (2  Seh.),  die  beständige  Vikarie  zu  Saaz  f  2)  (36  gr.),  die 
Pfarrei  Launy  (Laun  2  Seh.),  die  Pfarreien  Opocno  (Opotschna  36), 
Welika  wes  (Grossdorf,  jetzt  Michelsdorf  33),  Dobromerice  f  (30), 
Brlohf  (Bierloch  oder  Brdloch  30),  Hawran  (30),  Hf ivice  f  (27), 
Libisice  (Liebeschitz  27)  ,  Wrutek  f  (Rudig  21),  Ocihov  f 
(Gross-Otschehau  18),  Podboranyf  (Podersam  18),  Neöemice  (Ne- 


!)  Wir  werden  die  Entstellung  dieses  Ortes  unter  Herzog  Sobeslav  I.    1125 

erwähnen. 
2)  Die  eigentliche  Dekanatspfründe  blieb  als   dem   Mutterkloster   Strahov 

incorporirte  Pfarre  im  Einkommen  zurück. 


92 

tschenitz  18),  S.  Jakob  in  Saazf  (18),  Oboraf  (15),  Leneäice  f 
(15),  Cerncme  (15),  Minie  (15),  2abokliky  f  (Schaboglück  15),  S. 
Martin  in  Saaz  (15),  Skupice  (15),  Radiöeves  (Raitschewes  15), 
BMim  (Ploscha  15),  Strana  (Strähn  15),  Hradigtö  (Hraidisch  12), 
Holedeöf  (Holleditz  12),  Zlovödice  (Lobotitz  12),  Libödice  (Liebo- 
titz  12),  Sobösuky  (Sobiesack  12),  Wolevöice  f  (Wolepschitz  12), 
BuSkovicef  (Puschwitz  12),  Hofeticef  (Horatitz  12),  MScholupy 
(Miecholup  12),  Päovf  (Schaab  12),  Strupöice  (Trupschitz  12), 
Kryry  (Kriegern  12),  S.  Andreas  innerhalb  des  Klosters  zu  Postel- 
berg f  (10),  Knezice  (Kneschitz  9),  Ranna  (9),  Cetoliby  (Zittolib 
9),  Lipenec  f  (Lippenz  9),  Susany  (Zuscha  9)  Nahasice  (9),  S.  Ni- 
colaus in  Saaz  (8),  Bitozeves  (Wittoses  8),  Letov  (Ledau  7),  Li- 
boöany  f  (Libotschan  7),  Pnetluky  f  (Netluk  6),  Äelec  (Seltsch  6), 
Libofice  f  (Liboritz  6),  Hru§ovany  (Hruschowan  6),  Wysoöany  f 
(Wischezahn  6),  Mory  (Mohr  5),  Skrlef  (Skyrl  5),  Wäestudy 
(Schössl  5) ,  Bf ezno  male  (Kleinpriesen  5) ,  Sir em  f  (Zyrau  4) , 
Stankovicef  (4),  WSechlapy  (jetzt  unbekannt,  3),  Selmice  (ehemals 
bei  Opoöno  3),  Dobricany  (Dobritschan  0),  S.  Magdalena  vor  Saaz 
(0),  S.  Michael  in  Saaz  (0),  Bfezany  (Pressern,  —  ),  Kostelec  (un- 
bekant,  —  ),  Mlinaf e  (ehemals  bei  Saaz,  —  ),  Ober-Rocov  ( —  ), 
Zidovice. 

b.  Im  Dekanate  Caaden:  Caaden  oder  Kadanf  (mit  der 
deutschen  Ordenskommende  vereint).  *)  Komotau  oder  Chomutov  f  (1 
Seh.),  Mastov  f  (Maschau,  42),  Bfezno  (Priesen,  18),Dolany(Dehlau, 
18),  Pfisecnice  (Pfesnice,  Pressnitz  18),  Radonice  (18),  Cachovice 
(Tschachwitz  18),  Udlice  (Eidlitz  15),  Druskovice  f  (Drauschkowitz 
15),  Klasterec  f  (Klösterle  15),  Wilemovice  (Willomitz  15),  Podlesice 
(Podletitz  15),  Pfiöaply  f  (Pritschapel  15),  Turec  f  (Turtsch  12),  Kra- 
lup  mit  Kurbice  (Körbitz  12),  Zahofany  (Sehries  12),  Tusmicef 
(Tuschmitz  9),  Wintifov  (Winteritz  9),  Jirkov  (Görkau  9),  Kfimov  f 
(Chrima  9),  Zelinaf  (Seelau  6),  Mikulovicef  (Niklasdorf  5),  Pru- 
nef ov  f  (Brunnersdorf  3),  Blatno  f  (Platten  3),  Woc  f  (Wotsch  3), 
Bystfice  f  (Wistritz  3),  Slatina  (jetzt  unbekannnt,  3),  Bolebof  oder 
Gottfriedsdorf  mit  Bernav  (Göttersdorf  3),  Mladejovf  (einst  bei 
der  noch  bestehenden  S.  Stephanskirche  in  der  Nähe  von  Köttowitz, 
3),  Uhoätany  (Atschau  3),  Chotöbudice  f  (Köttowitz    3),  Okunov 


l)  Lib.  confirm.  a.  a.  1401  etc. 


93 

(Okenau  3),  Raöice  (Redschitz  2),  Rednice  (Redenitz  2),  Lauchov 
Laucha  1),  Schloss  Pir§en§tein  (Pürstein  0),  Wolyne  (Wohlau  0), 
Lomazice  (Lametitz  0),  Kojetice  (0),  Schloss  Hassenstein  (0),  Ot- 
vice  (Udwitz  0),  Schloss  Schumburk  (Schönburg  0).  !) 

§.  24.     Fortsetzung. 

4.  Im  Bunzlauer  Architliakonate,  u.  zwar: 

a.  Im  Dekanate  Bunzlau:  DieArchidiakonatspfründe  f  (1 
Seh.  18  gr.),  MladäBoleslaw  (Jungbunzlau)  zu  S.  Johann  Bapt.  f 
mit  der  dortigen  Kommende  vereint),  Plasy  (24),  Kosmonosy  (24), 
Raysice  (24),  Osojnice  (21),  Zercice  f  (21),  Semöice  (19),  LuStenice 
(18),  Syöin  (18),  Struhy  (18),  Studenka  (18),  Michalovice  (18), 
Bfezno  (18),  Stara  (15),  Bakov  (15),  Tynecf  (12),  Dobroviceves 
(Dobrovice  12),  Stakory  (12),  Debf  (3),  Mladä  (2),  Jablkynice  (1), 
S.  Veit  in  Bunzlau  f  (?),  Zamosti  (?).  —  2) 

b.  Im  Dekanate  Gabel:  Jablona  (Gabel  15)  3)  Mimon 
(Mems  30  gr.),  Brniste"  (Brims  9),  Wartenberg  (9),  Sweborice  (Schwa- 
bitz  6) ,  Zakupy  (Reichstadt  6),  Seifertsdorf  oder  Vratislavice  (5), 
Kfizany  (Kriesdorf  3),  Osecna  (Oschitz  3),  Dubnice  (Hennersdorf, 
2),  Brenna  (Brenn  1),  Dittrichsdorf  (die  ehemalige  Lage  unbe- 
kannt,  1),  Rinoltice  (Ringelshain    1). 

c.  ImDekanate  Melnik:  Melnik  f  (1  Seh.),  Nebuzel  f  (30), 
Chöebus  f  ( Zebus  25),  Duba  (Dauba  24),  Steti  (Wegstädtl  24),  Wysoka 
(21),  Libechov  f  (Liboch  18),  Krpy  (15),  Liblice  (15),  Wtelno  (15),  Cho- 
ruzicef  (12),  Radujen  (Radaun  12),  Krusina  (Habichtstein?  12), De- 
stna  (Töschen  12),  Kaninaf  (9),  Medonosy  (9),  Chodec  (6),  Ce- 
öelice  (5),  Widim  (3),  Chlum  (3),  Zabory  f  (3),  Repin  f  (3).4) 

d.  Im  Dekanate  Turnau:  Turnov  (Turnau  6),5)  Hrustice 


1)  Der  einst  noch  zum  Kaadner  Dekanate  gehörige  Pfarrort  ^dar  (Saar)  ge- 
hört jetzt  zur  Prager  Diözese. 

2)  Der  ehemalige  Pfarrort  Predmerice  (mit  12  Gr.  Z.),  jetzt  zur  prager  Erz- 
diözese gehörig,  unterstand  gleichfalls  diesem   Dekanate. 

3)  Blieb  wegen  des  Klosters  daselbst  im  Einkommen  zurück. 

4)  Hieher  gehörten   auch   die  jetzt   zur   Prager  Erzdiözese  gehörigeu  Orte 
Hlawno  kostelni  (21),  Wsetaty  (24)  und  Kozly  (12). 

5)  Durch  die  nachmalige  Klosterstiftung  blieb  dieses  Beneficium  im  Einkom- 
men zurück. 


94 

(12),  Dubf  (Böhm.  Aicha  — ),  Pfepere  (12),  Jenisovice  (12), 
Laukovf  (12),  Hodkovice  (Liebenau,  12),  Semily  (12),  Roprechtice 
(6)  Letafovice  f  (6),  Sezemice  (6),  Pfeslavice  (6),  Bzi  (6),  Wlasti- 
bofice  (6),  Drzkov  f  (6),  Boskov  (6),  Chocnejovice  (5),  Wysoke  (4), 
Brod  (3),  Olesna  f  (3),  Nudvojovice  (3>,  Laukova  (2),  Jablonec  f  -(Ga~ 
blontz  0),  Rychnovf  (Reichenau  0). 

e.  Im  Decanate  Münchengrätz  (Hradiste) :  Hradiste  (20) ') 
Bösen  (30),  Wsen  (21),  Sobotka  (18),  Markvartice  (18),  Wse- 
borsko  (18),  Solec  (15),  Mukafovf  (9),  Jablonec  (9),  Nepfivece  (9), 
Samsma  (9),  Mladejov  (8),  Mohelnicef  (6),  Osek  (6),  Libosovice 
(6),  Wlöipole  (6),  Ritonice  (6),  Wyskef  (6)  Bfezinaf  (6),  Hlavice 
(6),  Bausov  (3),  Swetlaf  (0),  Schloss  Kost  (?),  Kfizenec  (?). 

f.  Im  Decanate  Kamenec:  Kamenec  2),  Schloss  Bezdez 
f  (Pösig,  3  Seh.),  Bezno  (30  gr.),  Mseno  (30),  Bela  f  (Weisswasser)  3) 
Kufiwody  (Libera  civitas,  Freistadt,  Hühnerwasser,  24),  Chotetov 
(24),  Wtelna  an  der  Iserf  (22),  Kovaii  (21),  Skalsko  (18),  Brodec 
(18),  Kadlinf  (18),  Gross-Slivno  (15),  Katusice  (12),  Bezdedice 
(Klein-Pösig  12),  Strenice  (12),  Kruh  (12),  Okny  (12),  Öejky  (9), 
Öista  (6),  Winecf  (6),  Klein-Slivno  (5),  Lobeö  (3),  Unter-Krupa 
(3),  Borejov  (3),  Sudomif  (3),  Mecizir  (0),  Doksy  (Hirschberg  — )  4). 

^.  Im  Decanate  Havran:  Havran  5),  Lysaf  (2  Seh), 
Nimburg  (1  Seh.),  Rozdialovice  (48),  Welelib  (36),  Kostomlaty  (30), 
Wykleky  (22),  Jesenikf  (21),   Kfinec  (18),   Wäejany  (18),  Lauöen 


')  Ist  durch  die  folgende  Klosterstiftung  im  Einkommen  zurückgeblieben. 

3)  Die  Stadt  dieses  Namens  dürfte  einst  in  der  Nähe  von  Mseno  (bei  Libo- 
wis)  gestanden  sein,  wo  heute  noch  die  Volkssage  von  einer  dortigen  al- 
ten Stadt  erzählt,  welche  durch  die  Pest  der  Einwohner  beraubt  und 
in  Kriegszeiten  zerstört  worden  sein  soll.  Jedenfalls  war  die  Stadt  Ka- 
menec schon  im  13.  Jahrhunderte  nicht  mehr  vorhanden.  Vielleicht  wurde 
gleich  nach  ihrer  Zerstöruug  die  neue  Cudenstadt  Bela  (Weisswasser)  ent- 
weder angelegt,  oder  wenigstens  das  Gericht  dahin  übertragen.  — 

3)  Bela  erscheint  im  Dezemregister  von  1384  als  Pfarrei  darum  nicht,  weil 
diese  Pfründe  damals  längst  schon  in  ein  Kloster  umgewandelt  war. 

4)  Zu  diesem  Dekanate  gehörten  einst  auch  die  jetzt  zum  prager  Erzbisthume 
zugetheilten  alten  Pfründen :  Altbunzlau  f  (— ),  Alt-Benatek  (30),  Skorkov 
(15),  Zdetinf  (10)  u.  Drazice  (9).  —  Neubenatek  ward  als  Klosterseel- 
sorge nicht  mit  eingezählt. 

5)  Die  Öudenstadt  dieses  Namens  bestand  schon  im  14.  Jahrhunderte  nicht 
mehr.    An  ihrer  Stelle  steht  j  etzt  die  Einschicht  Havransko. 


95 

(15),  Psinice  (15),  Bosin  (12),  Umyslovice  (12),  Mcelyf  (12),  Zi- 
tovlice  (9),  Budimefice  (5),  Hauska  (Hospital  —  jetzt  unbekannt 
-  o).  ') 

5.    Kleine  Theile  von  mehreren  alten  Dekanaten  sind 
der  jetzigen  leitmeritzer  Diözese  einverleibt:    , 

a.  Vom  Decanate  Luditz   (Zlutice)  des  Saazer  Archidia- 
konats  die  Pfarreien :  Widhostice  (30),  Nepomysl  (Pomeisel  15),  und 
Stebno  (Steben   15).  3) 

b.  Vom  Decanate  Zittau  (Zitava)  des  Bunzlauer  Archi- 
diakonats :  Hradek  (Grottau  20),  Chrastava  (Kratzau  7) ,  Romberg 
(Rumburg  6),  Heinrichsdorf  (Weisskirchen  6),  Wetzelswalde  (Wetz- 
walde 6),  Schönlinde  (pulchra  tilia,  4),  Wernoldsdorf  (Warnsdorf, 
3),  Liberec  oder  Reichenberg  (2),  Rochlice  (Röchlitz  2),  Wittich 
(1),  Rokytnik  (Unter-Kratzau  —  )  und  Ullrichsdorf  (Ullersdorf  —  ).4) 

c.  Vom  Decanate  Jicin  (Gitschin)  des  königgrätzer  Ar- 
chidiakonats :  Libun  (21),  Tyn  nad  Rovenskem  (15),  Ober  Aujezd 
(9),  Nieder  Aujezd  (9),  Olesnice  (3).  4) 


')  Ausserdem  gehörten  auch  zu  diesem  Dekanate  die  dermalen  nicht  zur  Di- 
özese Leitmeritz  zugetheilten  alten  Pfarrorte:     Libic    kamena    (54),  Po- 
debrad  (51),  Wrbice  (86),  Ctineves    (36),    Katholisch-Libic    (?)  f  (30),    Dy- 
mokury  (30),  Oskobrhy  (18),  u.  Patek  als  Filiale  von  Podebrad  (9). 

2)  Sämmtliche  Beneficien  dieses  Dekanates:  Manetin  (1  Seh.,)  Zlutice  (45  gr.,) 
Chyse  (30,)  Widhostic  (30,)  Rabenstein  u.  Stvolny  (26,)  Stedrä  (24,)  Audrc 
(18),  Stebno  (15),  Nepomysl  (15),  Nahorecice  (15),  Libyne  (15),  Brazec  (15), 
Skitaly  (15),  Krasov  (12),  Kreöov  (12),  Komarov  (12),  Kozlov  (12),  Puchov 
(12),  Moöidlice  (12),  Novosedly  (12),  Dupov  (12),  Pribenice  (12),  Neötiny 
(12),  Strhare  (12),  Walec  (12),  Straziste  (9),  Brlozec  (9),  Lukawa  (9),  Blatnä 
(9),  Lubenec  (9),  Kobyle  (9),  Tis  (9),  Luky  (9),  Brzin  (9),  Stfedka  (9), 
Ostrov  (8),  Radosovice  (7),  Bukovina  (3),  Lochotin  (3),  Sachsenburg  (2). 

3)  Die  vollständige  Reihe  der  jetzt  meist  in  Sachsen  gelegenen  Beneficien 
dieses  Dekanats  :  Zittau  f  (— ),  Oderwitz  (28),  Grottau  (20,)  Friedersdorf  (18), 
Ostritz  (18),  Seitendorf  (18),  Herwigsdorf  (15),  Hennersdorf,  später  als 
Filiale  zu  Rumburg  (14),  Reichenau  (13),  Ruppersdorf  (12),  Witchendorf 
(12),  Bertsdorf  (12),  Hennersdorf  (10),  Grossschönau  (9,)  Königshain  (9), 
Heinewalde  (7),  Kratzau  (7,)  Weisskirchen  (6),  Seifersdorf  (6),  Rumburg  (6), 
Grünau,  Wetzwalde  (6),  Spitzkunnersdorf  (6),  Schönlinde  (4),  Eubau  (3) , 
Warnsdorf  (3),  Türchau  (3),  Waltersdorf  (2),  Reichenberg,  Röchlitz,  Vogts- 
dorf (2),  Kleinschönau  (1),  Wittich  1),  Hirschfelde  (?),  Unterkratzau  und 
Ullersdorf.  — 

4)  Die  vollständige  Reihe :  Jicin  (44),  Bechary  (36),  Drahoraz  (36),  Nemojöeves 


96 

d.  Vom  Dekanate  Schlan  (Slany)  des  Archidiakonats 
Prag:  Poöedölicef  (24),  Winarice  (24),  Chlumcany  (15),  Kystra  (12) 
und  Orasice  (6).   ]) 

e.  Vom  Dekanate  Rakonic  (Rakovnik)  des  prager  Ar- 
chidiakonats: Jesenice  (Jechnitz,  30),  Zihlef  (Schöles,  18),  Blzany 
(Flöhau,  15),  Bilence  (Wilenz,  als  Filiale  v.  Jesenik,  9),  Öernoc 
(Grossöernitz ,  9),  Strojetice  (9),  Podbofany  f  (Podersanken  6), 
Sobechlebyf  (Oberklee,  6),  Bestno  (Wiessen,  6),  ChmeliStna  (Chme- 
leschen  3).  2) 

f)  Die  jetzt  nach  Leitmeritz  zugewiesenen  Antheile  der  meiss- 


27 ,  Konecchlumi  (21),  Libun  (21),  Kobausy  (18),  Neupaka  (15),  Kostelec 
(15),  Lomnice  (15),  Tyn  (15),  Zliw  (15),  Jilemnice  (15),  Chyjice  (12),  2e- 
leznice  (12),  Bystrice  (12),  Welis  (12),  Nieder  Aujezd  (9),  Ober  Aujezd 
Ulibice  (9),  Nadslav  (8),  Ubislavice  (6),  üdrnice  (6),  Radim  (6),  Chotec 
(6),  Mlazovice  (6),  Luzany  (6),  Ostrozno  (6),  Nieder  Brenna  (6),  Ober  Bre- 
nna  (6),  Libstat  (6),  Roztoky  (4),  Pecka  (4),  Öista  (4),  Smricno  (4),  Zebin  (4), 
Dolany  (3),  Novävcs  (3),  Alt  Paka  (3),  Kalna  (3),  Olesnice  (3),  Ponikle  (0), 
Belohrad  (?Albea,  0),  Olesna  (0),  Stepanice  (0),  By§ice  — ,  Chomuticky 
— ,  Brada  — ,  Kopidlno  — . 

1)  Die  vollständige  Reihe :  Kostelec  (2  Seh.,)  Budin  (1  Seh.,)  Stochov  (39),  Red- 
ho§t  (35),  Srbec(30),  Hradiste  (30,  ehedem  bei  Smeöno),  Druzec  und  2ilina(30), 
Pchery  (30),  Poöedelice  (24),  Winarice  (24),  Smeöno  (24),  Telce  (21),  Dolin 
(21,)  Zvolineves  (21),  Radunice  (21),  Kralovice  (20),  Slavetin  (20),  Zlonice 
(18),  Palecl8,  Öernochov  (18),  Wrani(18),  Drinov  (18),  Peruc  (18),  ^elenice 
(18) ,  Turany  (18),  Kladno  (18),  Horesovice  (18),  Klobuk  (18),  Wrbno  (18), 
Chlumcany  (15),  Kwilice  (15,)  Klein  Paleö  (15),  Busceves  (15),  Tynec  (15), 
Prelic  (15),   Jecovice  (15),  Pozden  (15),  Risuty  (15),  Gross  Lidice  (15),  Mestce 

(15),  Wrapice  (12),  Klein  Lidice  (12),  Neprobilice  (12),  Schlan  (12), 
Straseci  (12),  Kystra (12),  Smolnice  (12),  Mury  (9),  Malikovice  (9),  Ujezdec 
(7),  Knovice  (6),  Lukov  (6),  Orasice  (6),  Trstice  (6),  Kornhaus  — . 

2)  Die  vollständige  Reihe :  Zbeöno  (2  Seh.),  Rakovnik  (1  Seh.  12  gr.),  Kaunov 
(1  Seh.),  Potvorov  (35),  Slabce  (32),  Senomaty  (30)2  2ebnice  (30),  Jesenik  (30), 
Kozlany  (26),  Nesuchyne  (25),  Kralovice  (24),  Oraöov  (24),  Hwozd  (24),  Cista 
(21),  Dekov  (21),  Milicov  (18),  Zihle  (18),  Lisany  (18),  Kolesovice  (18),  Li- 
bynö  (17),  Dolany  (17),  WSehrd  (15),  Ujezd  (15),  Blzany  (15),  Mutejovice 
(15),  Bälec  mit  Bratronice  (15),  Rehly  (15),  Krchleby  (15),  Ostrovce  (12), 
Olesna  (12),  Nezabudice  (12),  Herrndorf  (10),  Luzna  (9),  Bilence  (9),  Öer- 
noc (9,)  Strojetic  (9),  Weclov  (9),  Wäesulov  (9),  Skryje  (8),  Sobächleby  (6), 
Podborany  (6),  Be§tno  (6),  Rausinov  (6),  Skrivan  (6),  Horosedly  (6),  Sanov 


97 


nischen  Dekanate:  Sebnitz,  Löbau,  Budisin,   Seidenberg  und  Frei- 
berg wurden  bereits  §.11  näher  bezeichnet.  *) 


§.  25.  Die  Hofgeistlichkeit. 

1.  Seit  die  Fürsten  unseres  Vaterlandes  zum  Christenthume 
sich  bekehrt  hatten,  unterhielten  sie  an  ihrem  Hofe  mehrere  Prie- 
ster, deren  ursprünglicher  Beruf  es  war,  für  die  geistlichen  Be- 
dürfnisse ihres  Herrn  und  seines  Hofhaltes  Sorge  zu  tragen.  Da 
für  ihr  geistliches  Amt  eine  eigene  Kapelle  in  der  fürstlichen  Burg 
erbaut  wurde,  so  erhielten  sie  von  dieser  den  Namen  Capellani 
des  Herzogs  und  hiessen  endlich  auch  in  übertragenem  Sinne  und 
kollektiv  die  h  e  r  z  o  g  1  i  c  h  e  C  a  p  e  1 1  e.  Wir  haben  schon  zur  Zeit  Bo- 
fiwojs  einen  solchen  Kapellan  in  der  Person  des  Paul  Kaych  ken- 
nen gelernt.  Diese  Hofkapläne  hatten  selbstverständlich  ihren 
Herrn  auch  in  den  Krieg  zu  begleiten.  Einzelne  derselben  trugen 
bei  solcher  Gelegenheit  die  Waffen  des  h.  Landespatrons  Wences- 
laus  dem  Heere  voran,  Panzer,  Helm  und  Speer,  an  welch'  letzte- 
rem späterhin  die  1125  aus  der  Kirche  zu  WYbiöan  (kaurimer 
Kreises)  erhobene  Fahne  des  h.  Adalbert  2)  befestigt  war.  Andere 
ermahnten  zur  Tapferkeit  im  Streite  unter  dem  Schutze  der  hei- 
ligen Landespatrone.  3) 

2.  Diese  herzogliche  Kapelle  vermehrte  sich  bedeutend ,  als 
die  Beziehungen  unseres  Vaterlandes  mit  der  nahen  und  fernen 
christlichen  Nachbarschaft  sich  erweiterten.  Zu  den  nun  notwen- 
digen und  oft  wiederkehrenden  Botschaften,  insbesondere  an  den 
kaiserlichen  und  päpstlichen  Hof,  und  zur  Vernehmung  der  an  den 
Herzog  selbst  entsendeten  fremden  Gesandten  bedurfte  man  vor 
Allein  verlässiger  Männer  von  entsprechender  Geschicklichkeit  und 
ausreichender  Sprachenkenntniss.  Wro  anders  aber  hätte  man  solche 
damals  finden  können,  als  in  den  Reihen  der  Klerisei?  Dazu  kam 


(6),  Mestec  (3),  Chmelistna  (3),  Chlistov  bei  Slabce  — ,  Kraucova  — ,   Pa- 
nosi  Ujezd  —  Knezewes. 

1)  Das  Verzeichniss  der  in  der  jetzigen  Prager,  Königgräzer  u.  Budweiser 
Diözese  gelegenen  alten  Seelsorgspfründen  —  mit  Ausnahme  der  bisher 
schon  einbezogenen  Dekanate  —  folgt  im  Anhang. 

2)  Palacky  I.  395. 

3)  Cosmas  a.  a.  1126.  Tomek  Gesch.  Prags  I.  111. 

7 


98 

sehr  bald  auch  die  in  gleichem  Schritt  mit  der  neuen  christlichen 
Kultur  immer  vollkommener  werdende  innere  Staatsregierung,  welche 
häufig  die  Ausfertigung  landesfürstlicher  Urkunden  und  nicht  sel- 
ten auch  einen  gediegenen  rechtsverständigen  Beirath  nothwendig 
machte.  Auch  in  diesem  Stücke  war  man  in  der  ersten  Zeit  ein- 
zig an  den  Klerus  angewiesen.  Man  zog  deshalb  die  geeigneten 
Persönlichkeiten  in  grösserer  Anzahl  zur  landesfürstlichen  Kapelle, 
wo  sie  nun  grossen  Theils  als  scribae  (Schreiber),  und  notarii 
publici  (Urkundenverfasser)  zu  fungiren  hatten.  An  der  Spitze 
dieser  geistlichen  Beamten  stand  fortan  der  oberste  Kanzler 
(supremas  cancellarius),  dem  zur  Beihilfe  ein  Unterkanzler  (siib- 
cancellarius)  beigegeben  war.  Diese  sowie  auch  die  mit  der 
eigentlichen  Hofseelsorge  betrauten  Hofkapläne  erhielten  für  ihre 
Verdienste  alsbald  einträgliche  kirchliche  Pfründen  und  aus  ihrer 
Mitte  wurde  auch  zumeist  der  Bischof  gewählt.1)  Ein  in  jener 
Zeit  sehr  verbreiteter  Missbrauch  war  es,  dass  solche  Pfründen- 
besitzer häufig  auch  ferner  noch  am  herzoglichen  Hofe  und  im 
fürstlichen  Dienste  blieben,  so  dass  ihr  kirchliches  Amt  dabei  fast 
ganz  vernachlässigt  worden  wäre,  wenn  sie  nicht  wenigstens  zur 
Wahrung  desselben  sogenannte  Vicarii  (Stellvertreter,  Vikare)  be- 
stellt hätten. 

3.  Je  weiterhin,  desto  mehr  entfaltete  sich  in  unserm  Vater- 
lande das  Institut  der  Hofkapläne.  Ebenso  wie  der  Herzog,  hatte 
alsbald  auch  dte  Herzogin  und  der  Bischof  eine  eigene  Hofka- 
pelle, 3)  allmälich  mit  allen  Titeln  und  Abstufungen  des  herzog- 
lichen Hofes.  Hiezu  kamen  in  Kurzem  auch  noch  eine  Menge 
Titular-Hofkapläne,  welche  nicht  bloss  vom  Landesfürsten,-  sondern 
—  erweislich  im  13.  Jahrhunderte  —  auch  vom  Papste  ernannt 
wurden.  Diese  Auszeichnung  traf  häufig  verdiente  Landgeistliche, 
welche  nichtsdestoweniger  ihre  Beneficien  beibehielten,  —  nicht 
selten  aber  mit  landesfürstlicher  und  päpstlicher  „Provision"  (Vor- 
bestimmung) für  die  nächste  in  Erledigung  kommende  höhere 
Pfründe.  3)    Auch  die  blossen  Titel  Notarii,  Domicelli  (Hausgenos- 


!)  Vgl.  Tomek  Gesch.  Prags  I.  110. 
8)  Ebendaselbst  I.  112. 

3)  Der   Papst  gab  solchen  die    sogenannten  provlsorias  (Uteras),  addressirt 
an  irgend  ein  Domkapitel  mit  dem  Auftrage,   bei   einer  der  nächsten  Ka- 


99 

sen)  und  fiäeles  Secretarii  (treue  Geheimschreiber)  wurden  in  sol- 
cher Weise  vom  Landesfürsten  an  einzelne  Priester  ausserhalb  des 
eigentlichen  Hofhalts  verliehen.  ]) 

§.  26.  Die  Klöster  und  Kapitel  aus  dieser  Zeit. 

1.  Wir  übergehen  die  Entstehung  des  Mönchswesens  über- 
haupt; auch  sei  es  blos  im  Vorübergehen  gesagt,  dass  dieses  im 
Abendlande  vom  5.  Jahrhunderte  an  durch  den  heiligen  Benedict 
den  gewaltigen  Aufschwung  erfahren  hatte,  nicht  blos  eine  Uibungs- 
schule  des  Christenthums  nach  Innen,  sondern  auch  eine  Pflanz- 
und  Pflegeschule  desselben  nach  Aussen  zu  werden.  In  beständi- 
ger Trennung  von  der  äusseren  Welt,  in  demüthiger  Unterwerfung 
unter  den  Willen  des  geistlichen  Obern,  und  wie  ohne  eigenen 
Willen,  so  ohne  eigene  Habe,  trieb  der  fromme  Ordensmann  des 
h.  Benedict  in  strenger  Ordnung  und  beständiger  Selbstkasteiung 
sein  Tageswerk,  das  Ora  und  Labora  (bete  und  arbeite).  Den 
sieben  kanonischen  Stunden  des  Gebetes  und  den  frommen  Uibun- 
gen  der  Betrachtung  und  heiligen  Lesung  waren  nützliche  Handar- 
beit, Studium,  künstlerische  Thätigkeit  und  vorzüglich  die  mühe- 
volle Anfertigung  der  noch  jetzt  von  uns  bewunderten  kostbaren 
Abschriften  heiliger  und  klassischer  Werke  in  schöner  Wechsel- 
folge angereiht.  So  lebten  die  frommen  Brüder  in  grösster  Fru- 
galität  (Fleischspeisen  waren  nur  Kranken  und  Schwachen  gestat- 
tet) aller  Welt  zum  erbaulichen  Beispiele.  Darneben  besorgten 
sie  in  eigenen  Schulen  (Klosterschulen)  den  Unterricht  der  Kleinen 
im  Lesen,  Schreiben,  Rechnen  und  Singen,  und  ebenso  die  Weiter- 
bildung der  heranwachsenden  Jugend  in  den  freien  Künsten  und 
Wissenschaften.  Je  zehn  Brüder  standen  unter  einem  Dekan,  die 
ganze  Genossenschaft  verehrte  den  „Abt"  ( Ablas)  als  ihren  geist- 
lichen Vater,  dem  für  die  innere  Leitung  der  „Prior"  und  für  die 
ökonomischen   Geschäfte    der    „Propst"    (Praepositiis)    zur    Seite 


pitelwahlen  auf  die  Inhaber  Bedacht  zu  nehmen.  (Das  reglstrum  literarum 
receptionis  in  canonicos  ecclesiae  Pragensis,  Manusc.  der  Kapitelbibl.  in 
Prag,  enthält  eine  Menge  Beispiele  aus  den  Jahren  1378 — 1389). 
])  Ein  sehr  interessantes  Manuskriptwerk  des  Prof.  Dr.  Const.  Höfler:  „Hi- 
storische Monumente  über  das  Königthura  in  Böhmen"  —  bringt  mehrere 
Beispiele  solcher  Titular-Ernennungen. 

7* 


100 

stand.  Wer  solchem  klösterlichen  Leben  freiwillig  sich  weihen 
wollte,  musste  anfangs  ein  und  in  späterer  Zeit  gar  fünf  Jahre  als 
Novitiiis  (Neuling,  Novize)  zur  Probe  im  Kloster  leben,  damit  es 
sich  herausstelle,  ob  der  Kandidat  dem  Orden  und  der  Orden  dem 
Kandidaten  gefalle.  Darneben  aber  gab  es  auch  zarte  Knaben, 
die  nicht  selten  schon  als  Säuglinge  von  ihren  Eltern  dem  Klo- 
sterleben geweiht  wurden. 1 )  Diese  wurden  im  Kloster  selbst  mit 
aller  Sorgfalt  für  das  Ordensleben  erzogen.  Falls  die  Eltern  für 
sie  das  Gelübde  abgelegt  hatten,  durften  sie  nie  mehr  in  die  Welt 
zurücktreten.  Ihr  Erbtheil  fiel  dem  Kloster  zu;  jedoch  durften  sich 
die  Eltern  auf  ihre  Lebenszeit  dessen  Nutzniessung  vorbehalten. 
Auch  diese  dem  Kloster  geweihten  Zöglinge  (Oblati)  unterzogen 
sich  nachher  dem  Noviziate.  Der  Entschluss  des  Novizen,  im  Or- 
den zu  leben  und  die  förmliche  Aufnahme  in  die  Zahl  der  Brüder 
besiegelte  das  feierliche  Gelübde  oder  die  sogenannte  Profess  (pro- 
fessio)  auf  die  Ordensregel.  Da  diese  Regel  auch  für  weibliche 
Vereine  sich  eignete,  so  konnte  es  nicht  fehlen,  dass  es  in  Kur- 
zem auch Benedictinerinnenin zahlreichen  Klöstern  gab, fromme 
Frauen,  welche  durch  ein  heiliges  Gelübde  sich  verpflichteten,  nach 
der  Regel  des  h.  Benedict  unter  einer  Aebtis sin  (Äbbatissa)  und 
unter  der  geistlichen  Führung  des  Benedictineror- 
dens  zu  leben. 

2.  Nach  dem  Vorbilde  der  Benedictinerklöster  entstanden  seit 
dem  8ten  Jahrhunderte  auch  geschlossene  Vereine  von  Weltgeist- 
lichen, die  nach  einer  strengen  Regel  lebten,  die  D  o  m-  und  C  o  1- 
legiat stifte.  Ihr  erster  Begründer  war  der  fromme  Bischof 
Chrodegang  von  Metz  (742 — 766).  Dieser  übertrug  einfach  die 
Regel  des  h.  Benedict  in  seinen  bischöflichen  Haushalt,  (c.  755.) 
Die  geistlichen  Brüder  lebten  in  einem  gemeinsamen  Hause  (clau- 
strum,  Kloster)  und  der  Reihe  nach  besorgte  einer  von  ihnen  den 
gemeinsamen  Tisch.  Stundengebet  und  Betrachtung,  geistliche  Lesung, 
Studium  und  Unterricht  waren  die  Beschäftigung  des  Tages.  Auch 
die  auswärtigen  Geistlichen  hatten  wenigstens  an  Sonn-  u.  Festta- 
gen nach  beendigtem  öffentlichen  Gottesdienste  im  geistlichen  Hause 
zu  erscheinen,  wo  sie  ihren  Platz  am  gemeinsamen  Tische  fanden 
und    dann    den    frommen   Uibungen    des  Tages   sich   anschlössen. 


')  So  Boleslaws  des  I.  Sohn  Strachkwas  (Christian). 


101 

Weibern  und  Laien  war  der  Zutritt  durchaus  verboten.  Die  geist- 
lichen Brüder,  welche  nach  einer  solchen  Regel  (Canon)  ohne 
besondere  Gelübde  lebten,  Messen  Canonici.  Von  dem  Gebrauche, 
täglich  nach  abgesungener  Prim  in  einem  eigens  dazu  bestimmten 
Saale  nebst  einem  Abschnitte  der  h.  Schrift  auch  noch  ein  Ka- 
pitel aus  der  Hausregel  vorzulesen,  Messen  sie  alsbald  auch  Capi- 
tulares  und  die  ganze  Körperschaft  „das  Kapitel."  An  die  Stelle 
des  Abtes  trat  hier  in  der  Leitung  des  Vereines  der  Bischof  oder 
an  dessen  Statt  der  Archidiaconus  (Primicerius).  Später  besorgte  auch 
hier  die  ökonomischen  Geschäfte  ein  Praepositus  (Propst),  die  innere 
Disciplin  aber  ein  Decanus  (Dechant).  Der  geistliche  Bruder,  wel- 
cher die  Domschule  als  Pflanzstätte  des  künftigen  Klerus  zu  lei- 
ten hatte,  ward  Scholasticus,  der  Leiter  des  Choralgesanges  Cantor 
genannt.  Die  Aufsicht  über  die  Gebäude  (besonders  der  Kirche) 
besorgte  der  Custos,  die  werthvollen  Kirchensachen  bewahrte  der 
Thesaurarius  (Schatzmeister)  oder  Sacrista.  ]) 

3.  Wie  diese  Einrichtung  allmälig  an  allen  bischöflichen 
Domkirchen  eingeführt  wurde  und  dadurch  die  Domkapitel  ent- 
standen: so  fand  sie  auch  alsbald  Anwendung  bei  jenen  Landkir- 
chen, an  welchen  ein  zahlreicher  Seelsorgsklerus  angestellt  war. 
Häufig  aus  eigenem  x\ntriebe,  noch  öfter  aber  auf  Anordnung  des 
Bischofs  und  auf  Grund  frommer  Stiftungen  von  Seiten  der  Fürsten 
und  anderer  Wohlthäter  entstanden  hier  geistliche  Vereine  (Collegia) 
unter  derselben  Piegel  Chrodegangs.  Diess  ist  der  Anfang  der  so- 
genannten Collegiatstifte  oder  Collegiatkapite  1.  Hier 
repräsentirte  der  Propst  den  geistlichen  Vater.  Ein  Dechant 
wurde  häufig  erst  viel  später  eingesetzt,  nachdem  das  vermehrte 
Einkommen  der  Körperschaft  eine  weitere  Vermehrung  der  Mit- 
glieder möglich  machte. 

4.  In  unser  Vaterland  kam  der  Orden  des  h.  Benedict  be- 
reits zu  einer  Zeit,  wo  die  eigenthümlichen  Lehenverhältnisse  der 
germanischen  Staaten  schon  so  manche  Abweichung  von  der  stren- 
gen Regel  herbeigeführt  hatten.  Man  hatte  die  Klöster  aller  Or- 
ten mit  bedeutenden  Ländereien  dotirt,  welche  anfangs  unbebaut, 
durch  Fleiss  und  Geschick  der  Mönche  in  Kurzem  zu  blühenden 


')  Dr.  Ginzel:  Die  kanonische  Lebensweise  der  Geistlichen.  (Regensburg  1851.) 
S.  24—32.    Regula  Chrodegangi  episcopi  ebendaselbst  S.  109 — 140. 


102 

Gauen   mit   zahlreichen   Dorfschaften   u.  Weilern  sich  gestalteten. 
Zahlreiche  Kirchen  erhoben  sich  im  Unikreise   des    Stiftes  '),     die 
nun  der  Seelsorger  bedurften.    Das  drängte  die  Vorsteher,   die  ur- 
sprüngliche  Sitte  zu   verlassen,   nach  welcher  nur  ausnahmsweise 
ein  oder  einige  Brüder  des  Klosters   der  Priesterweihe   theilhaftig 
wurden,   um   grade  nur  die  geistlichen  Bedürfnisse  des  Hauses  zu 
bestreiten.  Jetzt  ward  es  zur  Regel,  die  Mehrzahl  Priester  im  Or- 
den zu  haben.  So  lange  es  anging,  besorgten  diese  in  Exkursionen 
vom  Kloster  aus   die   Seelsorgen   des  Umkreises,  immerhin  schon 
eine  Lockerung  der  alten  Strenge,  die  den  Mönch  ausschliesslich  nur 
innerhalb   seines   Klosters   leben   liess.    Allmälich  aber   wurde    es 
auch  nothwendig,   einige  Priester  behufs  der  Seelsorge  zu  exponi- 
ren.    Doch  geschah  diess  in    erster  Zeit  nur  in   der  Weise,    dass 
diese  zum  wenigsten  ein  Kollegium  von  3  Brüdern  bilden  und  un- 
ter einem   eigenen  Praepositus  (Propst)  ihr  klösterliches  Leben  in 
einem    gemeinsamen    Hause  fortsetzen  mussten.  So   enstanden  die 
klösterlichen  Propsteien.     Anderseits    wurden   nun  die  Kloster- 
äbte durch  den  umfangreichen   Besitz   den  mächtigsten  weltlichen 
Herren  gleichgestellt,   während   sie  diese  noch  in  feiner  Sitte  und 
wissenschaftlicher  Bildung   weit    übertrafen.     Kein    Wunder    also, 
wenn  sofort  die  Landesfürsten  solche  Klostervorsteher  an  ihre  Höfe 
zogen   und  mit  Ehren  und  Auszeichnungen  überhäuften.    Für  die 
Klöster  selbst  ward   diess    eine  weitere   Gelegenheit,   die   strenge 
Disciplin  des  Hauses  noch  mehr  zu  lockern,  während  auf  der  an- 
dern Seite  die  bedeutenden  Einkünfte  dem  Wohlleben   die  Thore 
zu  öffnen  begannen.  — 

5.  In  den  Stiftungen  Chrodegangs  lag  dagegen  schon  von  al- 
lem Anfang  her  ein  Keim  des  späteren  Verfalles.  Hier  war  den 
Kanonikern  der  Besitz  eines  Privateigenthums  gestattet  geblieben. 
Diess  führte  sehr  bald  zur  Auflösung  des  gemeinsamen  Lebens. 
Zumal  als  diese  Stifte  zu  Versorgungsanstalten  der  nachgebornen 
Söhne  des  Adels  wurden,  glaubte  man  den  einzelnen  Kanonikern 
einen  eigenen  Haushalt  und  eigene  sogenannte  Praebenclen  (Pfrün- 
den) aus  dem  Stiftungseigenthume  einräumen  zu  müssen.  Nur  für 
gewisse  fortdauernd  gemeinsame  Bedürfnisse  wurden  einzelne  Stif- 


')    Das  Kloster  St.  Gallen  hatte  beispielsweise  400  Pfarrkirchen  in   seinem 
Landgebiete. 


103 

tungsantheile  als  sogenannte  Obeclientiae  ')  für  die  gesammte  Kör- 
perschaft zurückbehalten.  Seitdem  wurde  es  auch  zur  Regel,  dass 
die  Kanoniker  mit  den  niederen  Weihen  sich  begnügten,  durch  die 
sie  für  den  Genuss  ihrer  Pfründen  befähigt  blieben,  ohne  eben  die 
Möglichkeit  aufzugeben,  glücklichen  Falls  im  Weltleben  sich  noch 
viel  besser  zu  versorgen.  Selbst  an  verheirateten  Kanonikern  sollte 
es  mit  der  Zeit  nicht  fehlen. 

In  unser  Vaterland  wurden  die  Dom- und  Collegiatkapitel  noch 
mit  ihrer  ursprünglichen  Regel  verpflanzt,  die  aber  hier  wie  ander- 
wärts in  kürzester  Zeit  den  angedeuteten  Neuerungen  sich  fügen 
musste. 

§.  27.  Das  Collegiatstift  und  das  Kloster  der  Benedictinerinnen  zu  St.  Georg. 

1.  Schon  im  J.  912  hatte  Herzog  Wratislaw  I.  den  Grund  zu 
der  Kirche  S.  Georg  gelegt,  in  welcher  nachmals  der  Leichnam 
der  h.  Ludmila  eine  ehrenvolle  Ruhestätte  fand.  Gleichzeitig  hatte 
er  dabei  ein  Collegium  von  Geistlichen  gestiftet,  welche  den  hei- 
ligen Dienst  daselbst  versehen  sollten.  Es  waren  diess,  wie  bereits 
erwähnt  wurde3),  1  Erzpriester3),  4  Priester4),  2  Diakonen  und 
2  Subdiakonen.  Dieses  Collegium  führte  von  allem  Anfange  an  ein 
gemeinsames  Leben  nach  der  Regel  Chrodegangs  und  wurde  so 
das  älteste  Collegiatstift  in  Böhmen.  Die  Mitglieder  dieses  Stiftes 
führten  auch  hinfort  den  Namen  Canonici.  Eines  Dekans  und  Prop- 
stes bei  St.  Georg  wird  nicht  erwähnt.  Bei  dem  Umstände,  dass 
nach  der  Errichtung  des  Nonnenklosters  bei  St.  Georg  diesem  Ka- 
pitel nur  die  untergeordnete  Rolle  der    Conventsseelsorge  zufiel, 


')  Obedientia  d.  i.  Gehorsam.  So  hiessen  gewisse  Güter  desshalb,  weil  der 
Mitgenuss  derselben  vom  kanonischen  Gehorsam  (von  der  treuen  Erfüllung 
der  Pflichten  des  Kanonikers)  abhing.  Wer  nicht  beim  Kapitel  wohnte, 
oder  wer  den  kanonischen  Hören  sich  entzog,  wurde  von  der  Theilnahme 
ausgeschlossen. 

2)  §.  5.  S.  14  und  15. 

3)  Ein  von  Hammerschmidt  MsL  monast.  St.  Georgii  zitirtes  altes  Manusc. 
nennt  als  die  ersten  Erzpriester,  die  wahrscheinlich  die  Stellvertreter  des 
Regensburger  Bischofs  für  ganz  Böhmen  waren,  Wlita  u.  Mylata. 

4)  Als  erste  Priester  bei  St.  Georg  werden  ebendaselbst  genannt  Byelka, 
Öas  und  Hmylen. 


104 

scheint  auch  meist  nur  ein  oder  der  andere  Canonicus  mit  den  Di- 
akonen und  Subdiakonen  daselbst  gewohnt  zu  haben.  Die  übrigen 
finden  wir  zugleich  als  Mitglieder  anderer  Kapitel  und  selbst  auch  als 
Landseelsorger  untergebracht. ')  Als  Präbenden  des  Kapitels  werden 
genannt :  Holus  (Holowaus)  mit  Wein-  und  Ackerzehenten  in  Gross- 
Owenec  und  Zinsungen  in  Otwojec;  Knezewes  mit  Zehenten  in  Si- 
fejovice  und  von  3  Häusern  in  Leitmeritz;  Statiwnice;  Pfilep  mit 
dem  halben  Zehenten  in  Chorausek  und  Gross-Owenec;  Bohenice 
mit  Ackerzehenten  in  Lichucewes.  Ueberdiess  gab  es  noch  zwei 
Diakonatspfründen,  bestehend  aus  Zinsungen  zu  Postfizin,  Jungfer- 
Bfezan  und  Bofanowice  und  einem  Grundstücke  in  Ochwojec,  und 
zwei  Sub diakonatspfründen  mit  Gründen  und  Zehenten  in  Daudlebec 
und  Hlupohlaw,  später  dafür  in  Brezan,  Boranowice,  Opatowic  und 
Wrutic.  2) 

2.  Neben  dem  Collegiatstifte  erhob  sich  um  970  das  erste 
Kloster  des  Benediktinerordens  in  unserm  Vaterlande.  Mlada,  die 
fromme  Schwester  Boleslaws  IL  hatte  in  Rom  nebst  der  Errichtung 
eines  eigenen  Bisthums  für  Böhmen  auch  noch  die  Erlaubniss  er- 
wirkt, als  erste  böhmische  Ordensschwester  einige  fromme  Genos- 
sinnen um  sich  zu  versammeln  und  ein  Ordenshaus  für  selbe  er- 
bauen zu  dürfen.  So  wurde  sie  die  erste  Aebtissin  von  St.  Georg. 
Grossartig  war  die  Dotation,  welche  zum  Theile  schon  die  edle 
Stifterin,  mehr  aber  noch  der  religionseifrige  Bruder  und  seine 
Nachfolger  dem  ersten  und  ältesten  Kloster  Böhmens  zuwendeten. 
Es  gehörten  alsbald  129  verschiedene  Dorfschaften,  die  einen  ganz, 
die  andern  theilweise  dazu.  Ein  so  umfangreicher  Besitz  bot  eben 
so  sehr  die  Mittel  als  die  Gelegenheit,  einen  guten  Theil  zur  völ- 
ligen Christianisirung  und  zur  geistigen  Hebung  des  Vaterlandes 
beizutragen.  Das  Kloster  S.  Georg  hat  diess  redlich  gethan  und 
dadurch  eben  so  segensreich  nach  Aussen  als  nach  Innen  gewirkt. 

3.  Eine  Urkunde  von  1228  3)  nennt  uns  alle  Besitzungen  des 
Klosters  in  der  Ordnung  der  Äupen,  in  denen  sie  gelegen  waren. 
Die  meisten  derselben  befanden  sich  im  Umkreise  von  Prag.  An- 


')  Vgl.  Hammersch.  p.  7—10. 

2)  Vgl.  Hammersch.  ebencl.  u.  Regisl  clecim.  v.  1384.  vgl.  Erben   regest.  336 
u.  337.  Tomek  Gesch.  Prags  I.  510. 

3)  Erben  regesta  336. 


105 

dere  lagen  in  den  Äupen  von  Leitmeritz,  Melnik,  Hawran,  Netolic 
(Bechyn),  Prachin,  Pilsen  und  Bozen.  Uns  interessiren  zumeist  die 
Ortschaften  innerhalb  der  jetzigen  Diöcese  von  Leitmeritz,  welche 
ohne  Zweifel  ihre  erste  kirchliche  Entwicklung  dem  Kloster  zu  St. 
Georg  zu  verdanken  haben. 

a.  Vor  Allen  wendet  sich  da  unser  Auge' nach  dem  Umkreise 
von  Trebnitz  in  der  leitmeritzer  Zupe.  Hier  blühte  Trebnitz 
selbst  unter  der  Fürsorge  der  frommen  Ordensoberinnen  frühzei- 
tig zur  Stadt  und  zum  Dekanatssitze  heran.  Nicht  zu  ferne  davon 
empfingen  Sirejovice  (Schirschowitz  bei  Tschischkowitz)  und 
W  e  1  e  m  i  n  schon  in  früher  Zeit  —  durch  Vermittlung  der  klöster- 
lichen Grundobrigkeit  eigene  Seelsorgen.  Im  J.  1384  gehörten 
diese  drei  Pfründen  entschieden  zu  den  besten  und  darum  wohl 
auch  ältesten  des  Decanats.  ')  Ausser  diesen  alten  Pfarrorten  ge- 
hörten vom  Anfange  an  noch  mehrere  Orte  der  Umgegend  zu  dem- 
selben klösterlichen  Güterkomplexe.  Es  waren  Chodovlice  und 
Hlupohlav,  das  heutige  Chodolitz  und  Oppolau,  beide  auf  dem 
Dominium  Tschischkowitz,  Boztesice,  das  heutige  Postitz  auf 
dem  Dominium  Priessnitz  und  Schöbritz,  Polep  auf  dem  jetzigen 
Dominium  Enzowan, 2)  Po  die  sin,  jetzt  Padloschin  bei  Türmitz, 
Chwalowic,  ehemals  in  der  Nähe  von  Sutom  gelegen,  Borec, 
das  jetzige  Boretz  auf  dem  Dominium  Lobositz,  und  Wransko, 
wahrscheinlich  das  heutige  Prohn  auf  der  Herrschaft  Bilin.  Uiber- 
diess  gehörten  in  dieser  Gegend  dem  Kloster  ursprünglich  auch 
noch  der  neunte  Theil  des  Markteinkommens  und  des  Eibzolles  in 
Aussig  und  in  Leitmeritz.  3)  In  späterer  Zeit  erwarb  das 
Kloster  zu  diesen  Besitzungen  auch  noch  das  Dorf  Ujezdec, 4) 
jetzt  Grossaujezd  bei  Pischkowitz,  und  zwar  vom  deutschen  Or- 
den, in  dessen  Eigenthum  es  zugleich  mit  Pischkowitz  und  einigen 
andern  Ortschaften  im  Jahre  1219  gelangt  war.  5)  Unter  den  spä- 
tem Gütern  von   St.  Georg,    vielleicht  erst  von  diesem  gegründet, 

«)  Vgl.  §.  23.  l.  c 

a)  Diess  wurde  schon  vor  1262  vertauscht  für  eine  entsprechende  Besitzung 
in  der  prachiner  Zupe.    Vgl.  Tomek  Gesch.  Prags  I.  508. 

3)  Urkunde  Erben  regesta  336  und  337. 

4)  Dasselbe  ward  dem  Kloster  1437  durch  Verpfändung  an  Hynek  von  Wald- 
stein entzogen.    Palacky  Archiv  cesfoj  I.  505. 

5j  Erben  regesta  376. 


106 

erscheint  auch  das  Dorf  K  o  1  o  1  e  ö  auf  dem  heutigen  Gute  Tschisch- 
kowitz.  *)  —  Nebst  diesen  eigenen  Besitzungen  des  Klosters  lagen 
in  derselben  Gegend  auch  noch  einige  der  erwähnten  Präbenden 
des  Kollegiatkapitels,  welches  dem  Kloster  St.  Georg  zur  Seelen- 
leitung beigeordnet  war. 

h.  In  der  ehemaligen  Zupe  und  dem  alten  Decanate  von 
Melnik  besass  das  Kloster  St.  Georg  wahrscheinlich  von  allem  An- 
fange her  die  Pfarrorte  Nebuzely  und  Chorusice,  von  denen 
der  erstere  nach  Massgabe  des  im  Jahre  1384  sichergestellten 
Pfründenvermögens  nächst  Melnik  und  wohl  zugleich  mit  Chcebuz 
(Zebus)  die  älteste  Kirche  des  ganzen  Decanats  besass,  letzterer 
aber  (Chorusice)  nach  der  Zeit  ein  beliebter  Sommeraufenthalt  der 
Aebtissin  und  einiger  geistlichen  Schwestern  wurde,  die  nach  der 
Sitte  jener  Zeit  in  dem  klosterähnlich  angelegten  Herrschaftsge- 
bäude unter  Beobachtung  der  h.  Regel  zeitweilig  wohnen  durften. 
Der  eben  genannte  auch  noch  anderwärts  zu  erwähnende  Umstand 
hat  Veranlassung  gegeben,  dass  hin  und  wieder  das  ehemalige 
Bestehen  eines  Frauenklosters  in  Chorusic  angenommen  worden 
ist,  von  welchem  aber  eine  sichere  historische  Spur  gar  nicht 
gefunden  werden  kann. 3)  Ausserdem  gehörten  derselben  geistli- 
chen Obrigkeit  die  in  derselben  Gegend  gelegenen  Ortschaften 
Gross-Aujezd,  Wrutice  und  Chorausky  auf  der  jetzigen 
Herrschaft  Melnik,  ferner  Ninechow  auf  der  D omaine  Liblic  und 
der  neunte  Theil  des  Markteinkommens  in  Melnik.  3)  Nebstbei 
lagen  in  diesem  Komplexe  auch  die  bereits  erwähnten  Antheile  der 
Kapitelpräbenden  (Chorousek,  Wrutice). 


1)  Dieser  Ort'  wurde  erst  1436  samt  Trebnic,  Chodovlic,  Hlupohlav,  Welemin 
und  Sirejovic  durch  Verpfändung  (für  1000  Seh.)  an  Johann  Kaplir  von 
Sulewic,  dessen  Erbsitz  Sulewic  u.  Kostal  in  der  nächsten  Nähe  lag,  ent- 
fremdet.   Hammerschmidt  hist.  monasterii    St.  Georg ii  p.  86  und  87. 

2)  Die  urkundlichen  Libri  confirmationum  berichten  dagegen  eine  Pfarrprä- 
sentation für  Chorusic  durch  die  Aebtissin  Anna  von  St.  Georg  im  J. 
1419.  Für  Nebuzely  erscheinen  solche  Präsentationen  1399  und  1409; 
in  letzterem  Jahre  ward  der  nachmals  so  berühmte  prager  Canonicus  An- 
dreas Broda  als  Pfarrer  in  Nebuzely  durch  die  Aebtissin  Anna  präsen- 
tirt.  Libr.  confirm.  —  Der  Kirche  in  Chorusic  schenkte  1405.  1.  Juli 
Johann  Schebek  von  Gross-Sliwno  einen  Jahreszins  von  45  böhm.  Groschen. 
Lib.  ErecL  XIII.  M.  1. 

3)  Urkunde  Erben  regesta  p.  336  und  337. 


107 

c.  In  der  Zupe  und  im  alten  Decanate  von  Hawran  besass 
das  Kloster  die  Dörfer  Winafec  und  Kobylnik  auf  dem  heu- 
tigen Dominium  Dobrawitz,  ferner  das  jetzt  unbekannte  Dorf  Kne- 
nic  (und  in  dem  derzeit  zur  prager  Diöcese  gewiesenen  Antheile 
das  alte  reiche  Pfarrdorf  Libic  nebst  den  Orten  Osek,  Oldris,  Od- 
fepes  und  Sädowi).  l) 

Noch  gehörte  in  frühester  Zeit  zu  dem  genannten  Kloster  der 
Zehent  vom  ganzen  Dorfe  Celejovice  auf  dem  Dominium  Kost 
und  Rakow  im  bunzlauer  Kreise,  und  von  4  Höfen  im  alten  Pfarr- 
orte Blzany,  dem  heutigen  Flöhau  im  saazer  Kreise;2)  ausser- 
dem der  neunte  Theil  vom  Markteinkommen  in  der  Stadt  Saaz.  3) 
Auch  erscheint  es  weiterhin  als  Grund-  und  Patronatsherrschaft 
des  in  demselben  Kreise  gelegenen  Pfarrdorfes  Hofetice,  des 
heutigen  Horatitz. 4) 

Aus  all'  dem  Erwähnten  ist  ersichtlich,  dass  die  Stiftung  und 
der  Bestand  des  ersten  Nonnenklosters  in  Böhmen  auch  für  das 
Gebiet  unserer  jetzigen  Diöcese  Leitmeritz  eine  hohe  Bedeu- 
tung hat. 

4.  Die  anderweitigen  Güter  des  St.  Georgklosters  waren:  im 
Piakonitzer  Kreise  Tynec,  Statenic,  Suchydol,  Kamyk,  Lichucewes, 
Nutomic,  Hradek,  Husinec,  Rez,  Okof,  Knezewes,  Zelunic,  Knowic, 
Holowaus,  Wrbno,  Tauzetin,  Otwojic,  zwei  Owenec,  Bojmitz,  Motol, 
Ko§if,  Lubesow,  Chrasfan,  Hofelic,  Rehel,  Stradonic,  Bratronic; 
im  Kaufimer  Kreise  Brnek,  Neratowic,  Jungfer  -  Brezan,  Örnkow, 
Dusnik,  Swemyslic,  Bofanowic,  Strizkow,  Sestlic,  Bechowic,  Kfi- 
wäwes,  Repöic,  Radejowic,  Olsnic,  Uhrinowes,  Psaf,  Zabehlic, 
Karlin,  Opolel,  Knenic;  in  dem  Berauner  Kreise  Borek,  Krnian^ 
Solopisk,  Daublebetz,  Dusnik,  zwei  Mokropes,  Let,  Otmik,  Boh, 
Bnecic,  Läz;  in  dem  Pilsner  Kreise  Lukow,  Newid,  Bujesil,  Liblin ; 
in  der  Zupe  von  Netolic  Baworowic,  Karlowic,  Malesic,  Ctimi- 
rowo-Wesce,  Radcic,  Pohorowic,  Strunkowic;  in  der  Zupe  von 
Prachin  Welenow,  iKrsic,  Rewnetic,  Zamlynan,  Wlckowic,  Muka- 
row,  Bratronic,    Pazejow,  Sewitinsko,  Cejkowic;    in   der  Zupe   von 


>)  Urkunde  Erben  336  und  337. 
8j  Ebendaselbst. 

3)  Hammersclimidt  1.  c.  p.  68  ex  bulla  Gregorii  IX.  dd.  1233. 

4)  Libri  Confirm.  ad  a.  1386  und  1410  berichten  Präsentationsakte. 


108 

Pilsen  (pilsner  und  klattauer  Kr.):  Tauss,  Jiwan,  Ptenin,  Otesic, 
Benowic,  Horek,  Nowäkowic,  Zizenkowic,  Tynec ,  Daudlebec, 
Obytec,  Bnisic ;  in  der  Zupe  von  Bozen  (Prach.  u.  Ber.  Kr.)  Hra- 
dist,  Za  horou,  Pole,  Podruhli,  Husinec,  Drahynic,  Luskowic,  Ste- 
zow,  ReteÖ.  Ueberdiess  gehörten  dem  Kloster  eine  Menge  Ze- 
hentorte. ') 


§.    28.  Das  Benedictinerkloster  Brewnow  oder  St.  Margareth. 

1.  Das  erste  Männerkloster  nach  der  Regel  des  h.  Benedict 
war  in  Böhmen  das  Kloster  St.  Margareth  in  Brewnow  nächst 
Prag.  Die  Stiftung  desselben  war  das  Lieblingswerk  des  h.  Adal- 
bert  nach  seiner  ersten  Rückkehr  von  Rom  im  Jahre  993.  Er 
hatte,  wie  bereits  erzählt  wurde,  in  Rom  selbst  das  Ordenskleid 
genommen.  Um  die  fromme  Gemeinschaft,  die  er  damals  lieben 
gelernt,  daheim  nicht  darben  zu  müssen,  mehr  aber  noch, 
um  dem  Vaterlande  eine  Pflanzschule  frommer  Zucht  und  heiliger 
Wissenschaft  zu  eröffnen,  brachte  er  zwölf  Ordenssöhne  aus  dem 
Kloster  des  h.  Alexius  und  Bonifacius  zu  Rom  mit  sich  nach  Böh- 
men zurück.  Gross  waren  ohne  Zweifel  die  eigenen  Opfer,  die  er 
nun  für  die  Gründung  des  neuen  Ordenshauses  brachte;  eben  so 
gross  war  aber  auch  die  Freigebigkeit,  womit  sich  der  edle  Fürst 
Boleslaw  IL  bei  der  Dotirung  der  neuen  Stiftung  betheiligte.  So 
konnte  schon  am  14.  Januar  993  die  feierliche  Einweihung  des 
neuen  Klosters  und  seines  Gotteshauses  erfolgen.  3)  Späterhin  tra- 
ten die  Nachfolger  der  beiden  Gründer  in  die  Fussstapfen  der 
frommen  Vorfahren  und  auch  der  erwachende  Wohlthätigkeitssinn 
der  Gläubigen  legte  im  Laufe  der  Zeiten  reiche  Spenden  auf  den 
Altar  des  allbeliebten  Klosters  nieder.  Sie  thaten  es  Alle  in  der 
frommen  Meinung,  eben  hiedurch  ein  Scherflein  den  eigenen  ge- 
ringen Verdiensten  für  die  Ewigkeit  zuzulegen  und  dadurch  „das 
Heil  ihrer  Seele"  zu  fördern. 3)  So  erblühte  Bf ewnow  als  erstes  zu- 
gleich auch  zum  reichsten   Ordenshause  unseres  Vaterlandes,   und 


')  Vgl.  Tomek  G.  P.  I.  93. 
3)  Ebendaselbst  93. 

3j  Diese  Intention  ist  in  allen  Stiftungs-  und   Sehenkungsb riefen    jener   Zeit 
ausdrücklich  angegeben. 


109 

allmälig  entstanden  von  da  aus  mehrere  Propsteien,  wie  zu 
Bayhrad  (Raigern)  in  Mähren,  Braun  au,  Polic  (bei  Braunau), 
Nezamysl  und  Koste lec  in  Böhmen  und  zu  Wahl&tadt  in 
Schlesien,  von  denen  die  ersteren  weiterhin  zu  förmlichen  Klöstern  sich 
emporschwangen.  ')  Die  frommen  Ordenssöhne  suchten  ihrerseits 
nicht  allein  durch  Gebet  und  frommes  Beispiel,  sondern  auch  durch 
klösterliche  Kunst  und  Wissenschaft  und  vor  Allem  durch  gewis- 
senhafte Förderung  des  kirchlichen  Lebens  in  Böhmen  überhaupt 
und  insbesondere  in  ihrem  eigenen  Landgebiete  den  besten  Dank 
an  unser  Vaterland  abzutragen. 

2.  Für  unser  jetziges  Diöcesangebiet  hat  Bfewnow  eine  grosse 
Bedeutung  gewonnen,  nicht  nur  als  Mutterkloster  für  andere  klö- 
sterliche Institute,  die  unserer  Gegend  unmittelbar  angehörten,  son- 
dern auch  durch  einige  Besitzungen,  welche  dasselbe  hier  erwor- 
ben, und  durch  die  besondere  geistliche  Türsorge,  welche  es  die- 
sen gewiss  durch  alle  Zeiten  zugewendet  hat. 

a.  In  der  alten  Zupe  von  Melnik  erhielt  das  Kloster  schon 
zur  Zeit  seiner  Stiftung  einen  werthvollen  Besitz,  und  zwar  vor 
Allem  das  schon  damals  (993)  bestandene  Pfarrdorf  Chcebuz, 
das  heutige  Zebus  „mit  einer  Kirche,  zwei  Höfen  nebst  hinrei- 
chendem Lande  und  dem  Berge  Ostrow".  2)  Wahrscheinlich  war 
die  erwähnte  Kirche  eine  von  jenen  zwanzig,  welche  der  fromme 
Herzog  Boleslaw  vorher  erbaut  hatte,  ohne  Zweifel  die  Mutterkirche 
vieler  andern  im  Umkreise.  Am  27.  September  1341  ward  die- 
selbe vom  damaligen  prager  Bischöfe  Johann  IV.  dem  Kloster 
derart  incorporirt,  dass  hinfort  das  Pfründeneinkommen  „zum  An- 
kaufe von  Fischen  der  Gastfreundschaft  willen"  dem  Kloster  selbst 
anheimfallen  sollte,  welches  aber  dagegen  verpflichtet  wurde,  fortan 
einen  Vicarius  (Stellvertreter  des  Pfarrers)  in  Chcebuz  zu  erhal- 
ten. 3)  Im  Jahre  1384  konnte  diese  Kirche  zu  dem  bedeutenden 
Zehentbetrage  von  25  böhmischen  Groschen  für  ein  halbes  Jahr 
sich  bekennen.  4) 

b.  In  der  Zupe  von  Leitmeritz  erhielt  Bfewnow  ebenfalls  schon 

')  Ziegelbauer  hist.  mon.  Brevn.  176. 
a)  Urkunde  Erben  regesta  p.  33  und  34. 

3)  Ziegelbauer  hist.  mon.  Brevnov  p.  268.,  Tomek  G.  Pr,  I.  477. 

4)  Registrum  decimarum  1384. 


110 

bei  Gelegenheit  seiner  Stiftung  das  Dorf  H  r  d  1  y ,  mit  den  dorti- 
gen „Ansiedlern,  Waldungen,  Sümpfen  und  dem  ganzen  Egerflusse 
bis  zu  dessen  Mündung  in  die  Elbe".1)  Dieses  Hrdly  ist  heute  noch 
mit  seinem  schönen  Schlossgebäude  der  Amtsort  des  bfewnower 
Gutes  Hrdly,  in  dessen  Umkreis  dermalen  die  theils  von  Hrdly 
aus  erst  gegründeten,  theils  allmälich  erworbenen  Ortschaften 
Poöaply  mit  einer  wohl  bis  ins  13.  Jahrhundert  zurückreichen- 
den Pfarrei,  dann  Trawcice  (Drabschitz),  Zadusniky  und  An- 
theile  von  den  ebenfalls  sehr  alten  Pfarrorten  BauSovice  (Bau- 
schowitz)  und  Dolanek  einbezogen  sind.2)  Von  allem  Anfang  an 
gehörte  auch  das  Dorf  und  der  Hof  Wlence  „mit  allein  Zuge- 
hör",  das  heutige  Altlenzel  auf  dem  Dominium  Ploschkowitz,  zum 
Kloster  Bfewnow.  Nebstdem  hatte  auch  die  ganze  Zupe  Leitme- 
ritz  zugleich  mit  den  Zupen  von  Tetschen  (später  Leipa)  und 
Bilin  die  sogenannten  Rauchpfennige  an  jenes  Kloster  zu 
entrichten, 3)  Diese  Zuweisung  an  das  Kloster  Bfewnow  geschah 
unzweifelhaft  durch  den  Bischof  Adalbert,  welcher  das  Bisthum 
auf  andere  Weise  zu  entschädigen  wusste.  Noch  in  den  Jahren 
1301  und  1341  bestätigten  die  Bischöfe  Gregor  und  Johann  dem 
Kloster  Bfewnow  den  Bezug  dieser  Rauchpfennige.4)  Ausserdem 
hatte  dieses  Stift  schon  ursprünglich  im  jetzigen  leitmeritzer 
Diöcesangebiete  den  zehnten  Theil  vom  Markt-  und  Zupengerichts- 
einkommen  in  Leitineritz,  und  wie  von  allen  damaligen  Gränz- 
zöllen  in  Böhmen,  so  auch  von  dem  zu  C  h  1  u  m  e  c ,  dem  heutigen 
Kulm,  den  siebenten  Theil  und  ebensoviel  auch  von  den  Eib- 
zöllen in  Leitmeritz  und  A u s s i g  zugewiesen  erhalten.  5)  Uiber- 
dies  mag  auch  die  bedeutende  Schenkung  des  Grafen  Eppo  von 
Bilin  (1043)  als  eine  uns  näher  interessirende  angesehen  werden, 
obgleich  ihr  Gegenstand  der  Bezirk  von  Sebranic  bei  Zwittau  in 
Mähren  gewesen  ist.6) 

Anderweitige    Besitzungen  im    Jahre   993   werden   noch   ge- 


')  Urk.  Erben  regesta  33  u.  34. 

2)  Heutzutage  gehört  hier  nur  das  linke  Egerufer  zur  Leitmeritzer    Diöcese 
und  sonach  von  den  erwähnten  Ortschaften  nur  Bausowice. 

3)  Urkunde  wie  oben. 

4)  Tomek  Gesch.  Pr.  I.  477. 

5)  Urkunde  wie  oben  (Erben  33  und  34). 

6)  Herz.  Bestätigungsurkunde  Erben  reg.  43. 


111 

nannt:  Bfewnow  mit  Umgegend,  Welezlawin  und  Luboö  mit 
Waldung,  Ruzyri,  ein  Theil  von  Kuromirtwice,  2  Mühlen  an  der 
Moldau  bei  Prag,  Wrane  und  Skochowic,  der  Zehent  von  Eadotyn, 
in  Rybnik  und  Pofic  (letztere  jetzt  Theile  von  Prag),  ein 
Theil  von  Liböic,  Oyppernic,  Nemcice  (pilsner  Kr.),  Tfebestowic, 
Mraöenic  (kauf.  Kr.),  Abgaben  von  der  prager  Burg,  von  der  pils- 
ner 2upe,  von  den  Landeszöllen  in  Domazlic  und  Kralup,  von  dem 
Marktgelde  in  Schlan,  Pilsen,  Kaufim  und  Chrudim.  Alsbald  ver- 
mehrten sich  diese  Besitzungen  durch  neue  Erwerbungen,  nament- 
lich in  den  Gegenden  von  Horazdowitz,  Bakonitz  und  Prachin.  ]) 


§.  29.  Das  Kloster  Ostrow.  Das  Kloster  Sazawa  und  der  heilige  Pro- 
kop,  Die  Anfänge  des  Klosters  Miinchengrätz. 

1.  Als  zweite  Stiftung  für  die  geistlichen  Söhne  des  h.  Be- 
nedict ist  das  Kloster  Ostrow  (lusula,  Insel,  weil  auf  einer  Insel 
der  Moldau  am  Einflüsse  der  Sazawa  gelegen)  anzusehen.  Es  ver- 
dankte seinen  Ursprung  dem  religiösen  Eifer  und  der  Freigebig- 
keit Boleslaw's  des  Frommen  um  das  Jahr  999, 2)  und  war  nicht 
sowohl  eine  Tochteranstalt  Bfewnow's,  als  vielmehr  des  bairischen 
Klosters  Altaich  (Altaha),  aus  welchem  der  erste  Abt  Lambert  vom 
Stifter  selbst  berufen  wurde.  3)  Für  das  Gebiet  der  jetzigen 
Diöcese  Leitmeritz  hat  dieses  Kloster  lediglich  durch  seinen  all- 
gemeinen Einfluss  auf  die  Hebung  des  christlichen  Lebens  im 
Lande  eine  Bedeutung :   die  Besitzungen  haben  —  mit  Ausnahme 


!)  Ebendaselbst.  Vgl.  Tomek  I.  93  u  ff.  Es  werden  genannt:  30  Untertha- 
nen  in  Prag,  BHstwi  und  Wikan  (kaur.  Kr.),  Budehostic  und  Theile  von 
Nutomic,  2ehrovic  und  Zliöin  (rak.  Kr.)  Smilovic,  Kwasejovic  und  Theile 
von  Zduchowic,  Podmokl  und  Krepenic  (ber.  Kr.),  ein  Theil  von  Rakovic 
(prach.  Kr.),  zwei  Hydcic,  Hajna,  Nezamyslic,  Krajnic,  Skodra,  Dwokotlok, 
Ziwohybic,  Zichowic  Psar,  Krawolusic,  Wolisowic,  Stankowic,  Theile  von 
Aujezdec,  Domoraz,  Kalenic  (prach.  Kr.),  Chylic  (elbog.  Kr.)  und  der  Zoll 
in  Breznic. 

2)  Hajek  versetzt  die  Stiftung  ins  Jahr  978.  Doch  hat  Bonaventura  Pitter  in 
seinem  St.  Guniherus  p.  148  etc.  die  obige  abweichende  Behauptung 
nachgewiesen. 

3)  Die  zweifelhafte  Stiftungsurkunde  (?)  bei  Erben  regesta  p.  38. 


112 

der  vorübergehenden  Erwerbung  eines  Grundstückes  von  3  Pflug- 
maass  Ackers  in  Libochowic,  das  um  1205  von  der  edlen  Ma- 
trone Dobrowest  dem  Kloster  geschenkt  wurde,  unsere  Gegenden 
nicht  berührt. *)  Dasselbe  gilt  auch  von  den  Propste  ien,  die  im 
Laufe  der  Zeiten  von  Ostrow  aus  gegründet  wurden.  Die  berühm- 
teste derselben  war  St.  Iwan  an  der  Höhle  des  h.  Iwan,  die  durch 
eine  Schenkung  des  Herzogs  Bfetislaw  I.  um  1040  entstanden  war,  3) 
und  nach  der  husitischen  Bewegung,  in  der  sie  den  Mönchen 
von  Ostrow  eine  sichere  Zuflucht  geboten  hatte,  durch  Hilfe  eines 
Herrn  von  Hasenburg  zu  einem  förmlichen  Kloster  erhoben  wurde.  3) 
Ausserdem  wird  schon  in  den  ältesten  Zeiten  auch  Z  aton  bei  Kru- 
mau  als  Propstei  von  Ostrow  angeführt,  zu  deren  Gründung  eben- 
falls eine  Schenkung  Bretislaws  I.  Veranlassung  geboten  hatte.  4) 
Ebenso  besass  das  Kloster  eine  Propstei  zu  Schi  an,  wo  im  J. 
1410  neben  dem  Propste,  der  zugleich  Pfarrer  war,  noch  acht  Or- 
denspriester lebten. 5) 

2.  Eine  grössere  Bedeutung  für  uns,  wenn  auch  nicht  durch 
einen  Landbesitz  innerhalb  unseres  Gebietes,  so  doch  durch  die 
zeitweilige  Eigenthümlichkeit  einer  neuen  Liturgie  hat  das  Kloster 
Sazawa.  Als  ersten  Gründer  desselben,  damals  aber  noch  im  be- 
scheidensten Umfange,  verehren  wir  den  h.  Prokop. 

Dieser  —  aus  Chotaun  bei  Kaufim  gebürtig  —  hatte  einst 
zu  jenen  Priestern  unseres  Vaterlandes  gehört,  denen  es  nur  schwer 
gelingen  wollte,    allen  Uiberresten  heidnischer   Sitte  zu   entsagen. 


])  Vgl.  die  Bestätigungsurkunde  dd.  1205  bei  Erben  reg.  222.  Jenes  Grund- 
stück in  Libochowic  besass  Ostrow  wenigstens  um  1400  nicht  mehr.  An- 
derweitige Besitzungen:  Theile  von  Trebenic,  Otrocynewes,  Weliz,  Kolo- 
wrat,  Wrysowic,  Crynuc,  Turscy,  Chomutowic,  Tuklek  (Hawran),  Bratre- 
now,  Sedlec,  Borenowic,  Maskowic,  Networic,  Hrusic,  Uscic  (?),  Putim, 
Pokatic,  die  ganzen  Dörfer  Mezun,  Horutic,  Postupic,  Pristupim  und  die  Kir- 
chenpatronate  von  Krusina,  St.  Jakob  in  Domazlic,  die  Fähre  an  der  Sazawa 
und  einige  Antheile  an  den  2upeneinkünften.     (Vgl.  Erben  222.) 

s)  Urkunde  bei  Erben  reg.  50. 

3)  Dobner  annal.  V.  116.  Die  Behauptung  des  Crugerius,  Pesma  und  Ziegel- 
bauer, dass  St.  Iwan  von  1020  an  als  Kloster  bestanden  habe,  ist  unhi- 
storisch. Cruger  ad  16.  Jan.  Pesina  Phosphoriis  septicornis  p.  126.  Ziegel- 
bauer hist.  mon.  JBrevnov  p.  199. 

4)  Urkunde  bei  Erben  reg.  p.  60. 

5)  Lib.  Erect  IX.  G.  4. 


113 

Er  war  beweibt  gewesen.  Aber  er  hatte  endlich  den  weltlichen 
Banden  sich  entrissen:  von  den  Seinen  hinweg  und  all  sein  Hab 
und  Gut  verlassend  war  er  in  eine  waldige  Einöde  an  der  Sazawa 
gezogen,  um  dort  als  Einsiedler  einzig  nur  für  Gott  und  für  das 
eigene  Seelenheil  zu  leben.  Sein  frommer  Eifer  machte  ihn  aber 
bald,  erst  in  der  Nähe  und  dann  in  weiteren  Kreisen  bekannt.  Fortan 
wallten  zu  seiner  Höhle  ganze  Schaaren  von  Pilgern,  die  der  Für- 
bitte, des  Trostes  oder  der  Lehre  bedurften.  Auch  der  Herzog 
Udalrich  zählte  zu  seinen  Verehrern.  Da  baute  endlich  Prokop 
von  den  ihm  gebrachten  Almosen  eine  Kapelle  und  ein  Klösterlein, 
und  sammelte  um  sich  einige  Brüder  für  ein  stilles  Leben  nach 
der  Regel  des  h.  Benedict.  Er  selbst  wollte  unter  diesen  nichts 
anderes,  als  der  Diener  Aller  sein  (1032).  Diess  war  der  erste 
Anfang  des  Klosters  Sazawa.  ') 

Mittlerweile  war  Bfetislaw  I.  zur  Herrschaft  in  Böhmen  ge- 
langt. Wir  kennen  seinen  Plan,  die  ursprüngliche  Grösse  des  böh- 
mischen Reiches  wieder  herzustellen  und  auch  die  kirchliche  Un- 
abhängigkeit desselben  herbeizuführen.  So  dachte  er  an  die  Ein- 
führung eines  eigenen  slawischen  Ritus  in  Böhmen,  und  erkor  — 
wenigstens  im  stillschweigenden  Einverständnisse  mit  dem  Bischöfe 
Severin  —  das  Kloster  Sazawa  zur  Pflanzschule  desselben.  Ei- 
häute es  prachtvoll  aus  und  dotirte  es  reichlich  (1039).3)  Alsdann 
berief  er  griechisch-slawische  Mönche  aus  dem  Lande  der  Ruthe- 
nen,  welche  den  Gottesdienst  nach  griechischem  Ritus  in  slawischer 
Zunge  verrichteten, 3)  und  bewog  den  h.  Prokop,  die  Würde  des 
Abtes  in  der  neuen  Klostergemeinde  zu  übernehmen.  Bfetislaw's 
kühner  Plan  endete  mit  seiner  Niederlage  im  J.  1041,  und  somit 
verlor  die  neue  liturgische  Colonie  in  Sazawa  ihre  Bedeutung  für 
das  Land.  Desto  schöner  aber  erglänzte  von  Tag  zu  Tag  die  Hei- 


')  Chronic,  monachi  Sazav. 

a)  Ursprüngliche  Besitzungen:  der  Fluss  Sazawa  von  Milobuz  bis  zur  Höhle 
Zakolnika  mit  den  anliegenden  Aeckern,  Wiesen,  Waldung  und  Zugehör 
und  das  Dorf  Zkramnik.  (Erben  reg.  47,  Cosmas.) 
3)  Dass  es  diese  und  nicht  die  römisch-slawische  Liturgie  des  h.  Methud  war, 
ist  jetzt  unzweifelhaft.  Vgl.  Ginzel  Gesch.  der  Slawenapostel  p.  140  cit. 
Safarik  u.  Höfler  (glagolitische  Fragmente).  Die  Nachschrift  des  Sazavo- 
Emautinum  Evangelium  ed.  Hanka. 

8 


114 

ligkeit  des  Abtes  Prokop.  Stark  in  der  Selbstverleugnung,  gross 
in  der  Nächstenliebe,  eifrig  in  jeder  Tugend,  unübertrefflich  in  sei- 
ner Demuth,  war  er  der  Gegenstand  der  Liebe  und  Verehrung  Al- 
ler. Er  starb  als  ein  Heiliger  am  25.  März  1053.  ])  Bald  folgte 
ihm  auch  sein  herzoglicher  Gönner  in  die  Ewigkeit.  (10  Jan.  1055.) 
So  gross  immerhin  die  slawischen  Sympathien  seines  Nachfolgers 
Spytihnew  IL  waren,  so  wenig  Billigung  fand  bei  diesem  überaus 
frommen  Regenten  die  liturgische  Neuerung  in  Sazawa.  Schon  1056 
mussten  die  slawischen  Mönche. das  Kloster  wieder  verlassen  und 
eine  Colonie  lateinischer  Klosterbrüder  von  Bfewnow  zog  in  die 
Stiftung  des  h.  Prokop  ein.  Als  Propstei  von  Sazawa  erscheint  nach- 
mals Z  b  i  s  o  w  3)  im  Caslauer  Kreise. 
&L*  u$.  Angeblich  schon  1054  gründete  Hermann  von  Ralsko  ein 
BenedictinerklosterinderNähe  des  heutigen  Münchengrätz,  das 
er  mit  Mönchen  von  Tornach  bevölkerte. 3)  Vielleicht  war  diese 
Stiftung  damals  nur  eine  unansehnliche  Propstei.  Sie  sollte  aber 
nachher  zu  grosser  Bedeutung  gelangen,  als  ein  neuer  Hermann  v. 
Ralsko  sie  90  Jahre  später  dem  neuen  Orden  der  Cisterzienser 
übergab. 


§.  30.  Das  Domstift    St.  Veit  in  Prag. 

1.  Gleichzeitig  mit  der  Errichtung  des  Bisthums  war  auch 
die  sämmtliche  sehr  zahlreiche  Geistlichkeit  bei  der  St.  Veits- 
kirche, vielleicht  sogar  in  der  ganzen  Burg  und  in  dem  Burg- 
flecken  Prags,  zu  einem  Domkapitel  vereinigt  worden,  4)  welches 
einem  vom  Bischöfe  eingesetzten  Vorsteher  oder  Propste  (praepo- 
situs)  unterstand.  5)     Es  wurde  bereits  erwähnt,  dass  unser  Vater- 


')  Cliron.  monachi  Sazaviensis. 

2)  Lib  confirm.  MS.  ad  26.  Oct.  1377. 

3)  Paprocky,  und  Illustr.  Chronik  II.  161. 

4)  Der  erste  Biograph  dos  h.  Adalbert  setzt  das  Bestehen  von  prager  Dom- 
herren (canonici)  zur  Zeit  des  h.  Adalbert  voraus,  ohne  diesen  als  Stifter 
zu  nennen. 

5)  Der  h.  Adalbert  ernannte  zu  dieser  Würde  seinen  vertrauten  Freund 
und  Rathgcbcr  Wclich  (Villieo). 


115 

land  das  Institut  Chrodegangs  im  Zustande  des  beginnen- 
den Verfalles  empfing.  In  der  That  erfahren  wir,  dass  bis  zur 
zweiten  Hälfte  des  eilften  Jahrhunderts  —  also  in  der  ganzen 
bisher  geschilderten  Periode  —  das  gemeinsame  Leben  der  pra- 
ger Capitularen  nichts  weniger  als  ein  streng  geregeltes  war.  Nach 
dem  Berichte  unseres  ältesten  sachkundigen  Chronisten ')  waren  damals 
die  Domgeistlichen  nur  dem  Namen  nach  Canonici :  zumeist  unge- 
bildet und  ungelehrt,  verrichteten  sie  den  Chordienst  sogar  in 
weltlicher  Kleidung.  Erst  mit  der  neuen  Periode  begann  für  die- 
ses Domkapitel  eine  neue  bessere  Zeit.  Nichtsdestoweniger  war 
auch  jetzt  schon  das  Domstift,  beziehungsweise  die  damit  verbun- 
dene Domschule,  die  Pflanzstätte  der  böhmischen  Seelsorgs- 
geistlichkeit. 

2.  Die  ausgedehnten  Capitel-Güter,  deren  Erwerbung  nach 
Zeit  und  Art  nicht  allseitig  erweisbar  ist,  lagen  zum  Theile  auch 
in  unserer  jetzigen  Diöcese  Leitmeritz,  und  es  ist  mit  allem 
Rechte  anzunehmen,  dass  ebendaselbst  —  abgesehen  von  dem  all- 
gemeinen Segen  eines  derartigen  Instituts  —  ein  massgebender 
Einfluss  des  Capitels  auf  die  Gestaltung  der  religiösen  Verhält- 
nisse nicht  fehlen  konnte. 

Mit  urkundlicher  Sicherheit  lassen  sich  im  Umfange  der 
jetzigen  Diöcese  Leitmeritz  die  nachstehenden  Besitzungen  nennen : 

a.  Im  saazer  Kreise  vor  Allein  der  Pfarrort  Psow,  das  heu- 
tige Schaab  nächst  Podersam.  Dieser  Ort  war  einer  der  ältesten 
Obedienz-Orte  2)  des  Domstifts.  Im  Jahre  1186  ging  derselbe  durch 
einen  Gütertausch  an  den  Orden  der  Johanniter  über  3)  und  end- 
lich um  1400  aus  dem  zeitweiligen  Privatbesitze  des  Johann  Ste- 
nic,  Grossmeisters  der  Kreuzherren  mit  dem  rothen  Sterne,  in  das 
Eigenthum  des  letzteren  Ordens. 4)  Später  als  Psow  erscheint  der 
Pfarrort   Ocehow,  das  jetzige   Gross-Otschehau ,  als   Präbende  5) 


')  Cosmas. 
a)  Vgl.  S.  103. 

3)  Tomek  G.  Pr.  I.  83.  —  Urkunde  in  Erben  regesta  p.  175. 

4)  Vgl.  Sommer  Saazer  Kreis,  S.  291. 

5)  Vgl.  Seite  102. 

8* 


116 

eines  von  Bischof  Johann  im  Jahre  1305  gestifteten  Domherrn.1) 
Der  von  hier  im  Jahre  1384  entrichtete  Halbjahrszehent  von  18 
böhm.  Groschen  (von  Psow  12)  bürgt  für  ein  erhebliches  Alter  der 
hiesigen  Kirche. 3)  In  dieser  Gegend  lagen  auch  die  Präbenden- 
güter  Libesowice,  das  heutige  Lisch witz  auf  dem  Gute  Libo- 
ritz,  Wrbice3),  das  heutige  Fürwitz  auf  der  Herrschaft  Peters- 
burg, Dötan4),  wahrscheinlich  das  heutige  Gödesin  auf  der  Do- 
maine  Weitentrebetitsch  5)  und  um  1305  auch  Wetrugic,  das 
jetzige  Wedruschitz,  und  Sedcic,  das  jetzige  Scheditz  auf  dem 
Gute  Schönhof.  6)  Uiberdiess  war  auch  das  Dorf  Krty  (mit  Aus- 
nahme eines  der  Kirche  in  Tis  gehörigen  Hofes),  das  heutige 
Gerten  auf  der  Herrschaft  Petersburg,  im  Jahre  1227  durch  testa- 
mentarische Schenkung  von  Seiten  des  Brüxer  Grafen  Kojata,  des 
noch  oft  zu  nennenden  Wohlthäters  mehrerer  kirchlichen  Institute 
Böhmens,  in  den  Besitz  des  prager  Domstifts  übergegangen.  7)    Im 


l)  Tomek  G.  P.  423  und  424.  Unter  den  Präbenden  von  1384  erscheint  die- 
ser Ort  bereits  nicht  mehr. 
3)  Begist.  decimarum  bei  Baibin. 

3)  Wrbice  bildet  .1384  mit  Kojetice  (?)  eine  Präbende  von  1  Seh.  15  Gr 
Halbjahrszehent. 

4)  Dieses  heisst  bei  Pesina  irrthümlich  Dieciny  in  districtu  Litomericensi, 
wenn  er  damit  nicht  etwa  Decany  (das  heutige  Jetschan  bei  Triblitz) 
meint,  das  aber  dem  Kloster  Doxan  gehörte.  Vgl.  Erben  reg.  p.  325. 

5)  Dieser  Besitz  ward  dem  Kapitel  erst  am  St.  Thomastage  1420  entfremdet 
durch  Verpfändung  von  Seiten  des  Kaisers  Sigismund  an  die  Brüder  Hein- 
rich und  Bohunek  von  Sprimberg  um  den  Preis  von  200  Seh.  Palacky 
Archiv  I.  509. 

6)  Tomek  G.  P.  I.  423,  wo  aber  statt  Sedcic  Ledcic  gesetzt  ist,  angeblich 
im  saazer  Kreise,  obgleich  in  letzterem  kein  Ledöic  zu  finden  ist. 
Nach  Pesina  Phosph.  p.  684  gehörte  aber  auch  ein  Sedcic  dem  Kapitel, 
das  nun  allerdings  nicht  fern  von  Wetrusic  liegt.  Das  dort  zugleich  ange- 
führte Ledöice  möchte  ich  für  das  im  rakonitzer  Kreise  halten.  Uebrigens 
war  jenes  Sedcic  zur  Zeit  des  Königs  Johann  bereits  in  den  Besitz  der 
Familie  Sekyrka  übergegangen,  welche  sich  fortan  von  Sedcic  nannte  (die 
jetzigen  Grafen  von  Wrsowec).  Lib.  erect.  XII.  G.  8.  XIII.  G.  1., 
XIII.  J.  3.)  —  Der  Umstand,  dass  diese  Familie  um  1390  noch  an- 
dere von  Pesina  angegebene  Capitelgüter  in  der  Nähe  besass,  scheint  für 
die  Identität  des  erstem  Orts  zu  sprechen.  (Lib.  erect.  ibidem.) 

7)  Urk.  bei  Erb.  reg.  p.  332.  Vgl.  Tomek  G.  Pr.  I.  17G. 


117 

Jahre  1  389  wird  auch  ein  dorn  stiftlicher  Lehensmann  (Wacho  von 
Wrany)  zu  Hfiwice  auf  der  jetzigen  Domaine  Neuschloss  ge- 
nannt. ')  Die  Pfarrpfründe  daselbst  zahlte  im  Jahre  1384  einen 
halbjährigen  Zehent  von  27  Groschen.  2)  Im  Jahre  1341  schenkte 
König  Johann  dem  Domstifte  den  Zehent  vom« Bergbaue  inBfes- 
n  i  c  3)  und  zugleich  von  allen  Silbergruben  in  Böhmen. 

b.  Im  bunzlauer  Kreise  besass  das   Capitel  von  unbekannter 
Zeit  her   den  alten  Pfarrort  Mcely  im  Dekanate  Hawran   (jetzt 
zum  Gute  Detenic  gehörig).    Dieser  Ort  war  eine   eigene   Capitel- 
präbende,  welche  sich  1384  mit  42  Groschen  am  Halbjahrszehent 
betheiligte. 4)    Urkundlich  übten  hier    die   prager    Capitularen    in 
den  Jahren  1366,  1368,    1390,   1398   und   1402   das    Collaturrecht 
aus.  5)   Auch  ein  Theil  des  Dorfes  Sowinice,  jedenfalls  im  bunz- 
lauer Kreise  gelegen,   erscheint  als  Besitzung  des   Capitels;  nur 
ist  ungewiss,  ob  diess  der  Ort  desselben  Namens  auf  dem  heuti- 
gen Dominium  Kfinec  oder  der  ebenso  genannte  Ort  auf  der  jetzi- 
gen Herrschaft    Swijan   gewesen  ist.  6)  Uiberdiess  bezog  das  Dom- 
stift noch  gewisse  Zehnten  in   der  alten  Zupe   von  Melnik,  um 
welche  es  im  Jahre  1260  einen  Streit  mit  dem  Bischöfe  Johann  III. 
führte.  7) 

c.  Im  leitmeritzer  Kreise,  und  zwar   im  alten  Dekanate  von 
Trebnitz  gehörte  dem  Domstifte  das  alte  Pfarrdorf  fiisuty  8),  das 


*)  Lib.  erect.  XII.  C.  6. 

2)  Begist.  decim. 

3)  Diplom,  regis  Job.  cit.  in  Dobn.  mon.  Boh.  tom.  IV.  10. 

4)  Begist.  decim. 

5)  Namentlich  werden  als  Collatoren  genannt:  1368  der  Capiteldekan,  1390 
Wenzel  von  Genczenstein  zugleich  Canonikus  am  Wysehrad,  1398  der  Ca- 
nonikus  Andreas  von  Gewiöka  und  1402  der  Custos  am  prager  Dom  und 
zugleich  Scholasticus  am  Wysehrad  Franz  Gewiöka.  Lib.  confirm.  a.  h.  a. 

6)  Dieses  Sowinice  wurde  am  27.  Dezember  1420  durch  Kaiser  Sigismund  an 
Wenzel  ven  Walowic  verpfändet.  Palacky  Archiv  I.  546. 

7)  Tomek  G.  P.  425.  cit.  eine  Urkunde  des  Domcapitels. 

8)  Für  die  Identität  dieses  Risuty  bürgt  der  Umstand,  dass  der  andere  Pfarr- 
ort gleichen  Namens  bei  Schlan  in  den  Confirmationsbüchern  ausdrücklich 
als  Collatur  des  Klosters  zum  h.  Geist  in  Prag  genannt  wird.  Die  gegen- 
teilige Angabe  Heber's  (Böhmens  Burgen  VII.  68),  nach  welcher  das  Dorf 
Risuty  bei  Schlan  dem  Capitel   gehört  habe,    scheint,   wie   einige   andere 


118 

heutige  Rissut  bei  Merunitz,  das  bis  zum  Jahre  1384  ein  so  an- 
sehnliches Kirchenvermögen  erwarb,  dass  es  damals  mit  dem  be- 
deutenden Halbjahrsbetrage  von  15  böhm.  Groschen  am  allgemeinen 
Kirchenzehent  sich  betheiligen  konnte.  ])  Erweislich  übte  daselbst 
das  prager  Capitel  noch  in  den  Jahren  1364,  1404,  1405  und 
1418  das  Collaturrecht  aus. 2)  Im  Jahre  1364  erscheint  ein  Je§ek 
von  Risuty  als  Lehensmann  des  prager  Domcapitels  und  übt  als 
solcher  das  Collaturrecht  in  der  Pfarre  zu  Liböewes  (Liebsch- 
hausen)  aus.  3)  Muthmasslich  gehörte  also  auch  dieses  uralte 
Pfarrdorf,  das  im  Jahre  1384  schon  18  prager  Groschen  halbjäh- 
rigen Kirchenzehent  zahlte,  dem  Capitel  zu  Prag. 4)  Im  Jahre 
1390  wird  Pesik  von  Minie  als  Collator  genannt.  5)  Derselbe  stif- 
tete 1396  27.  Juli  2  Vikaristen  an  dieser  Kirche.  6)  Im  Jahre 
1411  erst  werden  die  Herren  von  Hasenburg  als  Collatoren  eines 
Altarbenenciums  angeführt.  :)  Uibrigens  besass  auch  das  Colle- 
giatstift  Wysehrad  von  1068  an  einen  Zinsbauer  und  einen  Klei- 
derwäscher in  Libcewes.  8)  Das  Dorf  Risuty  ging  1437  (am 
Sonntage  vor  St.  Katharina)  sammt  dem  Dorfe  Lahost9),  dem 
heutigen  Loosch   auf  dem   Dominium   Dux,  durch  kaiserliche  Ver- 


desselben   Verfassers ,    auf    einer    Verwechslung    gleicher    Ortsnamen    zu 
beruhen. 

T)  Registrum  deeimarum  bei  Baibin. 

s)  Namentlich  erscheinen  als  Collatoren:  13G4  der  Dechant  Wratiwoj,  1404 
und  1405  die  Canonici  Blasius  und  Lupus,  letzterer  auch  Dechant  von 
Allerheiligen ;  1418  der  berühmte  Canonicus  Andreas  von  Broda,  den 
wir  bereits  als  Pfarrer  von  Nebuzel  kennen  gelernt  haben.  (Lib.  confirm. 
a.  h.  a.) 

3;  Lib.  confirm. 

4)  Regist.  deeimarum. 

5)  Lib.  confirm. 

6)  Lib,  erect.  XL  N.  9.  Seine  Söhne  Christoph  und  Wlcek  v.  Minie  und  Pesik 
v.  Horetic  erscheinen  noch  1401  und  1416  als  Wohlthäter  der  Kirche  in 
Libcewes. 

7)  L.  Conf.  VI.  u.  VII. 

8)  Erben  reg.  77. 

°)  Dieser  Ort  erscheint  bei  Pesina  irrig  unter  dem  Namen  Lahowice.  Das 
wirkliche  Lahowice,  am  Einflüsse  der  Beraun  in  die  Moldau,  gehörte  den 
Klöstern  Ostrowund  Kladrub,  und  ein  zweites  Dorf  dieses  Namens  bej 
Liebschhausen  dem  leitmeritzer  Capitel.  Vgl.  Erben  reg.  36,  89,  53. 


119 

pfändung  an  Jakob  von  Wrsesowic  und  dessen  Erben  über. ' )  In 
derselben  Gegend  gehörte  dem  Domstifte  von  jeher  auch  der  noch 
viel  ältere  Pfarrort  Kozly,  das  heutige  Kosel  auf  dem  gleich- 
namigen Gute. 2)  Dieses  Dorf  muss  wohl  eine  der  ersten  christ- 
lichen Kirchen  des  ganzen  Dekanats  —  wahrscheinlich  durch  das 
Domstift  selbst  —  erhalten  haben,  da  dieselbe  im  Jahre  1384  so- 
gar bis  zu  einer  halbjährigen  Zehentleistung  von  24  böhm.  Gro- 
schen sich  erschwingen  konnte.  3) 

3.  Als  anderweitige  Pr  ab  enden  des  Capitels  von  St.  Veit 
werden  im  Zehentregister  des  Jahres  1384  folgende  genannt4): 
Krc  (36  gr.),  Beluk  (17  gr;),  Libeznice  (54  gr.),  Hofany  (43  gr.), 
Jesenice  (48  gr.),  Postonice  (54  gr.),  Wysocany  (38  gr.),  Horne- 
tice  (2  Seh.),  Zemechy  (30  gr.),  Pacetice  (1  Seh.),  Kbel  (45  gr.), 
Pfilepy  mit  ßukol  (42  gr.),  Treboratice  (21  gr.),  Zlonice  (26  gr.), 
Chrast  (30  gr.),  Solenice  und  Trapöice  (48  gr.),  Ujezdec  (36  gr.), 
Kojetice  mit  dem  bereits  erwähnten  Wrbice  (1  Seh.  15  gr.),  Ctine- 
ves  (36  gr.),  Studec  mit  Stfedokluky  (2  Seh.),  Holowice  (3  Seh.), 
die  zweite  Präbende  in  Jesenice  (24  gr.),  Nehwizdy  (45  gr.), 
Horka  (18  Seh.  16  gr.),  Kobilis  (1  Seh.),  Pocetice  mit  Babenice 
(20  Seh.  38  gr.) ,  Zlonin  (30  gr.) ,  die  zweite  Präbende  in 
Kbel  (42  gr.),  Wrbec  bei  Mseno,  rak.  Kr.  (17  gr.)  und  Postfizin 
(11  gr.).  Hiebei  waren  die  Besitzungen  der  Propstei,  des  Dom- 
dekanats, der  Domscholasterie  und  des  Archidiakonats  (von  Prag), 
sowie  die  der  übrigen  Archidiakonate,  endlich  die  der  Kirche  selbst 
noch  nicht  mit  eingerechnet.  Auf  den  Propst  entfielen  damals  12 
Schock,  auf  den  Deehant  nur  36  Groschen,  auf  den  Scholasticus 
1  Schock,  auf  den  Archidiakon  2  Schock,  auf  die  65  Beneficiaten 
der  Domkirche  zusammen  21  Schock  und  57  böhmische  Groschen 
Halbjahrszeh  ent. 


1)  Palacky  Archiv  IL  453. 

2)  Sommer :  Leitm.  Kreis  S.  63. 

3)  liegist.  deeim.  bei  Baibin. 

4)  BegisL  cleeim.  1384.  Die  beigesetzte  halbjährige  Zehentleistung  ist  ein 
Massstab  des  Gesammteinkommens.  Näheres  über  die  Verhältnisse  des 
Dpmklerus  in  einem  spätem  Abschnitte. 


120 


§.  31.  Fortsetzung. 

1.  Der  fleissige  Sammler  der  historischen  Merkwürdigkeiten 
des  St.  Veitsdoms,  Thomas  Pesina  von  Cechorod  *),  hat  uns  ein 
alphabetisches  Verzeichniss  der  angeblichen  ehemaligen  Besitzun- 
gen des  prager  Capitels  zusammengestellt.  Derselbe  nennt  da 
nicht  weniger  als  262  verschiedene  Orte  der  verschiedenen  Kreise 
Böhmens  und  fügt  schliesslich  noch  die  Bemerkung  bei,  dass  er 
die  Namen  vieler  anderen  nicht  mehr  anzugeben  vermöge.  Diess 
Verzeichniss  strotzt  aber  von  Unrichtigkeiten.  Einmal  fehlt  schon 
mehr  als  die  Hälfte  der  verhältnissmässig  wenigen  urkundlich 
sicher  gestellten  Capitel-Besitzungen  in  jenem  Verzeichnisse,  und 
einige  der  angegebenen  sind  mit  ungenauen  Namen  bezeichnet. 
Dann  aber  werden  die  unterschiedlichsten  geistlichen  Besitzungen, 
namentlich  viele  erzbischöfliche,  in  die  Zahl  mit  einbezogen.  End- 
lich werden  alle  jene  Ortschaften  kurzweg  als  Capitelgüter  ange- 
führt, wo  doch  dem  Stifte  lediglich  ein  oder  das  andere  Grund- 
stück, oder  gar  nur  ein  fundirter  Jahreszehent  oder  etwa  eine  zu 
Dienstleistungen  verpflichtete  Familie  angehörte.  Diess  voraus- 
geschickt, nennen  wir  nachgehends  diejenigen  Orte  innerhalb  der 
jetzigen  Diöcesangränzen  von  Leitmeritz,  welche  ausser  den  oben 
sichergestellten  ehedem  ein  Eigenthum  des  prager  Domstifts  gewe- 
sen sein  sollen. 

2.  Die  vorzüglichsten  derselben  lagen 

a.  im  alten  Archidiakonate  von  Saaz.  Vor  allen  ist  da  der 
alte  Pfarrort  Zabokliky  (Schaboglück)  zu  nennen,  der  im  Jahre 
1384  schon  die  erhebliche  Summe  von  15  böhm.  Groschen  als  halb- 
jährigen Kirchenzehent  entrichtete. 3)  Seit  den  Zeiten  des  Königs 
Johann  hatte  dieser  Ort  zugleich  mit  dem  von  Pesina  ebenfalls 
als  Capitelgut  genannten  benachbarten  Dorf e  Cejkowice  (Tsche- 
kowitz)   die  nahen  Herren   Sekyrka    von   Sedöic,   welch'  letzteren 


')  Phosphorits  septicornis.  Pragae  1673,  pag.  684  und  685. 
a)  Megistrum  decimarum  bei  Baibin. 


121 

Ort  wir  bereits  als  früheres  Capiteldorf  kennen  lernten,  zu  Be- 
sitzern. l)  Ausserdem  werden  von  Pesina  noch  erwähnt:  die  Dör- 
fer Dubcany  auf  dem  jetzigen  Gute  Dobritschan,  Käme  na 
wo  da,  das  heuitige  Stenwasser  auf  der  Domaine  gleichen  Namens, 
L  e  w  o  n  i  c  e,  das  heutige  Lewanitz  auf  der  Herrschaft  Postelberg  2), 
Nechranice,  das  jetzige  Dorf  Negranitz  auf  dem  Dominium 
Hagensdorf,  Kwenice,  wahrscheinlich  das  jetzige  Ferbentz,  und 
Wiskow,  beide  bei  Postelberg,  Zbrasin,  das  dermalige  Praschin 
bei  Laun,  und  Strkowice  auf  dem  heutigen  Gute  desselben  Na- 
mens. 3) 

b.  Im  Bereiche  des  ehemaligen  Archidiakonates  von  Leitme- 
ritz  und  Bilin  werden  angeführt:  vor  allen  das  Pfarrdorf  Tre- 
biwlice,  jetzt  Tfiblitz  genannt,  welches  im  Jahre  1384  als  eine 
der  ältesten  Stationen  des  Dekanates  den  sehr  bedeutenden  Halb- 
jahrs-Kirchenzehent  von  21  böhm.  Groschen  entrichtete. 4)  Hier 
aber  erscheinen  sicher  vom  J.  1370  an  eigene  Herren  von  Tfebiwlice 
als  weltliche  Grundherrschaft,  so  dass  ein  Capitelbesitz  daselbst 
in   frühere  Zeit   versetzt  werden  müsste. 5)  Vielleicht  beschränkte 


»)  Libri  erect.  XII  G.  8,  XIII  G.  L,  XIII  J.  3.  Libri  confirm.  ad  1360, 
1413,  1416  und  1417.  —  Ein  Heinrich  von  Sedcic  erscheint  1393  in  einer 
Angelegenheit,  welche  den  Kirchenzehent  von  Libetic  betrifft,  als  Schieds- 
richter. Derselbe  schenkte  am  27.  Mai  1396  der  Kirche  zu  Zabokliky  30 
Seh.  Zinsen  zur  bessern  Dotirung  des  Pfarrers.  (Ebend.)  Erst  um  das  Jahr 
1500  gelangte  Sedcic  mit  Zabokliky  und  Cejkowice  (damals  mit  Kralowa 
Lhota)  an  die  Saazer  Stadtgemeinde.  (Heber  Böhmens  Burgen  VII.  147.) 

3)  Vielleicht  ist  hier,  auch  eine  Verwechslung  mit  Lewinice  geschehen,  einer 
alten  Besitzung  des  Klosters  Brewnow  in  der  Grafschaft  Glatz.  (Vgl.  Erben 
reg.  443  ad  a.  1238. 

3)  Möglicher  Weise  irrte  sich  hier  Pesina  mit  dem  Dorfe  Strunkowice  im 
prachiner  Kreise,  welches  heute  noch  dem  Propste  des  prager  Kapitels  an- 
gehört. 

4)  Regist.  deeimarum  bei  Baibin.  —  Die  in  Sommers  Topographie  S.  77  mit- 
getheilte  Sage  vom  Ursprünge  des  Ortes  zwischen  1444  und  1504  wider- 
spricht der  erwähnten  urkundlichen  Thatsache  und  vielen  andern  sicheren 
Nachrichten  des  14.  Jahrhunderts. 

5)  Libri  confirm.  Genannt  werden  daselbst:  1370  die  Brüder  von  Trebiwlice 
nebst  Milebor  von  Zelkowic  und  Jarek  von  Solan,  —  1404  und  1405  Fritz, 
Bures  und  Johann  von  Trebiwlice  mit  Kunes  von  Solan  als  Collatoren. 
Nach  den  Libris  Erectionum:  1397  Zdenko  von  Kostelec  und  die  Nonne 


122 

sich  ein  solcher  Besitz  überhaupt  auf  gewisse  Zehentbezüge. 
Ausserdem  nennt  uns  Pesina  noch  ein  Chutnewes,  welches  nur 
das  jetzige  Kuttendorf  bei  Libeschitz  sein  könnte,  ferner  Choto- 
mefice,  das  heutige  Kuttomirsch  auf  der  Herrschaft  Lobositz, 
J  i  f  e  t  i  n ,  wohl  den  alten  Pfarrort  dieses  Namens,  das  heutige 
Obergeorgenthal  '),  Wodolice  auf  dem  Dominium  Liebs chhausen, 
und  Pisfany  bei  Leitmeritz.  Nebstbei  zieht  er  auch  die  erzbi- 
schöflichen Besitzungen  dieser  Gegend,  Wtelno  (bei  Brüx), 
Geiersberg,  Sobechleby  (Sobochleben) ,  Mars chow  (Mar- 
schen), H  o  t  o  w  i  c  e  (Hottowitz) ,  T  u  h  a  n  3) ,  0  b  o  r  a  und  W  r  s  o- 
wice,  und  ebenso  das  zur  leitmeritzer  Propstei  gehörige  Dorf 
Slatina  und  den  zum  Kloster  Bfewnow  zuständigen  Ort  Wlence 
(Mlinec)  in  die  Reihe  der  hiesigen  Capitelgüter. 

c.  Im  Umfange  des  alten  Archicliakonats  Bunzlau  werden 
namhaft  gemacht:  das  sehr  alte  Pfarrdorf  Libechow  (Liboch), 
welches  1384  mit  18  b.  Groschen  am  allgemeinen  Kirchenzehent 
sich  betheiligen  konnte.  3)  Urkundlich  ist  nur  bekannt,  dass  im 
J.  1395  die  Stiftungsbezüge  für  ein  von  den  Mansionaren  der  pra- 
ger Domkirche  abzuhaltendes  Jahresgedächtniss  auf  diesem  Libe- 
chow hafteten.  4)  Möglich,  dass  dieser  Umstand  zu  der  Annahme 
führte,  der  Ort  selbst  habe  dem  Domstifte  zugehört.  Erweislich 
erscheinen  wenigstens  im  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  die  Berka 
von  Duba  auf  Auscha    als   Grundherren   und    Collatoren    in   Libe- 


Sophie  von  Semic  als  Stifter  eines  Jahrgedächtnisses,  1400  Johanna  von 
Trebiwlice  als  Stifterin  zweier  Jahrgedächtnisse  durch  Schenkung  eines 
Hauses  sammt  Garten  und  Aeckern,  1405  die  Brüder  Rudiger  und  Erhard 
von  Skalka  als  Kirchenwohlthäter.  Erect.  XII.  J.  10.,  XIII.  E.  2,  VIII.  C.  6. 

])  Urkundlich  erscheint  hier  wenigstens  um  1400  die  Familie  von  Koldic  als 
Grundobrigkeit.  Anna  von  Koldic  erbaute  1409  abseits  von  der  bisheri- 
gen Marienkirche  eine  neue  zu  Ehren  des  h.  Nikolaus  (Niedergeorgenthal) 
und  erwirkte  ddo.  14.  April  1409  auch  die  Erhebung  der  letztern  zur 
Pfarrkirche.  Lib.  Erect.  IX.  D.  1.  Lib.  confirm.  ad  1409. 

3)  Hier  konnte  auch  eine  Verwechslung  mit  dem  noch  jetzt  zum  Capitel  ge- 
hörigen Dorfe  Tuchyne  im  frühern  berauner  Kreise  geschehen  sein. 

3)  Megistrum  decimarum. 

4)  Dobner  de  Mansionariis.  Das  Anniversarium  galt  den  Eltern  des  Libe- 
chower  Pfarrers  Johann. 


123 

chow. l)  Auch  der  alte  Pfarrort  Kadi  in  (im  ehemaligen  Dekanate 
Kamenec)  soll  eine  Besitzung  des  Domcapitels  gewesen  sein;  je- 
doch waren  hier  die  Freiherren  von  Berka  auf  Hauska  wenigstens 
um  das  Jahr  1400  Grundherren  und  Collatoren. 2)  Im  J.  1384 
zählte  Kadlin  mit  einer  Zehentleistung  von  18  böhm.  Groschen 
bereits  zu  den  besten  und  wohl  auch  ältesten  Pfründen  des  De- 
.kanats.  3)  Erst  im  J.  1445  gelangte  das  hiesige  Pfarrpatronat 
durch  Verleihung  von  Seiten  des  Chwal  Berka  auf  Hühnerwasser 
an  das  Augustinerkloster  zu  Biela  (Weisswasser.  4)  —  Auch  R  a- 
dujen  (Radaim  teutonica  in  der  Nähe  der  alten  Deutschherren- 
kommende  Bepin)  wird  als  Capitelgut  angeführt.  Dieser  Ort  be- 
sass  eine  ziemlich  alte  Pfarrkirche,  welche  1384  sich  mit  12  böhm. 
Groschen  am  Kirchenzehent  betheiligte.  5)  In  dieser  Zeit  hatte  es 
den  deutschen  Orden  als  Grundobrigkeit  und  hiess  desshalb  auch 
Badaun  teutonica.  Nebstbei  nennt  uns  der  oft  erwähnte  alte  Ge- 
schichtsschreiber des  prager  Domstifts  als  weitere  Besitzungen  des- 
selben die  Dörfer  Wselisy  auf  der  Domaine  gleiches  Namens, 
Mlazice  bei  Melnik  und  Winartice,  vielleicht  richtiger  das 
jetzige  Winafice  auf  der  Herrschaft  Dobrowic.  Auch  das  erzbi- 
schöfliche  Pfarrdorf  Zeröice  wird  unter  Einem  den  hiesigen  Ca- 
pitelbesitzungen  beigezählt. 

d.  Noch  werden  in  demselben  Verzeichnisse  mehrere  Ort- 
schaften genannt,  deren  Namen  wohl  auch  innerhalb  unserer 
Diöcese,  aber  eben  so  gut  auch  in  andern  Theilen  Böhmens  vor- 
gefunden werden.  Als  solche  mögen  hier  die  folgenden  genannt 
werden:  Charvatice,  Chvojenec  (Klein  -  Kahn  ?),  Horka, 
Lipeii,  Minie,  Moravany,  Okruhly  (Scheibendorf  bei 
Niems?),  Podol,  Pnetluky  (Netluk?),  Rohosec,  Radaun, 
Stebno  (Stehen?),  TfemoSnice,  Wrbka,  Zidovice,  Za- 
lesly  und  Zahaji.  6) 


1)  Libri  confirm.  a.   h.  a.    Genannt   werden:    1414   Heinrich   von   Duba    auf 
Auscha,  und  1418  Ales  von  Duba  auf  Drazic  (und  Auscha). 

2)  Libri  confirm.  Genannt  wird  1414  Heinrich  Berka  in  Huska. 

3)  Begist.  deeimarum. 

4)  Libri  Elect.  XIII.  Y.  19. 

5)  Begistr.  deeimar. 

G)  Ausser   den  angeführten  Orten  nennt  Pesina(Phosp.684  und  685):   Bisice, 


124 

§.  32.  Das  Collegiatstift  SS.  Gosmas  und  Damian  zu  Altbunzlau. 

1.  Es  würde  bereits  oben  *)  erzählt,  dass  der  Herzog  Bre- 
tislaw  I.  und  der  Bischof  Severus  für  die  angemasste  Uebertragung 
der  Reliquien  des  heil.  Adalbert  von    Gnesen  nach  Prag  und   für 


Bikos,  Blahotice,  Bratronice,  .Bukole,  Butovice  (1256  für  Zbraslav),  Berko- 
vice,  Becvarek,  Biskupice ,  Bohuiiovice ,  Budce,   B  archovice  ,  Borec,  Bafie, 
Beluk,  Bukova,  Bohuslavice,  Brezany,  Brzokol,  Brandeis  bei  Schlan,  Bozi- 
hnevice,  Brezova  bei  Beraun.  (Uebergangen:  Belvice,  BedHckovice,   Brez- 
nice  male.)  —  Ein  Theil  von    Ctinoves,   Calirov,  Cachow,  Cernilow,  Chirsin, 
Öanka,    Chlistovice,    Chleby,    Clivatlina,    Chudecin,    Chrastov,   Chlistovice. 
(Uebergangen  Cista,  Öizovka.)  —  Draskovice,  Drzice,  Drchkov,  Duby,  Da- 
minoves.  (Uebergangen  Dwrzkov,  Dedibaby,  Dusniky,  Detineky,  Detan.)  — 
Jesenice,  Jence,  Jirno,  Jeröonice,  Jirenec.  (Uebergangen    Jasena.)   —  Kri- 
vausy,    Kviö,    Koturov,    Kameny    Aujezd,    Kovarovice,    Krivany,  Koricany, 
Klein-Kucharek,  Kostelec  bei  Pilsen,  Kbel  bei  Prosyk,  Krechor  bei   Kolin? 
Krabeice,  Krocihlav,  Koncice,    Kopist,    Konice  bei  Brod,  Knistice,  Kiivice, 
Krivany,    Kutrovice,    Kobilniky ,   Krö.       (Uebergangen   Kozolupy,  Kobilisy, 
Kaisperk.)  —  Lliota,  Liboc,  Libeznice,   Leelcice,  Lasice,  Lesnice,  Lazan- 
ky,  Libcov,  Litovice,  Libocliovicky  bei  Okor,  Lisolay  in  Scharka,  Libko- 
vice,  Loket  (Kaurim)  Lesany,  Lniste   bei   Zebrak.    (Uebergangen  Lahost.) 

—  Malesice,  Malikovice,  Milce,  Martineves  bei  Budin,  Modrany,  Myslin, 
Miletice  bei  Welwar,  Mikovice,  Miskovice,  Mirovice,  Mokry,  Mokropsy, 
Mokrusov.  (Uebergangen  Miyn,  Malesov,  Moldautliein,  Kichnow.)  —  Ne- 
il wizd,  Newlekov,  Neumerice,  Neelwez,  Netlwedice,  Netis,  Netrebice,  Ne- 
radice,  Netrevice,  Nezetice.  (Uebergangen  Nizeboliy.)  —  Odolena  Woda, 
Osusin,  Owcary,  Onomysle,  Omeklas,  Omozin,  Otwojice.  (Uebergangen 
Onomysk.)  —  Polehrad,  Policany,  Pabenice,  Poliorice,  Pcliery,  Pnovice> 
Ptiö,  Postrizin,  Poricany,  Prebog  ,  Plesnice,  Prusce,  Podlusky,  Predonin, 
Pribisov,  Pecin,  Poöeradec,  Pasovice,  Popovice,  Popovicky.  (Uebergangen 
Prestupy.)  —  Radiice,  Rostok,  Ilepice,  Radosovice,  Rovna,  Ranna,  Risice, 
Rivice,  Rochanov.  (Uebergangen  Rozmital,  Rudice.)  —  Slavosov,  Sterbo- 
holy,  Seellec,  Öitar,  Sobin,  Svinarj  Stehlavy,  Stredokluky,  Slupice,  Sale- 
tice,  Sulice,  Sukdol,  Srbice ,  Stochov,  Statewnice,  Swidna,  Senice,  Stu- 
padla.  (Uebergangen  Swetic,  Svojetin,  Saky.)  —  Trebotov,  Tymakov,  Tu- 
choraz,   Tmany,  Tusec,    Turkovice,    Trisnovice.  (Uebergangen  Tuchlovice.) 

—  Uhercice,  Ujezdec  bei  Bikos,  ein  Theil  von  Wlasim,  Welikawes,  Wse- 
radice,  AVeska,  Wranow,  Wtelno,  Wesce,  Walenec,  Wsehromy.  (Ueber- 
gangen Winetice,  Wsestudy,  Weltrus,  Wrbcany.)  —  Zwolinewes,  Zlo- 
nice,  Zlatnik,  Zerpice,  Zemech,  2ehrovice,  Zariby,  Zbinice,  Zahrivec,  Zir- 
öice,  Zruc,  Zypec,  Zatwor,  Zaliorany. 

})  Seite  78. 


125 

die  ihnen  zur  Last  gelegte  Beeinträchtigung  der  polnischen  Kirchen 
nur  unter  der  Bedingung  die  Verzeihung  des  apostolischen  Stuhles 
erhielten,  wenn  dieselben  als  Busswerk  geeigneten  Orts  ein  Gottes- 
haus mit  einem  Kloster  erbauen,  dasselbe  mit  allem  Erforderlichen 
hinreichend  versehen  und  erprobte  geistliche  Personen  daselbst 
einsetzen  würden,  welche  für  alle  Zeit  zur  Versöhnung  Gottes  und 
zum  Heile  der  lebenden  und  abgestorbenen  Christgläubigen  daselbst 
im  heiligen  Dienste  leben  sollten.  l)  Aus  diesem  Grunde  nun 
stifteten  die  beiden  hohen  Büsser  das  Collegiatstift  Altbunz- 
lau. 3)  An  die  Stelle  der  alten  Kirche  SS.  Cosmas  und  Damian, 
in  welcher  der  Leib  des  h.  Wenzel  einst  drei  Jahre  lang  geruht 
hatte,  wurde  ein  neues  Gotteshaus  erbaut  und  zugleich  dem  heili- 
ligen  Landespatrone  Wenzel  gewidmet.  Am  18.  Mai  1045  ward 
die  neue  Kirche  feierlich  vom  Bischof  Severus  consecrirt.3)  Die  Ein- 
führung der  Kanoniker,  welche  hier  unter  der  Leitung  eines  Propstes 
und  eines  Dechants  den  kirchlichen  Dienst  versehen  sollten,  scheint 
erst  um  1052  erfolgt  zu  sein,  da  der  Stiftungsbrief  erst  aus  dieser 
Zeit  datirt  ist.4)  Die  freigebigen  Stifter  versorgten  sie  reichlich  mit 
Landbesitz  und  wiesen  ihnen  zins- und  dienstpflichtige  Leute  in  Menge 
zu.  Ausser  den  nöthigen  Ackersleuten,  Hofdienern,  Hausknechten, 
Aufwärtern,  Kirchenwächtern,  Glöcknern,  Fischern,   Gerbern,  Schu- 


')  Cosmas. 

3)  Dom-  und  Collegiatstifte  galten  ihrer  Regel  wegen  als  eine  Art  von  Klö- 
stern. Es  kamen  auch  häufig  Fälle  vor,  dass  solche  Stifter  ohne  weitere 
Umstände  wirkliche  Klöster  wurden  und  zwar  dadurch,  dass  an  die  Stelle 
der  Chorherren  regulirte  Canoniker  berufen  wurden.  Dies  geschah  z,  B, 
in  Klosterneuburg. 

3)  Cosmas,  Pulkava,  Weleslawin  nennen  das  Jahr  1046,  Pubitschka  III.  335 
weiset  nach,  dass  es  1045  geschah.  Die  älteren  Chronisten  nennen  die 
neue  Kirche  durchwegs  eine  zu  Ehren  des  h.  Wenzel  geweihte.  Da  aber 
das  Capitel  stets  SS.  Cosmas  und  Damian  hiess,  so  ist  wahrscheinlicher, 
dass  der  Name  S.  Wenzel  nur  den  Namen  der  frühern  Patrone  beigefügt 
wurde,  wie  dies  erweislich  auch  mit  dem  S.  Veitsdome  in  Prag  geschah. 
Weleslawin  und  Andere  nennen  als  Consecrationstag  den  20.  Mai. 

4)  Bei  Erben  regesta  p.  47.  u.  Bdlbini  epitome  lib.  III.  p.  191.  Dobner  an- 
nal:  V.  310.  Nach  Palacky  (im  Anhange  zu  Erben  reg.  p.  624)  ist  dieser 
Stiftungsbrief  von  zweifelhafter  Aechtheit  und  soll  derselbe  nicht  vor  dem 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  abgefasst  sein. 


126 


stern,  Pechsiedern,  Schäfern,  Müllern  und  Schmieden  fehlte  es  so- 
gar nicht  an  einem  Schildarbeiter,  Bildhauer,  Goldschmied,  Drechs- 
ler und  Zuckerbäcker. 

2.  Im  Umkreise  der  jetzigen  Diöcese  von  Leitmeritz  wurden 
dem  Stifte  schon  ursprünglich  der  Maierhof  und  das  alte  Pfarr- 
dorf Lysa  '),  die  jetzige  Stadt  gleichen  Namens  und  die  Dorf- 
schaften Detenice  und  Mlikafi  im  jetzigen  Bunzlauer  Kreise 
zugewiesen,  erstere  heute  noch  der  Amtsort  eines  gleichnamigen 
Gutes,  letztere  aber  dermalen  völlig  unbekannt.  Ueberdiess  hatte 
es  eine  Abgabe  an  Honig  zu  beziehen  von  den  Ortschaften  Rauny 
(vielleicht  dem  heutigen  Raudny  auf  dem  Gute  B.  Aicha  oder  dem 
Dorfe  Raudne  auf  dem  Gute  Turnau  und  Skal),  von  Libinic  (?), 
Losenic  (?),  Osek  (vermuthlich  dem  alten  Pfarrorte  dieses  Na- 
mens auf  der  Herrschaft  Kost  2)  und  Wlkowa  (auf  dem  Gute 
Laucin).  Auch  besass  es  zur  Kirchenwache  verpflichtete  Unter- 
thanen  in  dem  alten  Pfarrdorf e  Bezno  3)  und  in  den  Ortschaften 
Wlkowa  und  Dobrowice.  Aus  den  Städten  Saaz  und  Jung- 
bunzlau  bezog  es  den  zehnten  Theil  von  allem  herzoglichen  Ge- 
richtseinkommen; ebenso  von  allen  Grundstücken,  die  zu  beiden 
Städten  gehörten,  den  Zehnten  an  Garben  und  an  Gross-  und 
Kleinvieh;    auch    von    allen    in  Erbpacht  gegebenen   Besitzungen 


')  Dieser  Hof  hatte  vorher  dem  Grafen  Mutis  gehört.  Um  1355  finden  wir 
hier  die  Kaiserin  Anna  als  Grundherrin,  welche  die  hiesige  Pfarrcollatur 
dem  neuen  S.  Carlskloster  in  Prag  übertrug,  worauf  die  Kirche  in  Lysa 
durch  Urkunden  der  Kaiserin,  des  Kaisers,  des  Papstes  und  des  Erzbi- 
schofs für  immer  dem  Kloster  incorporirt  wurde.  (Lib.  Erect.  III.  P.  1. 
(cid.  1387,  ibid.  III.  H.  3,  XII  B.  2.)  Diese  Kirche  war  damals  ent- 
schieden die  reichste  des  ganzen  Archidiakonats,  indem  sie  1384  2  Seh. 
zum  halbjährigen  Kirchenzehent    beisteuern  konnte.   {Begist.  deeimarum.) 

3)  Diese  um  1360  sicher  unter  der  Collatur  der  Herren  von  Wartenberg  auf 
Kost  stehende  Pfarrkirche  zahlte  1384  nur  6  böhm.  Groschen  zum  Kir- 
chenzehent, ist  also  wohl  Jüngern  Ursprungs.  {Begistrum  detimamm.  — 
Libri  confirm.  ad  1360,  1363,  1379  und  1380.) 

3)  Bezno  hatte  eine  der  ältesten  Kirchen  des  Dekanats  Kamenec,  indem  selbe 
1384  mit  30  Gr.  am  Kirchenzehent  sich  betheiligte.  Im  Jahre  1369  er- 
scheint ein  ßohunko  von  Libis  als  Grundherr  und  Kirchenwohlthäter. 
(Begist.  deeimarum.  —  Libr.  Erect.  I,  K.  6.  dd.  1369  und  1371.  —  Lib. 
confirm.  1373.  1399.) 


127 

derselben    Städte   den    zehnten   Theil    des    erzeugten  Honigs   und 
der  üblichen  Friedenssteuer. 

Nebst  diesen  ursprünglichen  besass  Altbunzlau  erweislich  in 
späterer  Zeit  noch  einige  andere  Güter  im  Bereiche  der  jetzigen 
Ieitmeritzer  Diöcese.  Zu  diesen  gehörte  Malesow,  das  heutige 
Maischen  bei  Gastorf,  ein  uraltes  Pfarrdorf,  das  der  selige  Hroz- 
nata,  Stifter  der  Klöster  Tepl  und  Choteschau  schon  1197  seinem 
Kaplane  Holofernes  geschenkt  hatte.  ')  Wann  und  wie  es  an  das 
Collegiatstift  zu  Altbunzlau  gekommen  sein  mag,  ist  nicht  wohl  zu 
ermitteln.  Sicher  aber  übte  daselbst  um  1360  der  altbunzlauer 
Propst  als  Grundherr  das  Collaturrecht  aus.  2)  Im  J.  1384  ent- 
richtete Malesow  12  b.  Groschen  als  halbjährigen  Kirchenzehent.  3) 
Ausserdem  gehörte  noch  das  Dorf  Wlkcinewes,  wahr- 
scheinlich das  jetzige  Dorf  Wolfschlinge  auf  dem  Gute  Schwaden, 
und  ein  Ort  unbekannter  Lage,  Namens  Klein-Wolenec  4),  der- 
selben Grundobrigkeit. 

3.  Im  Jahre  1384  werden  folgende  anderweitige  Präbenden 
des  Capitels  als  zehentpflichtig  aufgezählt  5):  Owcary  (1  S.);  Po- 
powice (34  gr.);  eine  zweite  Präbende  in  Popowice  (34  gr.);  eine 
dritte  ebendaselbst  (21  gr.);  Howorewice  (21  gr.);  Nedomice  (1  S.)5 
Susna  mit  einem  Antheile  von  Ohaf  (14  gr.);  Koncice  (30  gr.); 
Hlawna  nebst  einem  zweiten  Hlawna  und  Antheilen  in  Ohaf,  Kon- 
cice und  Dusna  (18  gr.) ;  die  Präbende  Ohaf  mit  einem  Antheile 
von  Koncice  (20  gr.);  eine  zweite  Präbende  in  Hlawna   mit   einem 


')  Die  Schenkungen  Hroznatas  betrafen  grossentheils  diese  Gegend.  (Hruscho- 
wan,  Prachowa,  Drum,  Prc-boscht,  Ploschkowitz,  Schwaden,  Skalice,  Nezly 
u.  s.  w.)  Dies  und  der  Umstand,  dass  ein  anderes  Malesow  (Stadt  und 
Burg  im  caslauer  Kreise)  wohl  schon  seit  1143  zum  Kloster  Sedlec  ge- 
hörte, ein  drittes  (im  klattauer  Kreise)  jetzt  zerstörtes  Dorf  aber  nie  als 
Pfarrort  genannt  ist,  spricht  für  die  Identität  dieses  Malesow. 

3)  Libr.  confirm.  ad  25.  Mai  1361.  Collator  :  Pjopst  Zawis  von  Racine wes. 

3)  Itcgistr.  decimarum. 

4)  Wlkcinewes  und  Wolenec  maly  wurden  zugleich  mit  dem  Dorfe  Wratkow 
(casl.  Kr.?)  im  Jahre  1436  durch  Verpfändung  Seitens  des  Kaisers  Sigmund 
dem  Stifte  entfremdet.  (Palacky  Archiv  I.  517,  540,  IL  179.) 

5)  Regist.  clecim.  Diese  Präbenden  umfassen  auch  die  Pfründen  aller  Kleriker 
in  Altbunzlau,  da  letztere  nicht  besonders-  genannt  werden. 


128 


Antheile  in  Ohaf  (28  gr.) ;  eine  dritte  Präbende  in  Hlawna  (9  gr.) ; 
Bylichow  (30  gr.);  Howofewice  (21  gr.);  zwei  Präbenden  in  Dusna 
(15  und  18  gr.)  und  zwei  Präbenden  in  Susna  (15  und  18  gr.). ') 


§.  33.  Das  Collegiatstift  S.  Stephan  in  Leitmeritz. 

1.  Die  Geschichte  hat  dem  frommen  Herzoge  Spytihnew  IL 
den  Ehrennamen  Vater  des  Klerus  gegeben  und  durch  alle 
Jahrhunderte  bewahrt:  die  Vorsehung  aber  hat  das  schönste  Mo- 
nument seiner  freigebigen  Religiosität  in  allen  Stürmen  der  Ver- 
gangenheit bewahrt  und  einer  ruhmvollen  Gegenwart  überliefert  — 
das  Capitel  bei  S.  Stephan  in  Leitmeritz,  dessen  letzter 
Propst  imJ.  1656  der  erste  Bischof  der  leitme  itzer  Diöcese  gewor- 
den ist.  Spytihnew  IL  stiftete  dasselbe  im  J.  1057  „zum  Heile 
seiner  Seele"  für  den  heiligen  Dienst  an  der  neuen  „ehr- 
würdigen Kirche,  die  er  ebendaselbst  zur  Ehre  Christi, 
der  seligsten  Jungfrau  Maria,  des  Erstl  ingsmartyrs 
Stephanus  und  anderer  Heiligen  erbaut  hatte.  2) 

2.  Burg  und  Stadt  Leitmeritz  3)  muss  in  dieser  Zeit  wieder 
unter  der  landesfürstlichen  Gewalt  gewesen  sein;  diess  deuten  die 
mannigfachen  Rechte  an,  welche  Spytihnew    seiner    neuen  Stiftung 


')  Als  anderweitige  Besitzungen  werden  genannt:  Popovice,  Prisnin,  Zapy, 
Dfevcice,  Drisech,  Unterthanen  in  Kresenic,  Lubosin,  Podlesin,  Obodi, 
Postrizin,  Znocice,  Bezenec,  Maslovic,  Letecek,  Lubacic,  Syritic,  der  Ze- 
hent  von  Caslau  und  Görlitz,  eine  Abgabe  von  Zizelic;  in  Mähren  der 
Zehent  von  Rokican,  Znaim,  Bechow  und  von  den  Brückenzöllen  der 
Thaja,  Abgaben  in  Olmütz,  Prerau,  Spitignew,  Godonin,  Bracislaw,  Stra- 
honin,  Brunn,  Pustimir,  —  und  die  Dörfer  Blatinic,  Pregnic,  Naluchi,  Va- 
nolusi,  Na  wranie,  Dolni,  Surgust  (Zlup),  Mikulöic,  Prusy,  Troskotowic, 
Drinowic,  Pulin,  Na  gradku,  Bechamir,  Bantik,  Plesitic,  Masowic,  Sanow. 
(Erben  reg.  47  u.  48.) 

8J  Worte  des  Stiftungsinstruraents  nach  der  Ottokarisclien  Connrmationsur- 
kunde  im  leitmeritzer  Kapitelarchiv.  Die  Ansicht  dieser  alten  Kirche  bie- 
tet das  Titelbild  nach  einem  alten  Gemälde. 

3)  „Castrum  Litomericense"  lieisst  in  dem  bestätigten  Stiftungsinstrumente 
der  jetzige  Domhügel,  wo  die  alte  Collegiatkirche  an  der  Stelle  der  jetzi- 
gen Domkirche  sich  erhob,  Vgl.  auch  §.  9.  n.  1. 


129 

sofort  auch  innerhalb  der  Stadt  einräumte.  Seit  dem  Tode  des  h. 
Adalbert  war  das  mit  dem  Fluche  der  Kirche  beladene  hiesige  Grafen- 
geschlecht der  Wrsowecen  dem  schrecklichsten  Lose  anheimgefallen. 
Wohl  war  einer  derselben  um  das  J.  1000  sogar  Schwiegersohn 
Boleslaw's  des  Grausamen  geworden,  und  auch  die  übrigen  hatten 
ein  hohes  Ansehen  am  Hofe  des  unwürdigsten  .Fürsten  errungen. 
Aber  gerade  sie  hatten  im  J.  1002  an  der  Spitze  der  Empörung 
gestanden,  welche  einen  polnischen  Prinzen  auf  den  böhmischen 
Thron  erhob.  Kaum  war  daher  der  vertriebene  Boleslaw  im  Jahre 
1003  wieder  zur  Herrschaft  gelangt,  so  rächte  er  sich  furchtbar 
an  seinen  falschen  Freunden.  In  der  Nacht  des  Faschingdienstags 
erdolchte  er  mit  eigener  Hand  seinen  Schwiegersohn  und  Hess  auch 
die  Gehasstesten  der  übrigen  durch  seine  Diener  ermorden  (10. 
Februar  1003).  Muthmasslich  ist  damals  das  Privateigenthum 
der  geächteten  Familie  in  und  um  Leitmeritz  an  die  landes- 
fürstliche Kammer  gefallen.  ')  So  finden  wir  nun  im  Jahre  1057 
den  kirchenfreundlichsten  Fürsten  als  alleinigen  Herrn  von  Leit- 
meritz und  zahlreichen  Orten  im  Umkreise.  So  war  es  ihm  auch 
leicht,  seine  schönste  Stiftung  durch  reiche  Einkünfte  in  der  näch- 
sten Nähe  zu  versorgen. 

3.  Bevor  wir  die  Dotation  des  für  uns  so  wichtigen  Colle- 
giatstifts  näher  beleuchten,  thut  es  Noth,  der  beiden  Urkunden 
etwas  ausführlicher  zu  gedenken,  welche  uns  über  jene  Aufschluss 
geben  sollen.  Die  entschieden  echte  von  beiden  ist  ein  Bestäti- 
gungsbrief des  Königs  Pfemysl  Ottokar  I.  vom  J.  1218,  der  noch 
jetzt  im  Original  im  leitmeritzer  Capitelarchiv  vorliegt.  Derselbe 
beruft  sich  ausdrücklich  auf  den  damals  vorgelegten  ersten  Stif- 
tungsbrief des  Herzogs  Spytihnew,  welcher  aber  in  Folge  hohen 
Alters  bereits  vermodert  gewesen  sei.  3)  Eben  deshalb  aber  will 
der  ottokarische  Brief  ausdrücklich  den  Wortlaut  des  Origi- 
nals erneuern,  „damit  nicht  etwa   durch  Vergessenheit 


*)  Am  Ende  des  11.  Jahrhunderts  finden  wir  die  Nachkommen  der  Unglück- 
lichen wieder  auf  einige  Zeit  im  Besitze  der  leitmeritzer  (und  saazer) 
Grafenwürde,  aber  nur  um  selbe  schon  im  Jahre  1096  von  Neuem  und 
endlich  im  Jahre  1108  durch  den  blutigsten  Untergang  für  immer  zu  ver- 
lieren. Vgl.  Palacky  Gesch.  Böhm.  I.  342—348  und  360—363. 

3)  „Ex  sui  vetustitate  jam  putridum." 

9 


130 

die  Güter  jener  Kirche  entfrem  dct  werden  mochten."  ]) 
Wir  besitzen  also  in  dieser  ottokarischen  Bestätigungsurkunde  zu- 
gleich den  ächten  Text  des  ursprünglichen  Stiftungsinstrumentes  5) 
und  somit  auch  eine  sehr  genaue  Kenntniss  der  ältesten  Stamm- 
besitzungen unseres  Kapitels. 

Nebst  der  ottokarischen  Urkunde  besitzen  wir  noch  ein  angeb- 
lich ursprüngliches  Stiftungsinstrument  des  Herzogs  Spytihnew, 
dessen  Inhalt  aber  von  dem  im  Bestätigungsbriefe  citirten  Wort- 
laute der  Form  nach  gänzlich  und  auch  dem  Inhalte  nach  vielfach 
abweicht.  Diese  zweite  Urkunde  war  im  J.  1825  noch  im  Origi- 
nale im  leitmeritzer  Capitelarchive  vorhanden,  ist  aber  von  da 
bis  zum  J.  1834  auf  bisher  nicht  ermittelte  Weise  abhanden  ge- 
kommen. Uebrigens  hat  uns  der  gelehrte  Dobner  3j  ein  Facsimile 
desselben  aufbewahrt,  sowie  auch  anderseits  eine  genaue  Abschrift 
des  bekannten  Geschichtsforschers  -P.  Athanasius  a  S.  Josepho  mit 
beigegebenen  kritischen  Noten  im  bischöflichen  Archive  zu  Leit- 
meritz,  und  eine  angeblich  collationirte  zweite  Abschrift  in  der 
prager  Universitätsbibliothek  4)  vorhanden  ist.  Nach  dem  Facsimile 
Dobners  ist  der  nicht  ganz  vollständige  Wortlaut  in  Erbens  Re- 
gesten 5)  abgedruckt.  Diess  Actenstück  ist  ohne  Zweifel  unächt, 
weil  ja  das  echte  Original  schon  im  J.  1218  ganz  modrig  war  und 
einer  Erneuerung  in  der  ottokarischen  Urkunde  bedurfte,  daher 
nicht  wohl  bis  zum  J.  1825  in  vollkommen  leserlichem  Zustande 
sich  erhalten  konnte.    Dazu  kommt  noch  die  Abweichung  von  dem 


])  „Fecimus  renovari  et  sigillorum  nostrorum  impressione  confirmari,  in 
nullo  antiqui  privilegii,  quod  tale  est,  tenore  mutato." 

2J  Nur  eine  einzige  Stelle  erscheint  mangelhaft.  Es  werden  nämlich  nur  13 
dem  Kapitel  vollständig  gehörige  Ortschaften  namentlich  angeführt,  ob- 
gleich kurz  vorher  die  Schenkung  von  14  solchen  Ortschaften  erwähnt 
wird.  Es  ist  aber  wahrscheinlich,  class  die  Auslassung  des  einen  Namens 
mit  Vorsatz  geschah,  weil  vielleicht  der  betreffende  Ort  zur  Zeit  der 
Ausstellung  des  ottokarischen  Briefes  nicht  mehr  im  Besitze  des  Kapitels 
sich  befand. 

3)  Annal.  V.  325. 

4)  M.  S.  I.  D.  2. 

5)  P.  51. 


131 

Wortlaute  des  ottokarischen  Instrumentes.  ')  Es  scheint  das 
angeblich  spytihnewische  Instrument  eben  nichts  mehr  und  nichts 
weniger  zu  sein,  als  eine  ziemlich  treuherzige  vermeintliche  Wie- 
derherstellung des  ursprünglichen  Stiftungsbriefes  und  zwar  aus 
einer  Zeit,  wo  weder  der  letztere  noch  die  ottokarische  Bestäti- 
gung beim  Kapitel  vorfindig  war.  Solche  Zeiten  konnte  es  in 
Böhmen  wohl  öfters  gegeben  haben,  etwa  nach  dem  Tode  Pfemysl 
Ottokars  IL,  nach  dem  Tode  Wenzels  HL,  in  den  hussitischen  und 
in  den  lutherischen  Tagen.  Da  flohen  die  Capitularen  mit  ihren 
schriftlichen  Schätzen  von  ihren  Sitzen  und  nahmen  mit  der  Zeit 
irgend  eine  Landpfarre  an.  In  Folge  dessen  hatten  dann  die  Ca- 
pitelvorsteher  gar  viele  Mühe  in  ruhigerer  Zeit  die  nach  allen 
Seiten  hin  verschleppten  Urkunden  wieder  zusammenzubringen.  2) 
Oft  mussten  sie  sich  wohl  auch  damit  begnügen,  den  Inhalt  der 
verlorenen  Dokumente  nach  den  Aussagen  verlässiger  Gedenkmän- 
ner neu  aufzuzeichnen. 

Muthmasslich  ist  so  die  angebliche  spytihnewische  Urkunde  im 
14.  Jahrhunderte  entstanden.  Nichts  desto  weniger  ist  sie  für  unsere 
Sache  von  einiger  Bedeutung.  Sie  hebt  manchen  Zweifel  in  der 
Lesung  der  ursprünglichen  Ortsnamen,  und  indem  sie  auf  Grund 
der  lebendigen  Tradition  einer  späteren  Zeit  entstanden  ist,  nennt 
sie  uns  auch  manche  Besitzung,  welche  das  Kapitel  erst  nach  Pfe- 
mysl Ottokar  I.  erworben  und  zu  oder  unmittelbar  vor  der  Zeit 
ihrer  Abfassung  noch  besessen  hat. 

4.  Ein  bestimmtes  Stiftungsjahr  nennt  weder  das  eine  noch 
das  andere  Dokument.  Der  Umstand  aber,  dass  in  den  bis  ins 
14.  Jahrhundert  zurückreichenden  Akten  des  Capitels  immer  das 
Jahr  1057  als  Jahr  der  Stiftung  angenommen  ist 3)  und  die  stetige 
mündliche  Tradition  des  Capitels  selbst  nöthigen  auch  uns  zur 
Annahme  des  Jahres  1057.  4) 


')  Vgl.  Palacky  in  Öasopis  öesk.  Museum.  X.  1836.  p.  323—346. 

2)  Dies  beweisen  mehrere  Akten  des  prager  erzbischöflichen  und    des  leitm. 

bischöfl.  Archivs. 
3J  Nach  dem  M.  S.  des  Laurentius  Slavik,  Domdechants  zu  Leitmeritz  (1777): 

Observatio  historica  in  pervetustum  diploma  Spitignei  IL  (Im  leitm.   Capi- 

telarchive.) 
4)  Dobner  annal.  V.  351,  gestützt  auf  Neplacho,   nimmt  das  Jahr  1058,  Pu- 

9* 


132 

1.  Die  Besitzungen  und  Einkünfte  des  neuen  Collegiatstifts 
waren  wahrhaft  grossartig.  Der  fromme  Stifter  beabsichtigte 
eben  nichts  Geringeres,  als  die  religiöse  Familie  des  neuen 
Gotteshauses  von  allen  zeitlichen  Sorgen  zubefreien 
und  in  ihrer  Art  zu  fürstlichem  Ansehen  zu  erheben.  J) 

Wir  nennen  vor  Allen  jene  Orte,  welche  nach  Angabe  des 
ottokarischen  Briefes  dem  Capitel  zur  Gänze  angehören  sollten. 

a.  Das  uralte  Pfarrdorf  Kfesic,  welches  heute  noch  zum 
Eigenthume  des  Bisthums,  beziehungsweise  der  Propstei  gehört.  2) 
Seit  der  völligen  Abtheilung  der  Präbenden  war  dieses  Dorf  dem 
Propste  zugetheilt,  jedoch  so,  dass  nebstbei  noch  zwei  Kanoniker 
zur  Gänze  und  ein  dritter  zum  Theile  ihre  Präbendeneinkünfte  von 
hier  bezogen.  Diese  Präbenden  waren  im  J.  1384  so  bedeutend, 
dass  jede  derselben  mit  21  b.  Groschen  am  halbjährigen  Kirchen- 
zehent  sich  betheiligen  musste.  Die  Pfarrpfründe  in  Kfesic  ent- 
richtete damals  zu  dem  gleichen  Zwecke  9  b.  Groschen.  3)  Es  ist 
nicht  zu  zweifeln,  dass  die  letztere  ihre  Entstehung  der  opferwilli- 
gen Frömmigkeit  der  Capitularpröpste  verdankte,  welche  auch  je- 
derzeit das  Collaturrecht  über  dieselbe  ausübten. 4)  Im  J.  1412 
wurde  auch  der  grössere  Theil  der  Einkünfte  des  Propstei- Vicari- 
sten  in  Kfesic  fundirt.  5)  Im  J.  1437  gelangte  der  Ort  zeitweilig 
durch  kaiserliche  Verpfändung  in  den  Besitz  der  Stadt  Leitmeritz.  6) 

b.  Auch  das  Dorf  (villa)  Zasada  T),  dermalen  eine  Vorstadt 
von  Leitmeritz,   ursprünglich   aber   wahrscheinlich   der  eigentliche 


bitschka's  Chronik  aber  ohne  Angabe  eines  Grundes  gar  1059  an.  Ne- 
plachos  Angabe  dürfte  auf  die  Consecration  der  Capitelkirche  zu  bezie- 
hen sein. 

')  Dies  sagt  das  in  der  ottok.  Urkunde  citirte  Instrument  des  Stifters. 

3)  Die  Urkunden  nennen  es  Cresici.  Nebenbei  sei  hier  erwähnt,  dass  bei 
Errichtung  des  Bisthums  zuJLeitmeritz  der  damalige  Propst  Rud.  Schiein  itz 
Bischof  wurde  und  für  sich  und  seine  Nachfolger  das  Propsteieinkommen 
als  bischöfliche  Dotation  beibehielt,  gegen  dem,  dass  er  und  seine  Nach- 
folger dafür  sorgen  würden,  die  Propstei  von  Neuem  zu  stiften. 

3)  Begistr.  decimarum. 

4)  Libri  confirm.  ad  1391,  1402,  1415. 

5)  Libri  confirm.  31.  Aug.  1412. 

6)  Palacky  Archiv  I.  501. 

7)  Nach  beiden  citirten  Urkunden. 


133 


Burgflecken,  wurde  eine  Besitzung  des  Collegiatstifts.  Hier  erhob 
sich  —  in  unbekannter  Zeit  —  die  Pfarrkirche  zu  Ehren  des  h. 
Adalbert  unter  bischöflicher  Collatur.  ')  Auch  befanden  sich  da- 
selbst später  mehrere  Residenzhäuser  der  Capitularen.  2) 

c.  Das  Dorf  Praskowice  in  der  Nahe  von  Leitmeritz.  3) 
Als  das  Capitel  im  J.  1319  Schritte  zur  Wiedererwerbung  mehre- 
rer in  der  vorhergegangenen  unruhigen  Zeit  verlorenen  Güter  that, 
gehörte  wohl  auch  Praskowitz  bereits  zu  diesen  letzteren,  da  in 
den  vom  J.  1358  an  laufenden  Confirmationsbüchern  eines  Colla- 
turrechtes  des  Capitels  für  diesen  Ort  nicht  mehr  gedacht  wird. 
Derselbe  war  —  in  unbestimmbarer  Zeit  —  in  den  Besitz  des  Klo- 
sters der  Benediktinerinnen  zu  Teplitz  übergegangen,  welches  er- 
weislich in  den  Jahren  1416  und  1417  Seelsorger  für  die  Kirche 
allda  präsentirte.  4)  Diese  Pfarrkirche  selbst  gehörte  im  J.  1384 
wohl  zu  den  Jüngern  des  leitmeritzer  Dekanats,  indem  sie  sich  da- 
mals nur  mit  4  b.  Groschen  am  allgemeinen  Kirchenzehent  bethei- 
ligen konnte.  5) 

d.  Der  Pfarrort  Slatina  in  der  Nähe  vonLibochowitz.6)  Im 
J.  1319  wurde  derselbe  vom  Propste  Adalbert  mit  Bewilligung  des 
Capitels  emphyteutisch,  jedoch  unter  Vorbehalt  gewisser  Jahres- 
zinsen, veräussert,  um  mit  dem  Erlöse  andere  verloren  gegangene 


!)  Vgl.  §.  15.  n.  5.  6. 

3)  Nach  Akten  des  Bischofs  Schleinitz  im  bischöfl.  Archive. 

3)  Die  ottok.  Urkunde  nennt  es  Ptachichi,  was  sicher  Prachichi  zu  lesen 
ist.  Das  spytigneische  Instrument  nach  der  Leseart  des  P.  Athanasius  a 
S.  Josepho  (MS.  des  bischöfl.  Archivs)  und  der  collationirten  Abschrift  der 
Prager  Universität  (I.  D.  2)  nennt  es  Pracici.  Nach  Dobners  Facsimile  des 
an  dieser  Stelle  mutilirten  Originals  heisst  es  Praci .  . .  nach  der  Leseart 
Erbens  (regesta  p.  51)  erscheint  esalsPran...  .  Letzterer  (Erben  regest  ap- 
774)  aber  bezeichnet  wieder  anderwärts  als  hier  gemeintes  Capitelgut  ein 
Dorf  Ptacici,  angeblich  gleichbedeutend  mit  Ptaßice,  welcher  Name  aber 
nirgends  vorfindig  ist.  Da  diese  Güter  sonst  ohne  Ausnahme  in  der  Ge- 
gend von  Leitmeritz  lagen,  so  ist  dasselbe  auch  von  obigem  Orte  anzunehmen. 
Dann  aber  ist  es  unter  den  noch  bestehenden  oder  ehedem  bestande- 
nen, insofern  selbe  bekannt  sind,  nur  das  jetzige  Praskowic. 

4)  Libr.  confirm.  a.  h.  a. 

5)  JRegistrum  decimarum. 

6)  Dieser  Ort  wird  nur  im  ottokarischen  Instrumente  genannt. 


134 

Capitelgüter  wieder  einzulösen.  l)  Dennoch  verblieb  das  Collatur- 
recht  über  die  Pfarrkircke  daselbst,  welche  1384  den  Beitrag  von 
6  Groschen  zum  halbjährigen  Kirchenzehent  leistete  2),  nach  wie 
vor  dem  leitmeritzer  Propste,  der  davon  noch  in  den  Jahren  1391, 
1405  u.  1408  Gebrauch  machte. 3) 

e.  Der  alte  Pfarrort  Chauc,  die  jetzige  Filiale  Kauz  bei 
Selnic. 4)  Derselbe  blieb  fortan  bis  zur  Verpfändung  (durch  K. 
Sigismund  an  Jakob  von  Wresowic)  im  Jahre  1437 5)  ununter- 
brochen im  Besitze  des  Stiftes,  und  zwar  seit  der  Trennung  der 
Präbenden  als  Antheil  des  Propstes,  der  erweislich  noch  im  Jahre 
1402  sein  Präsentationsrecht  in  der  Besetzung  des  hiesigen 
Pfarrbeneficiums  ausübte. 6)  Nebenbei  erscheinen  allerdings  im 
Jahre  1363  „Die  Bürger  vonBrüx"  als  Collatoren  eines  Altaristen- 
beneficiums  daselbst,  7)  und  1381  ein  Hinko  von  Kowzlak  als 
Stifter  eines  beständigen  Jahreszinses  von  1  Schock  und  6  böhm. 
Groschen.  8)  Da  aber  diese  Kirche  nichts  desto  weniger  im  Jahre 
1384  nur  3  b.  Groschen  zum  halbjährigen  Kirch endecem  beitragen 
konnte, 9)  so  scheint  sie  immerhin  eine  der  Jüngern  in  der  Ge- 
gend gewesen  zu  sein.  Später  schenkten  neue  Wohlthäter,  und  zwar 
1386  Ulrich  von  Dobfic,  und  1392  Mixo  (Nikolaus)  von  Ujezd  je 
ein  Schock  jährlicher  Zinsungen  zu  diesem  Gotteshause. 10)  Alle 
diese  Herren  scheinen  Lehensträger  des  jeweiligen  Propstes  zu 
Leitmeritz  gewesen  zu  sein. 


')  Originalurkunde  im  leitm.  Capitelarchive  dd.  IV.  nonas  Decembris  1319. — 
So  erklärt  sichs  von  selbst,  warum  die  später  abgefasste  angebliche  Stif- 
tungsurkunde von  dieser  Besitzung  nichts  mehr  weiss.  — 

3)  Begistrum  decimarum. 

3)  Lib.  confirm.  ad  h.  a. 

4)  Im  ottokarischen  Instrumente  heisst  dieses  Dorf  Huchi,  im  spytigneischen 
Huesci.  —  Erben  (regesta  737)  bezeichnet  diese  Namen  als  Chuc\ 

5)  Palacky  Archiv  IL  453. 

6)  Lib.  confirm.  ad  h.  a. 

7)  Ebendaselbst  ad  h.  a.  Altaristen  wurden  von  Kirchenwohlthätern  über- 
haupt und  nicht  bloss  von  den  Patronen  gestiftet. 

8)  Libr.  Erect.  XII.  F.  2. 

9)  Begistrum  decimarum. 

10)  Lib.  Erect.  XII.  A.  11.  u.  D.  14. 


135 

f.  Nebst  den  bisher  erwähnten  5  alten  Pi'arrorten  nennt  uns 
die  ottokarische  Urkunde  noch  folgende  Dorfschaften,  welche  ur- 
sprünglich zur  Gänze1)  dem  Capitel  gehörten:  Pirne  (Pirney), 
wahrscheinlich  ein  ehemals  zwischen  Leitmeritz  und  Trebautitz 
gelegenes  Dörfchen  am  Fusse  der  Berghöhe,  die  heute  noch  den 
Namen  Pirney  führt  und  zu  den  bischöflichen  Besitzungen  gehört ; 5) 
Trebesici  das  jetzt  noch  bi schöil.  Dorf  Tf ebautic ; :j)  R e p c i c i, 
das  heute  noch  zum  Bisthume  gehörige  Dorf  Ober  -  Kepsch ; 4)  T  i  n  e  z, 
das  dermalen  zur  Domdechantei  gehörige  Dorf  Alttein,  von  wel- 
chem das  ganze  Gut  den  Namen  Teinic  führt 5) ;  Z  e  d  1  z  e,  wohl 
das  heutige  Selz  (Sedlec)  auf  dem  Gute  Enzowan,  das  aber  nur 
kurze  Zeit  dem  Stifte  verblieb;6)  Dubech,  wahrscheinlich  das 
jetzige  Dubitz  bei  Türniitz,  :)  welches  erst  im  Jahre  1436  durch 
kaiserliche  Verpfändung  an  Johann  Kaplif  von  Sulewic  der 
Propsteipräbende  entzogen,  wurde 8) ;  Lubessovichi,  das  jetzige 
Liebschitz  (Libesice)  bei  Kauz  auf  der  Herrschaft  Biiin,  welches 
ebenfalls  erst  im  Jahre  1437  zugleich  mit  Kauz  durch  eine  gleiche 
Verpfändung  aus  dem  Eigenthume  der  leitmeritzer  Propstei  in 
den  Besitz  des  Jakob  von  Wfesowic  überging;9)  endlich  Popovo 


1)  Die  ottokarische  Urkunde  nennt  sie  „integras  villas"  zum  Unterschiede 
von  solchen  Ortschaften,  wo  nur  einzelne  Ministerialen  dem  Capitel  zuge- 
hörten. Schon  dies  spricht  dafür,  dass  unter  villae  nicht  Höfe  ,  sondern 
Dörfer  gemeint  sind.  Ueberdies  bestätigen  unzählige;  Beispiele  aus  la- 
teinischen Urkunden  des  Mittelalters,  dass  villa  stets  eine  Dorfschaft, 
dagegen  pagus  einen  Gau  und  curia  einen  Hof  bedeute. 

2)  In  der  spytig.  Urkunde  :  Prrna. 

3)  In  der  spytig.  Urkunde:  Trebessici. 

4)  In  der  spytig.  Urkunde:  Pteptici.  Dieses  Dorf  wurde  1470  unter  dem  Na- 
men Kepöice  als  Besitz  der  Propstei  an  einen  leitmeritzer  Bürger  ver- 
pfändet und  1472  an  einen  Herrn  v.  Kopist  veräussert,  1490  aber  wieder 
erworben.  (Acten  im  Capitelarchive.) 

5)  In  der  spytig.  Urkunde  Tince. 

6)  Dieses  wird  in  der  spytigneischen  Urkunde  nicht  mehr  genannt,  war  also 
zur  Zeit  der  Abfassung  derselben  längst  abhanden  gekommen. 

7)  Das  spytig.  Instrument  nennt  es  abweichend  Dubessevici. 

8)  Dubec  —  zugleich  mit  den  Gütern  des  Klosters  St.  Georg  in  dieser  Ge- 
gend verpfändet  um  1000  Seh.  Palacky  Archiv  1.502. 

9j  Palacky  Archiv  II.  453.  Obgleich  Lubessovichi  (im  spytig.  Dokumente  Lu- 


136 

(oder  nach  dem  spytigneischen  Dokumente  Ponovi),  ein  jetzt  un- 
bekannter Ort,  wenn  es  nicht  etwa  die  ehemalige  Burg  Panna  auf 
dem  an  Kfeschitz  anstossenden  Gute  Zahofan  ist. 

2.  Es  ist  zu  erinnern,  dass  die  ottokarische  Urkunde  aus- 
drücklich 14  ganze  Dorfschaften  aufzählen  will,  die  dem  Capitel 
von  Spytihnöw  geschenkt  worden  sind,  deren  jedoch  nur  13  nament- 
lich anführt.  Dafür  nennt  uns  das  angeblich  spytigneische  Dokument 
mit  Ueibergehung  von  Slatina  und  Zedlce  l)  vier  neue  Ortschaften, 
welche  erst  später  in  den  Besitz  des  Capitels  gelangt  sind,  vielleicht 
mit  Ausnahme  eines  einzigen,  welches  eben  das  in  der  ottokari- 
schen  Urkunde  ausgelassene  vierzehnte  Capiteldorf  der  ersten 
Zeit  sein  dürfte. 

a)  Ich  nenne  vorerst  Bau§ovice,  das  alte  Pfarrdorf  in 
der  Nähe  von  Leitmeritz,  welches  wahrscheinlich  von  einem 
ehemaligen  Besitzer,  Namens  Bonus,  den  Namen  (Bohusowice,  Buso- 
wice)  erhalten  haben  dürfte.  Schon  im  Jahre  1226  gelangte  ein 
Theil  dieses  Dorfes  durch  Kaufvertrag  von  Seiten  eines  ge- 
wissen Bruno,  dem  Sohne  Bleks  an  das  Kloster  Doxan  2),  während 
der  andere  Theil  sich  weiterhin  im  Besitze  des  Klosters  Bfewnow 
findet.  Nichts  desto  weniger  erhielt  sich  hier  eben  noch  ein  klei- 
nes Besitzthum  der  leitmeritzer  Capitularen  sicher  bis  1384,  wo 
dasselbe  ausdrücklich  als  Theil  einer  besondern  Capitelpräbende 
(zugleich  mit  einem  Einkommen  von  K r e § i c  und  Cernowes) 
genannt  wird.  Diese  Präbende  zahlte  damals  21  böhmische  Groschen 
als  Halbjahrszehent  ab.  Die  Pfarrkirche  in  Bausowice,  deren 
Collatur  dem  Kloster  Doxan  zustand,  entrichtete  zu  dieser  Zeit  zu 
gleichem  Zwecke  12  böhmische  Groschen  und  war  somit  sicher 
eine  der   altern   in   der   Gegend. 3)  Die  in  der  spytigneischen  Ur- 


bessevici)  auch  der  gewöhnliche  ältere  Name  von  Libochowitz  ist,  so  ist 
doch  nur  jenes  Libesice  damit  gemeint,  da  dieses  letztere  erweislich  im- 
mer bis  1437,  ersteres  aber  wahrscheinlich  gar  nie  dem  Capitel  angehörte. 
!)  Das  erstere  war  in  dieser  Zeit  emphyteutisch  vertheilt,  das  andere  wohl 
bereits  gänzlich  entfremdet. 

2)  Mika:  Das  ruhmwürdige  Doxan.  S.  43. 

3)  Begist.  decimarum.  —  Wir  kommen  später  bei  Gelegenheit  der  Stiftungs- 
geschichte von  Doxan  noch  einmal  auf  diesen  Ort  zu  sprechen. 


137 

künde  weiter  noch  erwähnten  Besitzungen  des  Collegiatstiftes 
sind:  Mal§ow,  das  heute  noch  zum  Domdekanate  gehörige  Dorf 
Malitschen ,  —  B  r  e  z  a,  das  heutige  Dorf  Presey  auf  dem  Do- 
minium Schwaden  —  und  der  alte  Pfarrort  Hocsow,  das  jetzige 
Chodzow  auf  dem  Dominium  Wrsowice. 

b.  Dieser  Pfarrort  Chodzow,  der  im  Jahre  1384  bereits  die  sehr 
bedeutende  Summe  von  30  böhmischen  Groschen  als  halbjährigen 
Kirchenzehent  entrichtete ,  und  daher  gewiss  zu  den  ältesten  der 
Gegend  gehörte,  war  wenigstens  von  1358  an  nicht  mehr  im 
Besitze  des  leitmeritzer  Capitels,  da  in  den  von  1358  bis  1419 
laufenden  prager  Confirmationsbüchern  eines  hiesigen  Collaturrechts 
des  leitmeritzer  Capitels  nicht  gedacht  wird.  Vielmehr  finden  wir  im 
Jahre  1370  einen  Johann  und  einen  Heinrich  von  Chodzow  als 
Patrone  des  Pfarrbeneficiums. ])  Die  Erben  des  ersteren  werden  noch 
im  Jahre  1395,  und  unter  diesen  der  erwähnte  Heinrich  noch 
1415  in  öffentlichen  Acten  genannt.  3)  Es  ist  leicht  möglich,  dass 
dieses  Chodzow  eben  der  14te  ursprünglich  zum  leitmeritzer 
Capitel  gehörige  Besitzort  gewesen  und  vielleicht  schon  um  1218 
in  andere  Hände  gekommen  war,  so  dass  die  ottokarische  Urkunde 
einen  Grund  hatte,  selben  nicht  mehr  zu  erwähnen. 


§.  35.  Fortsetzung. 

1.  Ausser  den  jetzt  genannten  vollständigen  Ortschaften  wurden 
dem  Capitel  auch  noch  sehr  viele  Antheile  anderer  Dörfer 
und  unters chiedlicheBezüge  an  Geld  und  Naturalien, 
sowie  auch  eine  Menge  unterthäniger  Dienstmannen 
mit   ihren  Familien  von  dem  edlen  Stifter  zugewiesen. 

a.  Bei  der  Stadt  Leitmeritz  selbst  gehörten  dem  Capitel 
zwei  Weinberge  mit  den  dafür  nöthigen  leibeigenen  Winzern 
und  dreissig  leibeigenen  Arbeiterinen.  Nebstbei  waren  hier  dem 
Capitel  hundert  Stück  Zugvieh  (Stuten  nach  der  spytig.  Urkunde) 


')  Libri  Confirm.  ad  h.  a. 

2)  Palacky  Archiv  I.    401,  IL    354  und  III.  483. 


138 

mit  den  erforderlichen  Weideplätzen,  hundert  Schafe,  dreissig  Kühe, 
siebenzig  Schweine,  und  von  der  Stuten  -  Heerde  alljährig  jedem  Ca- 
nonicus  ein  Füllen  zur  Bestreitung  seines  Anzuges  zugewiesen.  ')  In 
späterer  Zeit  wird  hier  „ein  Wald  vor  der  Stadt  nebst  anstos- 
senden  Aeckern  und  einem  Weinbergsabhange"  als  ein  Capitelbesitz 
genannt.2)  Einer  jener  Weinberge  hiess  im  Jahre  1403  „Mazana" 
(wohl  die  jetzige  „Mastna  hora").  Ein  gewisser  Theil  an  Aeckern  un- 
terhalb dieses  Weinberges  bis  zum  Thale  „Bazele"  ward  damals 
dem  Vikar  des  Propstes   zugewiesen. ;;) 

b.  Inder  Zupe  von  Leitmeritz  erhielt  das  Capitel  in  12 
verschiedenen  Dörfern  zinspflichtige  Bauern,  und  in  11  andern 
„die  einem  fürstlichen  Haushalte  geziemenden  Dienstleute. u  4)  In 
Zasada,  der  jetzigen  Vorstadt  von  Leitmeritz,  wurden  ihm  Glöck- 
ner, Winzer,  Schuster,  Kürschner,  Gerber,  Wagner,  Schmiede,  Hei- 
zer und  eine  Menge  anderer  Ansiedler  als  Dienstleute  zugewiesen. 
Insbesondere  gehörten  dem  Kapitel  auch  „die  Fischer  unter- 
halb der  Leitmeritzer  Burg."  Die  Wohnungen  derselben 
bilden  heute  noch  den  bischöflichen  Dominical-Ort  Fischerei. 
Ebenso  wurden  in  Pokratice  (Pokratitz)  3  und  in  Zitenice 
(Schüttenitz)  1  Winzer  sammt  ihren  Grundstücken  dem  Collegiatstifte 
geschenkt . 5)  Hieraus  entstand  sofort  dieObedienz  inPokra- 
titzund  Schüttenitz,  welche  unter  andern  im  Jahre  1411 
ausdrücklich  erwähnt  wird.  6)  Im  Jahre  1586  wurde  diese  durch 
den   Propst  Wolfgang  mittelst  Ankauf  eines  neuen  Gutes  entweder 


')  So  beide  Urkunden. 

2)  Spytign.  Urkunde. 

3)  Urkunde  im  leitmeritzer  Capitelarchive. 

4)  Ottok.  Urkunde.  Diese  Dienstleute  (ministeriales  z=  näpravnici)  waren 
meist  Handwerker  und  Bedienstete,  welche  damals  die  grosse  Masse  der 
böhmischen  Stadtbewohner  ausmachten,  auch  wohl  in  benachbarten  Dorf- 
schaften angesiedelt  waren,  jederzeit  aber  zur  Dienstleistung  bei  der  lan- 
desfürstlichen Burg  und  Öuda  zugewiesen  waren.  Solche  Ministerialeu  waren 
für  ihre  Dienste  mit  landesfürstlichen  Gründen  ausgestattet:  in  Folge  des- 
sen wurden  sie  —  obwohl  persönlich  frei  —  vom  Landesfürsten  beliebig 
an  andere  Dienstherren  überlassen.  (Vgl.  Palacky  II,  S.  30.) 

5)  Beide  Urkunden. 

6)  Lib.  Erect.  VIII.  0.  2. 


139 

vermehrt  oder  zu  einem  Theile  wieder  hergestellt. ')  Selbst  bis 
zum  heutigen  Tage  besitzt  das  Bisthum,  beziehungsweise  die 
Propstei  zu  Leitmeritz  einen  Antheil  der  Dörfer  Pokratitz  und 
Schüttenitz.  Uiberdies  erscheinen  in  dieser  Gegend  als  Wohnsitze 
der  Capitelministerialen  noch  die  Ortschaften:  tSecrpi2),  jetzt 
unbekannt  (1  Dienstmann),  Bozsko3),  vielleicht  eine  im  soge- 
nannten Thale  Boschke  zwischen  Trnowan  und  Leitmeritz  be- 
standene, jetzt  verschwundene  Ansiedlung  (1  Wagner),  Tfebautic 
bei  Leitmeritz  (2  Bauern),  Trnowan  ebendaselbst  (1  Schmied), 
Nuönic4)  und  Lukow5),  beide  auf  der  jetzigen  Herrschaft  Lie- 
beschitz  (je  1  Dienstmann),  Böhmisch- Kopist  undBrnian6) 
auf  dem  Gute  Doxan  (dort  1  Feldwirth  und  hier  ein  Pferdezüchter), 
Pia  du  jen  bei  Gastorf7)  und  Auscha8)  (je  1  Bauer),  St  ranne 
wahrscheinlich  Stran9)  auf  dem  Dominium  Drum  (1  Bauer),  Pi- 
sfany10).  Zernoseky,  Libochowany,  Zalesly,  Tlucen  n), 
Prosmyky,  sämmtlich  heute  noch  bei  Lobositz  (je  1  Bauer, 
nur  in  Libochowan  1  Fischer  und  in  Tlucen  ein  Feldwirth  oder 
Gärtner),  Wy  äkow  l2)  jetzt  zur  Herrschaft  Postelberg  gehörig 
(1  Bauer),  Lukowice,  das  jetzige  Lukawec  auf  dem  domdechant- 
lichen  Gute  Teinitz  (1  Schuster),  Dlaskowice  (2  Bauern)  und 
endlich  ChotöSow  auf  der  Herrschaft  Libochowitz  (1  Feldwirth). 


')  Protocollum  praeposiio  rum  LitomMS.  der  erzbisch.  Bibliothek  in  Prag. 
3)  Dieses  wird  nur  in  der  spytign.  Urkunde  genannt.  Erben  pag.  52   liest  es 
Stcrrpi    und  bezeichnet  es  pag.  787  als  gleichbedeutend  mit  Strpy. 

3)  Na-boschi  im  ottokarischen  und  Na  boste  im  spytign.  Dokumente.  Erben 
reg.  714  erklärt  es  als  Bozsko. 

4)  Nuchnicih  im  ottok.  und  Nucnicih  im  spytign.  Dokumente.  (Erb.  reg.  762.) 

5)  Lukove  im  ottok.,  Luchove  im  spyt.  D. 

6)  Brennarim  ottok.,  Bremass im  spyt.  D.  Erbe  715  bezeichnet  es  als  Briiany. 

7)  Kaduyne  im  ottok.,  Radvine  im  spyt.  D. 

8)  Uskri  im  ottok.,  Usti  im  spyt.  D.  Erben  reg.  795  erklärt  es  als  Üsti. 

9)  Na  ztranen  im  ottok.,  Gastranen  im  spyt.  D.  Erben  reg.  786  erklärt  es 
als  Stranne. 

10)  Peschas  als  Lokativ  im  ottok.,  und  Palceass  im  spyt.  D.  Erben  reg.  767 
bestimmt  es  als  Pistany. 

n)  Natlcni  nach  dem  ottok.,  Na  diem  nach  dem  spytig.  D.  Erben  791  be- 
zeichnet es  als  Tlucen  (im  Lokativ). 

,3)  Na  vulkonine  im  ottok.  und  spytign.,  Na  Wisskouve  im  spyt.  D.  nach  Er- 
bens  Leseart  p.  52. 


140 

c.  In  der  2upe  von  Bilin  erhielt  das  Stift  die  Hälfte  der 
jetzt  unbekannten  Dörfer  Kostelec,  K  o  n  o  j  e  d  und  Tribrusko1)  und 
ebensoviel  von  Dubrawice,  einem  ehemals  am  Fusse  des 
Schlossberges  bei  Teplitz  gelegenen  Pfarrdorfe,  dessen  wir  später 
wieder  gedenken  werden,  —  desgleichen  in  Aussig  einen  dienst- 
pflichtigen Bauer  und  einen  Fischer,  ebenso  einen  Bauer  in 
Kopist  bei  Brüx,  und  einen  Bienenzüchter  zu  Trnowany2), 
dem  heutigen  Turn  bei  Teplitz. 3) 

d.  In  der  alten  bunzlauer  Zupe  gewann  das  Capitel 
Unterthanen  in  den  Ortschaften  Chotetow,  dem  jetzigen  Kuttenthal 
auf  der  Herrschaft  Brandeis  (1  Schmied),  in  D  f  i  s  y  4)  in  derselben  Ge- 
gend, jetzt  demDekan  des  altbunzlauer  Capitels  gehörig  (1  Feldwirth), 
und  inB  o z  en,  wahrscheinlich  dem  heutigen  Bosin  auf  der  Herrschaft 
Kr inec.  (1  Koch  mit  einer  Feldwirthschaft.)  Der  letztere  Ort  (Bosin) 
erscheint  früh  als  eigene  Pfarre,  welche  1384  den  Betrag  von  12 
böhmischen  Groschen  zum  halbjährigen  Kirchenzehent  beisteuerte.5) 
Als  Collatoren  erscheinen  dort  um  diese  Zeit  eigene  Herren  von 
Bosin  und  später  die  Herren  von  Rozdalovic  und  Lomnic ,  eine 
Linie  der  Wartenberger. 6) 

e.  In  der  alten  Zupe  von  Saaz  hatte  das  leitmeritzer 
Collegiatstift  noch  Unterthanen  in  Chotesow7)  dem  heutigen 
Chotieschau  auf  der  Herrschaft  Petersburg  (1  Dienstmann),  LeSky8) 
jetzt  Lischka  auf  dem  Dominium  Lienz  und  Lust  (1  Bienenzüch- 


x)  Oder  sollten  etwa  diese  3  Orte  irriger  Weise  in  die  Biliner  2upe  verlegt 
sein  und  in  Wirklichkeit  eben  nur  das  Kostelec,  Konoged  und  Triebsch 
bei  Auscha  bedeuten? 

3)  Der  Lokativ  Trnovaz  in  der  ottok.,  Trnoss  in  der  spyt.  nach  Athanasius  und 
Trnovass  nach  Erbens  Leseart. 

3)  Beide  Dokumente  setzen  die  Zahl  der  dem  Capitel  gehörigen  Bauern  in 
dieser  2upe  auf  12  an. 

4)  In  den  Urkunden  der  Lokativ  Brizak. 

5)  Hegist.  decimarum. 

G)  Lib.  Confirm.  ad  1362,  1377,  1379,  1389,  1397,  1413. 

7)  Hotsove  im  ottok.,  Hotetove  im  spytig.  D. 

8)  Locativ  Lescah  im  ottok.,  und  Lesskah  im  spytig.  D.  Vgl.  Erben  747. 


141 

ter),  und  Lubno  %  vielleicht  dem  jetzigen  Luban  (Hlubang)  auf 
dem  Gute  Schönhof  (1  Bauer).  Im  alten  Bezirke  von  Bozen  (süd- 
lich von  Pribram)  erhielt  endlich  das  Capitel  noch  je  einen  Dienst- 
mann in  Drazovice  und  in  Zivohost.  3) 

Alle  bisher  genannten  Unterthanen  hatten  den  gesetzlichen 
Zehent    an  das  Collegiatstift  zu  entrichten.  3) 

Nach  dem  spytigneischen  Dokumente  waren  insbesondere  die 
in  den  Zupen  von  Bunzlau  und  Saaz  wohnhaften  Bauern  zur  Lie- 
ferung desselben  Honigs  an  das  Capitel  verpflichtet,  den  sie  vor- 
dem an  den  herzoglichen  Hof  selbst  abgeführt  hatten.  Anderseits 
aber  waren  nach  dem  ottokarischen  Dokumente  alle  dem  Kapitel 
zugewiesenen  Dienstmannen  von  allen  Künsten  und  Gewerben  mit 
Weibern,  Söhnen  und  Töchtern  angehalten,  ihren  betreffenden  Dienst 
nach  Wochen  beim  Capitel  persönlich  zu  versehen. 

2.  Ausser  diesem  Allen  hatte  Spytihnew  IL  seiner  neuen 
Stiftung  auch  noch  mehrere  Regalien   zugewiesen. 

a.  Hiezu  gehörte  zunächst  der  grösste  Theil  des  E 1  b  e  -  Zo  1 1  s  in 
Leitmeritz  selbst.  Die  Einheimischen  sollten  von  dem  Salze  und  allen 
andern  messbaren  Artikeln,  die  sie  auf  der  Elbe  verführten,  für  ein  klei- 
nes Schiff  überhaupt  15  Groschen,  und  für  ein  grosses  2  alte  Metzen 
der  messbaren  Waaren  an  das  Capitel  abgeben.  Fremde  dagegen 
mussten  von  einem  grossen  Schiff  2  grosse  Metzen  und  von 
einem  kleinen  so  viele  Groschen  abliefern,  als  es  Metzen  geladen 
hatte.  4)  Später  ward  die  Abgabe  der  Fremden  auch  Regel  für 
die  Einheimischen.  5)  Von  allen  übrigen  Erträgnissen  des  landes- 
fürstlichen Eibzolls  sollte  dem  Capitel  die  Hälfte  anheimfallen.  6) 
Ganz  derselbe  Zoll  musste  auch  bei  zugefrorner  Elbe  von  allem, 


')  Im  ottok.  D.  Tubne,  im  spytig.  Lubue.  Erben  erklärt  es  als  Lubno  p.  750. 
3)  Die  ottok.  nennt  die  Orte  Drazovici  und  Sivohoschi,  die  spytigneische  aber 
Drasovici  und  Sivogossici. 

3)  Ottok.  Urkunde. 

4)  Ottok.  Urkunde. 

5)  Spytign.  Urkunde. 

6)  Zu  diesen  Erträgnissen  zählen  die  Stiftungsurkunden  die  Abgaben:  Ho- 
mutone,  Odchodne,  Gostine,  Gernecne,  Sitne,  Otroce.  Athanasius  a  S.  Jo- 
sepho  interpretirt  sie  als  Vorspanns-,  Abfahrts-,  Fremden-,  Topf-,  Ge- 
treide- und  Knechtzins. 


142 

was  zum  Kauf  oder  Verkauf  den  Fluss  passirte,  an  das  Capitel 
abgeführt  werden.1)  Später  wird  auch  noch  eines  besondern 
Wehrgeldes  gedacht,  welches  das  Stift  von  allen  Schiffen  an  der 
ersten  Wehre  unterhalb  der  Stadt  zu  erheben  hatte.    2) 

b.  In  derselben  Weise  erhielt  das  Capitel  —  wohl  etwas 
später — 3)  den  Bezug  mehrerer  bisher  landesfürstlicher  Einkünfte 
des  leitmeritzer  Zupengerichtes,  und  zwar  der  allgemeinen  Sam- 
melgelder, der  Verkaufs- und  der  Gerichtstaxen,  der  soge- 
nannten Mordsteuer  und  des  üblichen  Confiscations-,  Vo- 
gel- und  Schimpf  g  eldes.4)  Dagegen  besass  es  schon  ursprüng- 
lich den  Ertrag  der  Uiberfuhr  bei  Aussig  und  den  zehnten  Theil 
des  Gränzzolls  bei  Kulm,  5)  welcher  letztere  später  auf  den  ach- 
ten Theil  erhöht  worden  zu  sein  scheint.  6) 


!)  Beide  Urkunden. 
3)  Spytign.  Urkunde. 

3)  Erst  die  vermeintliche  Spytigneische  Urkunde  macht  davon  Erwähnung. 

4)  Das  spytign.  Instrument  nennt  diese  Bezüge:  Venditiones,  eigentlich  Ver- 
äusserungen,  hier  die  dabei  zu  zahlende  Taxe;  Swod,  eigentlich  die 
Einführung,  hier  die  bei  der  Zuweisung  eines  Grundeigenthums  zu  ent- 
richtende Steuer;  Glava,  eigentlich  „der  Kopf",  hier  die  Mord-  oder 
Strafsteuer  (von  20  Groschen),  welche  damals  jeder  Bauer  einer  Zupe  er- 
legen musste,  in  welcher  ein  Mord  vorgefallen  war,  ohne  dass  der  Thä- 
ter  entdeckt  werden  konnte  (vgl.  Urkunden  bei  Ziegelbauer  bist.  mon. 
Brevnov.  p.  250  und  279);  Narok,  eigentlich  die  peremptorische  Vorla- 
dung vor  Gericht,  hier  aber  die  Geldstrafe  geringerer  und  das  eingezo- 
gene Vermögen  grösserer  Verbrecher  gegen  fremdes  Eigenthum  (vgl.  eine 
Urkunde  Ottokar's  I.  ddo.  1222  26.  Aug.  bei  Erben  reg.  pag.  306  und 
307).  Nedoperne,  eigentlich  noch  nicht  ganz  befiederte  Vögel,  hier  das 
bei  Gericht  zu  zahlende  Strafgeld  für  die  Entwendung  solcher  aus  ihren 
Nestern  (vgl.  das  älteste  Stadtrecht  der  alten  Stadt  Prag  cit.  im  MS.  des 
P.  Äthan,  a  S.  Josepho  über  den  spytig.  Stiftungsbrief);  Grrdost,  eigent- 
lich Anmassung,  Verachtung  eines  Andern,  hier  das  dafür  bei  Gericht  zu 
zahlende  Sühngeld.  (Vgl.  ebendaselbst.)  Palacky  (IL  38)  hält  Svod  für 
das  gerichtliche  Verfahren  jener  Zeit  gegen  Diebe. 

5j  Ottok.  Urkunde. 

6)  Spytign.  Urkunde.  Dieser  sehr  alte  Ort  Kulm  besass  frühzeitig  schon  eine 
eigene  Pfarrkirche,  welche  im  Jahre  1384  bereits  den  erheblichen  Halb- 
jahrszehent  von  9  böhm.  Groschen  entrichten  konnte.  Als  Collatoren  des 
Pfarrbeneficiums  erscheinen  —  soweit  die  prager  Confirmationsbücher  zu- 


143 

c.  Zu  den  späteren  Besitzungen  des  Collegiatstifts  sind  auch 
die  zum  Schlüsse  der  Spytigneischen  Urkunde  nachgeschriebenen 
Schenkungen  zu  rechnen,  deren  fromme  Verleiher  ebendaselbst 
ausdrücklich  genannt  werden.  Es  sind  dies:  Ein  Morgen  Landes 
(circuitus,  aujezd)  bei  Caslau,  vom  Grafen  Hroznata,  wohl  dem 
Stifter  von  Tepl  und  Choteschau,  also  um  das  J.  1200  geschenkt,1) 
—  ein  Landbesitz  in  Lahowice  auf  dem  jetzigen  Dominium 
Liebschhausen,  vom  Herzoge  und  zugleich  Bischöfe  Heinrich,  also 
um  das  J.  1185  dem  Capitel  gewidmet,  —  ein  ähnlicher  Landbesitz 
in  Pokutice,  dem  heutigen  Pokotitz  auf  der  jetzigen  Herrschaft 
Hagensdorf  im  saazer  Kreise,  geschenkt  von  einem  gewissen  Wil- 
helm,—  ebenso  ein  Landbesitz  in  Ploskowice,  dem  jetzigen  kai- 
serlich- ferdinancläischen  Landsitze  bei  Leitmeritz,  verehrt  von 
einem  gewissen  Paul,  —  und  endlich  ein  Landbesitz  mit  zwei  un- 
terthänigen  Dienstmännern  in  Dolanek  beiDoxan,  von  einem  ge- 
wissen Wlach  dem  Capitel  einverleibt.  2) 

ä.  Ausser  den  in  beiden  Stiftungsurkunden  aufgezählten  Be- 
sitzungen erwarb  das  leitmeritzer  Capitel  in  etwas  späterer  Zeit 
(um  1368),  wohl  als  Erbe  nach  dem  Propste  Johann  von  Kanryk, 
den  Pfarrort  Zubernice,  mit  dem  nahen  Orte  Lestina,  die 
heutigen  bischöflichen  Orte  Saubernitz  und  Leschtine.  3)  Zubernice 
besass  damals  eine  Pfarrkirche,  die  wenigstens  im  J.  1384  eben 
nicht  mehr  zu  den  allerjüngsten  gehörte,  indem  sie  zu  dieser  Zeit 
schon   6   böhmische   Groschen   als  halbjährigen  Kirche nzehent  ab- 


rückreichen —  die  Grundherren  von  Tetschen.  (Vgl.  Regist  decim.  —  Libr. 
Conf.  ad  1361,  1363,  1411.) 

1)  Die  Urkunde  nennt  diesen  Besitz  circuitus  Cesslav.  Nach  Erben  reg.  p. 
722  ist  dies  Caslav. 

2)  Die  Urkunde  nennt  die  Orte  in  der  Localform :  Lagovicih,  Pocudicih, 
Plosskovicih  und  Doleass. 

3)  Laut  der  Libri  confmnationum  übte  der  Propst  Johann  von  Kamyk  am 
10.  April  1363  das  Präsentationsrecht  für  Zubernice  in  Gemeinschaft 
mit  seinem  Bruder  Heinrich  von  Kamyk  aus,  so  dass  der  betref- 
fende Ort  wohl  als  Familienbesitz  gelten  muss.  Weiterhin  erscheint  da- 
gegen im  Jahre  1368  der  neue  Propst  Heinrich  von  Hakenbrunn  als  all- 
einiger Collator,  sowie  auch  spätere  Akten  bis  1437  den  jeweiligen  Propst 
als  Eigenthümer  von  Zubernice  und  Lestina  nennen. 


144 

führte.  l)  Im  J.  1437  (28.  September)  wurde  der  Besitz  von  Zuber- 
nice und  LeStina  durch  den  Kaiser  Sigismund  an  Heinrich  von 
Waldstein  verpfändet.  3)  Dasselbe  geschah  damals  auch  mit  6  dem 
Capitel  unterthänigen  Dienstmannen  in  Zahofan,  deren  Erwer- 
bung unbekannt  ist.  3)  —  In  den  Dezemregistern  des  Jahres  1384 
erscheinen  schliesslich  noch  als  vorhusitische  Besitzungen  des  leit- 
meritzer  Capitels:  ein  Präbendenantheil  im  Dorfe  Cernewes 
bei  Wettel,  wo  jedenfalls  schon  sehr  früh  eine  eigene  Pfarrkirche 
bestand,  die  1384  schon  als  eine  der  bestdotirten  Kirchen  des  De- 
kanats den  seltenen  Halbjahrszehent  von  15  böhmischen  Groschen 
entrichten  musste,  —  ferner  der  Meierhof  Chysnowbei  Leitmeritz, 
der  damals  für  3  Präb enden  das  Einkommen  lieferte,  deren  eine 
21,  und  die  beiden  andern  je  12  böhmische  Groschen  zum  Kir- 
chenzehent  des  Jahres  1384  beisteuerten,  —  endlich  noch  eine  Ca- 
pitelpräbende  in  Lista  (vielleicht  Lisa  im  bunzl.  Kreise?),  welche 
im  J.  1384  mit  21  böhmischen  Groschen  die  halbjährige  Zehent- 
leistung abtrug. 4)  Uiber  die  Erwerbung  dieser  Besitzungen  lässt  sich 
etwas  Gewisses  nicht  angeben.  Dasselbe  gilt  auch  von  einem  Wald 
bei  Tocna  (berauner  Kr.?),  in  dessen  Besitze  „die  Diener  der 
Kirche  von  St.  Stephan  in  Leitmeritz"  im  J.  1390  erscheinen, 
ebenso  auch  von  einem  Jahreszinse  im  Betrage  von  6  Seh.  böhmi- 
scher Groschen,  welche  die  Grundherren  von  Pokratitz  im  J.  1381 
an  dieselben  Geistlichen  bei  St.  Stephan  zu  entrichten  hatten.5)  Im 
J.  1409  schenkte  Nicolaus  Preller  von  Gurim  (Kauf im)  „der  Kirche 
zu  St.  Stephan"  noch  einen  Weinberg.  6)  Auf  die  besondern  Be- 
sitzungen der  leitmeritzer  Capiteldekanie  und  die  nachhusitischen 
Erwerbungen  des  Capitels  kommen  wir  später  zu  sprechen. 

e.  Zur  bleibenden  Sicherung  des  Eigenthums  unseres  Colle- 
giatstifts  war  schliesslich  vom  Stifter  selbst  ein  schwerer  Fluch 
über  alle  künftigen  Verletzer  desselben  ausgesprochen  und  der 
Stiftungsurkunde  einverleibt  worden,  mit  den  Worten:  „Wenn  Je- 


J)  Begistrum  deeimarum. 
8)  Palacky  Archiv  I.  505. 

3)  Ebendaselbst. 

4)  Lib.  Erect.  XII.  C.  16. 

5)  Urkunde  im  leitm.  Capitelarchive. 

6)  Lib,  Erect  VIII.  H.  8. 


145 

mand  von  allen  diesen  (Besitzungen)  auf  Anrathen  des  Teufels  ir- 
gend etwas  vermindern  sollte,  so  möge  derselbe  in  Gemeinschaft 
mit  eben  demselben  (Pathgeber)  die  ewigen  Strafen  in  alle  Ewig- 
keit erleiden.  Amen." ' ) 


§.  36.  Fortsetzung. 

1.  Das  C  oll  at  urrecht  zur  Propst  ei  des  leitmeritzer 
Capitels  war  von  dem  frommen  Stifter  dem  jeweiligen  Landesfür- 
sten vorbehalten  worden.  Während  dies  von  allem  Anfange  her 
durch  die  Auswahl  der  Personen  selbst  angedeutet  wird,  bezeugen 
dies  in  etwas  späterer  Zeit  ausdrücklich  die  noch  vorfindigen  Ur- 
kunden. So  präsentirte  nach  dem  unbestreitbaren  Zeugnisse  der 
offiziellen  prager  Confirmationsbücher  in  der  ganzen  Periode  der- 
selben (1358 — 1419)  immer  der  böhmische  König  zu  jener  Pfründe, 
und  bei  einer  Confirmation  im  J.  1358  sagen  diese  Confirmations- 
bücher  sogar  ausdrücklich:  „Pa  tron  ist  der  Kaiser  (bezie- 
hungsweise der  König)  selbst."3)  —  Die  für  die  ebenso  ansehn- 
liche als  einträgliche  Würde  ausersehenen  Männer  gehörten  fast 
durchgängig  —  wenn  nicht  vielleicht  ohne  Ausnahme  —  dem  Col- 
legium  der  landesfürstlichen  Hoikapläne  und  Notare  an.  Bald  aus 
den  edelsten  Familien  des  Landes  entsprossen,  bald  durch  Gelehr- 
samkeit und  Gewandtheit  in  politischen  Geschäften  ausgezeichnet 
waren  sie  unbezweifelt  die  Zierde  und  der  Stolz  der  Klerisei  des 
Vaterlandes.  Zur  propsteilichen  Würde  erhoben  blieben  sie  —  nach 
dem  Zeugnisse  fast  unzähliger  Urkunden  3)  —  nichts  desto  weniger 
im  landesherrlichen  Dienste  und  bekleideten  sogar  wiederholt  die 
einflussreichste  Würde  des  obersten  Kanzlers.  Der  durch  die  Ca- 
nonen  der  Kirche  gebotenen  Residenzpflicht  wurde  eben  nur  auf 
das  Allernothdürftigste  dadurch  genügt,  dass  sie  in  der  Regel  die 
höchsten  Feste  der  Kirche  und  ihres  Stiftes  an  der  ihnen  anver- 
trauten  Capitelkirche  feierten,  im  Uebrigen  aber  die  Leitung  des 


')  Beide  Stiftungsurkunden. 

2)  Libri  Confirm.  ad  a.  1358,  1363,  1396,  1401,  1407. 

3)  Vgl.  unter  Andern  Erben  regesta  von  1057 — 1253. 

10 


Lt 


146 

geistlichen  Collegiums  einem  sogenannten  Vizepropste  und  später 
dem  Dekane  und  Yizeclekane,  die  Besorgung  der  gestifteten  kirchli- 
chen Funktionen  hingegen  einem  von  ihnen  dotirten  Vikare  über- 
liessen.  *) 

Die  Geschichte  der  einzelnen  Pröpste  mag  füglicher  erst  im 
nächsten  Abschnitte  beginnen. 

2.  Ueber  die  Aufnahme  der  Capitularen  in  das  leitmeritzer 
Collegiatstift  fehlen  eingehende  Nachrichten;  es  ist  aber  anzuneh- 
men, dass  sie  von  der  Aufnahme  in  das  Prager  Capitel,  das  heute 
noch  ein  Receptionsbuch  aus  dem  14.  Jahrhunderte  besitzt,  2)  nicht 
wesentlich  verschieden  war.  —  Da  ein  derartiges  Stift  ursprünglich 
eben  nur  die  Einrichtung  und  häufig  auch  den  Namen  eines  Klo- 
sters hatte:  so  besass  ein  Canonicus  als  solcher  auch  keinen  be- 
sonderen Ehrenvorrang,  und  die  Aufnahme  in  das  Collegium  er- 
folgte nach  Massgabe  der  Unterhaltsmittel  des  Stiftes,  so  oft  ir- 
gend ein  geeigneter  Kleriker  der  niedern  oder  höheren  Weihen  sie 
ansprach,  durch  die  freie  canonische  Wahl  der  Stiftsbrüder.  Der 
Eintritt  hochadeliger  Kleriker  mit  besondern  Nebeneinkünften  führte 
allmälig  zur  Lockerung  des  gemeinsamen  Lebens  und  endlich  zur 
Trennung  des  Capitelvermögens  in  einzelne  Präbenden  mit  einzigem 
Vorbehalt  einiger  sogenannten  Obedienzen,  deren  Ertrag  der  Com- 
munität  verblieb.  ,T)  Hatten  die  leitmeritzer  Canoniker  zur  Zeit 
der  Stiftung  und  auch  etwas  später  noch  in  völliger  Gemeinschaft 
des  Besitzes  in  einem  Hause  —  wahrscheinlich  in  der  nachmaligen 
Propstei  —  beisammen  gelebt,  wie  dies  der  Stiftungsbrief  andeu- 
tet 4),  so  bezogen  sie  nun  ihre  besonderen  Wohnungen,  deren  ei- 


')  Diese  Praxis  ist  aus  den  späteren  Urkunden  ersichtlich.  Uebrigens  be- 
stand sie  in  jener  Zeit  an  allen  Dom-  und  Collegiatcapiteln.  Der  leitme- 
ritzer Propstei-Vikar  hatte  sein  fundirtes  Einkommen  in  Kresic.  (Vgl. 
§.  35  n.  1.) 

3)  Begistrum  Canomcorum  Pragensium  (1378—1390).  MS.  der  prager  Capi- 
telbibliothek.  Eine  genaue  Abschrift  hievon  im  leitm.  bischöfl.  Archive. 

3)  Daraus  wurden  die  sogenannten  Präsenzgelder  für  die  Theilnahme  am 
gemeinschaftlichen  Chorgebete,  gemeinschaftliche  Leistungen  des  Capitels 
nach  Aussen  hin  und  insbesondere  die  Naturalbezüge  der  einzelnen  Ca- 
noniker bestritten.  (Vgl.  §.  26.  5.) 

4)  Damals  hatte  ihnen  der  Propst  gewiss  in  ähnlicher  Weise  den  Unterhalt 


147 

nige  nach  der  Zeit  in  der  Vorstadt  Zasada  ausdrücklich  erwähnt 
werden.  Die  bedeutenden  Einkünfte  der  Präbenden  machten  so- 
fort die  Competenz  der  Jüngern  Söhne  des  Landesadels  zur  Regel, 
und  die  daran  geknüpften  vortrefflichen  Aussichten  auf  hohe  Stel- 
lungen in  Kirche  und  Staat  verliehen  nun  auch  den ,  Landcapi- 
tularen  einen  vielbeneideten  Ehrenrang,  obgleich  diesen  die  gleichzei- 
tige Verwaltung  einflussreicher  kirchlicher  Aemter  nicht  in  dem 
Masse,  wie  den  Capitularen  des  bischöflichen  Doms  zu  Statten 
kam.  Wegen  der  Unentschiedenheit,  ob  in  der  Kirche  oder  im 
Staate  die  gewünschte  Beförderung  ihnen  werde  zu  Theile  werden, 
zogen  solche  Capitularen  in  der  Regel  es  vor,  bis  zum  Austrag  der 
Sache  nur  die  niederen  Weihen  oder  höchstens  etwa  das  Subdia- 
konat  zu  empfangen,  und  zwar  um  so  mehr,  als  sie  hiemit  ein  ge- 
ringeres Mass  von  Pflichten  zu  übernehmen  hatten.  Zur  Besor- 
gung des  notwendigen  Gottesdienstes  wurden  in  Folge  dessen  be- 
sondere Priester  (ministri  ecclesiae  S.  Stephani)  und  ein  eigener 
Pfarrer  angestellt,  die  sämmtlich  nicht  in  das  Collegium  der  eigent- 
lichen Capitularen  gehörten.  ])  —  Zu  dieser  Zeit,  wo  die  Auf- 
nahme in  das  Capitel  schon  als  eine  hohe  Ehre  galt,  wurde  die 
canonische  Wahl  der  Canoniker  von  Aussen  her  stark  beeinflusst. 
Nicht  genug,  dass  adelige  Herren  ihre  Söhne  unmittelbar  und  durch 
den  Landesfürsten  zur  Wahl   empfahlen:    man  wendete    sich  auch 


zu  liefern,  wie  dies  stiftungsgemäss  im  Capitel  zu  Wysehrad  geschah.  Hier 
gab  der  Propst  zu  diesem  Zwecke  jede  Woche  1  junge  Kuh,  12  Hühner, 
6  Ferkel,  1  Eimer  Meth  von  17  Maass  und  ebensoviel  Bier  mit  Freistel- 
lung dessen,  was  er  darüber  geben  wollte.  Zur  Winterszeit  sollte  er  statt 
der  jungen  Kuh  2  dreijährige  Schweine  geben.  Ausserdem  sollten  die 
Canonici  zur  Fastenzeit  jede  Woche  80  Groschen  für  Fische  und  zur 
Sommerszeit  halb  so  viel  erhalten,  ausser  wenn  ein  grösserer  Feiertag 
auf  einen  Freitag  fiele.  —  Vgl.  Tomek  G.  Pr.  I.  88.  —  In  Leitmeritz  war 
durch  die  Stiftung  ausdrücklich  der  dritte  Theil  der  Einkünfte  vom  Elb- 
zolle  in  Leitmeritz,  vom  Gränzzolle  zu  Kulm,  von  der  Ue  berfuhr  in  Aussig 
und  von  den  Naturallieferungen  an  Honig  dem  Collegium  der  Canoniker 
mit  Ausschluss  des  Propstes  zugewiesen. 
')  Dieser  Pfarrer  und  jene  Ministri  werden  in  den  Akten  des  Capitels  öfters 
genannt.  Das  Collaturrecht  der  Pfarrei  besass  der  Propst.  Vgl.  Lib. 
eonfirm, 

10* 


148 

unzählige  Male  nach  Rom  um  einen  Provisions-  oder  Gnaden- 
brief (literae  provisionis  und  l.  gratiosae)  des  Papstes  selbst  zu 
erlangen.  [)  In  Folge  dessen  ward  die  canonische  Wahl  in  sehr 
vielen  Fällen  ganz  illusorisch.  Vielleicht  war  es  wieder  die  Menge 
der  so  Empfohlenen,  die  eine  andere  neue  Massregel  in  Uebung 
brachte.  Man  wählte  sofort  bei  einer  Apertur  mehrere  neue  Ca- 
pitularen,  bald  in  der  Weise,  dass  etwa  zwei  Gewählte  in  die  Prä- 
bende  sich  theilten,  bald  wieder  so,  dass  nur  der  eine  das  ganze 
Einkommen  bezog,  die  andern  hingegen  in  ihren  früheren  Stellun- 
gen und  Beneficien  bis  auf  eine  weitere  Erledigung  verblieben.  So 
entstanden  die  Medii  praebenäaü  und  die  Non  praebenäati,  deren 
auch  im  leitmeritzer   Capitel,  sowie  anderwärts,  gedacht  wird. 

3.  Die  ursprüngliche  Anzahl  der  leitmeritzer  Canoniker  ist 
nicht  wohl  zu  ermitteln.  Im  J.  1384,  wo  die  Besitzungen  des  Stif- 
tes eher  ab-  als  zugenommen  hatten,  nennen  uns  die  Dezemre- 
gistei'  mit  Einschluss  des  Propstes  und  des  gestifteten  Dekans  aus- 
drücklich 12  Capitularen.  Damals  wrurden  folgende  separirte  Prä- 
benden  als  zehentp tüchtig  aufgeführt :  Die  Propstei  mit  halbjährigen 
6  Schock  böhmischen  Groschen,  die  Dekanie  mit  39  böhm.  Gro- 
schen, zwei  halbe  (nicht  besonders  bezeichnete)  Präbenden,  die  eine 
mit  9  und  die  andere  mit  2  (soll  wohl  heissen  12)  b.  Groschen, 
die  erste  Präbende  zu  Chisnow  mit  21  b.  Groschen,  die  zweite  und 
dritte  ebendaselbst  mit  je  12  b.  Groschen,  die  Präbende  in  Bau- 
sowic,  Kfe&icund  Cernowes  mit  21  b.  Groschen,  2  ganze  Präben- 
den in  Kfesic,  jede  mit  21  b.  Groschen,  eine  Präbende  in  Lisa 
ebenfalls  mit  21  b.  Groschen,  endlich  eine  letzte  nicht  besonders 
bezeichnete  Präbende  ohne  Zehentleistung.  a) 

4.  Wir  besitzen  noch  2  uralte  Insiegel  des  leitmeritzer  Dom- 
stifts. Das  eine  ältere  ist  oval  und  zeigt  den  h.  Stephanus  in  einer 
gen  Himmel  schwebenden  Stellung,  über  dem  Haupte  einen  Ge- 
genstand, der  wahrscheinlich  die  dem  Capitel  gehörige  Reliquie 
des  Armes  des  h.  Erstlingsmartyrs  bedeuten  soll.  Die  Umschrift 
lautet:,,  S.  (igillam)  S(an)C(t)L  SttphaniLutomiricensls^ .  Das  zweite 
Siegel  zeigt  den  verklärten  Heiligen,  wie  ihn  zwei  Engel  mit  der 


i)  Vgl.  §.  25.  3. 

2)  Megistrum  decimarum. 


149 

Heiligenglorie  bekränzen.  Die  Umschrift  lautet:  „S(igühim)  ca- 
pittdi  Liithomericcn(sis)  ecle(siae)  sancti  Stephanie  und  eine  Schrift 
innerhalb    dieser  Umschrift:  „Protliomart (yr)  S.  StepJianas" . 

§.  37.  Das  Collegiaistift  S.  Peter  in  Melnik. 

1.  Auch  die  Geburtsstadt  der  heiligen  Ludmila   wurde  früh- 
zeitig durch  die  Gründung  eines  Collegiatstifts  ausgezeichnet.  Von 
den   älteren    örtlichen    Traditionen    wird  Hroznata   Graf  von 
Melnik,  der  um  das  J.  1020  aus  dem  irdischen  Leben  abgeschie- 
den sein  soll,  als  Gründer  des  Stiftes  bezeichnet.1)    Nach  Andern 
soll  gar  schon  die  Herzogin  Emma,   Witwe  Boleslaws  IL  die 
Stifterin  gewesen  sein, 2)  dieselbe,  welche  im  J.  1006  im  Rufe  der 
Heiligkeit  wahrscheinlich  zu  Melnik,   dem  nachmals  gewöhnlichen 
Wohnsitze  der  verwitweten  Herzoginnen,  gestorben  ist.3)  Noch  An- 
dere setzen  offenbar  irrig  die  Gründung  um  das  Jahr  1088  an  und 
bezeichnen  den  damaligen  Bischof   Gebhard  als  einen  besonderen 
Förderer  der  neuen  Stiftung.  4)     Da  ein  Fundationsinstrument  bis 
jetzt  nicht  ausfindig  gemacht  werden  konnte,  so   lässt  sich  in  die- 
ser Sache  kaum  etwas  Sicheres  behaupten.  Das  Wahrscheinlichste 
dürfte  aber  sein,   dass   das  in  Melnik  schon  frühzeitig  wohnhafte 
Priestercollegium  entweder  aus  eigenem  Antriebe  oder  auf  höhe- 
res Geheiss  die  Lebensweise  des  h.  Chrodegang  annahm,  und  dass 
die.  reichliche  Dotation  des  so  entstandenen  Capitels  in  gleichmäs- 
siger  Weise  der  Familie  des  Zupans  von  Melnik,  sowie  den  daselbst 
wohnhaften  herzoglichen  Witwen,  und  nicht  minder  auch  den  geist- 
lichen Oberhirten    des    Landes  zu  verdanken  war.    Die  Zeit  der 
ersten  Einrichtung  des  Capitels  fällt  jedenfalls  vor  das  Jahr  1086, 
wo  wir  zum  erstenmale  einem  Propste  von  Melnik  begegnen,    und 
zwar  dem  gelehrten  Severus,  welchem  unser  ältester  Chronist  Cosmas 
das  erste  Buch  seiner  Chronik  gewidmet  hat. 5) 

l)  Vgl.  Sommer's  und  Schaller's  Topographien. 
8)  Palacky  I.  330. 

3)  Vgl.  Marignola.  Auch  Dobner  V.  2L 

4)  Illustr.  Chronik  von  Böhmen.  I.  6. 

5)  Cosmas. 


150 

Die  alte  Collegiatkirche  trägt  jetzt  den  Namen  SS.  Peter  und 
Paul.  Ursprünglich  aber  und  bis  zu  seinem  Untergange  hiess  das 
Collegiatcapitel  nur  St.  Peter.  Dies  beweist  das  alte  In  Siegel 
der  Propstei  aus  der  Zeit  des  Propstes  Zbinko  von  Hasenburg 
(c.  1390—1403).  Es  zeigt  uns  den  h.  Petrus  in  sitzender  Stel- 
lung, in  der  Rechten  die  Schlüssel  und  in  der  Linken  das  Evan- 
gelienbuch  haltend.  Hieniit  ist  noch  das  damalige  Wappen  der 
Herren  Zajic  von  Hasenburg  verbunden.  Die  Inschrift  lautet: 
Sigillum  Capituli  Melnicensis.  ') 

2.  In  Ermanglung  eines  Stiftungsinstruments  und  irgend  einer 
spätem  Confirmationsurkunde  sind  wir  genöthigt,  die  ehemaligen 
Besitzungen  des  Melniker  Capitels  lediglich  aus  mannigfachen  Ur- 
kunden der  vorhusitischen  Zeit  zusammen  zu  suchen,  ohne  dadurch 
die  Ueberzeugung  gewinnen  zu  können,  dass  so  alle  Güter  dessel- 
ben zu  unserer  Kenntniss  gelangen  werden. 

a.  Im  J.  1233  verkauften  der  Propst  und  die  Capitularen 
von  Melnik  die  ihnen  bisher  gehörigen  Dörfer  Tizowa  und  Per  na 
wegen  allzu  grosser  Entfernung  an  das  Kloster  Kladrau. 2)  Da  nun 
letzteres  Kloster  im  J.  1239  zu  Tizowa  in  der  Grafschaft  Glatz  ein 
Geschenk  von  2  Feldmass  Acker  entgegen  nimmt  3),  so  ist  in 
obigem  Verkaufe  wohl  dieses  Dorf  und  in  Folge  dessen  mit  dem 
gleichzeitig  verkauften  Orte  Perna  wohl  auch  der  einzige  Ort  die- 
ses Namens  in  Böhmen,  nämlich  Perna  auf  dem  Dominium  Bran- 
deis im  königgrätzer  Kreise  gemeint.  Von  dem  Erlöse  der  verkauf- 
ten Ortschaften  wurden  nun  im  J.  1233  unter  Einem  zwei  näher 
gelegene  Dörfer  Namens  B a b i c e  und  Cernewes  für  das  Capitel 
angekauft. 4)  Sehr  wahrscheinlich  ist  ersteres  das  heutige  Gross- 
Babice  auf  der  Domaine  Uhrinewes  im  früheren  kaufimer  Kreise, 
letzteres  aber  wohl  mit  Sicherheit  das  bereits  erwähnte  Dorf  Cer- 


1)  Die  Beschreibung  dieses  Siegels  in  Lib.  Erect.  XII.  J.  15. 

2)  Urkunde :  Erben  regesta  p.  383.  Hier  heisst  der  eine  Ort  Prinna,  in  der 
spätem  Confirmationsurkunde  des  Königs  Wenzel  ddo.  13.  Dezember 
1233  aber  Pirna.  Vgl.  Erben  reg.  p.  386. 

3)  Urkunde  :  Erben  reg.  p.  453. 

4)  Erben  ebendaselbst.  Hier  heisst  der  zweite  Ort  Crimnuvez,  dagegen  aber 
in  der  schon  citirten  Confirmationsurkunde  richtiger  Chernnevez. 


151 

newes  bei  Wettel  im  leitmeritzer  Kreise,  dermalen  noch  zum  Gute 
Brozan  gehörig,  das  wir  alsbald  als  Besitzung  des  melniker  Prop- 
stes kennen  lernen  werden.  In  diesem  Cernewes  besass  —  wie 
erzählt  wurde  —  auch  das  leitmeritzer  Capitel  im  J.  1384  einen 
Präbendenantheil.  ') 

h.  Im  Jahre  1243  8)  verkauften  in  ähnlicher  Weise  der  Propst 
und  das  Capitel  zu  Melnik  an  das  Kloster  der  Prämonstratense- 
rinnen  zu  Chotesow  im  pilsner  Kreise  einen  ansehnlichen  Güter- 
complex  in  jener  Gegend,  der  vielleicht  vom  Stifter  des  genannten 
Klosters,  Hroznata  Grafen  zu  Melnik,  dem  Collegiatstifte  seiner 
Vaterstadt  geschenkt  worden  war.  Vom  Ertrage  dieses  Verkaufes 
sollten  die  „zum  Nutzen  der  Kirche  (in  Melnik)  contrahirten  Schul- 
den, welche  aus  dem  beweglichen  Besitze  derselben  nicht  gedeckt 
werden  konnten,"  bezahlt  werden.  Der  veräusserte  Besitz  bestand 
aus  dem  Berge  und  Walde  Wrabina  mit  seinem  ganzen  Zubehör, 

V 

und  aus  den  Dorfschaften  C  er  notin,  T  uro  wund  einem  zweiten 
Cernotin.  Der  Verkaufspreis  betrug  300  Mark  feinen  Silbers.  3) 
Das  eine  Dorf  Cernotin  gehört  heute  noch  zum  Dominium  Cho- 
teschau,  und  nicht  fern  davon  ist  das  jetzige  Städtchen  Cernosin 
ohne  Zweifel  das  ehemalige  „andere  Cernotin."  Als  das  ehemalige 
Dorf  Turov  wird  die  dermalige  Waldstrecke  Terny  bei  Choteschau 
bezeichnet. 4)    Der  Berg  und    Wald  Wrabina  lag  ebendaselbst. 

c.  Im  Jahre  1290  kaufte  Propst  Ulrich  vom  leitmeritzer  Stadt- 
richter Conrad  eine  Mühle  mit  4  Gängen  an  der  Elbe  gegenüber 
der  Stadt  Leitmeritz.     König   Wenzel   IL   bewilligte  auf  die  Bitte 


i)  Vgl.  §.  34. 

3)  Eingeleitet  und  von  König  Wenzel  bewilligt  war  das  folgende  Verkaufs- 
geschäft schon  im  Jahre  1238.  (Urkunde  Erben  reg.  p.  435)  Beendigt  ward 
es  erst  im  Jahre  1243. 

3)  Urkunde:  Archiv  des  prager  Capitels  B.  I.  IL  5.  und  Erben  reg.  519.  Die 
Schreibweise  lautet  hier  —  wie  damals  gewöhnlich  —  Chirnotin,  Turovo 
et  aliud  Chirnotin.  Die  Confirmationsurkunde  von  1247  (Erben  p.  553) 
nennt  sie  Chrinotin,  Thurov  et  aliud  Chrinotin  cum  silva  Vrabina.  Die 
Leseart  Öernotin  nach  Erben  p.  722. 

4)  Köpl:  Das  ehemalige  Prämonstratenser-Chorfrauen-Stift  Chotieschau.  S.  9. 
Hier  wird  statt  Turov  der  Name  Tarnov  genannt. 


152 

des  melniker  Capitels  die  Befreiung  dieser  Mühle  von  allen  Zinsen, 
Steuern  und  Herrendiensten.  ]) 

d.  Im  Jahre  1321  wurde  vom  Propste  Heinrich  (Berka)  im 
Einverständnisse  mit  dem  Capitel  der  Hof  TremoSna  im  pilsner 
Kreise  nebst  einem  zweiten  ungenannten  in  der  nächsten  Nähe  von 
Pilsen  an  die  Inwohner  der  gleichnamigen  Orte  emphyteutisch  ge- 
gen sichere  Jahreszinsen  überlassen. 2)  Das  Dorf  Tfemosna  blieb 
nichts  desto  weniger  nach  wie  vor  dem  Capitelpropste  unterthänig 
und  ward  nachher  in  den  Jahren  1415  und  1420  wiederholt  durch 
Kaiser  Sigismund  verpfändet.  3) 

e.  Im  J.  1327  erlangte  derselbe  Propst  Heinrich  Berka  vom 
Könige  Johann  die  Wiedererstattung  des  Dorfes  Chfenowice, 
welches  eine  Zeit  lang  dem  melniker  Capitel  entzogen  gewesen 
war. 4)  Es  ist  nicht  wohl  zu  ermitteln,  welche  der  jetzt  noch  be- 
stehenden Ortschaften  dieses  Namens  (im  früheren  caslauer  und 
zwei  im  budweiser  Kreise)  hiemit  gemeint  sein  mag. 


§.  38.  Fortsetzung. 

f.  Die  wichtigste  Besitzung  des  Collegiatstiftes  und  insbe- 
sondere des  Propstes  war  ohne  Zweifel  das  uralte  Pfarrdorf  Bro- 
zan  (Brozany)  an  der  Eger.  Die  melniker  Pröpste  führten  sogar 
zuweilen  den  Namen  „Pröpste  von  Brozan."  5)  Die  Pfarrkirche  da- 
selbst war  im  J.  1384  nebst  Leipa  entschieden  die  reichste  Land- 


')  Hist.  Monumente  des  Königthums  in  Böhmen.  MS.  des  H.  Prof.  Höfler  in 
Prag.  (Urkunden.) 

3)  Extractus  ex  diversis  in  archivo  archiepisc.  Prag,  existentibus  relationibus 
circa  statum  ac  proventus  beneficiorum  in  dioecesi  Litomericensi.  MS.  des 
leitm.  bischöfl.  Archivs  pag.  4.  Der  Hof  zu  Tremosna  bestand  aus  32 
Hufen  Landes,  von  denen  jede  fortan  alljährlich  eine  Mark  Silber  nebst 
4  Hühnern  und  20  Eiern  an  das  Capitel  zu  entrichten  hatte.  (Urkunde  im 
bischöfl.  Archive.) 

3)  Palacky  Archiv  II.  448.  und  449. 

4)  Bubna  catalogus  capituli  Prag.  MS.  des  prager  Capitelarchivs. 

5)  Unter  diesem  Namen  verliert  er  1420  die  Besitzung  Kladrubec  durch 
Verpfändung.  (Palacky  Archiv  II.  450.) 


153 

pfründe  des  ausgedehnten  leitmeritzer  Archidiakonats,  indem  sie 
damals  1  Schock  böhm.  Groschen  als  halbjährigen  Beitrag  zum  all- 
gemeinen Kirchenzehent  entrichtete. ' )  Dieser  Umstand  lässt  auf 
ein  sehr  hohes  Alter  des  Beneficiums  schliessen.  Die  Collatur  stand 
in  der  von  den  prager  Confirmationsbüchern  umfassten  Periode 
völlig  unzweifelhaft  den  melniker  Pröpsten  zu.  3)  Wie  fast  alle 
Besitzungen  des  Melniker  Stiftes,  so  ist  auch  Brozan  in  der  Zeit 
der  traurigen  Husitenkriege  in  fremde  Hände  gelangt. 

g.  Im  Jahre  1371  am  6.  März  wurde  vom  damaligen  Propste 
Johann  im  Einverständnisse  mit  dem  Capitel  ein  Besitzthum  des 
Collegiums,  bestehend  in  einem  Walde  und  mehreren  Acker- 
gründen, im  p i  1  s n e r  Kreise  gelegen,  verpachtet.  3) 

h.  Im  J.  1378  im  Monate  Juli  übte  der  damalige  Propst  Jo- 
hann das  Collaturrecht  über  das  Pfarrbeneficium  zu  Komarow 
bei  Pardubitz  aus.  4)  Somit  gehörte  dieser  Ort  wahrscheinlich  zu 
den  Besitzungen  der  melniker  Propstei. 

i.  Im  J.  1384  wird  im  damaligen  Dezemregister  eine  mel- 
niker Capitelpr abend  e  zu  Hostonice  angeführt,  und  mit 
einem  halbjährigen  Dezembetrage  von  24  böhmischen  Groschen 
besteuert.  5)  Diese  Präbende  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  dem 
Maierhofe  in  „Hostiwice,"  welcher  um  das  Jahr  1410  von  dem  mel- 
niker Canonicus  Miran  an  einen  prager  Bürger  in  bleibenden  Pacht 
gegeben,  6)  und  wohl  in  Folge  dessen  bei  Gelegenheit  der  nach- 
folgenden husitischen    Unruhen  dem  Capitel  ganz  entfremdet  wurde. 


')  Begistrum  deeimarum. 

2)  Lib.  confirm.  Im  Jahre  1367.  25.  April  präsentirt  der  Propst  Johann,  im 
Jahre  1415  der  Propst  Constantin.  Ausdrücklich  genannte  Pfarrer  der  näch- 
sten Nachbarschaft  erscheinen  als  Installatoren.  Irrig  versetzt  also  Heber  (Böh- 
mens Burgen  III.  420)  hieher  ein  Rittergeschlecht  von  Brozan,  dessen  letz- 
ter Sprosse  1417  dieses  Gut  dem  Kloster  Teplitz  hinterlassen  habe.  Dem 
Kloster  Teplitz  gehörte  erweislich  das  zweite  Brozany  (das  heutige  Pro- 
sanken bei  Teplitz),  wo  es  schon  1366  das  Collaturrecht  ausübte.  Die 
erwähnten  Herren  von  Brozan  waren  nur  Lehensleute  des  Klosters. 

3)  Lib.  Erect.  I.  K.  6,  II.  E.  5. 

4)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 

5)  Begistrum  deeimarum. 
ü)  Palacky  Archiv  II.  461. 


154 

Bezeichnen  die  beiden  erwähnten  Namen  einen  und  denselben  Ort, 
so  dürfte  wohl  die  Leseart  Hostonice  vorzuziehen  sein,  und  wir 
hätten  dann  jene  alte  Präbende  in  dem  heutigen  Hostinice  (oder 
Hostimice)  b'ei  Brozan  zu  suchen,  welch'  letzterer  Ort  zugleich  mit 
dem  benachbarten  Cernewes  ohnehin  auch  zum  melniker  Capitel 
gehörte.  ]) 

j.  Zu  derselben  Zeit  wird  auch  eine  melniker  Präbende  zu 
Kramole c  genannt,  welche  ebenfalls  mit  24  böhm.  Groschen  am 
halbjährigen  Kirchenzehent  sich  zu  betheiligen  hatte.  2j  Es  ist  diess 
gewiss  das  heutige  Dorf  Kramolsko  oder  Chramostek  auf  der  fürst- 
lich lobkowitzischen  Herrschaft  Melnik. 

Je.  Eine  weitere  Capitelpräbende  mit  einer  halbjährigen  Ze- 
hentleistung von  21  böhmischen  Groschen  befand  sich  im  Jahre 
1384  zu  Raus  owic,  und  ebendaselbst  sowie  in  dem  Orte  Wlina- 
wes  die  Bestand iheile  von  zwei  anderen  Präbenden,  deren  jede  20 
böhmische  Groschen  als  Halbjahrszehent  entrichtete.  3)  Der  eine 
dieser  Präbendentheile  in  Piausowic  bestand  urkundlich  aus  2  Wie- 
sen und  einem  Jahreszinse  von  4  Schock  böhm.  Groschen. 4)  Dieses 
Rausowic  ist  unzweifelhaft  das  jetzige  gleichnamige  Dorf  bei  Mel- 
nik, wovon  ein  Theil  noch  heute  zum  Dominium  der  königl.  Leib- 
gedingstadt Meluik  gehört,  und  wo  nach  einem  anderen  Zeugnisse  5) 
schon  in  der  Zeit  des  Königs  Wenzel  IL  vier  erbliche  Wirtschaf- 
ten, eine  Mühle  und  eine  Wiese  dem  melniker  Capitel  gehörten. 
Das  genannte  Wlinawes  ist  das  heutige  Wlinewes  (Weisskirchen) 
auf  der  fürstlich  lobkowitzischen  Herrschaft  Melnik. 

I.  Im  Jahre  1391  17.  Februar  widmete  Hinko  von  Radec  dem 
Capitel  zu   Melnik   einen   Wald   in  Chi  um  als  Stiftung  für  die 


')  Ein  Hostiwice  liegt  nur  im  ehemaligen  rakonitzer  Kreise;  war  aber  ein 
alter  Pfarrort,  wo  Melnik  erwiesener  Massen  kein  Collaturrecht  besass. 

2)  Registrum  deeimarum.  Baibin  liest  den  Namen   Gramolcz. 

3)  Ebendaselbst.  Der  erstere  Name  lautet  da  Russovic  (irrig  gelesen Russonic). 

4)  Lib.  Erect  XIII.  C.  9. 

5)  Extraetus  ex  diversis  in  arcl  ivo  arclipp.  Prag,  existentibus  relationibus. 
MS.  des  leitm.  bisch.  Archivs  Fol.  3.  Es  wird  daselbst  ein  Originale  von 
der  Königin  Elisabeth,  König  Wenzel,  Bischof  Gregor  und  Propst  Ulrich 
von  Melnik  zitirt. 


155 

Seelen  seiner  Gattin  und  des  ehemaligen  melniker  Propstes  Johann 
von  Landstein.  [)  Dieses  Chlum  ist  wahrscheinlich  der  jetzige 
gleichnamige  Ort  bei  Turnau,  wo  sich  auch  zugleich  ein  Dorf  Radeö 
findet. 

m.  Im  Jahre  1397  am  11.  Juli  veräusserte  der  Propst  Zbinko 
von  Hasenburg  um  den  Preis  von  150  Schock  prager  Groschen 
an  Sulko  von  Chlistowa  einen  bis  dahin  dem  Capitel  zuständigen 
Jahreszins  von  11  pr.  Groschen  im  „entlegenen  Dorfe  Babice", 
und  verwendete  den  Erlös  zur  Stiftung  zweier  Capläne  an  der  Col- 
legiat-Kirche  zu  Melnik.  3)  Der  erwähnte  Ort  war  wahrschein- 
lich das  heutige  Pobitz  bei  Tepl.  Obige  Caplanstiftung  kam  in 
der  Weise  zu  Stande,  dass  für  das  aus  dem  Verkaufe  des  babicer 
Jahreszinses  gelöste  Geld  ein  Grundbesitz  zu  Rochov  angekauft 
wurde,  bestehend  aus  2  Feldmaass  Aeckern  nebst  Wiesen  und 
Hutweiden.  3)  Offenbar  handelte  es  sich  um  die  Erwerbung  eines 
„näheren"  Besitzes,  und  somit  wird  das  bei  Brozan  in  der  nächsten 
Nähe  anderer  melniker  Capitelgüter  gelegene  Dorf  dieses  Namens 
als  Ort  der  neuen  Erwerbung  anzunehmen  sein. 4) 

n.  Am  7.  September  1407  übte  der  melniker  Propst  Conrad, 
und  neuerdings  am  20.  April  1411  der  Propst  Constantin  das  Collatur- 
recht  über  die  Pfarrpfründe  in  Srbec  aus.5)  Im  Jahre  1436  wurde 
dieses  „der  Melniker  Propsteiu  gehörige  Dorf  durch  Kaiser  Sigis- 
mund  an  Johann  Kapier  von  Sulewic  verpfändet.  6)  Das  einzige 
alte  Pfarrdorf  dieses  Namens,  auch  noch  Srbice  genannt,  liegt 
heute  auf  dem  Dominium  Chudenice  im  frühern  klattauer  Kreise. 
Ehedem  gehörte  es  zum  Archidiakonate  von  Bischofteinitz  (Tyn 
Horsow)  und  zahlte  im  Jahre  1384  als  eine  der  ältesten  Pfründen 
der  Gegend  19  böhmische  Groschen  als  halbjährigen  Kirchen- 
zehent.  6) 


■)  Lib.  Mrect.  IV.  T.  1. 
3)  Lib.  Erect.  XII.  J.  15. 

3)  Ebendaselbst. 

4)  Baibin  las  den  Ort  als  Bochc-w,  offenbar  irrig,  da  der  einzige  Ort  dieses 
Namens  ebenso  entfernt  wie  Babice  —  im  pilsner  Kreise  liegt. 

5)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 

6)  Palacky  Archiv  I.  502. 

7)  Heg  ist.  decim. 


156 

o.  Am  22.  December  1418  präsentirte  der  melniker  Propst 
Constantin  als  solcher  einen  neuen  Pfarrer  zur  Pfarrpfründe  in 
Hnewkow. ')  Offenbar  gehörte  also  auch  dieses  wahrscheinlich 
auf  der  Domäne  Blatna  im  frühem  prachiner  Kreise  gelegene 
Pfarrdorf  zum  Besitze  des  melniker  Capitels,  und  zwar  nach  der 
ausdrücklichen  Bezeichnung  in  den  Confirmationsbüchern  als  soge- 
nannte Obedienz.  Näheres  ist  von  diesem  Orte  nicht  bekannt. 
Ob  auch  die  alte  Pfarre  Kfecowice  im  früheren  berauner  Kreise 
zur  melniker  Collatur  gehörte,  lässt  sich  nur  vermuthen,  da  unterm 
6.  December  1401  dem  dortigen  Pfarrer  die  Verpflichtung  aufer- 
legt wurde,  die  jährlichen  Exequien  für  den  ehemaligen  melniker 
Propst  Johann  von  Landstein  abzuhalten.  2) 

p.  Am  24.  August  1414  empfing  das  melniker  Capitel  als 
Nachlass  des  Propstes  Zdislaus  vom  Allerheiligen- Capitel  in  Prag 
einen  beständigen  Jahreszins  von  2  Schock  und  eine  Geldschen- 
kung von  20  Schock  als  Stiftung  für  ein  Jahrgedächtniss.  3) 

q.  Im  Jahre  1420  verpfändete  Kaiser  Sigismund  das  dem 
„Propste  zu  Brozana  gehörige  Dorf  Kladrubec  (im  frühem  pra- 
chiner Kreise)  an  Friedrich  und  Johann  von  Kolowrat. 4)  Es  ist 
also  auch  dieses  zu  den  alten  Besitzungen  des  melniker  Capitels 
zu  zählen. 

r.  Ohne  nähere  Angabe  der  Quellen  werden  noch  als  alte 
Capitelgüter  angeführt:  5) 

Luzec  und  Kritov,  wo  die  Canoniker  besondere  Höfe  und 
Pesiclenzen  gehabt  haben  sollen.  Vielleicht  sind  dies  zwei  der 
in  Balbins  Decemregister  vom  J.  1384  ohne  nähere  Bezeichnung 
gebliebenen  Landpräbenden.  Ersteres  dürfte  das  jetzige  Augustinergut 
Luzec  im  frühern  rakonitzer  Kreise  sein.  Die  Lage  des  zweiten 
ist  unbekannt. 

Im  Dorfe  Byk  bei  Melnik  besass  das  Capitel  6l/3  erbliche 
Feldwirtschaften.  Ebenso  gehörten  ihm  die  ebendaselbst  gelegenen 


')  Lib.  Confirm 

3)  Lib.  Erect.  XIII.  J.  5. 
3j  Lib.  Erect.  X.  C.  4. 

4)  Palacky  Archiv  IL  450. 

5)  Extractus  ox  diversis  in  archivo   arclipp.   Prag,  existentibus   relationibus. 
MS.  des  leitmeritzer  bischöflichen  Archivs.  Fol.  1 — 5. 


157 

Dorfschaften  Wrutice,  das  durch  testamentarischen  Nach- 
lass  erworbene  Ugezcl  samt  6  Schock  jährlichen  Zinsungen,  ferner 
Borek,  Skuhrov,  Blaty,  Mlazice  und  Zabof  ')  „mit  allen 
Rechten,  Zehenten  und  der  Abgabe  eines  Metzens  Waizen  von  je- 
dem Mühlgange  von  Wrutice  längs  des  Ufers  bis  zur  Elbe  unter- 
halb Melnik."  2j 

Ueberdies  bezog  das  Capitel  von  allen  der  Stadt  Melnik 
gehörigen  Feldern  ein  bestimmtes  Mass  an  Waizen  und  Hafer, 
von  7  Feldwirthschaften  in  K  o  r  i  n  3),  „welches  der  Königin  ge- 
hörte", den  gesammten  Zehent  an  Körnern  und  den  halben  Zehent 
an  Hausthieren,  und  vom  Dorfe  Chotec  einen  testamentarisch 
legirten  Jahreszins  von  3  Schock  böhm.  Groschen,  „und  noch  vieles 
Andere,  welches  im  Verlaufe  der  frühern  ketzerischen  Jahre  der- 
artig der  melniker  Kirche  entfremdet  worden  ist,  dass  gar  nichts 
davon  mehr  übrig  geblieben  ist.u4) 


§.  39.  Fortsetzung. 

1.  Fassen  wir  die  eben  angeführten  Besitzungen,  die  kaum 
noch  den  ganzen  Umfang  des  melniker  Stiftsgebietes  ausmachen, 
ins  Auge  :  so  lässt  sich  wohl  annehmen,  dass  die  Anzahl  der  Ca- 
noniker  zu  Melnik  kaum  viel  geringer  gewesen  sein  dürfte  als  an 
den  grössten  Capiteln  des  Landes.  Urkundliche  Unterschriften  zei- 
gen uns  allerdings  z.  B.  im  Jahre  1233  nur  6  5),  und  im  Jahre 
1403  gar  nur  5  Capitularen  neben  dem  Propste.  c)  Richtiger  ist 
aber  ihre  Aufzählung  in   einer  Urkunde    des   Jahres  1371  :),  wo 


')  In  letzterem  Orte  kann  Melnik  nur  Theilbesitzer  gewesen  sein.  Das  Col- 
laturrecht  der  dortigen  Pfründe  stand  wenigstens  in  den  Jahren  1361  und 
1372  dem  Chorherrenstifte  in  Raudnitz  zu.  {Libr.  Confirm.) 

2)  Es  sind  hier  die  am  Klokotschbache  gelegenen  Mühlen  gemeint. 

3)  Soll  wohl  Kokorin  heissen. 

4)  Extr.  ex  cliv.  relat.  MS. 

5)  Erben  regesta  p.  383. 

6)  Lib.  Erect. 

7)  Lib.  Erect.  I.  K.  6. 


158 


ausdrücklich  acht  residirende  Domherren  genannt  werden,  und  noch 
bestimmter  die  Angabe  der  Zehentregister  des  Jahres  1384,  wo 
wir  sogar  die  Präbenden  der  einzelnen  näher  kennen  lernen.  ]) 
Nebst  der  Propstei,  welche  damals  1  Schock  und  45  Groschen 
zum  halbjährigen  Kirchenzehent  steuerte,  finden  wir  da  eine  Prä- 
bende  in  Hostinice  mit  der  Zehentpflicht  von  24  Groschen,  eine 
zweite  in  Kramolec  mit  gleicher  Zehentleistung,  eine  dritte  in 
Piausinic  und  Wlinewes  mit  20  Groschen  Zehent,  eine  vierte  in 
denselben  beiden  Orten  mit  gleicher  Zehentpflicht,  eine  fünfte  in 
Eausinic  (ausschliesslich)  mit  21  Groschen  Zehentleistung,  endlich 
noch  3  andere  in  ungenannten  Orten.  Als  zehnter  Präbendat  wird 
der  Pfarrer  in  Melnik  angeführt,  der  unter  der  Collatur  des  Prop- 
stes stand  und  von  seinem  bedeutenden  Beneficium  halbjährlich  1 
Schok  böhm.  Groschen  zum  Kirchenzehent  zahlte.  —  Die  Aufnahme 
ins  Capitel  fand  jedenfalls  in  derselben  Weise  Statt,  wie  wir  sie 
bereits  beim  leitmeritzer  Collegiatstifte  kennen  gelernt  haben. 

2.  Das  Patronatsrecht  über  die  Propstei  hatte  unbezweifelt 
der  Landesfürst.  Diess  beweist  neben  der  in  den  Confirmations- 
büchern  aufgezeichneten  Praxis  die  im  Jahre  1175  vom  Kaiser 
Friedrich  I.  an  den  Herzog  Sobeslaw  gestellte  Forderimg,  die  Prop- 
stei einem  seiner  (des  Kaisers)  Verwandten  zu  verleihen.  2)  Die 
Pröpste  wurden  ebenfalls  in  der  Regel  aus  dem  Kreise  der  landes- 
herrlichen Hofgeistlichen  genommen  und  blieben  auch  nach  wie 
vor  meist  in  der  unmittelbaren  Nähe  des  regierenden  Fürsten. 
Die  Mehrzahl  derselben  gehörten  den  edelsten  Familien  des  Lan- 
des, einige  sogar  selbst  der  Herrscherfamilie  an:  alle  ohne  Aus- 
nahme spielten  wenigstens  durch  Gelehrsamkeit  und  politische 
Geschicklichkeit  eine  hervorragende  Rolle  in  der  Regierungsge- 
schichte unseres  Vaterlandes.  3)  Die  Geschichte  der  einzelnen 
Pröpste  von  Melnik  gehört  dem  nächsten  Zeitabschnitte  an. 


')  Registrum  decimarum. 

2)  Erben  regesta  p.  155  und  156. 

3)  Vgl.  die  Unterschriften  fast   unzähliger  öffentlicher  Urkunden  in  Erbens 
regesta  und  anderwärts. 


159 


§.  40.  Die  Metropolitan-Gewalt  über  Böhmen. 

1.  Es  wurde  bereits  erwähnt,  dass  unser  Väterland  bei  der 
Errichtung  des  prager  Bisthums  dem  erzbishöflichen  Sprengel 
von  Mainz  zugetheilt  worden  war.  Die  Oberhirten  von  Mainz  übten 

.-sofort  wirklich  die  in  den  canonischen  Gesetzen  vorgezeichnete 
kirchliche  Obergewalt  über  unsere  Bischöfe  aus.  Sie  beschieden 
die  vom  böhmischen  Klerus  im  Einverständnisse  mit  dem  Fürsten 
und  den  versammelten  Ständen  zur  bischöflichen  Würde  erwählten 
Kleriker  vor  sich,  und  untersuchten  auf  das  Strengste  die  Gesetz- 
mässigkeit der  geschehenen  Wahl. 

War  letztere  sicher  gestellt,  so  erfolgte  unmittelbar  die  bi- 
schöfliche Consecration  durch  die  Metropoliten  selbst,  in  dessen 
Hände  der  neue  Bischof  alsdann  den  canonischen  Obedienzeid  ab- 
legte. ')  Der  Geweihte  blieb  hinfort  der  Jurisdiction  des  Erzbi- 
schofs in  der  Art  untergeordnet,  dass  letzterer  die  Aufsicht  über 
sein  Leben  und  Wirken  führte,  Beschwerden  der  Gläubigen  und 
der  Kleriker  gegen  ihn  annahm  und  in  erster  Instanz  entschied, 
als  höherer  Richter  über  die  am  bischöflichen  Gerichte  verhandelten 
Streitsachen  erkannte,  die  Versäumnisse  in  den  bischöflichen  Amts- 
handlungen nachholte,  die  nicht  rechtzeitig  besetzten  Kirchenämter 
im  Wege  des  Devolutionsrechtes  verlieh  2)  und  zeitweilig  selbst  die 
Diöcese  seines  Suffragans  visitirte. 

2.  Fast  noch  massgebender  als  der  erwähnte  unmittelbare 
war  der  mittelbare  Einfluss  des  mainzer  Metropoliten  auf  die  kirch- 
lichen Verhältnisse  unseres  Vaterlandes.  Er  übte  denselben  durch 
die  von   ihm  berufene   und  geleitete  Provinzialsynode.     Die 


1)  Unsere  Chronisten  weichen  nur  in  der  Bezeichnung  der  Namen  der  be- 
treffenden Erzbischöfe,  nicht  im  Mindesten  aber  in  der  Darstellung  der 
obigen  Thatsachen  ab.  Vgl.  Cosmas,  Dobneri  annales,  Pubitschka,  Pesina 
und  die  MMSS.  von  Coelestin  Blumenberg,  Bubna  (catalogus  capitoli  Prag.) 
undKreibich  (memorabilia).  Vgl.  auch  Tomek  Gesch.  Prags  I.  216  und  403. 

2)  Wetzer  &  Weite  Kirchenlexikon  III.  699. 


160 

kirchlichen  Gesetze  dieser  Zeit  forderten,  dass  eine  solche  Synode 
wenigstens  einmal  im  Jahre  in  jeder  Kirchenprovinz  abgehalten 
werde. ' )  Dabei  hatten  damals  schon  an  der  Seite  des  Erzbischofs 
alle  seine  Suftraganbischöfe  und  alle  mit  einer  ähnlichen  Juris- 
diction bekleideten  Präl  aten  des  Sprengeis  und  überdiess  auch  die 
hiezu  besonders  angewiesenen  exemten  Kirchenfürsten  der  Umge- 
gend zu  erscheinen,  —  diese  alle  als  Träger  der  an  die  Kirche 
übertragenen  göttlichen  Gewalt.  An  der  Seite  dieser  hatten  die 
Abgeordneten  der  Capitel  die  practische  Weisheit,  die  beigezogenen 
Theologen  die  kirchliche  Wissenschaft  und  die  eingeladenen  Klo- 
steräbte das  Streben  nach  höherer  christlicher  Vollkommenheit  zu 
vertreten.  Indem  so  der  versammelte  Episcopat  die  Erfahrung,  die 
Wissenschaft  und  die  Frömmigkeit  gleichmässig  zu  Ilathe  zog, 
übte  er  hier  vor  Allem  seine  Lehr-  und  Regierungsgewalt.  D  as  zu 
den  feierlichen  Sitzungen  beigezogene  Volk  repräsentirte  die  hö- 
rende Kirche. 2)  Als  unabweisliche  Aufgabe  lag  der  so  versam- 
melten Provinzialsynode  ob,  die  kirchlichen  Glaubenslehren  zu  be- 
sprechen, die  Streitigkeiten  kirchlicher  Personen  in  höherer  Instanz 
zu  schlichten,  Appellationen  der  von  ihrem  Bischöfe  exeommunicirten 
Kleriker  und  Laien  entgegen  zu  nehmen,  die  Gebrechen  des  Le- 
bens der  Geistlichen  und  Gläubigen  durch  heilsame  Statuten  zu 
heilen,  und  überhaupt  Alles  zu  ordnen,  was  einer  Ordnung  in  die- 
sem Wege  bedurfte.  3)  Die  Beschlüsse  wurden  dem  römischen  Stuhle 
zur  Bestätigung  vorgelegt.  4) 

3.  Diese  Art,  Provinzialconcile  abzuhalten,  konnte  dort  streng- 
stens eingehalten  werden,  wo  die  Theilnehmer  desselben  lediglich 
Träger  kirchlicher  Würden  waren.  Im  deutschen  Reiche  aber,  wo 
letztere  zugleich  zu  den  angesehensten  Reichsfürsten  zählten,  stellte 


])'Conc.  Nicaen.  II.  av.  787.    Die  sogenannten  apostolischen  Canonen  hatten 
die  zweimalige  Abhaltung  verlangt.  Fessler :  Provinzialconcil  S.  44  und  f. 
2)Fessler:  Prov.  Concil  S.  131. 

3)  Ebendaselbst,  cit.  canones  apost.,  Corte.  Nicaen.  I  (325),  Conc.  Antiochen. 
(341),  Conc.  Calcedon.  (451),  Conc.  Nicaen.  II.  (787.) 

4)  Schannat :  Concilia  Germaniae  tom.  II.  pag.  703  liefert  eine  Menge  Bei- 
spiele. Vgl.  auch  Fessler  1.  c.  S.  158  und  Binterim  Prager  Geschichte 
der  deutschen  Concilien  I.  229—236. 


161 

sich  —  wie  vordem  auch  im  fränkischen  Reiche,  —  eine  erhebliche 
Abweichung  von  der  ursprünglichen  Form  jener  kirchlichen  Zusam- 
menkünfte heraus.  Hier  befanden  sich  die  Metropoliten  und  Bi- 
schöfe sehr  oft  im  Gefolge  des  Kaisers  oder  fanden  sich  wenig- 
stens einmal  im  Jahre  bald  auf  dem  allgemeinen  Reichstage  und 
bald  wieder  auf  einer  Parti cular  -  Fürstenversammlung  zusammen, 
die  der  Kaiser  eben  in  allgemeinen  Angelegenheiten  des  Reichs  oder 
in  besondern  einer  einzelnen  Provinz  zu  versammeln  pflegte.  Da 
bot  sich  nun  von  selbst  die  beste  Gelegenheit  dar,  ohne  neue  Be- 
schwerden unter  Einem  auch  die  vorgeschriebenen  kirchlichen  Sy- 
noden abzuhalten,  die  nun  nach  Verschiedenheit  der  Versammelten 
bald  zu  einer  Provinzialsynode  und  bald  wieder  zu  einem  förm- 
lichen Reichsconcile  sich  gestalteten.  Hiebei  waren  nicht  selten 
auch  die  im  Orte  eben  anwesenden  weltlichen  Fürsten  und  noch 
öfter  der  Kaiser  selbst  zugegen,  deren  Rath  und  Wünsche  die  Bi- 
schöfe willig  hörten  und  beachteten.  Die  meisten  jetzt  noch  näher 
bekannten  deutschen  Synoden  dieser  Zeit  waren  Versammlungen 
solcher  Art.  ])  Eigenthümlich  musste  sich  hiebei  die  Stellung  des 
prager  Bischofs  gestalten.  In  Folge  kaiserlicher  Investitur  war  er 
Reichsfürst,  wie  andere  Bischöfe  des  Reichs;  aber  als  Bischof  im 
Lande  eines  ziemlich  unabhängigen  Vasallen  des  Reichs,  der  gerade 
in  dieser  Zeit  sehr  oft  gegen  die  kaiserliche  Obergewalt  sich  sträubte, 
war  er  nur  zu  oft  gehindert,  an  den  Berathungen  der  Reichsbi- 
schöfe Antheil  zu  nehmen.  D esshalb  finden  wir  ihn  in  den  noch 
erhaltenen  Synodalberichten  dieser  Periode  selten  erwähnt.  Nichts 
desto  weniger  aber  mussten  die  Beschlüsse  der  Provincialconcilien 
des  mainzer  Metropolitansprengeis  auch  für  ihn  und  seine  Diözese 
massgebend  sein. 


§.  41.  Die  Metropoliten  dieser  Zeit  und  ihre  näher  bekannte  Wirksamkeit 

für  Böhmen. 

1.  Erzbischof  Ruodbert  (Rupert  970— 975)  brachte  die  Er- 
richtung des  böhmischen  Bisthums  und  dessen  Einverleibung  in 


l)  Vgl.  Schannat:  coneiüa  Germaniae  Tom.  I  &  IL 

11 


162 

die  mainzer  Metropolie  zum  Abschlüsse  und  consecrirte  unsern 
ersten  Bischof  Dietmar.  l)  Aus  seiner  kurzen  Regierungszeit  ist 
uns  weder  ein  anderweitiger  Jurisdictionsact  in  unserem  Vater- 
lande, noch  ein  mittelbarer  Einfluss  durch  neue  Synodalgesetze 
bekannt.    Er  starb  am  13.  Jänner  9*75. 2) 

2.1hm  folgte  der  heilige  Wiligisis.  (975— 1011  f  23.  Febr.) 
Aus  niedrigem  Stande  entsprossen  3)  war  er  in  Folge  seiner  aus- 
gezeichneten Eigenschaften  zuerst  Domherr  zu  Hildesheim  und 
von  da  oberster  Kanzler  des  Kaisers  Otto  IL  geworden.  Seine 
grossen  Verdienste  um  Kaiser  und  Reich  machten  ihn  zum  Nach- 
folger Ruodberts. 4)  Als  Erzbischof  nahm  er  durch  ein  ganzes 
Menschenalter  den  grössten  Einfluss  auf  die  Geschicke  Europas. 
Er  blieb  Ottos  IL  treuer  Rathgeber  bis  zu  dessen  Tode.  (983.)  Er 
überwachte  die  Jugend  Ottos  IIL,  er  verwaltete  bis  zu  dessen  Mün- 
digkeit die  Regierung  des  Reiches,  er  geleitete  den  jungen  Kaiser 
zur  Krönung  nach  Rom  und  führte  (996)  in  der  Person  des  kai- 
serlichen Hofkanzlers  Bruno,  des  tauglichsten  und  tüchtigsten 
Mannes  jener  Zeit,  den  ersten  deutschen  Papst  Gregor  V.  auf 
den  Stuhl  Petri.  Er  war  es  auch,  der  nach  Ottos  IIL  Tode  die 
Kaiserkrone  auf  das  Haupt  Heinrichs  IL  brachte.  Aber  auch  sein 
kirchliches  Amt  verwaltete  er  mit  Eifer  und  Einsicht.  Namentlich 
überwachte  er  aufs  Strengste  das  kirchliche  Leben  und  führte  pflicht- 
vergessene Priester  mit  unerbittlichem  Ernste  und  ohne  Ansehen 
der  Person  zu  ihrer  Pflicht  zurück.  Dabei  leuchtete  er  Allen 
durch  sein  Beispiel  voran.  Die  Kirche  verehrte  ihn  alsbald  seiner 
seltenen  Tugenden  wegen  als  einen  Heiligen. 5) 


»)  Vgl.  S.  69. 

2)  Euler:  Erzb.  Willigis  von  Mainz,  Programm  von  Schulpforta  1860. 

3)  Spätere  Biographen  machen  ihn  zum  Sohne  eines  Wagners  und  leiten  von 
diesem  Umstände  das  Mainzer  Wappen  (ein  Rad)  her.  Wappen  ent- 
standen aber  erst  in  Folge  der  Kreuzzüge.  Obendrein  scheint  das  Mainzer 
Wappen  ursprünglich  ein  Kreuz  mit  Heiligenschein  gewesen  zu  sein. 

4)  Papst  Benedict  VII.  stellte  ihm  die  Bestätigungsurkunde  bereits  im  März 
975  aus.  (Euler^S.  19.) 

5)  Euler  1.  c.  weist  alle  diese  Züge  des  grossen  Mannes  urkundlich  nach.  Vgl. 
auch  Hirschel:  Gesch.  der  Stadt  und  des  Bisthums  Mainz  S.  35  etc.— und 
Latomi  catalogus  archiepiscop  orum  Mogunt.  bei  Menken  script.  rer.  germ. 
III.  477  etc. 


163 

Dieser  ausgezeichnetste  unter  den  Erzbischöfen  von  Mainz 
weihte  uns  im  J.  983  den  h.  Adalbert  zum  Bischöfe  und  bewirkte 
in  den  Jahren  992  und  995  auf  die  Bitte  unserer  Vorältern  die 
Heimkehr  des  h.  Oberhirten  aus  Rom.  *)  Im  J.  998  consecrirte 
er  in  der  Person  des  frommen  Thiddag  einen  neuen  Bischof  für 
unser  Vaterland.  2) 

Aus  seiner  Zeit  sind  uns  eine  Menge  theils  Reichsconcile 
theils  Provinzial-Synoden  bekannt,  denen  er  an  der  Spitze  seiner 
Suffraganen  beiwohnte.  Hieher  gehören  die  Provinzialsynode  zu 
Mainz  am  28.  April  976  3),  der  Convent  zu  Truttmann  (977),  die 
Synode  zu  Ingelheim  (979),  der  Convent  zu  Andernach  (987), 
die  Synoden  zu  Halberstadt  (991),  zu  Gaudersheim  (995)  und 
neuerdings  zu  Gaudersheim  (1000),  zu  Poelde  am  Harz  und  zu 
Frankfiirt  (1001),  zu  Arneburg  und  zu  Truttmann  (1005),  zu 
Frankfurt  (1006  und  1007),  zu  Poelde  (1007)  und  zu  Werla  (1008).  4) 
Von  hervorragender  Wichtigkeit  —  auch  für  unser  Vaterland  — 
war  aber  insbesondere  die  in  Gegenwart  des  Kaisers  Heinrich  IL 
abgehaltene  Synode  zu  Arneburg  im  J.  1005.  Daselbst  wur- 
den nämlich  drei  wichtige  Synodalgesetze  beschlossen:  Ehe- 
schliessungen in  verbotenen  Graden  und  Zeiten  sollten  streng- 
stens gehindert,  der  Verkauf  christlicher  Sklaven  an  heid- 
nische Herren  völlig  eingestellt  und  weltliche  Grosse,  welche  der 
öffentlichen  Gerechtigkeit  Hohn  sprechen,  mit  der  kirchlichen  Ex- 
communication  bestraft  werden. 5)  Nicht  minder  belangreich  war 
auch  die  in  demselben  Jahre  abgehaltene  Synode  zu  Truttmann, 
wo  das  kirchliche  Fastengebot  in  Betreff  der  Vigilienfaste  für  ganz 
Deutschland  (und  somit  auch  für  Böhmen)  dahin  bestimmt  wurde, 
dass  an  den  Vortagen  der  Feste  des  h.  Johannes  des  Täufers,  der 
hh.  Apostel  Petrus  urd  Paulus,  des  h.  Laurentius  und  Allerheiligen 
bei  blossem  Brod,   Salz  und  Wasser  zu  fasten  sei;  in  den 


l)  Vgl.  §.  17  n.  4  &  6. 
3)  Vgl.  §.  18.  n.  2. 

3)  Guden  cod.  diplom.  I.  cit.  bei  Euler  p.  32  etc.    Hier  wurden  genaue  Sta- 
tuten der  Aschaffenburger  Stiftsschule  festgestellt. 

4)  Schannat:  Concilia  Germaniae  tom.  II.  p.  658,  659,  668,  669,  674,  tom.  III. 
p.  18,  21,  22,  27,  31,  33,  36,  38,  40. 

5j  Ebendaselbst  II.   p.   27.   cit.  Eckhart  tom.  I.  scriptorum,  Chronogr.  Saxo 
pag.  404.,  Dietmari  Chronicon. 

ii* 


164 

Vigilien  der  Himmelfahrt  Mariens  aber  und  der  übrigen  Apostel- 
feste nach  Art  der  üblichen  vierzigtägigen  Faste.  In  letzterer  Art  sollten 
hinfort  auch  die  Quatemberf asten  gehalten  werden.  Uiberdiess 
sollte  auch  der  Freitag  vor  Weihnachten  ein  strenger  Fasttag 
bei  blossem  Brod,  Salz  und  Wasser  sein.  ])  Nebstbei  bestand  wohl 
damals  in  Böhmen  noch  das  frühere  regensburger  Fasten  Statut, 
welches  noch  überdiess  den  Klerikern  an  allen  Mittwochen  und 
Freitagen  des  ganzen  Jahres  die  Enthaltung  vom  Weine  gebot,  — 
nur  mit  Ausnahme  der  Zeit  von  Ostern  bis  Pfingsten,  und  von 
Weihnachten  bis  Epiphaniä,  ferner  der  Festtage  der  seligsten 
Jungfrau,  der  hh.  Apostel,  der  heiligen  Michael,  Johannes  und 
Martin.  Zu  andern  Zeiten  sollte  einzig  nur  zu  Gunsten  der  Kran- 
ken, Reisenden,  im  Kriege  Befindlichen  und  etwaiger  Gäste  eine 
Dispens  eintreten. 2) 

3.  Dem  heiligen  Wiligisis  folgte  der  vormalige  Abt  von 
Fulda,  Erkenbold  in  der  Metropolitanwürde  nach.  (1011 — 1021.) 
Dieser  erwarb  sich  den  besondern  Ruhm  eines  eifrigen  Verfechters 
der  kirchlichen  Ehegesetze.  3)  Er  weihte  im  J.  1017  für  unser 
Vaterland  einen  neuen  Bischof  in  der  Person  des  ehemaligen 
naumburger  Propstes  Ekhard.  4)  Er  betheiligte  sich  an  der  Spitze 
seiner  Suffraganen  an  den  Synoden  zu  Bamberg  und  Koblenz  (1012), 
zu  Mainz  (1012  und  1018)  und  zu  Frieslar  (1020).  Insoweit  die 
dort  gefassten  Beschlüsse  uns  noch  bekannt  sind  5) ,  hatten  sie  für 
Böhmen  keine  besondere  Bedeutung. 

4.  Der  Erzbischof  Ar  ib  o  (1021  —  f  6.  April  1031)  war  ebenso 
berühmt  wegen  seiner  persönlichen  Frömmigkeit  als  wegen  seines 
oberhirtlichen  Seeleneifers.  6)  Ihm  verdankte  der  böhmische  Bischof 
Hyzo  die  bischöfliche  Consecration.  7) 

Aus  seiner  Zeit  sind  uns  eine  Menge  Synoden  bekannt,  an 
denen  er  sich  mit  seinen  Suffraganen  betheiligte.  Wir  nennen  hier 


J)  Ebendas.  III.  p.  31.  cit.  Dietmarus  ex  edit.  Leibnitii  tom.  I.  p.  380.  Kran- 

zius  Saxoniae  lib.  IV.  Cap.  35.  — 
2)  Ebendas.  III.  p.  692. :  Canones  concilii  Risbachensis  a.  799.  — 
3)Latomi:  Catalogus  archiepiscoporum  Mogunt.   bei  Menken    Scriptores  III. 

481.  —  Hirschel  Gesch.  der  Stadt  und  des  Bisth.  Mainz  S.  39. 

4)  Vgl.  S.  70. 

5)  Schannat.  tom.  III.  42,  43,  51,  52. 

6)  Vgl.  Hirschel  S.  39. 

7)  Vgl.  S.  72. 


165 

die  Synode  zu  Gruona  (1022),  die  Provinzialconcilien  zu  Seli- 
genstadt  (1022)  und  zu  Höchst  (1023),  die  Reichssynode  zu  Mainz 
(1024),  die  Synoden  zu  Frankfurt  und  Geislar  (1027),  zu  Poelde 
und  zu  Paderborn  (1029).  ')  Von  höchster  Bedeutung  für  das  kirch- 
liche Leben  der  mainzer  Metropolie  und  somit  auch  für  Böhmen 
war  die  Provinzialsynode  zu  Seligenstadt  am  11.  August 
1022.  Unser  damaliger  Bischof  Ekhard  wird  zwar  unter  den 
Theilnehmern  nicht  ausdrücklich  genannt:  der  Umstand  aber,  dass 
derselbe  noch  am  S.  Wenzelsfeste  dieses  Jahres  eine  Diözesansy- 
node  in  Prag  abhielt  und  überdiess  die  anerkannte  Tragweite  eines 
jeden  Provinzialconcils  bürgen  für  die  Annahme  der  seligenstädter 
Beschlüsse  in  Böhmen.  Vor  Allem  war  es  wieder  das  Fasten- 
gebot, welches  daselbst  eine  genauere  Regelung  erfuhr.  Neuer- 
dings wurde  die  Abhaltung  jener  Vi gilienf asten  eingeschärft, 
welche  bereits  die  Synode  zuTruttmann  (1005)  angeordnet  hatte.  3) 
Die  bisher  schwankende  Zeit  der  Quatemberf asten  wurde  fest 
bestimmt.  Fortan  sollte  die  erste  derselben  am  ersten  Mittwoch 
des  Monats  März  beginnen.  Die  zweite  sollte  im  Monate  Juni 
gehalten  werden,  und  zwar  anfangend  am  zweiten,  dritten  oder 
vierten  Mittwoch  desselben,  je  nachdem  der  erste  Juni  entweder 
auf  einen  der  ersten  Wochentage,  oder  aber  auf  Donnerstag,  oder 
endlich  auf  einen  der  beiden  letzten  Wochentage  fallen  möchte. 
Nur  in  dem  Falle,  als  dann  etwa  die  Vigilie  des  Pfingstfestes  zu- 
gleich ein  Quatemberfasttag  werden  müsste,  sollte  die  Quatember- 
faste  in  die  folgende  Pfingstwoche  verlegt  werden.  Die  dritte  Qua- 
temberfaste  sollte  in  die  dritte  Woche  im  September  verlegt  wer- 
den, wenn  der  erste  September  auf  einen  der  ersten  Tage  der 
Woche  (bis  Mittwoch)  treffen  würde,  in  jedem  andern  Falle  aber 
erst  in  die  vierte  Woche  des  Monats.  Endlich  sollte  die  vierte 
Quatemberfaste  unmittelbar  in  der  Woche  vor  der  Weihnachtsvi- 
gilie  gehalten  werden.3)  Unter  Einem  wurden  auch  die  verbo- 
tenen Zeiten  für  Eheschliessungen  festgesetzt,  und  zwar  wurden 
als  solche  die  Zeit  des  Advents  bis  zur  Oktav  der  Erscheinung 
des  Herrn,  die  Zeit  von  Septuagesima  bis  Ostern,   die  Fasttage 


1)  Schannat  III.  55  etc. 

2)  Statuta  syn.  Seligenst.  bei  Schannat  III.  p.  55  etc.  Artic.  1. 

3)  Statuta  syn.  Seligenst.  Art.  2. 


166 

vor  dem  Feste  des  h.  Johann,  sowie  die  kirchlichen  Fasttage  über- 
haupt und  die  Nächte  vor  hohen  Festtagen  bezeichnet.  !)  Den 
Priestern  wurde  unter  Andern  eingeschärft,  des  Tages  nicht 
mehr,  als  drei  heilige  Messen  zu  lesen.8)  Die  Kirchenbusse 
einer  besondern  vierzigtägigen  Faste  bei  Wasser  und  Brod  (carina) 
sollte  von  den  Beichtvätern  nicht  in  kleinere  Fasten  vertheilt  und 
auch  nicht  gestattet  werden,  dass  der  Büsser  innerhalb  einer  der- 
artigen Busszeit  seinen  Aufenthaltsort  wechsle,  oder  gar  zur  Um- 
gehung der  heimatlichen  Busse  einfach  nach  Kom  pilgere,  um 
dort  die  päpstliche  Absolution  zu  suchen.  Letzteres  sollte  nur 
nach  Verrichtung  der  heimatlichen  Busse  und  dann  auch  nur  mit 
einem  Geleitschreiben  des  Bischofs  geschehen. 3)  Die  Kirchenbusse 
einer  zeitweiligen  Ausschliessung  vom  Gottesdienste  sollte  nicht 
ohne  besondere  Erlaubniss  des  Bischofs  wieder  behoben  werden. 4) 
Die  herkömmliche  Sitte  des  Gottesgerichtes  sollte  auch  fer- 
nerhin in  sonst  unlösbaren  ehe  gerichtlichen  Klagfällen  beibehalten 
werden. 5)  —  Diese  Verordnungen  werfen  ein  interessantes  Licht 
auf  das  damalige  kirchliche  Leben  auch  in  unserem 
Vaterlande. 

5.  Dem  eifrigen  Aribo  folgt  der  heilige  Bardo  nach,  der 
ehemalige  Abt  zu  Werden  und  zu  Heresfeld  (1031  —  1051).  Dieser 
erwarb  sich  ausser  dem  Rufe  seiner  Heiligkeit  noch  den  Ehren- 
namen des  Chrysostomus  seiner  Zeit.  6)  Er  weihte  unserem  Va- 
terlande den  ausgezeichneten  Bischof  Severus.  Leider  sah  er  sich 
später  auch  genöthigt,  allen  Ernstes  den  Separations-Bestrebungen 
des  böhmischen  Herzogs  Bretislaw  I.  entgegenzutreten  und  be 
dieser  Gelegenheit  den  allzu  nachgiebigen  Bischof  empfindlich  zu- 
rechtzuweisen. 7)  Er  hielt  im  J.  1041  mit  seinen  Suffraganen  eine 
Synode  zu  Münster,  an  welcher  unser  Bischof  Severus  wegen 
der  damaligen  traurigen  Kämpfe   seines  Landesfürsten  nicht  theil- 


!)  Ebendas.  Art.  3  &  11. 

3)  Ebendas.  Art.  5. 

»)  Ebendas.  Art.  16.  17.  18. 

4)  Ebend.  art.  19. 

5)  Ebend.  Art.  7.  13. 

6)  Latomi  Catalogus  und  Hirschel  1.  c.  — 

7)  Vgl.  S.  79  etc. 


167 

nahm.  Ohne  Zweifel  wurden  eben  hier  die  gegen  Severus  einzu- 
haltenden Massregeln  berathen.  Näheres  ist  uns  jedoch  nicht  be- 
kannt. ')  Im  J.  1049  betheiligte  sich  Bardo  mit  mehreren  seiner 
Suffragane  an  dem  unter  dem  Vorsitze  des  Papstes  Leo  IX.  er- 
öffneten Concile  zu  Mainz,  wo  eben  Bardo  selbst  und  sofort  der 
jeweilige  Metropolit  von  Mainz  zum  apostolischen  Legaten  erklärt 
und  mehrere  Gesetze  zum  Besten  der  Kirche,  insbesondere  gegen 
die  noch  häufig  auftauchenden  Gebrechen  der  Priest  er  ehe  und 
der  Simonie  verkündigt  wurden.  2) 

6.  Erzbischof  Leopold  (1051 — 1059),  vordem  Propst  von 
Bamberg,  wohnte  im  J.  1053  einer  ebenfalls  von  Papst  Leo  IX. 
zu  Worms  versammelten  Synode  bei.  Ebenso  betheiligte  er  sich 
noch  in  demselben  Jahre  an  der  Pieichssynode  zu  Bamberg  und  im 
J.  1054  an  der  Erwählung  des  Papstes  Victor  IL  zu  Mainz. 3)  Für 
unser  Böhmen  wird  uns  aus  seiner  Wirkungszeit  etwas  Belangrei- 
ches nicht  berichtet.  Die  bewegteren  Ereignisse  im  Leben  seines 
Nachfolgers  Siegfried  (1060 — 1084)  gehören  bereits  der  nächsten 
Periode  an. 


§.  42.  Die  Diözesansynoden  dieser  Zeit. 

1.  Die  Diözesansynode  war  von  jeher  die  eigentliche  Lehr- 
und  Zuchtschule  des  Bischofs,  der  wesentlich  kirchliche  Akt,  wo 
der  Oberhirt  in  Mitten  seiner  Priester  nach  vorhergegangener  Be- 
rathung  die  ihm  von  Gott  gegebene  Gesetzgebungs-  und  Regie- 
rungsgewalt feierlich  ausübte. 4) 

Nach  den  alten  kirchlichen  Vorschriften  sollte  der  Bischof 
zu  diesem  Zwecke  einmal  im  Jahre  seine  Geistlichkeit  um  sich 
versammeln. 5)    In  unserer  Periode  hatte  er  ausser  seinem  eigenen 


l)  Schannat  III.  110. 
8)  Schannat  III.  112. 

3)  Ebendas.  III.  119.  124. 

4)  Fessler:  Provincialconcil,  S.  16,  cit.  Binterim  pragm.  Geschichte  der  deu- 
tschen Concile,  Philipps  Diözesansynode. 

5j  Nachweisbar  galt  dies  schon  im  3.  Jahrhunderte  als  allgemeiner  Brauch, 
seit  dem  6.  Jahrhunderte  aber  bereits  als  bestimmtes  Gesetz.  Vgl.  Fess- 
ler S.  42  etc. 


168 

Domcapitel  noch  die  Vertreter  der  Collegiatcapitel,  die  Vorsteher 
der  Ordenshäuser  und  die  Seelsorgspriester  der  ganzen  Diözese  zu 
berufen.  In  der  Versammlung  musste  ihm  Rechenschaft  abgelegt 
werden  über  die  Führung  des  geistlichen  Lehr-  und  Hirtenamtes; 
hier  wurden  die  Beschlüsse  der  allgemeinen  Concilien  und  der 
Provinzialsynoden  zur  Darnachachtung  verkündet;  hier  wurden  die 
besonderen  Anordnungen  zum  Heile  der  Diözese  erlassen;  hier 
wurde  endlich,  wo  es  Noth  that,  offenes  Gericht  über  die  durch 
kirchliche  Gesetze  verpönten  Vergehungen  der  Kleriker  und  Laien 
abgehalten.  *)  Insbesondere  mussten  die  eigens  erwählten  und  be- 
eideten Synodalzeugen  aus  dem  Laienstande  dabei  aussagen,  was 
von  den  Laien  in  jedem  Jahre  öffentlich  gegen  Gott  und  die 
christliche  Religion  geschehen  war  und  wessen  etwa  die  allgemeine 
Meinung  den  Einzelnen  beschuldigte.  In  Folge  dessen  wurde  der 
Angeklagte  vorgeladen,  sich  zu  vertheidigen,  die  Kirchenbusse  zu 
leisten  oder  er  verfiel  den  Strafen  nach  Gewohnheit  des  Landes. 2) 
Die  entscheidende  Stimme  in  der  Synode  stand  allein  dem  Bischöfe 
zu;  doch  hörte  er  zuvor  in  den  sogenannten  Congregationen  die 
Meinungen,  Auskünfte,  Bitten  und  Wünsche  seiner  Geistlichkeit. 
Die  Entscheidungen  erfolgten  in  feierlichen  Sessionen  unter  Zu- 
lassung des  Volkes.  Die  Dauer  einer  solchen  Synode  erstreckte 
sich  in  der  Regel  nicht  über  3  oder  4  Tage.3) 

2.  In  unserem  Vaterlande  wurden  solche  Diözesansynoden  der 
kirchlichen  Ordnung  gemäss  ohne  allen  Zweifel  schon  seit  der  Er- 
richtung des  prager  Bisthums  regelmässig  abgehalten.  Wenn  wir 
aus  der  Sitte  des  zwölften  Jahrhunderts  einen  giltigen  Rückschluss 
auf  unsere  älteste  Periode  uns  erlauben  dürfen,  so  fand  die  Ver- 
sammlung immer  am  Feste  des  heiligen  Wenzel  in  Prag  selbst 
statt,  und  es  nahmen  daran  auch  alle  Edlen  des  Landes  berathen- 
den  Antheil. 4)  Eine  ausdrückliche  Erwähnung  der  regelmässigen 
Abhaltung  dieser  kirchlichen  Versammlungen  finden  wir,  bei  der 
Mangelhaftigkeit  der  älteren   Quellen,   nach   der   Chronik  Hajek's 


')  Fessler  1.  c. 

8)  Höfler  Concilia  Pragensia  p.  XVIII. 

3j  Fessler  1.  c.  p.  41  etc.  p.  59  etc. 

4)  Contin.    Cosmae   ad   ann.   1134   erzählt   es   als  herkömmliche  Sitte,  dass 

damals  am  S.   Wenzelsfeste   „alle  Edlen  Böhmens,  Geistliche  sowohl  als 

Weltliche,"  in  Prag  zusammengekommen  seien. 


169 

erst  unter  unserm  vierten  Bischöfe  Ekhard  im  Jahre  1023.  Der- 
selbe soll  nämlich  die  Verordnung  erlassen  (oder  erneuert  ?)  haben, 
„dass  jeder  Landgeistliche  wenigstens  einmal  im  Jahre  an  einem 
festgesetzten  Tage  sich  in  Prag  einfinden  müsse,  um  da  Rechen- 
schaft über  die  ihm  anvertraute  Heerde  abzulegen."  ')  Unter  Ei- 
nem sollten  die  Seelsorger  bei  dieser  Gelegenheit  die  herkömmli- 
chen Rauchgroschen  (denarii  fumales)  an  den  Bischof  abführen, 
eine  Abgabe,  die  ihren  Namen  wahrscheinlich  von  der  Gelegenheit 
ihrer  Erhebung  erhielt,  nämlich  von  dem  ehemals  üblichen  Um- 
gange des  Seelsorgers  am  h.  Dreikönigsfeste,  wo  er  die  Wohnun- 
gen der  einzelnen  Familien  unter  Gebet,  Besprengung  mit  Weih- 
wasser und  Beräucherung  mit  Weihrauch  einsegnete  und  die- 
sen Act  durch  Anschreibung  der  Anfangsbuchstaben  der  Namen 
der  3  Weisen  gleichsam  bestätigte.2)  —  Einer  weiteren  Diözesan- 
synode  wird  bis  in  die  Mitte  des  eilften  Jahrhunderts  nicht  aus- 
drücklich erwähnt,  gewiss  nur  desshalb,  weil  solche  Versammlun- 
gen nichts  weniger  als  etwas  Ausserordentliches  waren  und  darum 
einer  besondern  Erwähnung  kaum  bedurften.  Erst  dann,  wenn  ihre 
Berathungen  massgebend  in  die  öffentlichen  Verhältnisse  des  Lan- 
des eingriffen,  wie  diess  späterhin  vielfach  der  Fall  war,  mussten 
unsere  alten  Chronisten  von  ihnen  nähere  Kenntniss  nehmen. 

3.  Wenn  auch  bis  jetzt  eine  nähere  Angabe  aller  einzelnen 
Diözesansynoden  der  ältesten  Zeit  und  ihrer  Beschlüsse  kaum  mög- 
lich ist 3) :  so  wissen  wir  doch  von  den  Synodalbeschlüssen  über- 
haupt grade  genug,  um  das  kirchliche  Leben  der  ersten  zwei  christ- 
lichen Jahrhunderte  unseres  Vaterlandes  würdigen  zu  können.  Zu- 
nächst scheint  unser  Vaterland  in  dieser  Zeit  von  allen  häreti- 
schen Anfechtungen  ganz  frei  geblieben  zu  sein;  von  solchen 
findet  sich  nämlich  weder  in  den  damaligen  Beschlüssen  der 
mainzer  Provinzialconcile  noch  in  allen  einheimischen  Anordnungen 
eine  Spur.  Desto  mehr  hatten  unsere  Diözesansynoden  gegen  die 
sittlichen   Gebrechen   unseres    Volkes   zu  streiten   und   wir 


»)  Hajek  ad  a.  1023. 

3)  Noch  bis  in  die  Gegenwart  herab  bestand  in  sehr  vielen  Gegenden  die 
an  die  Schullehrer  übergegangene  Sitte  des  Dreikönigsganges,  und  die  dar- 
auf beruhende  Abgabe  (Coleda)  der   sogenannten  Rauchheller. 

8)  Höfler  hat  in  der  Einleitung  seines  Werkes:  Concilia  Pragensia  1862 
zuerst  einige  ausführliche  Synodal-Statuta  dieser  Zeit  veröffentlicht. 


170 

irren  nicht,  wenn  wir  eben  diese  Synoden  als  das  vorzüglichste 
Mittel  ansehen,  durch  welches  unsere  ersten  Bischöfe  in  dieser 
Richtung  dem  Christenthume  die  volle  Geltung  erkämpften.  Die 
diessfälligen  Bemühungen  Dietmars,  des  h.  Aclalbert,  Thiddags  und 
Ekhards  wurden  bereits  namhaft  gemacht.  In  ihre  Zeit  fallen 
wohl  auch  die  strengen  Synodalgesetze  ■ )  gegen  die  U  n  k  e  u  s  c  h- 
heit  im  Lande2),  gegen  die  Ehen  in  nächster  Verwandt- 
schaft bis  zum  fünften  Grade  herab3),  gegen  die  Unmässig- 
keit  in  Essen  und  Trinken4),  gegen  alle  abergläubischen 
Gebräuche  und  insbesondere  gegen  heidnische  Todtenfeierlich- 
keiten. 5)  Auch  die  Ausspendung  der  heiligen  Sakramente  wurde 
durch  solche  Synodaldekrete  geordnet  Die  Taufe  musste  durch 
dreimaliges  Untertauchen  im  Taufbrunneu  geschehen,  und  durfte 
ausser  im  Nothfalle  nur  an  den  Samstagen  vor  Ostern  und  Pfing- 
sten verrichtet  werden.  6)  Die  heilige  Messe  durfte  nur  nüchtern 
und  an  consecrirten  Orten,  und  nie  ohne  Alba,  Fanon  T)  und  Ca- 
sula  gefeiert  werden;  auch  sollte  jeder  Gläubige  nur  den  Gottes- 
dienst seines  eigenen  Seelsorgers  besuchen,  und  an  den  3  höchsten 
Festen  des  Jahres  das  h.  Sakrament  der  Busse  empfangen.  8)  Die 
heilige  Communion  wurde  unter  der  Formel:  Corpus  et  sanguis 
Domini  nostri  Jesu  Christi  proficiat  tibi  in  vitam  ceternam"  ge- 
spendet, und  es  wurde  hiebei  die  in  den  consecrirten  Kelch  ge- 
tauchte heilige  Hostie  gereicht.  Jeder  Gläubige  sollte  die  h. 
Communion  dreimal  im  Jahre  —  zu  Weihnachten,  Ostern  und 
Pfingsten  —  empfangen. 9) 

')  Bei  Höfler,  Einl.  zu  Concilia  Pragensia. 

3)  Auf  diessfällige  Sünden  waren  Kirche nbussen  von  3  Tagen  bis  zu  15 
Jahren  gesetzt.  (Ebend.  p.  IX.) 

3)  Die  Ehe  eines  Weibes  mit  zwei  Brüdern  und  eines  Mannes  mit  2  Schwe 
stern  wurde  mit  lebenslänglicher  Excommunication  bestraft.  (Ebend.  VIII. 
vgl.  XIV.) 

4)  Hieher  gehörten  auch  die  Verbote  gewisser  Speisen:  des  Blutes,  der  er . 
stickten  oder  gefallenen  Thiere,  der  durch  solche  verunreinigten  Flu  ssig- 
keiten  und  a.  (Ebend.  XL) 

5}  Ebend.  XVI.  &  XVII. 

6)  Ebend.  XIII.  &  XV. 

7)  Fanon  ist   ein   damals   üblicher   Name   für   den  Manipel.  Vgl.  Wetzer  & 
Weite  Kirchenlex.  VI.  215. 

8j  Höfler  Conc.  XIV.  XV. 

9)  Ebend.  IX.  Diese  Sitte  wurde  im  12.  Jahrhunderte  im  ganzen  Abendlande 


171 

4.  Als  öffentliche  kirchliche  Feste  waren  angeordnet:  Das 
Weihnachtsfest,  die  Feste  S.  Stephan,  S.  Johann  Evangelist,  Un- 
schuldige Kinder,  Oktav  der  Geburt  Christi,  Erscheinung  des  Herrn, 
Maria  Reinigung,  der  heilige  Samstag,  Ostern,  die  3  Bitttage,  Christi 
Himmelfahrt,  Pfingsten,  Johann  der  Täufer,  die  .12  Aposteltage, 
Maria  Himmelfahrt,  S.  Michael  und  das  Kirchweihfest  des  Ortes. l ) 
Die  kirchliche  Faste  wurde  strengstens  eingeschärft,  und  zwar 
ebensowohl  die  vierzigtägige,  als  alle  übrigen  kirchlichen  Fasttage  s), 
welche  die  Provinzialsynode  von  Seligenstadt  angeordnet  hatte.  In 
diesem  Stücke  zeigt  sich  sogar  in  jener  Zeit  ein  besonderer  Eifer, 
der  die  kirchlichen  Anordnungen  in  seiner  Art  noch  verschärfte. 3) 
Insbesondere  geschah  diess  bezüglich  der  vierzigtägigen  Faste.  So 
wohnte  Spytihnew  IL  die  ganze  Fastenzeit  hindurch  im  prager  Ca- 
pitelhause  oder  im  Kloster  zu  Bfewnow.  Mit  geistlichen  Kleidern 
angethan  sang  er  hier  täglich  vor  der  Frühmesse  die  üblichen 
Psalmen  mit  ausgebreiteten  Händen  oder  knieend.  Nüchtern  bis 
zur  Mittagszeit  befasste  er  sich  ausschliesslich  mit  geistlichen 
Dingen,  erst  nach  der  massigen  Mahlzeit  durfte  man  ihm  mit  welt- 
lichen Geschäften  nahen.  Von  der  ersten  Abendstunde  bis  zur 
ersten  Morgenstunde  hielt  er  strenges  Stillschweigen  und  kürzte 
selbst  die  nächtliche  Ruhe  mit  Wachen  und  Gebet. 4)  Wie  die 
Sitte  der  nächsten  Zeit  zeigen  wird,  stand  ein  derartiges  Beispiel 
durchaus   nicht   vereinzelt   da.   —  Die   Geistlichkeit   wurde   zum 


allgemein  und  bildete  gleichsam  den  Übergang  zur  allgemeinen  Annahme 
der  Communion  unter  Einer  Gestalt  im  13.  Jahrhunderte.  Letztere  war 
stets  dogmatisch  zulässig,  jedoch  in  den  ersten  Jahrhunderten  nur  aus- 
nahmsweise (bei  Kindern,  Kranken,  Verfolgten,  Reisenden,  Einsiedlern) 
üblich.  Alsbald  aber  arbeiteten  fromme  Scheu,  locale  Armuth  und  gegen- 
seitige Furcht  (insbesondere  in  Pestzeiten)  gleichmässig  an  der  Ausdeh- 
nung dieser  Art  zu  communiciren,  die  alsbald  gegen  Irrlehrer  in  Schutz 
genommen  werden  musste  und  so  endlich  zur  Regel  wurde. 
»)  Ebend.  XHI. 

3)  Als  Busse  für  einen  gebrochenen  Fasttag  war  ein  40tägiges  Fasten  bei 
Wasser  und  Brod,  und  als  Busse  für  die  Verachtung  der  vierzigtägigen 
Faste  ein  Jahr  Kirchenbusse  angeordnet.  (Ebend.  XII.) 

3)  Das  Fasten  an  Sonntagen  musste  sogar  besonders  verboten  und  mit  einer 
einwöchentlichen  Kirchenbusse  belegt  werden.  (Ebend.  XII.) 

4)  Vgl.  Tomek.  G.  Pr.  106. 


172 

strengsten  kirchlichen  Leben  und  zur  gewissenhaften  Persolvirung 
des  Breviergebets  (auch  in  den  betreffenden  Nachtstunden)  ange- 
wiesen.1)—  Noch  sei  einiger  eigentümlicher  Gebote  jener  Zeit  ge- 
dacht. Streng  verboten  war  der  Genuss  aller  unreinen  Speisen. 
Unrein  war  Alles,  was  mit  unkeuschen  Gegenständen,  mit  Blut 
und  Excrementen  von  Menschen  und  Thieren  und  mit  Abgestor- 
benen in  Berührung  gekommen  war,  auch  Alles,  was  von  wilden 
Thieren  und  Hunden  gebissen  und  zerrissen  worden  war,  ebenso 
alles  Erstickte.  —  Jeder  Gläubige  musste  verhalten  werden,  das 
Gebet  des  Herrn  und  das  apostolische  Glaubensbekenntniss  sowohl 
in  der  Mutter-  als  in  der  lateinischen  Sprache  zu  erlernen.  — 
Jeder  Priester  sollte  einen  Kleriker  oder  Scholaren  bei  sich  ha- 
ben, der  die  Episteln  und  Lectionen  lese,  bei  der  Messe  respon- 
dire  und  mit  ihm  die  Psalmen  singe.  —  Die  Functionen  bei  Tau- 
fen und  Leichen  sollten  unentgeltlich  sein.  —  Das  Weihwasser 
sollte  alle  Sonntage  erneut  werden.  —  Den  Katechumenen  sollte 
zur  österlichen  Zeit  statt  der  Communion  nur  Salz  und  Wasser 
gereicht  werden.3) 

5.  Alle  Uiber tretungen  mussten  durch  lange  Kirchen- 
bussen gesühnt  werden,  die  oft  nur  für  eine  einzige  Sünde  bis  zu 
15  Jahren  und  selbst  auf  Lebenszeit  sich  erstreckte.  3)  Die  gänz- 
liche oder  theilweise  Lossprechung  von  diesen  Kirchenbu^en,  die 
zugleich  die  wirkliche  Sühnung  der  noch  erübrigenden  zeitlichen 
Strafen  in  sich  schloss  —  der  kirchliche  Ablass  —  wurde 
nur  den  Confessis  et  communicaüs 4)  (denen,  die  gebeichtet  und 
kommunizirt  hatten)  gegen  anderweitige  bestimmte  Busswerke  er- 
theilt,  —  und  zwar  in  dieser  Zeit  zumeist  nur  in  Rom  selbst, 
wohin  der  Büsser  mit  einem  Geleitschreiben  des  Bischofs  pilgern 
musste. 5)  Als  höchste  Strafe  wurde  die  Exe o m munication 
verhängt. 6)    Bei  den  kirchlichen  Untersuchungen  dieser  Zeit   be- 


»)  Höfler  conc.  Prag.  XI—  XV.    N 

2)  Ebend.  XI— XV. 

3)  Siehe  die  obigen  Koten. 

4)  So  lautet  der  Eingang  aller  Ablassdecrete. 

5)  Erben  regest,  p.  55   enthalten  ein  solches   Geleitschreiben  des   Bischofs 
Severus. 

6)  S.  die  Statuten  des  Severus. 


173 

gegnen  wir  noch  vielfach  den  Gottesgerichten.1)  Die  kirch- 
lichen Anordnungen  dieser  Zeit  schliessen  in  würdiger  Weise  mit 
den  bereits  erwähnten  Statuten  des  Bischofs  Severus  ab.2) 


§.  43.  Die  Schalen. 

Mit  der  Einführung  des  Christenthums  musste  nothwendig 
auch  das  Institut  der  christlichen  Schule  unserem  Vaterlande  zu 
Theile  werden.  Von  jeher  hat  die  katholische  Kirche  den  ihr  ge- 
wordenen Auftrag  ihres  Stifters  im  weitesten  Sinne  erfasst  und  be- 
folgt: sie  ward  die  Lehrerin  der  Welt,  nicht  bloss  in  Sachen 
des  Heiles,  sondern  auch  im  irdischen  Wissen.  Als  unser  Vater- 
land seine  Kinder  der  h.  Kirche  zuführte,  war  es  anderwärts  be- 
reits allgemeine  Sitte,  dass  die  Priester  in  Flecken  und  Dörfern 
für  die  kleinen  Kinder  der  Gläubigen. Schule  hielten,  ohne  Bezah- 
lung dafür  zu  nehmen. 3)  Ja  dieselben  hielten  sich  bereits  an  vie- 
len Orten  geistliche  oder  weltliche  Lehrgehülfen,  welchen  sie  eine 
anständige  Versorgung  im  geistlichen  Hause  verabreichten,  —  ge- 
wöhnlich dieselben  Männer,  welche  bereits  den  kirchlichen  Dienst 
des  Messners  und  Organisten  versahen. 

Es  kann  uns  demnach  nicht  befremden,  alsbald  ausdrückliche 
Erwähnungen  von  blühenden  Schulen  bei  den  wichtigeren  Gottes- 
häusern unseres  Vaterlandes  zu  finden.  Eine  solche  Schule  treffen 
wir  noch  vor  Errichtung  des  Bisthums  bei  der  Kirche  am  Tein, 
im  Schlosse  zu  Tetin,  zu  Budeö  und  in  den  vorzüglichen  Orten 
des  Landes.4)    Alle  dieselben  übertraf  damals   an   Bedeutung   die 


l)  Ebendaselbst. 
■)  S.  §.  19. 

3)  Verordnung  des  Bischofs  Theodulf  von  Orleans  vom  J.  885.  Verordnung 
der  Synode  von  Mainz  vom  J.  813.  Verordnung  des  Königs  Pipin  v.  J. 
762.  —  Verordnungen  Karls  des  Grossen  etc.  Die  diessfälligen  könig- 
lichen Verordnungen  (capitularia)  waren  nur  Veröffentlichungen  der  ge- 
legenheitlich der  jährlichen  Reichstage  von  den  eben  versammelten  Bi- 
schöfen gefassten  Synodalbeschlüsse.  —  Vgl.  meinen  Aufsatz  über  die 
christl.  Volksschule  im  Jahrbuche  für  Eltern  und  Erzieher  1855.  S.  56—79. 

4)  Raphael  Ungar:  Gedanken  von  dem  Zustande  der  Schulen  und  der  lat. 
Literatur  in  Böhmen  vor  Errichtung  der  hohen  Schule  in  Prag.  S.  33  &  42. 


174 

Schule  in  Budeö,  welche  Spytihnöw  I.  zugleich  mit  der  dortigen 
Kirche  errichtet  hatte  und  wo  der  h.  Wenzel  von  seinem  Lehrer 
Unego  eine  Bildung  in  der  lateinischen  und  slawischen  Literatur 
„gleich  einem  Priester"  empfangen  konnte.  *)  Auch  noch  in  späterer 
Zeit  behauptete  diese  Schule  einen  hohen  Ruhm  und  das  böhmische 
Volk  war  hochherzig  genug,  im  Jahre  1017  den  durch  hohe  Ge- 
lehrsamkeit berühmten  geistlichen  Lehrer  Horso  von  Budec  für  die 
„bischöfliche  Würde  zu  empfehlen. 2)  Es  unterliegt  kaum  einem 
Zweifel,  dass  gleichzeitig  mit  Budec  auch  Leitmeritz,  Melnik,  Bilin, 
Saaz,  Tetschen  und  andere  alte  Zupensitze  im  Umkreise  der  jetzi- 
gen Diözese  von  Leitmeritz  ähnliche  Schulen  erhielten.  Viele  der- 
selben gingen  in  ihren  Bemühungen  ebenso  wie  die  zu  Budec  weit 
über  die  ersten  Anfangsgründe  des  Wissens  hinaus. 

2.  Die  Stiftung  des  Bisthums  in  Prag  nöthigte  zur  Erweite- 
rung des  Schulwesens.  Nach  den  Capitularen  Karls  des  Grossen, 
die  durch  die  herrschende  Metropolitanverfassung  nachgehends  auch 
Böhmen  berührten,  „mussten  in  jedem  Bisthume  (und  in  jedem 
Kloster)  Schulen  errichtet  werden,  in  welchen  die  Söhne  der  Freien 
sowohl  als  der  Leibeigenen  die  Sprachlehre,  Ton-  und  Rechenkunst 
erlernen  sollten." 3)  Auch  musste  ja  dem  Bischöfe  viel  daran  ge- 
legen sein,  eine  wissenschaftlich  gebildete  Klerisei  unter  seiner  ei- 
genen Aufsicht  heranbilden  zu  lassen.  Der  heilige  Chrodegang  von 
Metz  hatte  seine  derartige  Domschule  dem  von  ihm  ins  Leben 
gerufenen  Domcapitel,  beziehungsweise  dem  Canonicus  Scholasticus 
anvertraut.  Seinem  Beispiele  folgten  alle  Bischöfe,  —  auch  bereits 
der  erste  Bischof  von  Prag.  Die  am  prager  Capitel  zu  allen  Zei- 
ten bestandene  Würde  des  Scholasticus  und  die  öftere  ausdrück- 
liche Erwähnung  der  dort  befindlichen  Schülerschaft  ist  eine  genü- 
gende Bürgschaft  dafür.  4)  In  ähnlicher  Weise  entstanden  sofort 
ähnliche  Schulen  auch  bei  den  Collegiatcapiteln  des  Landes,  zu- 
nächst in  Altbunzlau,  Leitmeritz,  Melnik  und  am  Wysehrad.  Da 
das  prager  Bisthum  zur  mainzer  Metropolie  gehörte,  so  ist    wohl 


1)  Vgl.  S.  47  und  48.  Faust.  Prochaska:  de  lib.  art.  in  Boh.  fatis  50  etc. 

2)  Hajek  ad  a.  1018. 

3)  Cap.  v.  788  bei  Ungar  1.  c.  p.  31  u.  32. 

4)  Vgl.    Cosmas   ad   a.   1074.  Cont.  Cosmae  ad  a.  1248.    Neplacho  in  Dobn. 
monum.  IV.  p.  111.  etc. 


175 

anzunehmen,  dass  auch  in  den  böhmischen  Domschulen  die  vom 
Erzbischofe  Wilegisis  im  J.  976  zu  Mainz  eingeführte  Schulordnung 
angenommen  wurde.1)  Nach  dieser  wohnten  die  „canonischen 
Schüler"  ohne  Ausnahme  im  Hause  des  Scholasticus,  der  an  seiner 
Seite  noch  einen  Hülfslehrer  (secundarius)  und  einen  Schaffner  ha- 
ben sollte.  Diese  Schüler  wurden  von  eigens  dazu  bestimmten  Prä- 
benden  mit  Kost  und  Kleidung  versehen  und  leisteten  dafür  ent- 
sprechende Dienste  beim  kirchlichen  Gesänge.  Ohne  Erlaubniss 
des  Scholasticus  durfte  kein  Schüler  „unterrichtet  und  bestraft  wer- 
den." Ausser  den  „canonischen  Schülern"  konnten  immerhin  auch 
Externisten  dem  Unterrichte  beiwohnen.  Der  Scholasticus  sollte 
in  der  Würde  der  nächste  nach  dem  Dechant  des  Capitels  und 
nöthigen  Falls  dessen  Stellvertreter  sein.  Fremde  Kleriker,  die  als 
Reisende  die  Stadt  besuchten,  sollten  unter  seiner  Jurisdiction 
stehen.  Zu  seiner  weitern  Ausbildung  durfte  er  allein  sogar  drei 
und  mehrere  Jahre  lang  vom  Capitel  ferne  sein.  2)  Selbstver- 
ständlich erstreckte  sich  der  Unterricht  über  Alles,  was  dem  Kle- 
riker und  künftigen  Priester  zu  wissen  unentbehrlich  war. 

3.  Mit  den  Benedi  ctinermönchen  mussten  nothwendig  auch 
ihre  Schulen  nach  Böhmen  verpflanzt  werden,  und  in  ihren  neuen 
Klöstern  konnten  sie  nicht  allzulange  zurückbleiben  hinter  dem  Lobe, 
das  schon  der  unbekannte  Biograph  des  Paderborner  Bischofs 
Meinwerk,  ein  Schriftsteller  des  11.  Jahrhunderts  den  Schulen  ihrer 
Klöster  in  Deutschland  spendete.  Dieser  schreibt  nämlich  zunächst 
von  ihrer  Schule  zu  Paderborn :  „Es  blühten  da  Uibungen  in  vielen 
Arten  der  Wissenschaften  und  gutgeartete  Knaben  und  Jünglinge 
wurden  nach  einer  regelmässigen  Lehrart  unermüdet  unterrichtet. 
Es  gab  da  Tonkünstler,  es  zeichneten  sich  Dialektiker  aus,  Lehrer 
der  Redekunst  und  vortreffliche  Grammatiker.  Die  Lehrer  der  freien 
Künste  bearbeiteten  das  Trivium  (Grammatik,  Rhetorik,  Dialektik) ; 
auch  widmeten  sie  ihren  ganzen  Fleiss  dem  Quadrivium  (Rechen- 
kunst, Geometrie,  Tonkunst,  Sternkunde).  Horaz  war  da  im  Schwünge 
und  der  grosse  Virgil,  Crispus    Salustius   und   der   feine   Statius. 


l)  Diese   Schulordnung    wurde    auf  einer  Provinzialsynode  zu  Mainz  am  28. 
April  976  beschlossen. 

3)  Ungar  1.  c.  p.  24—28. 


176 

In  der  Schrift  aber  und  in  der  Malerei  (der  Bücher)  spricht  ihrem 
Fleisse  die  Erfahrung  vielfältiges  Lob."  ])  Dass  übrigens  die  böh- 
mischen Klöster  des  Ordens  solche  Schulen  wirklich  ebenfalls  be- 
sassen,  dafür  bürgt  ausser  ihrer  Regel  auch  noch  die  nachfolgeude 
Geschichte.  Ihrem  Beispiele  folgten  alsbald  alle  andern  Ordens- 
vereine, die  nach  ihnen  in  unser  Vaterland  kamen.  Während  die 
eifrigen  Mönche  die  männliche  Jugend  zur  Wissenschaft  leiteten, 
thaten  auch  die  frommen  Klosterfrauen  ihr  Möglichstes  für  eine 
erspriessliche  Erziehung  der  Jungfrauen  zumal  aus  den  edleren 
Geschlechtern  des  Landes. 

4.  Obgleich  das  Institut  der  Schule  in  unserem  Vaterlande 
unter  der  sorgsamen  Pflege  der  Kirche  schon  in  dieser  Zeit  be- 
stens gedieh:  so  drängte  doch  der  edle  Wissensdurst  so  manchen 
einheimischen  Jüngling  in  die  Fremde,  um  dort  zu  den  Füssen 
weltberühmter  Lehrer  eine  noch  tiefere  Weisheit  zu  lernen.  Schon 
der  h.  Adalbert  weilte  zu  diesem  Zwecke  in  seiner  Jugend  zu  Mag- 
deburg. Seinem  Beispiele  folgten  alsbald  die  Söhne  des  herzog- 
lichen Hauses  und  der  besten  Familien  des  Landes.  Eben  am 
Schlüsse  der  von  uns  geschilderten  Zeit  treffen  wir  den  Prinzen 
Jaromir  mit  seinem  Jugendfreunde,  unserem  ältesten  Chronisten 
Cosmas,  als  Schüler  an  der  berühmten  Schule  zu  Lüttich. 3)  Die 
Gelehrsamkeit  stand  bereits  hoch  in  Ehren.  Bereits  erschwang  sich 
nur  derjenige,  welcher  unter  Allen  der  Gebildetste  war,  zu  den 
höchsten  Aemtern  in  der  Kirche  und  im  Staate. 


1)  Ebendaselbst  S.  43. 

2)  Cosmas  ad  a.  1055,  1061,  1125.  Illustr.  Chronik  von  Böhmen  I.  11. 


ZWEITE  PERIODE. 


Die  Blütfhezeit  der  botanischen  Kirche. 

I.  Zeitraum. 

Die  Theilnahme  des  christlichen  Böhmens  an  der  kirchlichen  Refor- 
mation. 1068—1200. 

§.  44.  Der  Geist  der  neuen  Zeit. 

1.  Wir  treten  in  einen  neuen  Zeitraum  ein.  Die  Einführung 
der  christlichen  Lehre  im  Lande  und  im  Leben  der  Böhmen  ist 
bis  auf  wenige  Uiberreste  des  alten  Aberglaubens,  die  alsbald  auch 
noch  verschwinden,  völlig  vollendet.  Unser  Vaterland  steht  nun 
ebenbürtig  unter  den  zahlreichen  Gliedern  des  christlichen  Staaten- 
kreises. Nothwendig  wird  es  desshalb  von  der  grossen  Bewegung 
miterfasst,  die  eben  damals  mit  wunderbarer  Kraft  alle  Theile  der 
christlichen  Welt  ergriff:  es  war  diess  eine  Bewegung  zum  Bessern, 
zum  Idealen. 

Die  Kirche  Christi  trauerte  seit  einiger  Zeit  tief  über  den 
unkirchlichen  Geist  ihrer  Diener.  Das  Kaufen  geistlicher  Pfründen 
um  Geld  und  Geldeswerth  (Simonie)  und  ein  gänzliches  Hintan- 
setzen des  priesterlichen  Cölibats  waren  die  grossen  Uibel,  die 
damals  die  Mehrzahl  des  Klerus  befleckten.  Es  war  so  geworden 
in  Folge  der  eigenthümlichen  Verhältnisse  früherer  Zeit  und  des 
argen  Missbrauchs,  der  sich  derselben  bemächtigt  hatte.  Die  Do- 
tation geistlicher  Aemter  mit  Grundbesitz  hatte  die  Geistlichen 
fast  durchgängig  zu  Lehensträgern  weltlicher  Herren  gemacht,  und 
diese  hatten  eben  desshalb  die  Einführung  jener  ins  geistliche  Amt 

12 


178 

sich  angeeignet.  (Investitur.)  Das  war  besonders  in  einer  Zeit  ge- 
schehen, da  die  päpstliche  Gewalt  zum  Spielballe  sich  bekämpfender 
Parteien  erniedrigt  wenig  nach  Aussen  zu  wirken  vermochte.  Seit- 
dem aber  gelangten  nicht  selten  die  Untauglichsten  und  Unwür- 
digsten, sogar  Leute  ohne  alle  geistliche  Bildung  zu  den  hohen  und 
höchsten  geistlichen  Ehren,  und  diess  zumeist  durch  schnöden 
Kauf.  (Simonie.)  Kein  Wunder,  dass  nun  selbst  Beweibte  in  die 
kirchlichen  Aemter  sich  eindrängten,  ohne  hiemit  nach  alter  Sitte 
dem  ehelichen  Leben  zu  entsagen,  während  andere  ganz  offen  dem 
sündhaften  Conciibinate  huldigten.  Kein  Wunder,  wenn  unter  sol- 
chen Obern  die  alte  kirchliche  Zucht  und  Sitte  sowohl  im  Säcu- 
lar-  als  im  Klosterklerus  immer  weniger  Beachtung  fand.  Kein 
Wunder  auch,  wenn  bei  dem  täglich  wachsenden  Verderben  der 
Geistlichkeit  auch  Bohheit  und  Laster  aller  Art  in  die  Heerde  der 
Gläubigen  drangen.  Dieses  und  nur  dieses  ist  das  finstere  Mittel- 
alter, eine  Zulassung  der  Vorsehung,  um  mitten  unter  den  grössten 
menschlichen  Gebrechen  die  Göttlichkeit  der  katholischen  Kirche 
desto  unwiderleglicher  zu  bewähren. 

2.  Erhaben  über  diesen  Gebrechen  stand  der  grösste  Mann 
jener  Zeit,  Gregor  VII.,  der  Heilige.  Zum  Nachfolger  des  h.  Pe- 
trus bestellt  hielt  er  es  für  die  Aufgabe  seines  Lebens  und  seines 
Amtes,  eine  Beformation  des  Klerus  und  der  gesammten  Christen- 
heit einzuleiten.  ])  Dazu  galt  es  aber  vor  Allem,  jene  zwei  all- 
gewaltigen Bande  zu  zerreissen,  die  den  Klerus  an  die  Welt,  und 
die  Bischöfe  an  die  Fürsten  fesselten,  die  Priesterehe  und  die 
durch  Simonie  befleckte  weltliche  Investitur.  Das  abgeschlossene 
enthaltsame  Leben  sollte  bessere  Priester  bilden,  und  die  freie  ca- 
nonische Wahl  geeignetere  Oberhirten  bestellen:  diese  und  jene 
sollten  dann  vereint  an  der  Veredlung  der  Christenheit  arbeiten. 
Wo  möglich  sollte  so  allmälig  das  schönste  Ideal  verwirklicht 
werden :  nicht  mehr  die  einzelnen  Gläubigen  bloss,  und  nicht  mehr 
bloss  die  einzelnen  Familien,  ja  auch  selbst  nicht  mehr  die  ein- 
zelnen Staaten  bloss  sollten  nach  Innen  und  Aussen  christlich  sein ; 
sondern  alle  Reiche  insgesammt  sollten  wie  liebende  Geschwister 
in  eine  grosse  christliche  Staatenfamilie  sich  vereinen.     Innerhalb 

')  Epist.  Gregorii  VII.  (I.  27.  28.  30,  II.  1.45.  III.  15.  IV.  28  V.  5.  7.  10.  15. 
VII.  10.  23.  VIII.  9.  IX.  21  etc. 


179 

dieser  sollte  Pries  terth um  und  Königthum  einig  sein  und  nach 
Einem  streben,  nach  dem  Frieden  der  Welt.  ])  Zu  diesem  Zwecke 
sollte  über  diese  Familie  die  h.  Kirche  als  gemeinsame  Mutter 
Aller  herrschen,  und  alle  Glieder,  auch  Kaiser  und  Könige  sollten 
ihrem  Gebote  als  gute  Christenkinder  Folge  leisten. 3)  So  sollte 
damals  schon  die  Verheissung  des  göttlichen  Stifters  von  einer 
Heerde  und  e  i  n  e  m  Hirten  sich  erfüllen.  Für  wahr,  ein  hohes  Ideal, 
würdig,  das  Zeitalter  der  Ideale — das  helle  Mittelalter — zu  er- 
öffnen. Dem  hohen  Gedanken  Gregors,  den  auch  seine  Nachfolger 
treu  bewahrten,  stellte  sich  erst  in  Heinrich  IV.  die  rohe  Gewalt, 
und  später  in  dem  grossen  Hohenstaufen  Friedrich  I.  ein  anderes 
Ideal,  das  einer  kaiserlichen  Universalmonarchie,  entgegen.  Da 
rieben  im  langen  Streite  die  entgegenstrebenden  Pläne  sich  auf. 
Das  aber  war  der  Gewinn  der  neuen  Zeit :  die  Freiheit  der  Kirche 
war  gesichert,  die  Pieformation  war  gelungen,  die  Menschheit  hatte 
sich  für  Ideen  begeistern  gelernt. 

3.  Die  Hülle  ist  gebrochen:  schöner  als  je  entfaltet  sich  nun 
das  segensvolle  Leben  der  Kirche.  Der  christliche  Heldensinn  de- 
müthigt  im  Osten,  Süden  und  Norden  die  kirchenfeindlichen  Hei- 
den und  bahnt  dem  h.  Glauben  nach  allen  Seiten  hin  neue  Wege. 
Die  christliche  Frömmigkeit  ruft  neue  Ordensvereine  ins  jugend- 
frische Leben  und  baut  ihnen  allerwärts  die  Stätten  eines  gottge- 
fälligen und  weltbeglückenden  Wirkens.  Die  christliche  Wohlthä- 
tigkeit  bietet  allen  Leidenden  und  Bedrängten  nahe  und  fern  eine 
ersehnte  Zuflucht.  Die  christliche  Wissenschaft  gründet  sich  in 
zahlreichen  Universitäten  ihre  sicheren  Asyle.  Die  christliche 
Kunst  strebt  in  wundervollen  Domen  himmelan.  Selbst  das  gemeine 
Leben  will  durch  Genossenschaften  aller  Art  sich  veredeln.  So  wird 
die  neue  Zeit  zur  Glanzperiode  des  Mittelalters. 

Unser  Vaterland  folgt  Schritt  für  Schritt  dem  Geiste  der 
neuen  Zeit,  erst  widerstrebend,  dann  freudig  und  voll  Hingebung. 
Wir  betrachten  hier  zunächst  die  Zeit  bis  über  die  Mitte  des  13. 
Jahrhunderts;  es  ist  die  Zeit  der  inneren  Reformation  unseres 
Vaterlandes,  der  allmälige  Uibergang  zu  seinem  goldenen  Zeitalter. 


l)Epist.  I.  24.  60.  Vm.  21. 
2J  Epist  I.  19. 

12 


180 


§.  45.  Bischof  Gebhard  (Jaromir). 

1.  Am  9.  Dezember  1067  war  der  greise  Bischof  Severus 
im  Rufe  der  Heiligkeit  aus  diesem  Leben  geschieden.  Schon  in 
den  Tagen  des  Herzogs  Bfetislaw  war  die  Nachfolge  auf  dem  bi- 
schöflichen Stuhle  dem  jungen  Prinzen  Jaromir  zugedacht  und  vom 
herzoglichen  Vater  zugesagt  worden.  Desshalb  hatte  dieser  die 
entsprechendon  geistlichen  Kenntnisse  sich  angeeignet,  zuletzt  an 
der  damals  hochberühmten  Schule  zu  Lüttich,  ohne  aber  eine  ent- 
schiedene Neigung  für  den  geistlichen  Stand  gewinnen  zu  können. 
Nach  wie  vor  wollten  ihm  Waffen,  Jagd  und  Spiel  besser  gefallen 
als  Talar  und  Brevier.  So  erreichte  ihn  die  Kunde  vom  frühzei- 
tigen Tode  seines  auf  den  Vater  gefolgten  ältesten  Bruders  Spy- 
tihnew  IL  (f  28.  Jan.  1061),  und  er  beeilte  sich  sofort  in  die  Hei- 
mat zu  kommen,  um  bei  der  in  Aussicht  stehenden  Länderverth  ei- 
lung statt  des  anzuhoffenden  Bisthums  lieber  ein  Theilfürstenthum 
zu  gewinnen.  Doch  fügte  er  sich  dem  Zureden  des  älteren  Bruders 
und  nunmehrigen  Herzogs  Wratislaw  IL  und  Hess  sich  nun  sogar 
zur  Versicherung  seines  Eintritts  in  den  geistlichen  Stand  die  Dia- 
konatsweihe ertheilen.  Leider  aber  vergass  er  diese  nur  allzubald. 
Ueberwältigt  von  dem  alten  Hange  nach  Waffen  und  Freiheit  ent- 
floh er  mit  etlichen  Freunden  nach  Polen  und  scheute  sich  sogar 
nicht,  dort  seine  abenteuerliche  Kriegslust  durch  Theilnahme  an 
einem  Kriege  gegen  sein  eigenes  Vaterland  zu  befriedigen.1)  Da 
starb  eben  der  Bischof  Severus.  Kein  Wunder,  dass  unter  solchen 
Umständen  Klerus  und  Fürst  an  nichts  weniger,  als  an  die  Erhe- 
bung Jaromirs  auf  den  Bischofsstuhl  dachten.  Der  Wahllandtag 
wurde  in  Mitten  des  Heerlagers  bei  Dobenin  (vielleicht  Döberle 
bei  Trautenau)  gehalten,  wo  man  eben  zum  Kampfe  gegen  die  Po- 
len versammelt  war.  Hier  rief  Wratislaw  den  Propst  Lanzo  von 
Leitmeritz  an  seine  Seite,  allen  bekannt  als  hochgebildet  und  in 
Sitte  und  Leben  würdig  der  bischöflichen  Ehre. ,  Der  Herzog  fand 
kaum  ein  Ende  des  Lobes  für  diesen  ausgezeichneten  Priester,  und 


')  Vgl.  Palacky  I.  298. 


181 

reichte  ihm  sodann  —  die  Uebereinstimmung  Aller  voraussetzend — 
eigenhändig  Ring  und  Stab,  das  erste  Beispiel  einer  bischöflichen 
Investitur  in  Böhmen  ohne  Intervention  des  Kaisers.  Doch  da  er- 
hoben sich  die  Freunde  Jaromirs:  vor  Allen  der  Graf  Kojata  und 
der  Zupan  Smil  von  Saaz,  und  mit  ihnen  die  jüngeren  Brüder  des 
Herzogs,  denen  Alles  an  der  Gewinnung  eines  bischöflichen  Bun- 
desgenossen in  der  Opposition  gegen  ihren  herzoglichen  Bruder 
gelegen  war.  Man  mahnte  schreiend  an  die  Zusage  Bretislaws,  ver- 
lästerte den  Lanzo  als  Fremdling  und  rief  zu  den  Waffen.  Wirk- 
lich Hess  sich  die  Mehrzahl  der  anwesenden  Krieger  durch  die  fa- 
natischen Reden  der  Unzufriedenen  hinreissen  und  zog  mit  ihnen 
in  ein  festes  Lager  bei  Opocno.  Der  Bürgerkrieg  schien  unver- 
meidlich. Da  gab  Wratislaw  seinen  Entschluss  auf,  —  und  Jaromir 
bestieg  sofort  den  Bischofsitz  unter  dem  Namen  Gebhard.  Am  30. 
Juni  1068  erhielt  derselbe  vom  Kaiser  Heinrich  IV.  zu  Mainz  die 
Investitur,  und  am  6.  Juli  vom  mainzer  Erzbischofe   Siegfried  die 

priesterliche  und  darauf  die  bischöfliche  Weihe.  ') 

2.     Es  begann  eine  traurige  Zeit   für  unser  Vaterland.     Der 

nur  allzu  weltlich  gesinnte  neue  Bischof,  in  Streit  und  Feindschaft 
erhoben,  ward  nimmer  dem  Frieden  hold.  Ein  Dorn  im  Auge  war 
ihm  schon  gleich  nach  seinem  Amtsantritte  das  neue,  von  seinem 
Vater  1063  errichtete  mährische  Bisthum  zu  Olmütz,  in  welchem 
er  eben  so  sehr  eine  Beschränkung  seiner  Gewalt  als  eine  Ver- 
kürzung seiner  Einkünfte  erblickte.  Er  klagte  desshalb  schon  1068 
gegen  die  herzogliche  Kammer  und  gegen  das  neue  Bisthum  beim 
h.  Stuhle  in  Rom,  und  als  er  von  dort  statt  der  gewünschten  Hülfe 
ernste  Ermahnungen  erhielt 2),  zog  er  gar  mit  bewaffnetem  Gefolge 
nach  Olmütz,  und  vergass  sich  soweit,  seinen  bischöflichen  Gegner 
zu  schmähen  und  körperlich  zu  misshandeln.  Da  sandte  Herzog  Wra- 
tislaw an  Papst  Alexander  II.  den  deutschen  Priester  Hagen  zur 
Klage;  und  als  dieser,  wohl  nicht  ohne  Wissen  des  Bischofs,  von 
Räubern  misshandelt  und  zur  Rückkehr  genöthigt  wurde,  schickte 
er  eine  zweite  Gesandtschaft  mit  um  so  dringlicherer  Beschwerde 
dahin.    Indess  hatte  auch  das  Capitel  von  Olmütz   seine  Relation 


')  Cosmas  etc.  Vgl.  Palacky  I.  304  etc.  Tomek  G.  P.  I.  126. 
3)  Vgl.  Brief  Alexanders  IL  dd.  1071  bei  Erben  regesta  p.  58. 


182 

über  das  Vorgefallene  nach  Rom  gesendet.  ])  In  Folge  dessen  kam 
ein  päpstlicher  Legat,  Namens  Rudolph,  mit  voller  Gewalt  zu  rich- 
ten und  zu  strafen,  nach  Prag, 2)  und  dieser  sprach  auf  einer  Syn- 
ode der  geistlichen  und  weltlichem  Grossen  des  Landes,  auf  der 
aber  Gebhard  unter  Berufung  auf  seinen  Metropoliten  zu  erschei- 
nen sich  weigerte,  den  Kirchenbann  gegen  den  unfriedlichen  Bi- 
schof aus.  3)  Als  aber  sofort  der  Klerus  des  Landes,  noch  viel 
fach  in  die  Bande  der  Priest  er  ehe  verstrickt,  und  eben  desshalb 
ein  nach  allen  Seiten  durchgreifendes  Einschreiten  des  päpstlichen 
Legaten  fürchtend,  die  Stolen  zerriss,  die  Altäre  entblösste  und 
alle  gottesdienstlichen  Handlungen  einstellte,  ward  die  Strafe  in 
die  blosse  Suspension  vom  bischöflichen  Amte  und  Einstellung  der 
bischöflichen  Einkünfte  gemildert.  Gebhard  floh  ins  Ausland.  Der 
Bischof  von  Olmütz  administrirte  das  prager  Bisthum,  Herzog 
Wratislaw  hatte  bereits  die  bischöflichen  Besitzungen  in  Verwahrung 
genommen.  4) 

Vergebens  beklagte  sich  der  mainzer  Metropolit  Siegfried 
über  angebliche  Umgehung  seiner  Metropolitanrechte  bei  dem  (am 
22.  Apr.  1073)  neu  erwählten  Papste  Gregor  VII.  5)  und  bedrohte 
selbst  den  Herzog  mit  dem  Banne.  Er  erlangte  durch  wiederholte 
Klagen  nichts  Weiteres,  als  einen  ernsten  Verweis  des  für  sein  hei- 
liges Amt  begeisterten  Vaters  der  Christenheit.  6)  Indess  wurden 
zwei  neue  Legaten  (Bernhard  und  Gregor  7)  nach  Böhmen  gesendet, 


')  Vgl.   Palacky   I.    306—308.   Akten   in   Erben  regesta  num.  139  und  140 
pag.  58. 

2)  Nach  Palacky  I.  308  ist  diess  der  erste  päpstliche  Legat  gewesen,  dessen 
die  böhm.  Geschichte  erwähnt.  Doch  sagt  späterhin  Gregor  VII.  in  einem 
Briefe  an  Herzog  Wratislaw  (dd.  8.  Juli  1073,  bei  Erben  pag.  58)  aus- 
drücklich: es  seien  solche  Legaten  bisher  nur  selten  in  jene  Gegenden 
gesendet  worden,  so  dass  einige  alldort  solche  Sendung  für  etwas  neues 
halten. 

3)  Vgl.  Palacky  I.  308. 

4)  Tomek  Gesch.  Prags  I.  102.  Joh.  Marign.  in  monum.  Boh.  II.  273. 

5)  Klage  bei  Erben  reg.  p.  60. 

6)  Schreiben  Gregors  d.  d.  18.  März  1074.  Erben  reg.  p.  62.  Regesta  Gregorii 
VII.  in  Palacky's  „üal.  Reise*'  I.  epist.  60. 

7)  Genannt  im  Schreiben  Gregors  an  Wratislaw.  Erben  reg.  p.  59. 


183 

theils  zur  Anbahnung  einer  Reformation  des  Klerus,  theils  um  den 
Bischof  neuerdings  vor  ihren  Richterstuhl  zu  rufen  oder  ihn  nach 
Rom  vorzuladen  unter  Androhung  „des  Schwertes  des  apostoli- 
schen Zornes  bis  zu  seiner  Vernichtung."  ])  Da  unterwarf  sich 
endlich  der  stolze  Gebhard  und  entschloss  sich,  beim  päpstlichen 
Stuhle  selbst  ein  mildes  Gericht  zu  suchen.  Zum  Zwecke  der  Reise 
wies  ihm  nun  der  Herzog  auf  Verlangen  des  Papstes  die  bischöf- 
lichen Einkünfte  wieder  zu*)  und  Gebhard  erschien  am  13.  April 
1074  demüthig  vor  der  in  der  Salvatorskirche  zu  Rom  versam- 
melten Synode.  Dort  bekannte  er  seine  Schuld,  unterzog  sich  der 
auferlegten  Busse  und  kehrte  dann  ausgesöhnt  mit  der  Kirche  in 
seine  Diöcese  zurück.  3j  Bischof  Gebhard  war  durch  die  ernsten 
Erfahrungen  der  ersten  Jahre  seines  bischöflichen  Wirkens  wenig 
gebessert  worden.  Nach  wie  vor  liebte  er  den  Streit.  In  Böhmen 
begann  er  alsbald  seine  vermeintlichen  Gegner  am  Hofe  seines  her- 
zoglichen Bruders  zu  e.ccommuniciren;  in  Mähren  usurpirte  er  die 
Güter  des  Bischofs  von  Olmütz.  Neue  Klagen  von  beiden  Seiten 
zogen  ihm  noch  im  J.  1074  neue  Zurechtweisungen  des  Papstes 
zu.  4)  Erst  auf  einer  zweiten  Synode  zu  Rom  (2.  März  1075)  kam 
eine  Theilung  der  in  Mähren  gelegenen  bischöflichen  Güter  und  hie- 
durch  der  Friede  zwischen  Gebhard  und  dem  olmützer  Bischöfe 
zu  Stande. 


§.46.  Die  Theilnahme  am  Investiturstreite. 

1.  Seit  längerer  Zeit  schon  hatten   eifrige   Päpste   gegen   die 
traurigen  Gebrechen  des  Klerus  geeiert.  So  hatte  bereits  Clemens  IL 


!)  Brief   Gregors    an   Herzog  Wratislaw  dd.  8.  Juli  1073;  Regesta  pp.  Gre- 

gorii  VII.  in  Palacky's  „ital.  Reise"  I.  epist.  17. 
2)  Briefe    Gregors    an  Wratislaw    und    Gebhard,    dd.    31.  Jan.    1074,  Erben 

reg.  p.  61.,  —  Regest.  Gregorii  VII.  I.  epist.  44. 
3j  Brief  Gregors    an   W.    dd.    16.   April  1074  meldet  diese  Aussöhnung  und 

fordert  die  volle  Restitution  in  die  bischöfl.  Einkünfte.    Regesta  Gregorii 

VII.  I.  epist.  78. 
4J  Epist  Gregorii  VII  ad  Gebhardum,  Wratislaum  et  Joanncm  Olomuc.  bei 

Erben  reg.  64  &  65. 


184 

1047  auf  einer  Synode  zu  Eom  die  Simonie  mit  schweren  Stra- 
fen bedroht,  war  aber  bald  darauf  eine  Beute  des  Todes  geworden.  *) 
Nicht  minder  hatte  Leo  IX.  (1048—1054)  durch  persönliche  Reisen, 
Missionen  und  Nationalconcilien  gegen  die  Sittenlosigkeit  und  Si- 
monie des  Klerus  gestritten.  2)  Auch  Nicolaus  IL  hatte  auf  einer 
römischen  Synode  (1059)  die  schärfsten  Verordnungen  gegen  die- 
selben Vergehen  erlassen. 3)  Zuletzt  noch  hatte  auch  Alexander  IL 
durch  eifrige  Legaten  allerorts  eine  gründliche  Reformation  der 
Geistlichkeit  angestrebt. 4) 

2.  Seit  Leo  IX.  war  es  immer  ein  und  derselbe  grosse  Geist 
gewesen,  der  die  Nachfolger  Petri  zu  so  ernstem  Vorgehen  drängte: 
der  demüthige,  fromme,  gottbegeisterte  Cardinal  Hildebrand.  Endlich 
bestieg  dieser  selbst  im  J.  1073  den  päpstlichen  Stuhl.  Nebst  dem 
guten  Willen  seiner  Vorgänger  brachte  er  die  eiserne  Kraft  mit 
in  sein  hohes  Amt.  So  erneute  er  schon  im  J.  1074  die  alten 
Cölibatsgesetze.  Darauf  verkündete  1075  eine  Synode  zu  Rom  der 
ganzen  Welt:  kein  Kleriker  könne  sofort  irgend  eine  geistliche 
Weihe  und  irgend  ein  geistliches  Amt  durch  Simonie  erlangen; 
keiner  dürfe  längerhin  ein  so  erlangtes  Amt  fortbehalten;  kein 
un enthaltsamer  Kleriker  solle  fortan  einen  Dienst  des  Altares  ver- 
walten, und  keiner,  der  nicht  die  strengste  Ehelosigkeit  angelobe, 
dürfte  hinfort  zu  einem  solchen  Dienste  gelangen;  niemand  solle 
irgend  ein  geistliches  Amt  aus  der  Hand  eines  Laien  (durch  In- 
vestitur) annehmen,  und  wer  eines  so  annehme,  solle  abgesetzt, 
und  welcher  Laie  eines  ertheile,  solle  aus  der  Kirchengemeinschaft 
ausgeschlossen  werden;  das  christliche  Volk  solle  keine  geistlichen 
Functionen  von  Priestern  annehmen,  welche  diese  den  Beschlüssen 
der  heiligsten  und  ältesten  Concilien  entsprechenden  Verordnungen 
übertreten.  5)  Strenge  Untersuchungen  in  Nähe  und  Ferne  und  un- 
nachsichtliche  kirchliche  Strafen  folgten  den  Verordnungen  auf  dem 


1)  Vgl.  Alzog  Kircheng.  S.  442. 

2)  Vgl.  ebend.    S.    443;  ebenso  Voigt's   Hildebrand  S.  16.  (cit.  Wibertus  vit. 
Leonis  IL  c.  3.) 

3)  Vgl.  Alzog.  S.  446.  Die  Beschlüsse  s.  in  Coleti  S.  S.  Concilia  XII.  50. 

4)  Vgl.  Alzog  S.  448.  Voigt  124  176.  180.  Palacky   I,    308.   Baron,    annal.  a. 
1076.,  Lanfranc.  canon.  epist.  IV.  in  Colleti  coli.  conc.  XII.  202. 

5J  Voigt  Hildebrand  S.  306,  Alzog  S.  517.  Mansi  coli.  conc.  XX.  403  etc. 


185 

Fusse  nach.   So   erfolgte  der  traurige  Conflict  mit  dem  deutschen 
Könige  Heinrich  IV. 

3.  Nie  hatte  ein  Fürst  die  Simonie  in  ärgerlicherer  Weise  be- 
trieben, als  eben  jener  durch  Sittenlosigkeit ,  Grausamkeit,  Cha- 
rakterlosigkeit und  unkirchliche  Gesinnung  so  traurig  berühmte 
Heinrich.  Nun  drängten  ihn  die  gross  entheils  von  ihm  erhobenen, 
jetzt  aber  mit  Absetzung  bedrohten  Bischöfe  und  Aebte  seines 
Reiches  zum  offenen  Widerstände  gegen  den  Papst.  Als  letzterer 
im  Jänner  1076  wegen  fortgesetzter  Simonie  und  Investitur  mit  kirch- 
lichen Strafen  drohte,  antwortete  Heinrich  mit  der  unerhörten  Scene 
einer  Papstentsetzung  auf  einer  Aftersynode  zu  Worms  (24.  Jan. 
1076).  Da  folgte  die  Strafe  des  Bannes.  Mit  der  Absetzung  in 
Deutschland  bedroht  (auf  der  Fürsten-Versammlung  zu  Tribur  im 
Okt.  1076)  löste  der  König  wohl  diesen  Bann  durch  eine  freiwil- 
lige Kirchenbusse  zu  Canossa,  verhinderte  aber  den  von  den  Für- 
sten gleichfalls  geforderten  auf  einem  deutschen  Fürstentage  zu 
fällenden  päpstlichen  Schiedsspruch  betreffs  unzähliger  Klagen  durch 
neue  Feindseligkeiten  gegen  seine  vermeintlichen  Widersacher.  Da 
erfolgte  seine  Absetzung  von  Seiten  der  deutschen  Fürsten  und 
die  Wahl  Rudolphs  von  Schwaben.  (Nov.  1077.)  Heinrich  und  sein 
Anhang  dagegen  eröffneten  den  Bürgerkrieg  in  Deutschland,  und 
als  Gregor  endlich  nach  langem  Abwarten  für  Rudolph  sich  ent- 
schied und  den  Heinrich  neuerdings  in  Bann  erklärte,  schritten 
sie  zur  Wahl  eines  Gegenpapstes  (Clemens  III.  1080)  und  trugen, 
siegreich  in  Deutschland,  ihre  Waffen  selbst  nach  Italien.  (1081.) 
Rom  fiel  in  ihre  Hände  (1083.  2.  Juni).  Clemens  ward  in  die  h. 
Stadt  mit  Gewalt  eingeführt,  Heinrich  von  diesem  zum  Kaiser  ge- 
krönt, der  h.  Gregor  starb  in  der  Verbannung  zu  Salona  am  25. 
Mai  1085. 

4.  Noch  37  Jahre  dauerte  der  traurige  Kampf.  Gregors  Nach- 
folger traten  mit  Kraft  und  Ausdauer  für  die  Verordnungen  ihres 
grossen  Vorfahren  ein.  Indess  erlitt  Heinrich  IV.  die  erschütternde 
Strafe  seines  gleichsam  vatermörderischen  Treibens.  Bekämpft,  be- 
siegt, gefangen,  entthront,  fast  mit  Füssen  getreten  von  seinem  ei- 
genen Sohne  Heinrich  V.  starb  er  im  J.  1106 — unausgesöhnt  mit 
der  Kirche.  Heinrich  V.  erneuerte  noch  zweimal  den  unglückse- 
ligen Streit  mit  Rom,  sah  sich  aber  endlich  im  J.  1122  genöthigt, 
in  einem  Concordate  zu  Worms  die  freie  canonische  Wahl  zu  geist- 


18B 

liehen  Aemtern  zu  gestatten,  und  die  kaiserliche  Investitur  auf  die 
Uiberreichung  des  Scepters  an  die  Gewählten  zu  beschränken.  Hie- 
mit  hatte  die  Idee  des  h.  Gregor  gesiegt  und  war  die  Möglichkeit 
einer  Reformation  gesichert. 

§.  47.  Fortsetzung. 

1.  Unter  den  Anhängern  Heinrichs  IV.  der  mächtigste  und 
zugleich  der  treueste  war  unser  Herzog  Wratislaw.  Vordem  wrar 
er  ein  treuer  Verehrer  des  päpstlichen  Stuhles  gewesen,  und  war 
ebendesshalb  1073  mit  dem  ungewöhnlichen  Ehrenschmucke  der 
bischöflichen  Mitra  für  sich  und  seine  Erben  beschenkt  worden.  ') 
Jetzt  aber  hatten  ihn  wahrscheinlich  die  Vorstellungen  eines  min- 
der kirchlich  gesinnten  Theiles  des  Klerus  im  Lande  irre  gemacht; 
mehr  noch  zog  ihn  die  eben  erhaltene  Schenkung  Meissens  und 
der  wendischen  Ostmark  (Lausitz),  die  er  beide  erst  erobern  sollte,  zu 
Heinrich  hin;  am  meisten  drängte  ihn  das  Verlangen,  auch  noch  die 
Königskrone  und  die  völlige  Unabhängigkeit  seines  Reiches  zu  ge- 
winnen. 3j  Um  diesen  Preis  opferte  er  die  Freundschaft  mit  Rom. 
Auch  Bischof  Gebhard  war  in  Folge  der  vorhergegangenen  Ereig- 
nisse dem  Papste  Gregor  viel  zu  wenig  zugethan,  um  jetzt  nicht 
ebenfalls  in  die  Reihe  der  erbitterten  Gegner  desselben  zu  treten. 
Uiberdiess  hoffte  auch  er  vom  Anschluss  an  den  gewaltthätigen 
Kaiser  einen  bedeutenden  Gewinn,  nämlich  die  gänzliche  Aufhebung 
des  ihm  so  sehr  verhassten  Bisthums  in  Olmütz.  So  wurden  die 
beiden  feindseligen  Brüder  zum  erstenmale  Freunde;  eben  dadurch 
aber  verfiel  unser  Vaterland  zum  erstenmale  in  ein  kirchliches 
Schisma.  Dasselbe  erhielt  einen  geeigneten  Ausdruck  in  der  er- 
neuten Begünstigung  und  Wiedereinführung  der  slawischen  (grie- 
chisch-slawischen) Liturgie  im  Kloster  Sazawa.  Diese  hatte 
Wratislaw  wohl  als  Prinz  schon  lieb  gewonnen;  um  so  theuerer 
waren  ihm  zur  Zeit  Spytihnews  IL  die  verbannten  slawischen  Mönche 
als  Mitgenossen  seines  Exils  geworden.  Desshalb  führte  er  als 
Herzog  beide  nach  Böhmen  zurück,  und  bemühte  sich  gewiss  wie- 


l)  Urkde.  dd.  17.  Dec.  1073  bei  Erben  p.  59. 
*)  Vgl.  Palacky  I.  312—314. 


187 

derholt,  und  zuletzt  im  Jahre  1079  um  ihre  Anerkennung  von  Sei- 
ten Roms.  Freilich  vergeblich,  da  die  Päpste  innerhalb  ihres  noch 
unbestrittenen  Jurisdictionskreises  nicht  wohl  dieselbe  griechische 
Liturgie  neu  einführen  lassen  konnten,  die  soeben  vor  2  Jahrze- 
henden durch  den  Abfall  der  gesammten  griechischen  Kirche 
schismatisch  geworden  war.  (1054.)  So  erklärte  sich  wohl  von  selbst 
das  strenge  Verbot  Gregors  VII.  (2.  Jäner  1080.)  Wratislaw  kehrte 
sich  jetzt  nicht  mehr  daran.  Er  behielt  dem  Papste  zum  Trotze 
seine  slawischen  Mönche ,  ohne  aber  ihre  Liturgie  im  Lande 
weiter  zu  verbreiten. 

2.  Vergeblich  waren  alle  Ermahnungen  des  Papstes,  den  Um- 
gang mit  Excommunicirten  zu  meiden.  ')  Wratislaw  leistete  dem 
gebannten  Kaiser  tapfere  Kriegshilfe,  erst  in  Deutschland  gegen 
die  Partei  Rudolphs  von  Schwaben,  und  von  1081  an  auch  in  Ita- 
lien gegen  die  Freunde  Gregors.  Böhmische  Schaaren  unter  Wi- 
precht  von  Groitsch  betheiligten  sich  1082  sogar  an  der  Belagerung 
Roms,  und  halfen  die  h.  Stadt  am  2.  Juni  1083  gewaltsam  erstür- 
men, leider  nicht,  ohne  den  Vorwurf  arger  Grausamkeit  auf  sich 
zu  laden.  Auch  weiter  noch  und  bis  zur  siegreichen  Heimkehr 
Heinrichs  nach  Deutschland  (1086)  hielten  die  Krieger  Wratislaws 
in  den  italienischen  Kämpfen  tapfer  Stand.  Dafür  nun  erlangte 
unser  Herzog  auf  einer  Fürstensynode  zu  Mainz  (Ende  April  1086) 
den  lang  gehofften  Lohn,  —  den  Königstitel  und  die  Königskrone. 
Letztere  setzte  auf  kaiserlichen  Befehl  der  Erbischof  Engelbert  von 
Trier  am  15.  Juni  desselben  Jahres  im  Dom  zu  Prag  auf  Wrati- 
slaws Haupt. 2)  Auch  unser  Bischof  Gebhard,  der  ebenfalls  die  dem 
Bisthume  eigenen  Kriegsleute  an  die  Seite  Heinrichs  gestellt  hatte, 
erlangte  das  Ziel  seines  langen  ungestümen  Sehnens.  Schon  am  1 1.  Juni 
1077  war  er  als  der  verlässigste  von  den  geistlichen  Freunden  des 
Kaisers  zum  Kanzler  des  deutschen  Reiches  erhoben  worden,  eine 
Beförderung,  die  eben  so  sehr  seinem  Ehrgeize  schmeichelte,  als 
sie  Gelegenheit  zu  neuen  Verdiensten  bot.  Als  nun  sein  Bruder 
die  Königswürde  empfing,  ward  er  selbst  gleichzeitig  durch  die 
Aufhebung  des  ihm  so  verhassten  olmützer  Bisthums  und  durch 


')  JEpist.  Gregorii  ad  Wratislaum  bei  Erben  70. 
*)  Vgl.  Palacky  I.  318  &  319  und  A.  m. 


188 

die  Wiederherstellung  der  ursprünglichen  Gränzen  und  Besitzungen 
seines  Bisthums  zufrieden  gestellt. *  Kaiser  und  Gegenpapst  ver- 
bürgten ihm  die  neue  Errungenschaft. 3)  So  standen  die  beiden 
Brüder  auf  dem  Gipfel  ihrer  Wünsche;  aber  das  unglückliche  Va- 
terland trug  zum  erstenmale  den  Fluch  des  Abfalls  vom  wahren 
Oberhaupte  der  Kirche. 

3.  Wratislaw  wandte  sich  zuerst  wieder  dem  rechtmässigen 
Papste  zu  (1088),  jedoch  ohne  hiemit  der  Freundschaft  mit  Hein- 
rich gänzlich  zu  entsagen.  Ursache  dessen  war  schon  die  Weige- 
rung des  Gegenpapstes,  den  vom  Kaiser  erhaltenen  Königstitel 
sofort  zu  bestätigen.  Um  so  günstigere  Aufnahme  fanden  nun 
noch  die  beredten  Ermahnungen  des  vorlängst  aus  Meissen  ver- 
triebenen heiligen  Bischofs  Benno,  der  damals  am  Hofe  Wratislaws 
sich  aufhielt.  So  erfolgte  die  Versöhnung  mit  dem  rechtmässigen 
Papste  Victor  III.,  —  selbst  um  den  Preis  der  von  diesem  gefor- 
derten Wiederaufrichtung  des  unerlaubter  Weise  aufgehobenen  Bis- 
thums zu  Olmütz.  Eben  diess  aber  entzweite  in  unserem  Va- 
terlande Fürst  und  Bischof  von  Neuem.  Letzteren  zumal  hatte 
schon  lange  die  Zumuthung  verletzt,  dem  königlichen  Bruder  bei 
Gelegenheit  öffentlicher  Feierlichkeiten  die  Krone  aufs  Haupt  zu 
setzen.  Jetzt  zum  Aeussersten  getrieben  belegte  er  den  König  und 
sein  Haus  mit  dem  Interdicte. 2)  In  Folge  dessen  sollte  den  Be- 
troffenen aller  Gottesdienst  verwehrt,  der  Empfang  aller  Sacra- 
mente  mit  einziger  Ausnahme  des  Todesfalls  verweigert,  und  das 
kirchliche  Begräbniss  nur  Geistlichen,  Bettlern  und  Kindern  bis 
zum  2.  Jahre  gestattet  sein.  Das  ernste  Schweigen  der  Glocken 
und  die  Art  der  Kleidertracht  und  Lebensweise  sollten  eine  Zeit 
allgemeiner  Busse  und  Trauer  verkünden.  Ob  diesem  bischöflichen 
Interdicte  in  unserem  Vaterlande  damals  allgemeine  Folge  gegeben 
ward,  ist  sehr  zu  bezweifeln.  Wahrscheinlich  fand  Wratislaw  da- 
mals als  Anhänger  des  rechten  Papstes  Priester  genug  im  Lande, 
die  das  strenge  Verbot  des  schismatischen  Bischofs  nicht  achteten. 
Sicher  ist,  dass  Gebhard  sofort  Böhmen  verliess,  in  der  Absicht, 
um  sich  zu  seinem  schismatischen  Papste  Clemens  III.  zu  begeben.  3) 


'jSchannat,  concilia  Germ.  III.  202,  Urkunde  bei  Erben  73  &  74.  Baibin  u.  A. 
3)Sandel  245. 
sj  Cosmas. 


189 

Da  fand  er  unterwegs  am  ungarischen  Königshofe  den  Tod — ebenso 
im  Exile,  wie  der  von  ihm  verleugnete  Papst  Gregor.  (26.  Juni 
1089. ')  Doch  folgte  ihm  der  Nachruhm  ins  Grab,  dass  er  durch 
die  ganze  Zeit  seiner  geistlichen  Regierung  allezeit  ein  Freund  der 
Armen  gewesen  sei.  Insbesondere  habe  er  in  der  h.  Faste  neben 
den  strengen  Uibungen  jener  Zeit  täglich  vor  und  nach  dem  Psal- 
mengebete die  vor  der  Kirche  versammelten  Presshaften  mit  Al- 
mosen betheilt  und  überdiess  40  Arme  an  einer  öffentlichen  Tafel 
gespeist.  Ebenso  habe  er  dürftige  Kleriker  die  ganze  h.  Zeit  hin- 
durch an  seinen  bischöflichen  Hof  gezogen.  Auch  habe  er  verord- 
net, dass  nach  seinem  Tode  noch  die  tägliche  Speisung  der  40 
Armen  und  eine  zweimalige  Bekleidung  derselben  alljährlich  ein- 
gehalten werden  sollte. 2) 

4.  In  anderer  Weise,  als  Gebhard,  und  zwar  früher  noch, 
als  sein  kaiserlicher  Freund,  sollte  auch  Wratislaw  für  die  Theil- 
nahme  am  unnatürlichen  Kampfe  gegen  Gregor  die  zeitliche  Strafe 
der  gekränkten  Vaterwürde  fühlen.  Der  eigene  Sohn  Bfetislaw, 
beleidigt  durch  die  offene  Bevorzugung  des  königlichen  Günstlings 
Zderad,  vergriff  sich  zuerst  an  diesem  und  sammelte  dann  ein 
Heer  zum  Kampfe  gegen  den  eigenen  Vater.  (1089.)  Zwar  folgte 
eine  Scheinversöhnung ;  aber  gleich  darauf  zog  der  erbitterte  Sohn 
zu  Königgrätz  alle  Unzufriedenen  des  Landes  an  sich,  um  den 
Kampf  desto  mächtiger  wieder  aufzunehmen.  Da  vermittelte  ein 
jüngerer  Bruder  Wratislaws  eine  neue  Versöhnung  und  bewahrte 
dadurch  das  Vaterland  vor  dem  Fluche  eines  vatermörderischen 
Krieges.  Bfetislaw  zog  sofort,  der  Verzeihung  des  Vaters  miss- 
trauend, mit  seinen  Anhängern  nach  Ungarn.  3)  Erst  als  Wra- 
tislaw am  14.  Jäner  1092  auf  einer  Jagd  durch  einen  unglückli- 
chen Sturz  vom  Pferde  sein  vielbewegtes  Leben  geendet  hatte, 
kehrte  Bfetislaw  nach  Böhmen  zurück  und  nahm  —  nur  als  Her- 
zog —  Besitz  vom  väterlichen  Throne. 

Wratislaw  hatte  sich  den  Ehrennamen  eines  Wohlthäters  der 


')  Vgl.  Palacky  I.  321. 

a)  Cosmas.    Dieser  Chronist  zeigt  sich    als    den  wärmsten    Verehrer  des  Bi- 
schofs Gebhard. 
€)  Vgl.  Palacky  1.  325—328. 


190 

Kirchen,  sowohl  daheim  als  in  der  Fremde  verdient.  Am  meisten 
rechtfertigte  diesen  Ruf  die  Stiftung  des  Collegiatstiftes  Wy§ehrad, 
dessen  wir  später  an  geeigneter  Stelle  ausführlich  gedenken  werden. 

§.  48.  Bischof  Cosmas. 

1.  Schon  am  4.  März  1090  war  Cosmas  von  Klerus,  Volk 
und  Fürsten  zum  Nachfolger  Gebhards  erwählt  worden,  ähnlich 
seinem  Vorgänger  in  der  MilcUhätigkeit  gegen  die  Leidenden,  dessen 
Gegensatz  aber  durch  Demuth,  Geduld  und  Versöhnlichkeit.  ')  Zwei 
Umstände  vereinigten  sich  dennoch,  die  Weihe  eines  so  würdigen 
Bischofs  zu  verzögern  und  dadurch  unserem  Vaterlande  neue  Ver- 
legenheiten zu  bereiten.  Noch  hatte  König  Wratislaw  die  Wahl 
geleitet:  da  sollte  nun  der  Gewählte  allerdings  dem  rechtmässigen 
Papste  Urban  IL  gehorchen,  aber  doch  auch  von  Kaiser  Heinrich 
IV.  die  vordem  übliche  Investitur  erwerben.  Letzteres  nun  verzögerte 
sichbis  zum  4.  Jäner  1092,  an  welchem  Tage  Cjsmas  za  Mantua  Ring 
und  Stab  empfing.  Da  starb  schon  10  Tage  darauf  König  Wrati- 
slaw und  sein  Nachfolger  Bfetislaw  wandte  sich  wieder  der  Partei 
des  Gegenpapstes  Clemens  zu.  So  war  Böhmen  neuerdings  dem 
unglückseligen  Schisma  verfallen,  und  es  war  nicht  zu  wundern, 
dass  nun  der  am  rechtmässigen  Papste  hangende  Metropolit  von 
Mainz  (Rudhart)  unserem  Cosmas  die  bischöfliche  Weihe  versagte. 
Böhmen  aber  entbehrte  mit  Schmerz  so  vieler  dringenden  Functionen 
eines  Oberhirten.  So  nur  war  es  möglich,  dass  ein  unbekannter 
Abenteurer,  der  sich  Bischof  Ruprecht  von  Cavaillon  (im  südlichen 
Frankreich)  nannte  und  angeblich  von  einer  Wallfahrt  aus  dem 
gelobten  Lande  heimkehrte,  allerwärts  in  unserem  Vaterlande  als 
ein  höchst  willkommener  Gast  begrüsst  wurde  und  auf  Verlangen 
Chrisam  weihte,  Kirchen  consecrirte,  Priester  ordinirte  und  alle 
denkbaren  Pontifiealakte'  verrichtete.  Plötzlich  aber  war  der  bi- 
schöfliche Gast  aus  dem  Lande  verschwunden,  und  nun  erst  stellte 
sich  sein  Gebahren  als  ein  frevelhafter  Betrug  heraus.  Da  mochte 
der  Erzbischof  von  Mainz  mit  der  Weihe  unseres  Cosmas  nun  nicht 
länger  mehr  zögern.  Sie  geschah  auf  einer  Generalsynode  des  deut- 

')  Cosmas. 


191 

sehen  Reichs  am  12.  März  1094.  «)  Um  den  Betrug  des  falschen 
Ruprecht  zu  sühnen,  ward  verordnet:  Alles  solle  nichtig  sein,  was 
er  gethan,  die  Kirchen  seien  von  Neuem  zu  consecriren,  die  Ge- 
tauften zwar  nicht  förmlich  wiederzutaufen,  wohl  aber  mit  Chrisam 
neuerdings  zu  firmen  3),  das  Chrisam  sei  neu  zu  weihen,  die  Or- 
dinalen zwar  nicht  wieder  zu  ordiniren,  doch  aber  unter  die  Or- 
dinanden  zu  stellen  und  durch  blosse  Auflegung  der  bischöflichen 
Hände  mit  der  Segnung  der  Priesterweihe  zu  betheilen.  3) 

2.  Bisschof  Cosmas  soll  der  Begründer  der  fortan  üblichen 
jährlichen  kirchlichen  Hausvisitation  gewesen  sein.  4)  Sie  war  das 
Mittel  und  blieb  das  Denkmal  der  letzten  und  vollständigen  Aus- 
rottung aller  Uiberreste  altheidnischer  Gebräuche.  Sicher  ist,  dass 
eben  unter  Bischof  Cosmas  der  strenge  Herzog  Bfetislaw  IL  dem 
Beispiele  des  h.  Benno  in  Meissen  folgend  die  noch  übrigen  heid- 
nischen Haine  und  Bäume  völlig  ausrottete,  alle  abergläubischen 
heidnischen  Gebräuche  und  das  herkömmliche  Begraben  in  Wäl- 
dern und  Feldern  vollends  einstellte,  und  Zauberer  und  Zeichen- 
deuter aus  dem  Lande  verwies."  4)  Bis  hieher  und  nicht  weiter 
opferten  hin  und  wieder  einige  Bauern  ins  Geheim  den  Diasen, 
beteten  zu  ihren  alten  Hausgötzen  (Skrety),  und  feierten  aber- 
gläubische Todteii feste  (Tryzny)  über  den  abgelegenen  Gräbern  der 
Ihrigen.  Bis  hieher  und  nicht  weiter  fand  der  alte  Götzen eult  noch 
einige  Nahrung  von  Rethra  und  Arcona,  den  heiligen  Orten  der 
Nordslawen  her.  5)  Da  soll  nun  unser  Bischof  Cosmas  das  Seine 
zu  solchen  Erfolgen  beigetragen  haben,  indem  er  die  Einrichtung  ge- 
troffen habe,  dass  die  Seelsorger  jährlich  einmal  unter  Absingung 
kirchlicher  Hymnen  die  Wohnungen  ihrer  Kirchkinder  besuchen 
und  dort  das  h.  Reliquienkreuz  zum  Kusse  reichen  mussten.  Wer 
den  Kuss  verweigerte,  sollte  als  Heide  der  Obrigkeit  angezeigt  wer- 
den. 6)  Dieser  Umzug  fiel  in  die  h.  Weihnachtszeit,  und  wurde  die 


')  Marignolae  thron,  ad  h.  a.  Vgl.  Palacky  I.  326  &  327,  337  &  338. 
2)  Also  fand  damals  die  Firmung  noch  unmittelbar  nach  der  Taufe  statt. 
cj  Marignola  &  Palacky  1.  c. 

4)  Paprocii  Didochus  p.  94.  &  Balbini  Epitome  rer.  Boh. 

5)  Marginator  Cosmae  L.  IIL  ad  ann.  1106. 
6j  Adam  Bremensis  hist.  eccl  Palacky  I.  336. 


192 


Veranlassung  des  vorläufig  bereits  erwähnten  Dreikönigsumganges 
aller  folgenden  Jahrhunderte. [ ) 

3.  Ein  beklagenswerthes  Ereigniss  trübte  die  letzten  Lebens- 
jahre des  Bischofs  Cosmas.  Damals  hatte  eben  die  Periode  der 
Kreuzzüge  begonnen,  jener  zweihundert ährigen  Heldenkämpfe  hoch- 
begeisterter Christen  des  Abendlandes  gegen  die  Christusfeindlichen 
Heiden,  deren  wir  geeigneten  Orts  ausführlicher  gedenken  wollen. 
Im  Jahre  1096  hatten  mehr  als  eine  Million  willige  Streiter  in 
allen  Ländern  des  Westens  sich  erhoben,  um  sofort  den  ersehnten 
Kampf  zu  beginnen.  Leider  wraren  die  ersten  Schaaren  derselben 
ohne  einsichtige  Führer,  aber  um  so  reicher  an  blindem  Eifer. 
Ein  Schwann  solcher  kam  1096  durch  unser  Vaterland.  Hier  hiel- 
ten sie  die  friedlichen  Juden  Prags  für  die  ersten  Feinde,  die  man 
vernichten  müsse.  Vergeblich  suchte  der  greise  Bischof  die  un- 
bändigen Eiferer  zu  besänftigen.  Sie  Hessen  den  armen  Verfolgten 
nur  die  Wahl  zwischen  Taufe  und  Tod,  und  fragten  nichts  darnach, 
wie  unchristlich  es  sei,  in  solcher  Weise  Christen  zu  machen. 
Kein  Wunder,  dass  die  gewaltsam  Getauften  nach  dem  Abzüge 
ihrer  Bedränger  wieder  zu  ihrem  alten  Glauben  zurückkehren 
wollten,  und  dass  die  Reicheren,  um  diess  sicherer  zu  bewerkstel- 
ligen, sich  anschickten,  das  Land  zu  verlassen.  Da  führte  die 
erste  Gewaltthat  zu  einer  zweiten.  Herzog  Bretislaw  liess  den 
Wanderlustigen  alle  Barschaft  abnehmen :  nur  arm,  wie  sie  gekommen, 
sollten  sie  wieder  von  dannen  ziehem  2) 

4.  Cosmas  erlebte  noch  den  Untergang  der  slawischen  Li- 
turgie im  Kloster  Sazawa.  Nach  dem  Tode  Wratislaws  war  der 
heftigste  Zwiespalt  unter  den  Bewohnern  des  Slawenklosters  ent- 
brannt. Jahre  lang  hatte  eine  Partei  der  dortigen  Mönche  den 
Herzog  Bretislaw  mit  den  widersprechendsten  Klagen  und  Beschul- 
digungen gegen  den  sonst  in  Beredsamkeit  und  Kunst  ausgezeich- 
neten Abt  Bozetech  behelligt.  Da  entschloss  sich  der  Herzog  im 
Einverständnisse  mit  den  Grossen  des  Landes  zu  Ende  des  Jahres 
1096,  den  streitsichtigen  Mönchen  und  ihrer  Liturgie  den  Abschied 
zu  geben.  Schon  am  3.  Jäner  1097  zog  eine  latainisch-liturgirende 
Kolonie  aus  Brewnow  im  Kloster  Sazawa  ein.    Da  wurden  im  un- 


>)  Vgl.  §.  15.  S.  55  Note  2. 
3)  Vgl.  Palacky  I.  343. 


193 

gestümen  Eifer  des  Reformirens  leider  auch  die  gewiss  werthvollen 
glagolitisch-slawischen  Kirchenbücher  vernichtet.  l)  Die  vertriebenen 
slawischen  Mönche  irrten  sofort  in  der  Fremde  umher.  Nur  einige 
wenige  kamen  reuig  in  ihr  Kloster  zurück  und  erlangten,  ob- 
wohl unfähig  zur  Verrichtung  des  lateinischen  Gottesdienstes  und 
Chorgesanges,  barmherzige  Aufnahme  und  Verpflegung  bis  an  ihr 
Ende. 2)    Bischof  Cosmas  starb  am  10  Dezember  1098.  3) 

§.  49.  Bischof  Hermann. 

1.  Auf  Cosmas  folgte  nach  langer  Zeit  wieder  ein  Deutscher 
im  bischöflichen  Amte,  einer  aus  der  Zahl  der  Hofkapläne  des 
verstorbenen  Königs  VVratislaw, 4)  den  wohl  die  nahen  Beziehungen 
Böhmens  zu  Heinrich  IV.  ins  Land  geführt  hatten :  Hermann,  ge- 
bürtig von  Utrecht,  5)  ein  Verwandter  des  heiligen  Bischofs  und 
Märtyrers  Lambert 6),  jetzt  eben  Canonicus  von  Prag  und  Propst  von 
Altbunzlau.  )  Diesen  hatte  vor  Allem  der  tapfere  Wiprecht  von 
Groitsch  8)  empfohlen  als  einen  Mann,  „der  immer  standhaft  dem 
(verstorbenen)  Könige  gedient,  stets  verlässig  im  Amte,  treu  in  der 

*)  Chron.  Sazaviense  ad  a.  1097.  Wenige  zerstreute  Reste  jener  Bücher  fand 
1855  Prof.  Const.  Höfler,  und  es  konnte  daraus  der  Beweis  hergestellt 
werdeü,  dass  der  Ritus  in  Sazawa  der  graecoslawische  mit  glagolitischen 
Büchern  gewesen  sei.  Ein  anderes  altslawisches  Bruchstück,  angeblich 
vom  h.  Prokop  selbst,  und  zwar  mit  cyrillischer  Schrift  geschrieben,  das 
sich  nachmals  im  Besitze  des  Klosters  Emmaus  befand,  und  daselbst  ei- 
nem Jüngern  slawischen  (glagolitischen)  Evangeliencodex  beigebunden 
wurde  (dem  n  achmaligen  französischen  Krönungscodex  zu  Rheims,  heraus- 
gegeben von  Hanka),  scheint  wo  anders  her  zu  stammen  und  dürfte  auch 
einer  andern  spätem  Hand,  als  der  des  h.  Prokop  zuzuschreiben  sein.  Diess 
glaubte  schon  Kopitar  (Proleg.  c.  7  zu  Silvestre's  Evangelia  slav.)  Ebenso 
Miklosich  und  A.  Vergl.  auch  Dr.  Ginzel  Slawenapostel  S.  149—151  An- 
merkung. 

2)  Vgl.  Dr.  Ginzel  ibid.  145  &  146.  —  Chron.  Sazav.  ad  a.  1097. 

3)  Cosmas  u.  Andere. 

4)  Cosmas  (Brief  des  Wiprecht  von  Groitsch  an  Bretislaw).  Nach  Dobner  annal. 
VI.  151  und  Cosmas  ad  a.  1124. 

5)  Nach  Dobner  Annal.  VI.  151  u.  Cosmas  ad  1124. 

6)  Marignolae  Chron.  edit.  Dobn.  mon.  IL  275. 

7)  Bubna  catalog.  capituli  Prag. 

8)  Wiprecht  war  durch  seine  Verdienste  in  Italien  Schwiegersohn  Wratislaws 
und  Markgraf  von  Meissen  und  Lausitz  geworden. 

13 


194 

Durchführung  der  ihm  aufgetragenen  Gesandtschaften,  keusch,  nüch- 
tern, demüthig  und  bescheiden,  nicht  heftig,  nicht  ehrgeizig,  nicht 
stolz,  und  was  die  erste  Zierde  eines  Klerikers  sei,  vorzüglich  ge- 
lehrt, und  soweit  überhaupt  menschliche  Einsicht  reicht,  bekannt 
als  gut  und  vollkommen  bis  ins  Kleinste,  wenn  nicht  etwa  das  Ein- 
zige ihm  zum  Nachtheile  gereichen  möchte,  dass  er — ein  Fremder 
ist."1)  Diess  letztere  ward  bei  so  ausgezeichneten  Eigenschaften 
gern  übersehen.  Hermann  wurde  am  letzten  Februar  1099  ein- 
stimmig erwählt.  Leider  führten  ihn  die  Verhältnisse  jener  Jahre 
sofort  dem  Schisma  in  die  Arme.  Der  Herzog,  damals  auf  Hein- 
richs IV.  Seite  stehend,  wünschte  die  so  streng  verpönte  kaiser- 
liche Investitur  und  begleitete  zu  diesem  Ende  den  neuen  Bischof 
persönlich  nach  Regensburg  (April  1099).  Doch  war  Hermann  da- 
mals der  Weihe  nach  erst  Diakon.  Darum  bewarb  er  sich  nach 
seiner  Investitur  zunächst  um  die  Priesterweihe,  die  er  in  Gemein- 
schaft mit  unserem  Chronisten  Cosmas  in  Gran  vom  dortigen  Erz- 
bischofe  Seraphin  erhielt  (11.  Juni  1099). 3)  Die  bischöfliche  Con- 
secration  konnte  er,  weil  vom  excommunicirten  Kaiser  investirt, 
nicht  vom  rechtmässigen  Metropoliten  Rudhart  empfangen,  zumal 
dieser  eben  damals  als  treuer  Anhänger  des  rechtmässigen  Papstes 
in  Verbannung  lebte. 3)  So  weihte  ihn  der  gegenpäpstliche  Legat 
Rupert  am  8.  April  1100  zu  Mainz.4)  Bretislaw  überlebte  diesen 
Act  nur  kurze  Zeit.  Er  starb  am  21.  Dezember  desselben  Jahres 
in  Folge  eines  Mordanfalls  in  den  Waldungen  von  Bürglitz.  Die 
Geschichte  rühmt  ihn  als  ersten  Stifter  der  Kirche  und  vielleicht 
auch  des  Klosters  (damals  der  Benedictiner)  zu  Leitomysl.  5) 

2.  Bis  hieher  hatte  das  Erbfolgegesetz  Bretislaws  I.  gegolten : 
der  älteste  aller  Pfemysliden  folgte  immer  in  der  Herzogswürde 
über  das  gesammte  Land.  Nun  aber  hatte  der  zweite  Bretislaw 
diese  Ordnung  widerrechtlich  umgestossen,  und  das  Vaterland  war 
sofort  durch  ein  Menschenalter  allen  Schrecken  des  Bürgerkrieges 


')  Brief  Wiprechts  bei  Cosmas. 

2)  Vgl.  Palacky  I.  345  und  Andere. 

3)  Joh.  Latomi  catal.   archiep.   Mogunt.   apud   Menken  Scriptores  rer.  germ. 
III.  491  und  a.  a.  0. 

4)  Cosmas.  Palacky  I.  345. 

5)  Dobner  annal.  VI.  41—45. 


195 

preisgegeben.  Leider  war  vor  Allen  unser  Bischof  Hermann  schwach 
genug  gewesen,  dem  Wunsche  seines  herzoglichen  Gönners  zu  will- 
fahren: jetzt  nach  dessen  Tode  rief  er  gar  selbst  den  unrechtmäs- 
sigen neuen  Herzog,  den  nächsten  Bruder  Bfetislaws,  Bofiwoj  IL 
ins  Land  und  führte  ihn  —  allerdings  im  Einverständnisse  mit 
den  Grossen  des  Landes  —  auf  den  Thron  (1101).  Er  stand  auch 
mit  aller  Macht  fest  zu  ihm  im  folgenden  Kampfe.  Aber  im  J.  1107 
unterlag  Bofiwoj  seinem  mehr  berechtigten  Gegner  Swatopluk.  Um 
den  Preis  von  10.000  Mark  Silbers  opferte  auch  der  neue  Kaiser 
Heinrich  V.  den  letzten  Freund  seines  unglücklichen  Vaters.  Da 
folgte  nun  für  Bischof  Hermann  die  Strafe  des  gethanen  Unrechts. 
Erst  flüchtig  in  Bamberg  bei  seinem  h.  Freunde  Otto,  dann — wohl 
nach  demüthigenden  Verhandlungen  —  heimgekehrt  musste  er  es 
erleben,  wie  der  neue  Herzog  zur  Bezahlung  des  Kaisers  Alles 
zusammenraffte,  was  in  den  Kirchen  und  auf  den  Altären  an  Gold 
und  Silber  glänzte.  Zudem  musste  er  noch  aus  dem  Kirchenschatze 
70  Mark  feinen  Goldes  beisteuern.  Da  seufzte  das  weite  Land 
über  die  neue  Bedrängniss,  die  so  zu  dem  noch  immer  fortdauern- 
den Schisma  sich  gesellte.  Aber  bald  sollte  es  über  noch  Schlim- 
meres erschrecken.  Am  27.  Oktober  1108  begann  Swatopluk  die 
blutige  Ausrottung  des  mächtigen  und  zahlreichen  Geschlechtes 
der  Wrsowecen,  die  damals  insbesondere  über  die  ausgedehnten 
Zupanien  von  Leitmeritz  und  Saaz  geboten.  Nahe  an  3000  Edle 
des  Landes  sollen  bei  dieser  Gelegenheit  dem  grausamsten  Tode 
verfallen  sein.  Da  sank  am  21.  September  1109  der  gewaltthätige 
Fürst  selbst  durch  Mörderhand.  Von  Neuem  begann  nun  der  Kampf 
um  den  Herzogsstuhl.  Drei  Brüder  führen  gegen  einander  das  blu- 
tige Schwert.  Wladislawl.  wird  (24.  Dezbr.  1109)  erst  von  Bofi- 
woj IL,  der  nun  wieder  aus  der  Fremde  heimgekehrt  ist,  verdrängt, 
in  Kurzem  aber  durch  den  Kaiser  wieder  erhoben  (1110),  jedoch 
gegen  Unterlassung  des  Saazer  Gebiets  an  den  jüngsten  Bruder 
Sobeslaw.  Bald  entbrennt  wieder  zwischeu  diesen  beiden  der  Kampf, 
der  mit  Soböslaws  Entsetzung  endet  (1113).  Im  J.  1117  gelingt 
dem  Bischöfe  Hermann  die  Aussöhnung  Wladislaws  und  Bofiwoj s, 
so  dass  beide  eine  Zeit  in  Edelmuth  wetteifern,  indem  jener  dem 
Throne  entsagt,  dieser  aber  das  nördliche  Böhmen  bis  an  die  Elbe 
dem  Bruder  aufnöthigt.    Aber  im  J.  1120  stehen  sie  schon  wieder 

13* 


196 

kämpfend  einander  gegenüber.    Da  siegt  endlich  Wladislaw  I.  und 
behauptet  das  Reich  bis  an  sein  Ende  (1125.  ') 

3.  In  diesem  traurigen  Bürgerkriege  war  es  kein  Wunder, 
dass  die  sittlichen  und  kirchlichen  Zustände  Böhmens  sich  recht 
düster  gestalteten.  „Alle  Zügel  des  Stolzes,  der  Bosheit,  der  Hin- 
terlist, der  Ungerechtigkeit  und  aller  Laster  wurden  gelockert." 2) 
Da  mussten  denn  wohl  auch  die  Besitzungen  der  Kirche,  auch  ab- 
gesehen von  der  allgemeinen  Plünderung  unter  Swatopluk,  manches 
harte  Unrecht  dulden,  und  der  sonst  so  brave  Bischof  konnte  kaum 
anders,  als  „zusehen,  schweigen  und  ertragen."3)  Aber  auch  in 
der  Geistlichkeit  konnte  es  zu  solcher  Zeit,  wo  Alles  verwilderte, 
nicht  besser  werden.  Das  machte  denn  dem  Bischöfe  Hermann  die 
letzten  Stunden  so  schwer.  Offen  und  unter  heissen  Thränen  be- 
klagte er  da  die  Schuld,  die  er  an  diesen  Zuständen  trage,  viel- 
leicht auch  das  traurige  Schisma,  in  dem  er  sein  Leben  verbracht 
hatte.  4j  Das  mochte  ihn  noch  einigermassen  trösten,  dass  er  trotz 
der  schlimmen  Jahre  doch  die  Stiftung  einiger  grossartiger  kirch- 
licher Institute  erlebt  hatte.  Es  waren  diess  das  Kloster  Kladrau 
(1108  zumeist  von  Swatopluk  gegründet),  das  Collegiatstift  Sadska 
(1117  durch  Bofiwoj  IL),  das  Kloster  Wilimow  (1120  durch  den 
Grafen  Wilhelm  von  Sulzbach,  einen  Verwandten  der  Gemahlin  Wla- 
dislaws  I.)  und  wohl  auch  das  Kloster  Postelberg  (c.  1121).  Hermann 
starb  am  17.  September  1122. 5) 

§.  50.  Bischof  Meinhart. 

1.  Nach  dem  Tode  Hermanns  bestieg  wieder  ein  Deutscher 
den  bischöflichen  Stuhl  Böhmens,  Meinhart  von  Bamberg,  wohl 
ein  ehemaliger  Mönch  des  Klosters  zu  Bamberg,  wo  er  nachmals 
sein  Jahrgedächtniss  durch  Ankauf  des  Dorfes  Königsfeld  stiftete, 
jedenfalls  ein  besonderer  Freund  des  dortigen  h.  Bischofs   Otto,  6) 


')  Vgl.  Palacky  I.  344—387.  u.  Andere. 

2J  Bischof  Hermanns  Klage  auf  dem  Sterbebette  bei  Cosmas. 

3)  Ebendaselbst. 

4)  Diess  verschweigt  natürlich  der  in  Hermanns  Schuld  mitverwickelte  Cosmas. 

5)  Vgl.  Cosmas  ad.  a.  1122.  Dobner  annal.  VI.  155.  Auf  die  erwähnten  Stif- 
tungen kommen  wir  später  ausführlicher  zurück. 

6J  Conradus  Ursberg    ad  a.  1124.  Vgl.  Dobner  annal.  173. 


197 

nun  aber  seit  längerer  Zeit  der  vertraute  Kaplan  unseres  Herzogs 
Wladislaw  und  durch  diesen  Canonicus  zu  Prag  und  Propst  des 
Collegiatcapitels  von  Altbunzlau.  l)  Er  soll  nach  Erledigung  des 
bischöflichen  Stuhls  von  seinem  herzoglichen  Gönner  ohne  alle 
Wahl  gegen  die  herkömmliche  Sitte  und  Ordnung  einfach  zum 
Bischof  ernannt  worden  sein ;  erst  in  Folge  der  Klagen  von  Seiten 
des  Klerus  und  der  Edlen  des  Landes  habe  Wladislaw  die  Erwäh- 
lung seines  Lieblings  durch  Uiberredung  durchgesetzt. 3)  Jedenfalls 
lassen  die  nachfolgenden  Anfechtungen  des  Bischofs  eine  Unregel- 
mässigkeit seiner  Erhebung  vermuthen.  Diese  aber  müssen  unbe- 
deutend genug  gewesen  sein,  so  dass  der  mainzer  Metropolit  Adal- 
bert  nach  gepflogener  Prüfung  die  Wahl  bestätigen  und  dem  Er- 
wählten die  bischöfliche  Weihe  ertheilen  konnte  (1122).  In  dem- 
selben Jahre  hatte  übrigens  das  Concordat  zu  Worms  (23.  Septem- 
ber, also  noch  vor  der  Wahl  Meinharts)  den  langen  Streit  der 
deutschen  Kaiser  mit  der  Kirche  durch  die  Bestimmung  geendet, 
dass  fortan  die  Wahl  der  Bischöfe  dem  Klerus  allein  anheimge- 
stellt sei,  dem  Kaiser  aber  die  Belehnung  mit  den  Regalien  zu- 
kommen solle.  Vielleicht  bestand  die  Unregelmässigkeit  bei  der 
Erwählung  Meinharts,  ebenso  wie  bei  der  seines  Nachfolgers,  le- 
diglich in  dem  noch  nicht  beseitigten  Einflüsse  der  Laien. 3) 

2.  Herzog  Wladislaw  starb  am  23.  Mai  1125 ,  nachdem  er 
sich  durch  die  fromme  Vermittlung  des  Bischofs  (und  des  heil. 
Otto  von  Bamberg)  auf  dem  Sterbebette  mit  seinem  aus  der  Ver- 
bannung zurückgekehrten  Bruder  Sobeslaw  ausgesöhnt  hatte. 4)  Die- 
ser folgte  nun  in  der  Regierung  nach,  —  leider  durch  eine  neue 
Verletzung  des  früheren  Erbfolgegesetzes.  Ebendesshalb  ward  unser 
Vaterland  neuerdings  in  traurige  Kämpfe  verwickelt,  in  denen  aber 
die  Liebe  des  Volkes  seinen  aus  der  Schule  des  Unglücks  her- 
vorgegangenen ausgezeichneten  Fürsten  kräftig  vertheidigte.  Damals 
sah  die  Ebene  bei  Kulm  (im  leitmeritzer  Kreise)  den  schönsten  der 
Siege.  Kaiser  Lothar  und  Herzog  Otto  von  Olmütz  kamen  aus 
Meissen  mit    einem   mächtigen  Heere    gezogen.    Sobeslaw   rückte 


l)  Kreibich  tria  memorabilia.  MS. 
3)  Ilajek  ad  h.  a. 

3)  Vgl.  Palacky  I.  388  u.  389. 

4)  Cosmas  ad  a.  1125. 


198 

ihnen  entgegen,  voran  die  eben  aufgefundene  Fahne  des  h.  Adal- 
bert  auf  dem  Speere  des  h.  Wenzel  getragen.  In  jener  Ebene 
trafen  sich  die  kampflustigen  Schaaren :  es  galt  nach  dem  Aus- 
spruche SobSslaws,  das  Gottesgericht  (bohusud)  der  offenen  Feld- 
schlacht über  Recht  und  Unrecht  entscheiden  zu  lassen.  Da  fiel 
Otto  von  Olmütz  im  Kampfe,  Lothar  erlitt  eine  gänzliche  Nieder- 
lage der  Seinen  und  musste  um  Frieden  bitten  (18.  Februar  1126). 
Der  edle  Sieger  aber  krönte  seinen  Sieg  durch  ein  Freundschafts- 
bündniss  mit  dem  Besiegten.  ')  Die  spätere  Zeit  fand  am  Sieges- 
platze eine  Kirche  und  Pfarre,  —  wohl  auch  einen  Ort  —  Namens 
Bohusüdov  (Gottesgerichtsort).  Wahrscheinlich  hatte  der  dankbare 
Sieger  dieselben  zum  Gedächtniss  des  glorreichen  Tages  gegrün- 
det. 2)  —  Doch  war  durch  jenen  Sieg  die  Ruhe  des  Landes  noch 
lange  nicht  gesichert.  Soböslaw  sah  sich  weiterhin  noch  genöthigt, 
die  wiederholten  Auflehnungen  seiner  unzufriedenen  Vettern  da- 
durch zu  bändigen,  dass  er  den  Prinzen  Bfetislaw  (Sohn  Bfeti- 
slaws  IL)  erst  in  Dohna,  dann  in  Jaromer  und  endlich  im  Schlosse 
zu  Tetschen  gefangen  setzte  und  (1130)  sogar  blenden  Hess. 
Ebenso  musste  er  die  Vettern  Conrad  IL  von  Znaim  (1128)  und 
Wratislaw  von  Brunn  (1129)  durch  Kerker  und  Verbannung  unschäd- 
lich machen.3)  Bei  einem  neuen  Aufstande  im  J.  1130  kam  sogar  auch 
Bischof  Meinhart,  der  gewiss  nichts  anderes,  als  die  Befreiung  des 
jungen  Bfetislaw  wollte,  in  schweren  Verdacht. 

3.  Meinhart  kehrte  eben  aus  Jerusalem  heim,  wohin  seit  dem 
Jahre  1122  so  viele  böhmische  Edlen  als  fromme  Pilger  gezogen 
waren. 4)  Da  empfing  ihn  im  Vaterlande  die  schwere  Anklage,  Mit- 
anstifter der  eben  unterdrückten  Verschwörung  gewesen  zu  sein. 
Der  Schein  sprach  gegen  ihn;  denn  auf  der  bischöflichen  Burg  zu 


')  Contin.  Cosmae  a.  a.  1126.  Vgl.  Palacky  I.  394—401. 

2)  Bohusudow  als  Pfarre  genannt  in  libr.  confirm.  ad  a.  1363  und  1414.  Nach 
den  Dezemregistern  von  1384  gehörte  es  zum  alten  Dekanate  von  Bilin. 
Diess  und  der  Widerspruch  mit  ziemlich  alten  Traditionen  über  den 
Anfang  Mariascheins  lassen  die  Meinung  Palacky's  (Popis  55),  dass  Bohu- 
sudow das  heutige  Mariaschein  selbst  sei,  zweifelhaft  erscheinen.  In 
diesem  Falle  hätte  es  wohl  eben  so,  wie  das  anstossende  Graupen  zum  al- 
ten Dekanate  Aussig  gehört.  Wahrscheinlicher  lag  Bohusudow  etwas  ent- 
fernter von  Graupen  und  näher  gegen  Teplitz  hin. 

3)  Vgl.  Palacky  I.  402.  Contin.  Cosmae  ad  h.  a.  (1128—1131.) 

4J  Vgl.  Cosmas  ad  a.  1122,  1123,  1124.  Contin.  Cosmae  ad  a.  1130. 


199 

#ircinewes  und  sogar  im  Beisein  des  Bischofs  sollte  das  Complott 
geschmiedet  worden  sein.  Hier  hätten  vertraute  Abgesandte  des 
in  Tetschen  gefangeneu  Bfetislaw  denen,  die  den  Herzog  Soböslaw 
tödten  würden,  nichts  geringeres  als  die  Zupanien  von  Saaz  oder 
Leitmeritz  oder  nach  Belieben  eines  der  3  höchsten  Hofämter 
des  Landes  verheissen.  Bischof  Meinhart  selbst  sollte  den  Für- 
stenmördern dieses  Versprechen  unter  einem  h.  Eide  geleistet 
haben.  l)  Solch'  eine  Schuld  hatte  man  auf  den  noch  abwesenden 
Bischof  gewälzt.  Obgleich  die  vielen  Widersprüche  der  Verhand- 
lung und  überdiess  die  angewandten  Rechtsmittel  diese  Anklage 
hinlänglich  verdächtigten3),  so  bot  selbe  doch  so  manchem  Unzu- 
friedenen eine  willkommene  Gelegenheit,  die  Absetzung  des  von 
ihnen  als  fremden  Eindringling  angesehenen  Bischofs  in  Anregung 
zu  bringen.  Sie  klagten  nun  beim  Metropoliten  Adalbert  in  Mainz 
und  ebenso  beim  Papste  Innocenz  IL,  der  eben  damals  (1131)  ei- 
nem Concile  zu  Lüttich  beiwohnte.  Unterdessen  war  Meinhart  mit 
vielen  Reliquien  und  Geschenken  des  griechischen  Kaisers  heim- 
gekehrt. Da  betheuerte  er  nun  in  Gegenwart  seiner  Ankläger  und 
vor  vielen  Zeugen  dem  Herzoge  und  den  versammelten  Grossen 
des  Landes  mit  einem  h.  Eide  seine  Unschuld.  Ebenso  reinigte  er 
sich  durch  Abgesandte  vor  seinem  Metropoliten  und  vor  dem  als 
Schiedsrichter  beigeordneten  h.  Bischöfe  Otto  v.  Bamberg  von  dem 
schweren  Verdachte.  So  glaubwürdig  erschien  seine  eidliche  Be- 
theuerung,  dass  sofort  die  Bischöfe  von  Bamberg  und  Olmütz  und 
sämmtliche  Aebte  des  Landes  vor  Herzog  und  Volk  gleichfalls 
seine  Unschuld  unter  Niederlegung  ihrer  Stolen,  deren  sie  fortan 
im  Falle  einer  Unwahrheit  nicht  mehr  würdig  sein  wollten,  feier- 
lich beeideten.  Nun  reiste  Meinhart  selbst  zum  Concile  nach 
Rheims  und  reinigte  sich  dort  vor  dem  eben  anwesenden  Papste 
Innocentius  IL  durch  dargebrachte  Zeugnisse  seines  Metropoliten 
und  sogar  des  Herzogs  Sobeslaw.  Dennoch  ruhten  die  Kläger, 
darunter  einige  Canonici  von  Prag,  noch  immer  nicht.  Sie  brach- 
ten sofort  ihre  Klage  nach  Rom  selbst.  Da  schickte  Innocentius  II 
einen  Legaten  zur  Untersuchung  nach  Böhmen,  der  ebensowenig 
eine  Schuld  zu  constatiren    vermochte.    Letztlich  mag  wohl  der 


*)  Gont.  Cosmae  ad  a.  1130.  Vgl.  Palacky  I.  405  etc. 
3j  Palacky  I.  404. 


200 

Erzbischof  von  Mainz  die  Klage  geschlichtet  haben.  Meinhart  ver- 
söhnte sich  mit  seinen  Anklägern  und  verzieh  ihnen  alles  zuge- 
fügte Leid.  Herzog  und  Bischof  waren  und  blieben  fortan  in- 
nige Freunde.  ]) 

4.  Bischof  Meinhart  überlebte  den  traurigen  Prozess  nicht 
lange.  Er  starb  am  2.  Juli  1134  zu  Sekirkostel  in  Mähren,  als 
er  eben  aus  Ungarn  heimkehren  wollte,  wohin  er  nach  dem  Wunsche 
Soböslaws  einen  neugebornen  Prinzen  begleitet  hatte,  der  dort  in 
Gegenwart  des  zum  Pathen  gebetenen  blinden  Königs  Bela  ge- 
tauft worden  war. 2)  Seine  Zeit  rühmte  ihn  als  aufrichtigen  Freund 
der  Kleriker  und  Mönche  3)  und  als  frommen  Tröster  der  Armen 
und  Fremdlinge.4)  Die  prager  Kirche  verdankt  ihm  die  Stiftung 
von  5  neuen  Präbenden. 5) 

§.51.  Johann  I.  und  Silvester. 

1.  Nach  Meinharts  Tode  gab  es  der  einheimischen  Bewerber 
um   die  bischöfliche  Würde  bei   Soböslaw  und  Kaiser  Lothar  gar 
viele.    Freunde  und  Verwandte  Hessen  es  auch  an  Fürbitten  und 
selbst  an  Versprechungen  nicht  fehlen.    Dem  Allen  aber  gab  So- 
beslaw  kein  Gehör,   sondern  er  vereinigte  sich  mit  dem  eben  da- 
zumal zum  Feste   des  h.  Wenzel  in  Prag  versammelten  Klerus, 
und  zugleich  mit  dem  Adel  des  Landes  zur  Wahl  des  damaligen  Wy- 
sehrader  Propstes  Johannes.  Dieser,  aus  einer  edlen  Familie  des 
Landes  entsprossen  und  von  Hause  aus  in  den  nachmaligen  Krei- 
sen von  Königgräz  und  Bidzow  reich  begütert,  6)   war  bereits  50 
Jahre  lang  Priester  und  Canonicus,   und  seit  40   Jahren  Dechant 
und  später  Propst  des  genannten  Collegiatstifts.    In  seiner  äusse- 
ren Erscheinung  ward  er  von  keinem  Andern  übertroffen;  untadel- 


')  Contin.  Cosmae  ad  a.  1131— 1133  Dobneri  annal.  VI.  214.  217.  219.  225  ut 

226.  —  Palacky  I.  407  etc. 
3)  Contin.  Cosmae  ad  a.  1134. 

3)  So  gegen  das  Kloster  Kladrau  (Sulgerius  in  annal.  Zwifalt.  I.  85)  und   das 
Kloster  in  Bamberg  (siehe  oben). 

4)  Monach.  Sazav.  bei  Menken  III.  1803. 

5)  Pessina  Phosphorus  532  cit.  MS.  Codex  anniversariorum  ecclesiae  Pragensis. 
G)  Vgl.  die  nachmalige  Stiftung  des  Klosters  Strahow  und  das  Fuagment  der 

Stiftungsurkunde  bei  Tomek  Gesch.  Prags.  99. 


201 

haft  in  seinen  Sitten,  gefällig  in  seinem  Benehmen,  freundlich  und 
sanft  gegen  Jedermann  war  er  der  liebenswürdigste  Greis  und  auch 
wirklich  von  Allen  geliebt.  Da  setzte  die  hinreissende  Ansprache 
des  Herzogs  in  der  Versammlung  des  Klerus  und  der  Edeln  seine 
Erwählung  zum  Landesbischofe  mit  Leichtigkeit  durch.  (29.  Septbr. 
1134.)  ])  Anfangs  des  neuen  Jahres  zog  nun  der  Erwählte  vorerst 
zum  Kaiser  Lothar  nach  Heidelberg,  und  empfing  dort  die  Beleh- 
nung mit  den  Regalien.2)  Am  19.  April  1135  erhielt  er  in  Mainz 
vom  Erzbischofe  Adalbert  die  bischöfliche  Weihe.  Heimgekehrt  ins 
Vaterland  ging  er  mit  allem  Eifer  an  die  Hebung  des  vielfach  ge- 
sunkenen kirchlichen  Lebens.  Ein  vorzügliches  Mittel  hiezu  ersah 
er  in  dem  vor  Kurzem  erst  (1120)  im  Thale  Premontre  bei  Rheims 
vom  h.  Norbert  gestifteten  Orden  der  Praemonstratenser,  der  die 
Pflichten  der  Canoniker  und  der  Mönche  vereinigte. 

Schon  im  J.  1124  hatte  die  neue  Stiftung  des  ehemaligen 
Caplans  Heinrichs  des  V.  und  Domherrn  von  Köln  die  Bestätigung 
des  päpstlichen  Stuhles  erhalten.  Sie  hatte  sich  seitdem  in  alle 
Länder  ausgebreitet,  obwohl  der  h.  Stifter  selbst  im  J.  1134  als 
Erzbischof  von  Magdeburg  das  Zeitliche  gesegnet  hatte.  Bischof 
Johann  lernte  den  neuen  Orden  im  J.  1138  durch  Heinrich  Zdik, 
den  Bischof  von  Olmütz  kennen,  der  selbst  ein  Mitglied  desselben 
geworden  war.  Sofort  widmete  er  von  seinem  väterlichen  Erbe 
bedeutende  Gründe  und  Güter,  insbesondere  zwischen  Königgräz 
und  Hofic,  zur  Erbauung  des  ersten  Praemonstratenserklosters 
Strahow,  3)  dem  bald  ein  zweites  in  Doxan  und  allmählich  auch 
viele  andere  nachfolgten.  Auch  dachte  er  daran,  den  Glanz  sei- 
ner alten  Kathedrale  zu  erhöhen.  In  diesem  Plane  aber  überraschte 
ihn  der  Tod.  Er  starb  nach  einem  ömonatlichen  Krankenlager  als 
90jähriger  Greis  am  8.  August  1139,  —  der  älteste  aller  Bischöfe 
in  Böhmen,  aufrichtig  beweint  vom  Herzoge  wie  vom  Klerus  und 
Volke. 4) 

])  Cord.  Cosmae  ad  a.  1134.  Crugerius  ad  14.  Juni,  Hammerschmidt  gloria 
et  majestas  elccesiae  Wisehradensis. 

2j  Monach.  Sazav.  a.  h.  a.  Dieser  lässt  aber  die  Belehnung  noch  durch  Stab 
und  Ring  geschehen,  offenbar  unkundig  des  Eides,  durch  welchen  Lothar 
diesem  Rechte  entsagt  hatte.    (Vgl.  Dobner  ann.  VI.  238.) 

3)  Hammerschmidt  u.  Crugerius  1.  c.  Palacky  I.  413.  Tomek  Gesch.  Prags  I. 
99  cit.  das  Fragment  der  Stiftungsurkunde  von  Strahow. 

4)  Hammerschmidt  1.  c. 


202 


2.  Auf  den  Wunsch  Soböslaws  wurde  sofort  (29.  September 
1139)  der  Abt  Silvester  von  Sazawa  zum  Bischöfe  erwählt,  „ein 
Mann  geziert  mit  allen  Tugenden  und  mit  edler  Sitte,  als  Bewoh- 
ner dieser  Erde  bereits  ohne  Vorbehalt  dem  Himmel  gehörig."  l) 
Vor  2  Jahren  erst  war  er  mit  dem  Bischöfe  Heinrich  Zdik  von 
Olmütz  als  demüthiger  Pilger  in  Jerusalem  gewesen.  Einen  fröm- 
meren Oberhirten  hätte  unser  Vaterland  nicht  finden  können.  Da 
erkrankte  plötzlich  (17.  Dezember  1139)  der  Herzog  Sobeslaw  und 
starb  am  14.  Februar  1140.  Er  hatte  geglaubt,  die  Thronfolge 
dadurch  geordnet  zu  haben,  dass  er  erst  den  Kaiser  Conrad  III. 
auf  dem  Fürstentage  zu  Bamberg  (22.  Mai  1138)  und  dann  die 
Edlen  Böhmens  auf  einem  Landtage  zu  Sadska  (29.  Juni  1138), 
letztere  aber  zum  Theil  durch  strenge  Befehle  zur  Anerkennung 
des  Successionsrechtes  seines  kaum  zwanzigjährigen  Sohnes  Wla- 
dislaw  bewogen  hatte.  Jetzt  aber  —  am  3.  Tage  nach  Sobeslavs 
Ableben  —  vereinigten  sich  die  Grossen  des  Landes  mit  Umge- 
hung des  jungen  Erben  zur  Wahl  eines  andern  Wladislaw,  des 
ältesten  Sohnes  Wladislaws  I.  (17.  Februar  1140.)  Da  sah  der 
noch  nicht  consecrirte  Abt  Silvester  schwere  Wolken  über  dem  Va- 
terlande sich  zusammenziehn.  In  seiner  Bescheidenheit  glaubte 
er  sich  zu  schwach,  in  solcher  Zeit  dem  bischöflichen  Amte  vor- 
stehen zu  können.  Er  entsagte  also  seiner  Wahl  (17.  Februar  1140) 
und  zog  sich  in  die  Stille  seiner  friedlichen  Abtei  zurück.3)  Hier 
starb  er  nachher,  geliebt  von  seinen  Brüdern  und  verehrt  von 
allen,  die  ihm  nahe  gestanden  waren,  am  10.  Februar  1161. 3)  Weil 
er  nicht  zur  bischöflichen  Weihe  gelangt  war,  wird  er  da  und  dort 
in  der  Reihe  der  Bischöfe  nicht  mitgezählt.4) 

§.  52.  Bischof  Otto  und  die  Reformation. 

1.  Schon  wenige  Tage  nach  der  Entsagung  Silvesters  ward 
der  neue  Bischof  Otto  gewählt  (23.  Februar  1140).  Angeblich 
aus  dem  edlen  Stamme  der   nachmaligen  Herren   von  Svabenic  5) 


»)  Monach.  Sazav.  bei  Menken  III.  1806. 

2)  Palacky  I.  412.  u.  416.  Contin.  Cosmae  ad  h.  a.  Monach.  Sazav.  ibidem. 

3)  Monach.  Sazav.  bei  Menken  III.  1806. 

4)  So  bei  Pelina  Pkosphorus,  Kreibich  tria  memorabilia  und  A. 

5)  Kreibich.  MS. 


203 

entsprossen,  Sohn  jenes  Grafen  Zderad,  der  am  11.  Juli  1090  als 
Günstling  Wratislaws  IL  vom  Prinzen  Bfetislaw  ermordet  worden 
war,  und  Bruder  Letoslaws,  des  Erbauers  der  Kirche  am  Zderas 
in  Prag  '),  war  er  erst  Canonicus  des  prager  Capitels  und  Propst 
zu  Sadska,  zuletzt  Propst  des  prager  Kathedralcapitels  gewesen. 2) 
Er  erhielt  zunächst  vom  Kaiser  Conrad  III.  die  Belelmung  mit  den 
Regalien  zu  Mainz3)  und  ebendaselbst  am  25.  Juni  1140  vom  Erz- 
bischofe  Adalbert  die  Bischofsweihe.4) 

Die  traurige  Zeit,  welche  Silvester  geahnt  hatte,  Hess  leider 
nicht  lange  auf  sich  warten.  Wohl  hatte  Conrad  III.  keine  weitern 
Schwierigkeiten  gegen  die  Erhebung  Wladislaws  IL  erhoben,  zumal 
dieser  eine  Stiefschwester  desselben  als  Gattin  erwählte.  Auch  die 
herzoglichen  Verwandten  schienen  im  ersten  Augenblicke  keinen 
Kampf  wagen  zu  wollen.  Dafür  aber  verschworen  sich  schon  im 
Jahre  1142  dieselben  Grossen  des  Landes,  die  den  neuen  Herzog 
erhoben  hatten.  Statt  des  erwarteten  Schwächlings  hatten  sie  in 
diesem  einen  kräftigen  Herrn  kennen  gelernt.  Darum  versuchten 
sie  jetzt  seine  Entthronung  und  riefen  desshalb  die  mährischen 
Fürsten  ins  Land.  Wladislaw  IL  war  schon  nahe  daran,  Alles  zu 
verlieren.  Prag  ward  hart  bedrängt.  Feuerpfeile  der  Belagerer 
setzten  Kirchen  und  Klöster  in  Brand.  Schon  lag  der  Dom  von 
St.  Veit  mit  seinen  Schätzen  in  Asche,  und  auch  das  Kloster  zu 
St.  Georg  war  eine  Beute  der  Flammen.  Da  brachte  ein  deutsches 
Heer  unter  der  persönlichen  Führung  des  Kaisers  die  ersehnte 
Hilfe.  Ohne  eine  Schlacht  zu  wagen,  zogen  die  Gegner  Wladi- 
slaws nach  Mähren  zurück  (7.  Juni  1142).  Erst  im  Jahre  darauf 
zog  ihnen  Wladislaw  nach  und  verheerte  weit  und  breit  das  Land 
der  Gegner,  das  seit  der  Verbannung  des  Olmützer  Bischofs  Hein- 
rich Zdik,  des  treuen  Freundes  Wladislaws,  auch  noch  unter  dem 
Fluche  des  kirchlichen  Interdictes  seufzte.  Endlich  folgte  durch 
die  mit  seltener  Umsicht  und  ausserordentlicher  Beharrlichkeit  ein- 
geleitete Vermittlung  des  päpstlichen  Legaten  Guido  die  Aussöh- 
nung aller  Parteien  und  die  Wiederherstellung  des  Friedens  (1143 


')  Bubna  catal.  cap.  Prag.  MS. 

2)  Contin.  Cosmae  ad  h.  a  und  Tomek  Gesch.  Prags  I.  651.  Bubna   catalog. 
cap.  Prag.  MS. 

3)  Kreibich  1.  c.  MS. 

*)Monach.  Sazav.  Menken  HI.  1803  ad  a.  1140. 


204 

bis  1145).  Indess  war  auch  der  zerstörte^Dom  von  St.  Veit  wie- 
der aus  seinen  Trümmern  emporgestiegen,  gleichsam  als  Symbol 
der  nun  folgenden  Wiederherstellung  des  vielfach 
verfallenen  kirchlichen  Lebens  im  weiten  Vater- 
lande. () 

2.  Spät  genug  —  achtzig  Jahre  nach  dem  Mahnungsrufe  des 
grossen  Gregor  —  ward  die  geistliche  Reformation  Böhmens 
(und  Mährens)  durchgesetzt.  Bischof  Otto  war  fromm  genug,  sie 
ernstlich  zu  wollen  und  Herzog  Wladislaw  stark  und  willig,  sie 
durchführen  zu  helfen.  Dazu  fand  sich  nun  in  Innocenz  IL  der  eifrige 
Papst,  der  sie  verlangte  und  in  seinem  Legaten  Guido  der  rechte 
Mann,  sie  in  Angriff  zu  nehmen.  Was  vor  Allem  Noth  that,  war 
die  Zurückführung  der  Geistlichkeit  unter  das  heilsame  Gesetz  des 
Cölibates.  Unser  Vaterland  war  in  die  Kirche  Christi  zu  einer 
Zeit  eingetreten,  wo  schlimme  Verhältnisse  vielseitig  die  gute  Zucht 
früherer  Jahrhunderte  gelockert  hatten:  so  hatte  es  jenen  Klerus 
erhalten,  der  zu  einem  nicht  unbeträchtlichen  Theile  bereits  dem 
h.  Bischöfe  Adalbert  gar  viel  zu  schaffen  gab. 2)  Manches  mochte 
durch  den  Feuereifer  des  heiligen  Mannes  besser  geworden  sein; 
aber  es  war  ihm  nicht  gelungen,  das  Uebel  mit  seiner  letzten  Wur- 
zel zu  beseitigen.  So  war  es  gekommen,  dass  im  Jahre  1072  Papst 
Alexander  IL  seinen  in  Sachen  des  Bischofs  Gebhard  gesandten 
Legaten  Rudolf  zugleich  anweisen  musste,  den  Herzog  Wratislaw 
zu  vermögen,  dass  er  die  Geistlichkeit  des  Landes  zur  Beobach- 
tung der  Cölibatgesetze  anhalten  wolle. 3)  Damals  aber  hatte  das 
unkirchliche  Benehmen  unseres  Bischofs  diese  Bemühung  fruchtlos 
gemacht.  Nicht  besser  war  es  mit  der  Sendung  der  Legaten  des 
grossen  Papstes  Gregor  VIL,  Bernhard  und  Gregor,  im  Jahre  1073 
ergangen,  obgleich  diese  mehrere  Monate  lang  im  Lande  weilten. 
Sehen  im  Jahre  darauf  (1074)  nahm  der  nachmalige  Domdechant 
und  Chronist  Cosmas  als  Kleriker  und  Lehrer  der  prager  Dom- 
schule eine  edle  Jungfrau  Boztecha  zum  Weibe,  und  während  doch 
in  der  Regel  die  verheiratheten  Kleriker  mit  ihren  Pfründen  sich 
begnügten  und  von  den  höhern  Weihen  ferne  blieben,  erlangte  er 


»)  Vgl.  Palacky  I.  418—423. 

2)  Vergl.  §.  17. 

3)  Nach  Tomek  Gesch.  Prags  I.  101.  Auch  geht  diess  aus  dem  Briefe  Alexan- 
ders IL  an  Wratislaw  d.  d.  1071  (bei  Erben  p.  58)  hervor. 


205 

uletzt  1099  ohne  Anstand  die  Priesterweihe  *)  —  ein  trauriges 
Zeichen,  wie  wenig  die  Bemühungen  der  Legaten  gefruchtet  hat- 
ten. Seitdem  aber  hatten  das  unglückselige  Schisma  und  die  nach- 
folgenden Bürgerkriege  jeden  weiteren  Fortschritt  gehindert. 

Jetzt  aber  unter  der  kräftigen  Regierung  Wladislaws  und 
unter  der  frommen  Verwaltung  des  Bischofs  Otto  sollte  das  grosse 
Werk  gelingen.  Der  Cardinal  Guido,  selbst  reich  an  Klugheit  und 
Umsicht  und  von  allen  Seiten  her  kräftig  unterstützt,2)  nöthigte 
alle  verheiratheten  Kleriker  des  Landes,  entweder  die  Ehe  zu  ver- 
lassen oder  ihre  geistlichen  Beneficien  aufzugeben.  Andere  geist- 
liche Würdenträger,  welche  sich  weigerten,  sofort  die  Priesterweihe 
zu  empfangen,  wurden  ohne  Umstände  ihrer  Würden  entsetzt.  Eben 
so  erging  es  allen  denen,  die  der  Simonie  überwiesen  wurden. 
Fortan  sollte  auch  Niemand  zum  Priester  geweiht  werden  ohne 
Anwartschaft  auf  ein  bestimmtes  kirchliches  Beneficium.  Auch 
sollte  die  Diöcese,  in  welcher  die  frühere  Eintheilung  in  Plebanien 
(diese  aber  ohne  bestimmte  Begränzung)  vielfach  in  Verfall  und 
Verwirrung  gekommen  war,  zur  leichteren  Vermeidung  von  Miss- 
bräuchen in  genau  begränzte  Pfarrbezirke  eingetheilt  werden.  Auf 
dem  Fusse  folgte  die  Ausführung  der  erlassenen  Gebote  nach. 
Unter  Andern  wurde  der  prager  Dompropst  Jurata  entsetzt,  weil 
er  nicht  Priester  war  und  seine  Ehefrau  in  eine  Trennung  nicht 
einwilligen  wollte.  Ebenso  erging  es  dem  Archidiacon  Peter,  der 
gar  (nacheinander)  drei  Weiber  geheiratet  hatte  und  der  Simonie 
schuldig  war.  Ein  Gleiches  widerfuhr  dem  Domherrn  Sebastian,  der 
die  Priesterweihe  nicht  empfangen  hatte  und  verehelicht  war.  Auch 
der  Propst  des  Wisehrader  Capitels,  Hugo,  verfiel  als  verheirate- 
ter Laie,  und  sein  Capitular  Heinrich  als  verehlichter  Priester  in  die 
Strafe  des  Beneficienverlustes,  letzterer  sogar  der  Landesverweisung. 
Nicht  minder  streng  verfuhr  man  in  den  Dekanien  des  Landes. 3)  So 
musste  wohl  eine  bessere  Ordnung  in  die  Kirche  Böhmens  wieder- 
kehren, wenn  auch  vorläufig  nicht  ohne  manchen  Rückfall,  der 
späterhin  eine  abermalige  strenge  Sichtung  nöthig  machte. 


»)Vgl.  §.49.  1.  illust.  Chron.  I.  11.  12. 

3j  Insbesondere  ward  Wladislaws  sowie  seiner  Gemahlin  Eifer  in  der  Refor- 
mation des  Klerus  durch  eine  eigene  Bulle  Eugens  III.  belobt.  — 

8)  Tomek  Gesch.  Prags  I.  102  u.  103  Palacky  I.  423.  cit.  Guidonis  cardinalis 
literae  in  Dobrowsky:  De  sacerdotum  in  Bohemia  coelibätu. 


206 

3.  Eines  der  besten  Mittel,  die  gute  kirchliche  Zucht  im  Lande 
zu  befestigen,  ersahen  Bischof  und  Herzog  und  alle  Freunde  der 
Reformation  in  der  Einführung  eines  neuen  Ordens,  dessen  beson- 
derer Piuhm  eben  die  strengste  klösterliche  Disciplin  war.  Dieser 
konnte  eben  so  sehr  durch  Belehrung  als  durch  sein  Beispiel  für 
die  gute  Sache  wirken.  Diess  war  der  Orden  der  Cister- 
zienser. 

Schon  i098  war  vom  Abte  Robert  von  Molesme  ein  Mönchs- 
verein zu  Citeaux  (Cistertium)  in  der  Gegend  von  Dijon  ge- 
stiftet worden,  —  eine  neue  Reformation  des  damals  etwas  er- 
schlafften Benedictinerordens.  Die  Professen  der  neuen  Regel  sollten 
sich  in  Ausübung  der  strengsten  Enthaltsamkeit,  Verwerfung  der  Kir- 
chenpracht, Unterwerfung  unter  den  Diöcesanbischof,  Entfernung  von 
allen  Geschäften  ausserhalb  des  Klosters  auszeichnen  und  äusser- 
lich  durch  ein  weisses  Kleid  unterscheiden.  Aber  erst  nach  Roberts 
Tode  (1108)  erlangte  der  neue  Orden  eine  grössere  Bedeutung,  als 
der  h.  Bernhard  1113  mit  30  Gefährten  in  denselben  eintrat,  im 
Jahre  1115  zu  Clairvaux  (Clara  vallis)  ein  neues  Kloster  gründete 
und  —  erst  25  Jahre  alt  —  Abt  desselben  wurde.  Diese  hohe 
Gestalt  der  Kirche,  ein  Friedensstifter  zwischen  Fürsten  und  Völ- 
kern, ein  freimüthiger  Eiferer  gegen  alle  Missbräuche,  ein  weiser 
Rathgeber  für  Päpste  und  Fürsten,  ein  erleuchteter  Lehrer  der 
Kirche,  ein  untadelhafter  Heiliger,  —  erwirkte  1119  die  endgiltige 
Regelung  der  neuen  Klosterordnung  durch  die  „Carta  caritatis"  und 
sofort  die  Bestätigung  des  Papstes  Paschalis  IL,  zugleich  mit  der 
Exemtion  des  Ordens  von  der  bischöflichen  Gewalt.  ')  So  ward 
der  h.  Bernard  der  neue  Stifter  des  Cisterzienserordens. 

Nach  Böhmen  kamen  die  neuen  Ordensbrüder  zunächst  von 
Waldsassen,  Eberach  und  Langheim  in  Franken.  Sie  bezogen  seit 
1143  zunächst  die  Klöster  Sedlec,  Nepomuck  und  Plass.  Wir  kom- 
men auf  diese  Ansiedlungen,  sowie  auf  die  weitere  Ausbreitung 
des  neuen  Ordens  später  wieder  zurück.  Unter  seiner  Regierung 
räumten  auch  die  Benedictiner  zu  Leitomisl  ihr  Ordenshaus  den 
Prämonstratensern. 

4.  Bischof  Otto  starb  am    10.  Juli   1148. 2)    Nur  acht  Jahre 


')  Vgl.   Alzog   601    &   602.  Sartori's  Cistertium  bistertium  schreibt  letzteres 

dem  Papste  Calixt  IL  zu  (tom.  I.  18  u.  19.) 
2)  Contin.   Cosmae  ad  h.  a.  Tomek  G.  P.  I. 


207 

hatte  er  die  bischöfliche  Würde  bekleidet ;  aber  er  konnte  mit  dem 
Bewusstsein  ins  Grab  steigen,  vollbracht  zu  haben,  was  ein  ganzes 
vorangegangenes  Jahrhundert  nicht  hatte  vollbringen  können.  Die 
Nachwelt  schuldet  ihm  den  Ehrennamen  —  nicht  allein  des  Wie- 
derherstellers der  böhmischen  Kathedrale,  sondern  auch  des  Refor- 
mators der  böhmischen  Kirche. 

§.  53.  Bischof  Daniel  I. 

Nach  Otto's  Tode  bestieg  den  böhmischen  Bischofssitz  ein 
Mann,  der  die  vollste  Befähigung  und  den  entschiedensten  Muth 
besass,  um  tiefer  als  irgend  einer  seiner  Vorgänger  und  Nachfol- 
ger in  die  grossen  Angelegenheiten  der  Kirche  einzugreifen.  Dazu 
sollte  ihm  auch  ein  fast  zwanzigjähriges  Wirken  im  bischöflichen 
Amte  gegönnt  sein.  Da  Hess  sich  wohl  hoffen,  dass  durch  einen 
solchen  Nachfolger  dem  Reformationswerke  des  Vorgängers  die 
Krone  der  schönsten  Vollendung  werde  aufgesetzt  werden.  Aber 
es  geschah  leider  das  traurige  Gegentheil;  denn  der  neue  Bischof 
wurde  vor  Allem  ein  eifriger  Diener  der  weltlichen  Fürsten  und 
ein  entschiedener  und  gefährlicher  Gegner  des  römischen  Stuhles. 

Es  war  Daniel,  einer  der  edelsten  Familien  des  Landes  ent- 
sprossen1), Sohn  des  ehemaligen  verheiratheten  prager  Canonicus 
Magnus3),  ehemaliger  Zögling  der  berühmten  Hochschule  zu  Paris, 
bisher  Propst  des  Domstifts  zu  Prag. s)  Er  ward  am  29.  Juli  1148 
zum  Nachfolger  Ottos  gewählt,  von  Kaiser  Conrad  III.  mit  den 
Regalien  belehnt  und  am  31.  Dezember  desselben  Jahres  zu  Mainz 
vom  Erzbischofe  Heinrich  als  Bischof  consecrirt. 4) 


')  Diess  beweist  der  Umstand,  dass  noch  vor  seiner  Wahl  zum  Bischof,  im 
J.  1146  sein  Bruder  Alexander  als  Gesandter  an  den  die  Standesunter- 
schiede so  eifersüchtig  beachtenden  Hof  von  Constantinopel  gesendet  wurde. 
(Vincentius  ad  a.  1146.) 

a)  Necrolog.  boem.  scee.  XII.  in  Monument.  Boh.  tom.  II.  Nach  Hajek  ad  a. 
1148  soll  er  ein  Sohn  des  Zdislaw  von  Lipa  gewesen  sein,  gewiss  un- 
richtig, da  dieser  Name  erst  später  üblich  wurde.  Uiberdiess  erscheint 
obige  Quelle  viel  glaubwürdiger,  obwohl  Hajek  vielleicht  einer  Tradition 
gefolgt  sein  mag,  die  unsern  Daniel  zu  den  Ahnen  der  spätem  Herren 
von  Lipa  zählte. 

3J  Contin.  Cosmae  ad  1124  und  urkundlich  bei  Erben  reg.  p.  109  ad  ann. 
1144.  Irrthümlich  machte  ihn  Pelzel  (I.  98)  auch  zum  Propste  von  Wysehrad. 

4)  Bubna  catal.  capit.  Prag  u.  A.  Cont.  Cosmae  nennt  das  Jahr  1149. 


208 

2.  Die  ausgezeichnetsten  Gaben  und  die  seltensten  Kenntnisse 
machten  den  neuen  Bischof  zum  beständigen  Rathgeber  seines 
Herzogs,  zum  klügsten  Diplomaten  seiner  Zeit,  —  nebenbei  auch 
noch  zu  einem  vorzüglichen  Krieger.  Vor  Allen  erwarb  er  sich 
reiche  Verdienste  um  Herzog  Wladislaw.  Seit  der  Erhebung  Fried- 
richs des  Rothbarts  auf  den  deutschen  Königsthron  (9.  März  1152) 
erwuchsen  unserem  Landesherrn  Verlegenheiten  auf  allen  Seiten. 
Die  täglich  wachsende  Spannung  mit  Friedrich  drohte  einen  schlim- 
men Ausgang  und  ermuthigte  überdiess  die  fehdelustigen  Nach- 
barn, so  dass  um  diese  Zeit  das  Gebiet  von  Budisin  für  Böhmen  verlo- 
ren ging.  Im  Lande  selbst  meldeten  sich  wieder  die  unzufriedenen 
Vettern  und  waren  nahe  daran,  die  Hilfe  des  deutschen  Königs  zu  ge- 
winnen. Da  gelang  es  der  diplomatischen  Kunst  des  Bischofs  Daniel, 
einerseits  die  böhmischen  Prinzen  mit  Wladislaw  und  anderseits 
diesen  mit  Friedrich  Barbarossa  zu  befreunden  (bis  1156).  Höher 
als  alle  persönlichen  Antipathien  stand  dem  thatenlustigen  Kaiser 
die  Durchführung  der  Idee  einer  Universalmonarchie.  Um  den 
Preis  einer  wirksamen  Unterstützung  dieses  Planes,  zunächst  in 
Polen  und  alsbald  in  Italien,  erwarb  Daniel  sogar  die  kaiserliche 
Zusage  der  Königswürde  für  seinen  Herzog  und  alle  Nachfolger 
desselben  (1156)  und  endlich  unmittelbar  vor  dem  Feldzuge  nach 
Italien  die ,  wirkliche  Ueberreichung  der  Königskrone  an  Wladi- 
slaw (Regensburg  18.  Jänner  1158).  ') 

Der  italienische  Krieg  begann :  Da  wurde  unser  Bischof  auch 
noch  der  unentbehrliche  Vertrauensmann  des  Kaisers.  Noch  im 
Jahre  1158  vermittelte  er  den  Brescianern  die  Gnade  Friedrichs. 
Von  da  an  war  er  kaiserlicher  Bevollmächtigter  für  Brescia,  Man- 
tua,  Verona,  Cremona,  Pavia,  Parma,  Piacenza,  Reggio,  Bologna, 
Modena,  und  betheiligte  sich  in  hervorragender  Weise  an  dem  be- 
rühmten Reichstage  auf  den  Roncalischen  Feldern. 2) 

3.  Des  Kaisers  rücksichtslose  Eigenmächtigkeit  in  kirchlichen 
Fragen,  die  nur  zu  sehr  der  ihm  allezeit  vorschwebenden  Idee  ei- 
ner kaiserlichen  Universalherrschaft  entsprach,  hatte  schon  vordem 
einige  Conflicte  mit  Rom  herbeigeführt.  Bei  einem  derselben  war 
auch  bereits  unser  Bischof  Daniel  betheiligt  gewesen,  nämlich  bei 


')  Vgl.  Palacky  I.  401—439. 

2)  Dobner  annal.  VI.  397.  Cont.  Cosmae  ad  1159. 


209 

der  auf  kaiserlichen  Befehl  vorgenommenen  eigenmächtigen  Wahl 
eines  neuen  Erzbischofs  von  Magdeburg  im  Jahre  1152,  wofür  ihm 
ein  strenger  Verweis  des  Papstes  Eugen  zugekommen  war.  l)  Seit- 
dem schien  der  Kaiser  alle  Vereinbarungen  betreffs  der  geistlichen 
Investitur  ignoriren  und  die  Zeiten  Heinrichs  IV.  zurückführen 
zu  wollen,  wenngleich  unter  der  vorläufigen  Garantie  seines  eige- 
nen biedern  Charakters.  Endlich  im  Jahre  1159  ging  er  gar  daran, 
in  Fragen  der  Papstwahl  endgiltig    entscheiden  zu  wollen. 

Als  am  7.  September  1159  Alexander  III.  mit  absoluter  Ma- 
jorität (mit  2  Dritttheilen  der  Stimmen)  zur  päpstlichen  Würde  er- 
wählt worden  war,  erhob  sich  gegen  ihn  der  Candidat  der  Minderheit 
(mit  einem  Dritttheil  der  Stimmen)  Cardinal  Octavianus  als  Ge- 
genpapst unter  dem  Namen  Victor  IV.  Da  nahm  sich's  der  Kai- 
ser heraus,  beide  vor  ein  Concil  zu  laden,  um  zwischen  ihnen  eine 
Entscheidung  fällen  zu  lassen,  vor  ein  Concil  zumal,  das  zumeist 
aus  Freunden  Victors  bestand.  Unser  Bischof  Daniel,  seit  langem 
schon  in  das  Interesse  Friedrichs  verflochten,  übernahm  mit  dem 
Bischof  von  Verden  die  seltsame  Gesandtschaft  an  Alexander  III. 2) 
Selbstverständlich  leistete  Alexander  keine  Folge.  Diess  führte 
Seitens  des  Kaisers  und  seiner  Partei  zur  Anerkennung  Victors  IV. 
und  so  zu  einem  neuen  fast  18jährigen  Schisma,  während  sonst 
alle  Welt  Alexander  III.  als  den  rechtmässigen  Papst  verehrte. 
Dieser  sah  sich  in  die  traurige  Notwendigkeit  versetzt,  auf  einem 
grossen  Concile  zu  Tours  den  Bann  über  Friedrich,  und  die  Nich- 
tigkeit über  alle  kirchlichen  Handlungen  des  Gegenpapstes  und 
seiner  Anhänger  auszusprechen.  Erst  der  Friede  von  Venedig 
(24.  Juni  1177)  endete  die  traurige  Spaltung.3)  Auch  unser  Bi- 
schof Daniel  hatte  sich  auf  der  Aftersynode  von  Pavia  (1160)  für 
Victor  erklärt  und  war  somit  dem  Schisma  verfallen.  Er  hatte 
sodann  die  Anerkennung  des  Gegenpapstes  auch  daheim  im  böh- 
mischen Vaterlande  durchgesetzt  und  so  auch  dieses  in  die  Kir- 
chenspaltung hineingezogen.4)  Selbst  für  die  Schismatisirung  des  Kö- 


')  Ebendas.  VI.  341. 

3)  Cont.  Cosmae  ad  1159. 

3)  Vgl.  Höfler:  Gesch.  des  Mittelalters  IL  85—90. 

4)  Nach  Vincentii  chron.  Dobner  I.  69.  und  Pulkava  (III.  188.)  leisteten  Ca- 
pitel  und  Klerus  1161  und  1164  dem  eben  anwesenden  schismatischen 
Erzbischofe  Obedienz. 

14 


§ 
210 

nigs  (Geisa  IL)  und  des  Landes  von  Ungarn  war  er  als  Legat  des 
Gegenpapstes,  jedoch  diessmal  ohne  Erfolg,  thätig  gewesen.  ')  Von 
1166  an  finden  wir  ihn  wieder  in  Italien  an  Barbarossas  Seite. 
Hier  starb  er  am  9.  August  1167  bei  der  Belagerung  von  Ancona 
an  der  Pest, 3)  —  unausgesöhnt  mit  dem  rechtmässigen  Ober- 
haupte der  Kirche. :))  Dagegen  hatte  das  Domcapitel  zu  Prag 
—  gewiss  erst  seit  dem  Abgange  des  Bischofs  —  sich  wieder  für 
Alexander  III.  erklärt  und  allmälig  auch  den  König  und  mit  die- 
sem das  Land  den  Banden  des  Schisma's  entrissen.4)  Als  jetzt 
die  Kunde  von  Daniels  Tode  in  die  Heimat  gelangte,  wurde  dem 
Abgeschiedenen  auch  hier  die  Wohlthat  der  kirchlichen  Fürbitten 
und  der  üblichen  Todtenofficien  verweigert.  Erst  viele  Jahre  nach- 
her erklärte  der  Abt  Gottschalk  von  Selau,  der  Abgestorbene  habe 
ihn  im  Traume  gebeten,  dessen  Wiederaufnahme  in  den  Verband 
der  Kirche  durch  seine  Fürsprache  zu  erwirken.  5)  Erst  von  da 
an  hielt  die  prager  Kirche  sein  Jahrgedächtniss.  6) 

In  seine  Zeit  fällt  die  Stiftung  der  Klöster  Lunovic  (1149), 
Nepomuk  (1153),  des  Johanniterpriorats  in  Prag  (1156),  Teplitz 
(1156)  und  Podlazic  (11 56)  und  die  Einführung  der  Prämonstratenser 
in  Selau  (1148). 

§.  54.  Die  Bischöfe  Gotthart,  Friedrich  und  Valentin. 

1.  Nach  dem  Ableben  Daniels  gab  sich  die  Königin  Judith, 
die  Tochter  Ludwigs  IIL,  Landgrafen  von  Thüringen,  eine  Frau 
von  ungewöhnlichem,  beinahe  männlichem  Geiste,  alle  nur  mögliche 
Mühe,  Männer  ihres  Vertrauens  auf  den  bischöflichen  Stuhl  zu 
Prag  zu  befördern.  Selbst  der  lateinischen  Sprache  mächtig  und 
eine  besondere  Freundin  der  Gelehrsamkeit,  mochte  sie  wohl  nur 
Würdige  begünstigen.  So  gelangte  vorerst  im  J.  1169  nach  einer 
Sedisvacanz    von    6  Monaten 7)    der    Thüringer    Prämonstratenser 

*)  Cont.  Cosmae  irrig  ad  a.  1159. 

3)  Palacky  I.  453.  Dobn.  mon.  Bon.  III.  38. 
•■*)  Vgl.  Pulkava  bei  Dobn.  mon.  III.  191. 

4)  Palacky  I.  453. 

5)  Chron.  Siloense  in  Monum.  Boh.  I.  79  &  80.  Pulkava  ibid.  III.  191. 
•*)  Chronog.  Siloens. 

7)  Kapihorsky  historia  kläätera  Sedleckeho. 


211 

Gotthart,  ein  Verwandter  der  Königin,  zur  Bischofswürde.  Der- 
selbe war  vordem  wahrscheinlich  Canoniker  des  Klosters  Strahow 
gewesen,  vor  Kurzem  aber  durch  dieselbe  Königin  dem  Kloster 
Sedlec  als  Abt  aufgedrungen  worden.  Da  aber  die  Mönche  da- 
selbst die  Annahme  eines  solchen  Vorstehers  standhaft  verwei- 
gerten, so  hatte  jetzt  Judith  den  König  Wladislaw  vermocht,  ihm 
das  erledigte  Bisthum  zu  verschaffen.  Doch  kaum  gewählt,  starb 
Gotthart,  auch  Gotpold  genannt,  noch  vor  Erlangung  der  Bischofs- 
weihe am  10.  März  1169. [) 

2.  Noch  einmal  machte  Judith  ihren  Einüuss  auf  die  Bischofs- 
wahl geltend,  und  so  gelangte  abermals  einer  ihrer  Verwandten 
auf  den  Bischofsstuhl.  Es  war  Friedrich,  Sohn  des  Pfalzgrafen 
von  Putelendorf,  ehedem  Canoniker  des  Prämonstratenserstifts  zu 
Magdeburg, 2)  zuletzt  aber  ebenfalls  Chorherr  im  Kloster  Strahow 
zu  Prag.  3)  Von  wem  er  die  Bischofsweihe  empfing,  wird  nicht  er- 
wähnt. Sicher  erhielt  er  sie  nicht  von  seinem  eigenen  damals  noch 
ins  Schisma  verwickelten  Metropoliten,  Christian  von  Mainz;  denn 
Bischof  Friedrich  erfreute  sich  ausdrücklich  des  Kuhmes,  nie  durch 
das  Schisma  befleckt  worden  zu  sein. 4)  Uibrigens  aber  war  er 
in  Böhmen  als  unkundig  der  slawischen  Sprache  wenig  beliebt. 
Ihm  zum  Aerger  soll  sogar  der  Landtag  des  Jahres  1171  verord- 
net haben,  dass  fortan  kein  Ausländer  mehr  zu  einer  Prälatur 
des  Königreichs  befördert  werden  solle.  5)  — 

Seit  dem  J.  1 168  hatte  die  Freundschaft  unseres  Königs  mit 
Kaiser  Friedrich  ziemlich  aufgehört,  —  am  meisten  in  Folge  der 
Kränkungen,  welche  letzterer  dem  Erzstifte  Salzburg  und  dem  dor- 
tigen Erzbischofe  Adalbert,  einem  Sohne  unseres  Königs  (vor  sei- 
ner Wahl  zum  Erzbischofe  Propst  von  Melnik)  zufügte.  Eine  Aus- 
söhnung beider  Fürsten  am  2.  Februar  1170  erzeugte  nur  eine 
Freundschaft  ohne  Vertrauen  und  einen  Frieden  ohne  Sicherheit. 
Da  wurde  der  ohnehin  durch  Krankheiten  geschwächte  Wladislaw 


•)  Chron.  Siloens.  et  Necrolog.  Doxan.    Dort  ist  als  Sterbejahr   1186  ange- 
setzt, offenbar  aber  das  Jahr  von  Ostern  bis  Ostern  gezählt.  Tomek  I.  650. 

2)  Chron.  montis  sereni  et  Contin.  chron.  Pegau.  Annales  Bosovienses. 

3)  Kreibich. 

4)  Chron.  Siloensis. 

5)  Hajek  ad  ann.    1171.    Dobner  ann.  VI.  469  verwirft  dies  als  einen  Lük- 
kenbüsser  des  Chronisten. 

14* 


212 

der  Regierung  müde.  Er  entsagte  desshalb  dem  Throne  zu  Gun- 
sten seines  Sohnes  Friedrich  (1173,  der  Tag  ist  unbekannt)  und 
wollte  nach  einer  33jährigen  Regierung  den  Rest  seines  Lebens 
in  seiner  Lieblingsschöpfung,  im  Kloster  Strahow  verleben.  Die 
neuen  Wirren  aber,  die  seiner  Entsagung  folgten,  vermochten  den 
kranken  Fürsten,  auf  das  Landgut  seiner  Gattin,  Merane  in  Thü- 
ringen zu  ziehen,  wo  er  am  18.  Jäner  1174  selig  im  Herrn  ver- 
schied. l) 

Wladislaws  Sohn  Friedrich  musste  schon  im  J.  1173  dem  da- 
maligen ältesten  Pfemysliden  Sobeslaw  IL,  dem  sogenannten  Bau- 
ernfürsten, weichen.  Vergeblich  hatte  Bischof  Friedrich  in  Ge- 
meinschaft mit  dem  Grafen  Witek  zu  wiederholten  Malen  persön- 
lich die  kaiserliche  Anerkennung  für  selben  angesucht,  Um  den 
Preis  treuer  Hilfe  in  Italien  gab  Barbarossa  die  Belehnung  (jetzt 
wieder  mit  der  herzoglichen  Würde)  dem  Sobeslaw.  Nur  4  Jahre 
herrschte  dieser  über  unser  Vaterland ;  aber  durch  die  erneute  Freund- 
schaft mit  dem  Kaiser  und  durch  die  neuerliche  Theilnahine  am  schis- 
matischen Kampfe  gegen  Alexander  III.  wurden  diese  Jahre  trotz  aller 
Begünstigung  des  Landmanns  Jahre  kirchlicher  Trauer.  Es  wird 
nicht  erzählt,  ob  der  neue  Fürst  sich  irgendwie  an  dem  Bischöfe  als- 
Fürsprecher  des  verdrängten  Friedrich  gerächt  habe:  von  einer 
Freundschaft  gegen  den  allezeit  zu  Alexander  III.  haltenden  Ober- 
hirten konnte  aber  gewiss  keine  Rede  sein.  *j  Endlich  sah  sich 
Alexander  gar  genöthigt,  über  den  Bauernfürsten  wegen  wiederhol 
ter  unerhörter  Verwüstung  der  Kirchen  Niederösterreichs  (gelegen- 
heitlich zweier  im  Interesse  des  Kaisers  unternommener  Kriegs- 
züge) die  kirchliche  Excommunication  zu  verhängen  (Anfangs  1177). 
Da  folgte  bald  darauf  der  Friede  zu  Venedig  (24.  Juni  1177)  zwi- 
schen Alexander  und  Kaiser  Friedrich,  —  und  letzterer  opferte 
seinen  treuen  Helfer.  Noch  in  Venedig  belehnte  er  den  1173  ver- 
drängten Herzog  Friedrich  mit  Böhmen,  der  aber  erst  1179  nach 
blutigen  Kämpfen  Herr  des  böhmischen  Thrones  werden  konnte. 
Der  Bauernfürst  starb  bald  darauf  (29.  Jänner  1180)  als  Flücht- 
ling.   Bischof  Friedrich  aber  war  während  des  letzten  Kampfes  am 


»j  Palacky  I.  454—458. 
2)  Chron.  Siloens. 


213 

31.  Jänner  1179  in  die  Ewigkeit  hinübergegangen.1)  Er  hatte  zu- 
vor noch  (1177)  die  Gründung  eines  Cisterzienserklosters  zu  Mün- 
chengrätz  erlebt. 

3.  Noch  im  Jahre  1179  gelangte  neuerdings  ein  Thüringer 
und  ebenfalls  Chorherr  von  Strahow,  Valentin,  auf  den  prager 
Bischofsstuhl,  und  zwar  wieder  durch  die  thätige  Verwendung  der 
Landesfürstin  (jetzt  Herzogin  Elisabeth),  und  gegen  den  Willen  der 
Mehrzahl  des  Capitels. 3)  Er  war  übrigens  der  hohen  Würde  nicht 
ganz  unwerth.  Man  rühmte  seine  edle  Geburt,  seine  sehr  grosse 
Frömmigkeit  und  seine  feine  Sitte.  Vor  Allem  aber  empfahl  ihn 
seine  wahrhaft  ehrwürdige  Greisengestalt. 3)  In  seinem  neuen  Amte 
erwarb  er  sich  wenigstens  den  Ruhm,  keineswegs  seine  Verwandten 
bereichert  zu  haben,  sondern  ein  grosser  Wohlthäter  der  Kirchen, 
Hospitäler  und  Gefängnisse  geworden  zu  sein.4)  Er  starb  bereits 
am  6.  Februar  1182.  5) 

§.  55.   Heinrich  Bfetislaw  und  die  Vollendung  der   geistlichen  Refor- 
mation. 

1.  Nach  dem  Tode  des  Bischofs  Valentin  trat  der  höhere 
Klerus  (das  Domcapitel,  die  Collegiatobern  und  Aebte)  zur  Wahl 
eines  neuen  Oberhirten  zusammen.  So  war  es  seit  einiger  Zeit  her  — 
wohl  nicht  lange  nach  dem  Wormser  Concordate  —  in  Böhmen  Sitte 
geworden.  Nunmehr  erfolgte  erst  nachträglich  die  Zustimmung  des 
Fürsten  und  die  Acclamation  des  Volkes.  Von  einer  Investitur  durch 
den  Kaiser  ist  nun  auch  keine  Rede  mehr:  unser  Landesfürst  selbst 
ertheilte  jetzt  durch  Darreichung  des  Scepters  die  Belehnung  mit 
den  Regalien. 6)  Gewählt  wurde  diesmal  (25.  März  1182)  der  Prinz 
Heinrich  Bfetislaw,  ein  Brudersohn  des  verstorbenen  Königs 


')  Vgl.  Palacky  I.  462—473.     Tomek  Gesch.  Prags  I.  148—150  u.  650. 

8)  Epitom.  cliron.  Neplachonis  (mon.  Boli.  IV.  108.)  Contin.  Vincent,  (mon. 
Boh.  I.  92.)  Bnbna  catal.  capit.  Prag.  Pesina  Phosph.  Palacky  I.  474. 

3j  Pesina  Phosph.  berichtigt  durch  Bubna  catal.  cap.  Prag.  (Crugerius,  Ham- 
merschmidt.) 

4)  Crugerius  ad  14.  Juni. 

5)  Palacky  I.  474.  Tomek  I.  650.  Dobn.  mon.  III.  38. 

(i)  Chron.  Gerlaci  nennt  diese  Praxis:  „electio  cleri,  principum  assensus,  Vo- 
tum universale"  bereits  eine  alte  Sitte,  Vgl.  auch  Palacky  I.  474. 


214 

Wladislaw  IL  Derselbe  war  damals  ein  noch  jugendlicher  Diakon, 
aber  —  unter  der  frommen  Zucht  des  Klosters  Strahow  erzogen  [), 
und  bis  vor  Kurzem  noch  ein  eifriger  Schüler  der  pariser  Univer- 
sität —  war  er  nach  der  Meinung  Aller  der  geeignetste  Mann, 
um  die  in  letzter  Zeit  wieder  einmal  recht  traurig  gewordenen 
Zustände  der  böhmischen  Kirche  zu  heilen.2)  So  vertauschte  er, 
durch  völlig  einstimmige  Wahl  berufen,  die  seit  zwei  Jahren  von 
ihm  besessene  Propstei  zu  WySehrad 3)  mit  dem  Bischofsstuhle. 
Die  heiligen  Weihen  empfing  er  zu  Mainz,  und  zwar  vorerst  die 
Priesterweihe  am  Samstage  des  Pfingstquatembers  und  Sonntags 
darauf  die  bischöfliche  Consecration.  Als  Bischof  erwarb  er  sich 
alsbald  seltenen  Ruhm.  Gütig  und  gefällig  gegen  Jedermann  ach- 
tete er  Keinen  gering  und  gab  Jedem  sein  Recht;  selbst  überaus 
massig  war  er  die  Gastfreundschaft  selbst  gegen  die  Fremden,  ins- 
besondere gegen  Geistliche ;  er  war  nicht  blos  ein  äusserlicher  Be- 
kenner,  sondern  auch  gewissenhafter  Befolger  eines  keuschen  Wan- 
dels; streng  in  seinen  kanonischen  Pflichten  wagte  er  nicht  die 
h.  Messe  zu  lesen,  ohne  früher  dem  ersten  besten  Priester  reu- 
müthig  seine  Sünden  zu  beichten.4)  Eines  so  liebenswürdigen 
Oberhirten  hatte  sich  unser  Vaterland  seit  Langem  nicht  erfreut. 
2.  Diesem  fürstlichen  Bischöfe  hatte  die  Vorsehung  auch  noch 
die  weltliche  Herrschaft  des  Landes  bestimmt,  um  durch  ihn  desto 
kräftiger  und  sicherer  die  Hand  an  das  Werk  der  kirchli- 
chen Reformation  legen  zu  lassen.  Seit  Heinrichs  Wahl  hatten  in 
Böhmen  innerhalb  10  Jahren  vier  Regenten  den  Herzogsstuhl  inne 
gehabt.  Herzog  Friedrich,  wiederholt  der  Entthronung  nahe,  war 
am  25.  März  1189  in  die  Ewigkeit  gegangen.  Unter  ihm  hatte 
unser  Bischof  trotz  des  Wegfalls  der  kaiserlichen  Investitur  auf 
einem  Reichstage  zu  Regensburg  die  förmliche  Erklärung  zum 
deutschen  Reichsfürsten  erhalten  (1188).  Als  Herzog  war  1189 
Conrad  Otto  von  Mähren  nachgefolgt;  diesen  aber  hatte  schon 
am  9.  September  1191  bei  der  Belagerung  von  Neapel,  wohin  er 
bereitwillig  den  Kaiser  Heinrich  VI.  begleitet  hatte,  der  Tod  ereilt. 


[)  Kreibich. 

3)  Chron.  Siloensis.  (Mon.  Boh.  I.  94.) 

3)  Chron.  Pulkavae.  (Mon.  Boh.  III.   196.)  Tomek  G.  P.  G56.  Pesina  phosph. 
und  Andere. 

4)  Chron.  Siloens.  (Mon.  Boh.  I.  94.) 


215 

Nach  ihm  hatte  sich  der  älteste  Pfemyslide  Herzog  Wenzel  IL 
auf  den  Thron  (Oktober  1191)  geschwungen;  aber  er  hatte  an 
Pfemysl  Otakar,  dem  Sohne  Wladislaws  IL,  einen  glücklichen 
Gegner  gefunden,  der  zuletzt  um  den  unter  persönlicher  Bürgschaft 
des  Bischofs  versprochenen  Preis  von  6000  Mark  Silbers  Anfangs 
1192  die  kaiserliche  Belehnung  von  Heinrich  VI.  empfangen  hatte. 
Dieser  Pfemysl  aber,  der  später  der  Wiederhersteller  der  böhmi- 
schen Macht  und  Hoheit  werden  sollte,  zeigte  jetzt  von  allen  sei- 
nen nachmaligen  Vorzügen  das  gerade  Gegentheil;  er  sollte  letz- 
tere erst  in  der  Schule  des  Unglückes  lernen.  Noch  im  Jahre 
1192  hatte  er  alles  Vertrauen  seines  Landes  durch  seine  gemeine 
und  charakterlose  Regierung  eingebüsst  und  war  überdiess  den 
deutschen  Fürsten  und  dem  Kaiser  selbst  verhasst  geworden.  Er 
war  schon  daran,  in  die  Pieichsacht  erklärt  zu  werden.  Da  wollte 
Bischof  Heinrich  —  der  nächste  Pfemyslide  —  eben  eine  Wall- 
fahrt nach  S.  Jago  in  Spanien  unternehmen.  Der  Kaiser  hielt  diess 
für  Flucht  seines  Bürgen  und  fürchtete  für  die  noch  immer  nicht 
bezahlten  6000  Mark.  Darum  nöthigte  er  den  Bischof,  nach  Böh- 
men heimzukehren  und  zuletzt  gar  als  Geisel  10  Monate  lang  den 
kaiserlichen  Hof  zu  begleiten.  Da  wurden  endlich  Kaiser  und  Bi- 
schof des  Hinhaltens  Otakars  müde.  Der  Kaiser  verzichtete  auf 
seine  Forderung  und  belehnte  im  August  1193  den  Bischof  selbst 
mit  dem  böhmischen  Herzogthume.  Heinrich  Bfetislaw  zog  nun 
gegen  Prag  zurück.  Bei  Zdic  (in  der  Nähe  von  Beraun)  wollte 
ihm  Pfemysl  Widerstand  leisten;  aber  schaarenweise  gingen  seine 
Leute  zum  Bischöfe  über.  Endlich  fiel  auch  Prag  nach  einer  län- 
geren Belagerung  in  die  Hände  des  neuen  Landesherrn  (vor  Weih- 
nachten 1193).  ')  Pfemysl  soll  nach  Piegensburg  geflohen  sein,  wo 
die  Noth  ihn  gezwungen  habe,  unbekannt  von  harter  Handarbeit 
zu  leben.  Er  soll  insbesondere  bei  einem  Kirchenbaue  geduldig 
den  Karren  mit  Steinen  gezogen  und  nur  einen  seiner  Treuen  als 
Genossen  seiner  Arinuth  und  seines  Schweisses  um  sich  gehabt 
haben.  a)  Jedenfalls  ging  er  auf  längere  Zeit  in  die  für  ihn  so 
segensreiche  Schule  der  Trübsal. 


»)  Vgl.  Palacky   I.  475-489.  Chron.  Siloens.  (Mon.  Boh.  I.  95.  etc.)  Gerlaci 

chron.  (ibid.  123.)  Chron.  Pulkavae  (Mon.  Boh.  III.  196.  etc.) 
3)  Dubrav.  fol.  XC. 


216 

3.  Heinrich  Bfetislaw  war  nun  Bischof  und  Herzog  zugleich. 
Nachdem  er  zunächst  seine  Herrschaft  gesichert  hatte,  wollte  er 
seine  Kräfte  und  sein  Leben  den  beiden  grossen  Aufgaben  jener 
Zeit  weihen,  —  einem  Kreuzzuge  und  der  geistlichen  Reformation. 
Vorerst  nahm  er  in  Gemeinschaft  mit  dem  Kaiser  und  vielen  Reichs- 
fürsten auf  dem  Reichstage  zu  Worms  (6.  Dezember  1195)  das 
Kreuz  zur  Befreiung  Jerusalems  aus  der  Macht  der  Erben  Sala- 
dins.  Doch  die  Ausführung  dieses  Unternehmens  verzögerte  sich 
erst  durch  die  in  Neapel  gegen  König  Heinrich  ausgebrochene 
Gährung  und  in  Böhmen  durch  die  Erkrankung  des  bischöflichen 
Herzogs.  l)  Um  so  entschiedener  ging  desshalb  der  letztere  an 
sein  zweites  Werk,  die  eigentliche  Aufgabe  seines  Lebens.  Er 
vollendete  die  Reformation  der  böhmischen  Kirche,  die  seit  den 
Zeiten  des  eifrigen  Bischofs  Otto  in  Mitten  neuer  Welthändel  und 
neuer  Bürgerkriege  wieder  rückgängig  geworden  war. 

Am  11.  März  1197  langte  der  Cardinallegat  Peter  a  via  lata 
in  Prag  an.  In  feierlicher  Procession  führte  ihn  der  kranke  Bi- 
schof an  der  Spitze  der  Klerisei  in  die  Stadt  ein.  Er  sollte  zu- 
nächst im  Auftrage  des  Papstes  Cölestin  III.  die  Angelegenheit  des 
stockenden  Kreuzzugs  fördern.  Doch  liess  er  sich  jetzt  weit  mehr 
für  die  Sache  der  Reformation  gebrauchen.  Am  nächstfolgenden 
Quatembersamstage  (22.  März)  fand  eben  im  prager  Dome  die 
feierliche  Priesterordination  Statt,  —  diessmal  durch  den  Bischof 
Engelbert  von  Olmütz.  Zahlreich  hatten  sich  die  Kleriker  der  nie- 
dern  Grade  hiezu  eingefunden.  Wie  vordem,  so  hatten  auch  jetzt 
gar  viele  derselben,  zumal  die  aus  den  Adelsfamilien  des  Landes 
die  besten  Pfründen  inne,  deren  etwaige  seelsorgerliche  Geschäfte 
sie  durch  arme  priesterliche  Vicare  verrichten  liessen.  Darneben 
hatten  in  einer  Zeit,  wo  die  Bischöfe  theils  ausser  Landes  weilten, 
theils  wieder  eines  geringen  Ansehens  sich  erfreuten,  den  kanoni- 
schen Vorschriften  zum  Trotze  gar  Manche  keine  Scheu  getragen, 
Ehen  zu  schliessen  und  solche  in  Aussicht  zu  stellen.  Jetzt  mel- 
deten sie  sich  ungeachtet  dessen  zur  priesterliehen  Weihe.  Doch 
da  forderte  der  anwesende  Cardinallegat  entschieden  das  Gelübde 
der  Keuschheit.  Darüber  entstand  ein  förmlicher  Aufstand  der 
Ordinanden.    Der  Cardinal  sah  sich  genöthigt,  zu  entfliehen,  wollte 


')  Gerlaci  chron.  (Mon.  I.  202.)  Palacky  I.  490. 


217 

er  nicht  unter  der  Wuth  der  mit  Stühlen  und  Bänken  auf  ihn  los- 
stürmenden Kleriker  eine  Beute  des  Todes  werden.  Nun  aberging 
der  schon  zum  Tode  erkrankte  Bischof  und  Herzog  an  die  Be- 
strafung der  Frevler.  Er  sandte  bewaffnete  Kriegsleute  in  die 
ohnehin  bereits  entweihte  Kirche  und  Hess  die  Aufrührer  sämmt- 
lich  verhaften.  Sie  büssten  sofort  theils  im  Kerker,  theils  im 
Exile  ihre  Schuld.  Solche  Strenge  brachte  alle  Uebrigen  bald  zur 
Besinnung.  Nun  hielt  der  Cardinallegat  in  bester  Ordnung  eine 
Synode,  in  welcher  er  mit  hinreissender  Beredsamkeit  die  Gesetze 
der  Kirche  den  Anwesenden  ans  Herz  legte.  Auch  wurde  der  kle- 
rikale Wandel  einiger  Angeklagten  untersucht.  Da  folgten  denn 
auch  noch  einige  strenge  Urtheile  nach,  unter  Andern  die  Ab- 
setzung der  Aebte  von  Bfewnow  und  Sazawa.  Fast  8  Wochen  ar- 
beitete der  eifrige  Legat  theils  im  Namen  des  Papstes,  theils  in 
Vertretung  des  immer  schwächer  werdenden  Bischofs  an  dem  Werke 
der  geistlichen  Erneuerung.  ')  Wo  heiliger  Eifer  und  entschiedene 
Kraft  in  solcher  Weise,  wie  damals  in  unserem  Vaterlande  sich 
paarten,  dort  musste  die  grosse  Aufgabe  ihrer  Vollendung  zuge- 
führt werden.  Böhmen  hatte  von  nun  an  einen  gebesserten  Klerus 
und  erschwang  sich  leicht  auf  die  glänzendste  Höhe  seiner  reli- 
giösen Entwicklung. 

Da  konnte  der  herzogliche  Bischof  getrost  aus  dem  Leben 
scheiden.  Als  seine  Krankheit  sich  immer  mehr  verschlimmerte, 
kehrte  schon  der  verbannte  Premysl  Otakar  ins  Land  zurück  und 
sammelte  Anhänger  für  die  Wiedererlangung  der  Herzogswürde. 
Um  wenigstens  ruhig  sterben  zu  können,  Hess  sich  Heinrich  Bre- 
tislaw  nach  Eger  bringen,  wo  er  einst  als  Geisel  des  Kaisers  ge- 
lebt hatte.  Hier  empfing  er  die  heiligen  Sakramente  der  Sterben- 
den und  entschlief  unter  den  Gebeten  und  Thränen  aller  Anwesen- 
den am  15.  Juni  1197.  Unser  Vaterland  betrauerte  ihn  als  „die 
goldene  Blume  Böhmens,  die  Zuflucht  der  Fürsten,  die  Zierde  des 
Klerus,  den  Schützer  der  Orden,  —  als  einen  Bischof,  wie  es  nach 
dem  h.  Adalbert  in  diesem  Lande  keinen  zweiten  gab."')  Die  Zeit 
dieses  grossen   Bischofs   sah   auch  grossartige   Ordensinstitute  ins 


')  Chron.  Gerlaci.  (mon.  Boh.  I.  124  et  125).  Chron.  Boh.  III.  202.)  Dubravius, 

Pelzel   etc. 
*)  Chron.  Gerlaci  (Mon.  Boh.  I.  126.) 


218 

Leben  treten:  das  Kloster  der  Prämonstratenser  zu  Mühlhausen 
(1184),  das  der  Grab  Wächter  zu  Zderas  in  Prag  (1190),  das  Cister- 
zienserstift  Ossegg  (1196)  und  das  Prämonstratenserkloster  Tepl 
(1197).   Am  28.    September  1197   starb   auch  Kaiser  Heinrich  VI. 

§.  56.  Böhmens  Metropoliten  in  dieser  Zeit. 

1.  Siegfried  (von  Epstein),  Abt  zu  Fulda,  hatte  am  Feste 
der  Erscheinung  des  Herrn  1060  den  erzbischöflichen  Stuhl  zu 
Mainz  in  vollkommen  rechtlicher  Weise  bestiegen.  Er  war  als 
frommer,  glaubenseifriger  und  sittenreiner  Priester  von  jeher  be- 
kannt. Aber  schwach  und  nachgiebig  wie  er  auch  war,  musste  er 
in  der  nun  folgenden  höchst  bewegten  Zeit  unaufhaltsam  in  die 
nächste  und  stärkste  Strömung  mit  hineingerissen  werden. 

Alsbald  nach  seiner  Wahl  unternahm  er  eine  Wallfahrt  nach 
Jerusalem  und  zwar  in  Gesellschaft  vieler  Bischöfe  und  Grossen 
des  Reichs  und  einer  Schaar  von  7000  Pilgern  (1064,  1065),  welche 
letztere  bis  auf  2000  den  Gewalthätigkeiten  der  Ungläubigen 
unterlagen.  ')  Siegfried  selbst  gründete  nach  seiner  glücklichen 
Heimkehr  ein  neues  ansehnliches  Collcgiatstift  in  Mainz  (bei 
der  Liebfrauenkirche,  1069)  und  das  Kloster  Ilassungen  (1071)  in 
Thüringen.  Im  Jahre  1066  gehörte  Siegfried  noch  zu  den  in  Tri- 
bur  versammelten  Fürsten,  welche  Heinrich  IV.  entweder  zur  Tren- 
nung von  Adalbert  v.  Bremen  oder  zur  Thronentsagung  aufforder- 
ten. a)  Dagegen  nahm  er  im  Jahre  1069  keinen  Anstand,  auf  einer 
Synode  zu  Mainz  die  ungesetzliche  Ehescheidung  zu  Gunsten  des 
Kaisers  aussprechen  zu  wollen,  was  eben  nur  durch  die  unerwar- 
tete Ankunft  eines  päpstlichen  Legaten  (Petrus  Daniianus)  hintan- 
gehalten wurde.  :J)  Diese  Willfährigkeit  und  die  unstatthafte  Con- 
secration  des  simonistischen  Bischofs  Conrad  von  Constanz  hatte 
eine  Citation  nach  Rom  zur  Folge  (1070).  Im  Jahre  1071  hielt  er 
noch  eine  Synode  zu  Mainz  (Entsetzung  Conrads  von  Constanz)  und 


')  Lambert  v.  Aschaffenburg  erzählt  das  interessante  Detail  dieser  Pilgerfahrt. 
3)  Damberger  VI.    647.    Lebensbeschreibung  der    Bisch-    und    Erzbischöfe 

auch  Churfürsten  zu  Mainz,  S.  201. 
3)  Damberger  VI.  745.  Lebensbeschreibung   der  Bisch,  etc.   202.     Schannat 

conc.  Germ.  III.  153.  etc. 


219 

pilgerte  dann  (1072)  nach  S.  Jago  di  Compostella  in  Spanien.  Auf 
der  Rückreise  hielt  er  sich  im  Kloster  Clugny  auf  und  wollte  dort 
als  Ordensbruder  eintreten,  wenn  ihn  nicht  Abgesandte  von  Mainz 
zur  Rückkehr  bewogen  hätten.  Indess  hatte  Papst  Gregor  VII.  am 
14.  März  1074  auf  einer  Synode  zu  Rom  die  steige  Verordnung 
erlassen,  dass  alle  simonistischen  Geistlichen  sofort  ihre  Pfründen 
verlieren,  alle  Verheiratheten  und  mit  Unkeuschheit  Befleckten  aber 
vom  Dienste  des  Altars  entfernt  werden  sollten.  ')  Da  versam- 
melte der  heimgekehrte  Siegfried  die  Diöcesansynode  zu  Erfurt 
und  verkündete  die  päpstlichen  Decrete.  3)  Doch  da  zeigte  sich 
schon  wieder  seine  Schwäche.  Das  wilde  Toben  der  Versammelten, 
die  sich  zumeist  sehr  viel  vorzuwerfen  hatten,  bestimmte  ihn  erst 
zur  Nachgiebigkeit,  bald  aber,  als  er  sich  durch  die  Flucht  gesi- 
chert sah,  zur  Verhänguiig  der  schwersten  kirchlichen  Censuren. 
Dennoch  ward  zur  Durchführung  der  Decrete  so  viel  wie  nichts 
gethan.  Erst  ein  strenger  Verweis  des  Papstes  brachte  den  furcht- 
samen Erzbischof  dahin,  eine  neue  Synode  nach  Mainz  zu  beru- 
fen (1075).  Da  erpresste  das  erneuerte  Toben  der  Menge  ihm  so- 
gar das  Versprechen,  beweibte  Geistliche  in  ihren  Pfründen  belas- 
sen zu  wollen.  Nun  wurde  Siegfried  zum  zweiten  Male  nach  Rom 
citirt ;  die  Furcht  vor  dem  Papste  aber  machte  ihn  zum  Schismatiker. 
Als  nämlich  eben  damals  Kaiser  Heinrich  auf  eine  an  ihn  er- 
gangene Vorladung  nach  Rom  (wegen  Begünstigung  der  Simonie 
und  Priesterehe  uud  wegen  manigfacher  Klagen  der  Sachsen)  durch 
eine  Aftersynode  zu  Worms  und  durch  die  Absetzung  des  Papstes 
antwortete,  da  befand  sich  auch  Siegfried  unter  den  allzu  willfäh- 
rigen Bischöfen  und  verfiel  dadurch  nebst  andern  in  den  Kirchen- 
bann.3) Noch  dasselbe  Jahr  sah  die  Demüthigung  Heinrichs  zu  Tri- 
bur  —  und  auch  Siegfried  erflehte  dort  die  Verzeihung  des  Pap- 
stes. 4)  Von  da  ab  sehen  wir  den  schwachen  Mann  sogar  unter 
Heinrichs  Gegnern.  Im  Jahre  1077  salbte  er  sogar  in  seiner  Kathe- 
drale den  Gegenkaiser  Rudolf  von  Schwaben  und  blieb  dessen  An- 
hänger bis  zur  unglüklichen  Schlacht  bei  Zeiz  (15.  Okt.  1080),  in 
welcher  Rudolph  fiel,   Siegfried  aber  in  die  Gefangenschaft  Hein- 

l)  Damberger  VI.  818.  Schannat  III.  184.  (Encycl.  Gregorii  VII.) 
s)  Schannat  conc.  Germ.  III.  186. 

3)  Damberger  VI.  835,  Lebensbesch.  207. 

4)  Damberger  VI.  866.  etc 


220 

richs  gerieth.  Er  entkam  (aus  Worms)  und  krönte  nun  wieder  auf 
der  Flucht  zu  Goslar  (1081)  den  neuen  Gegenkaiser  Hermann  von 
Luxenburg.  Ohne  Aussicht,  im  Frieden  wieder  nach  Mainz  zurück- 
kehren zu  können,  zog  er  sich  endlich  im  Jahre  1084  in  das  von 
ihm  gestiftete  Kloster  Hassungen  in  Thüringen  zurück,  wo  er  noch 
im  selben  Jahre  starb.  ') 

2.  Ihm  folgte  Wezilo  (Wenzelinus),  gelehrt  und  wohlberedt, 
leider  aber  befleckt  durch  simonistische  Erschleichung  der  neuen 
Würde.  So  inusste  er  vorerst  ein  Anhänger  Heinrichs  und  des  da- 
maligen Gegenpapstes  werden.  In  der  Osterwoche  des  Jahres  1 1 85  ver- 
sammelten sich  die  Anhänger  Gregors  VII.  zu  einer  Generalsynode  in 
Quedlinburg,  wo  Wezilo  als  Eindringling  erklärt  und  sein  Anhang  ex- 
eommuincirt,überdiess  aber  sehr  heilsame  kirchliche  Anordnungen  er- 
lassenwurden.') Wezilo  antwortete  darauf  durch  eine  sogenannte  Ge- 
neralsynode zu  Mainz,  auf  welcher  wieder  auf  kaiserlichen  Befehl 
die  Absetzung  Gregors  erneut  und  sein  Anhang  aller  Pfründen  und 
Würden  verlustig  erklärt  wurde.  Hier  erhielt  auch  der  Präger  Bi- 
schof Gebhart  die  Jurisdiction  über  Mähren  zurück.3)  Auf  einer 
zweiteu  derartigen  Synode  im  Jahre  1086  erhielt  auch  Wratislaw 
von  Böhmen  die  Königswürde.  4)  Endlich  ward  aber  auch  Wezilo 
Heinrichs  Gegner,  angeblich  in  Folge  der  abscheulichen  Laster  und 
Ungerechtigkeiten,  deren  dieser  verblendete  Fürst  sich  schuldig  machte. 
So  starb  er  —  ausgesöhnt  mit  der  Kirche  —  schon  im  Jahre  1088.  5) 

3.  Kuthartus,  vordem  Abt  zu  Erfurt,  ward  sofort  —  aber- 
mals durch  kaiserliche  Gunst  —  auf  den  Metropolitansitz  zu  Mainz 
erhoben,  und  verfiel  so  von  selbst  in  das  Schisma  jener  traurigen 
Zeit.6)  Doch  Heinrich  IV.  verlor  um  diese  Zeit  fast  alle  Freunde, 
die  sich  mehr  und  mehr  seinem  Sohne  Heinrich  V.  zuwendeten. 
Auch  Ruthard  entsagte  seinem  unverbesserlichen  Gönner;  inusste 
aber  eben  desshalh  9  Jahre  lang  als  Flüchtling  in  den  Klöstern  Thü- 
ringens  (nach  Andern   im   Schlosse  Harzburg)  sich  verbergen.    In 


')  Damb.  VI.  999.  1013.  Hirschel  Gesch.  des  Bistli.  Mainz  45—50.     Catalog. 

arclipp.  Mog.  bei  Menken  III.  485 — 489. 
3)  Schannat  conr.  germ.  III.  200. 

3)  Ebcnd.  202.  Damb.  VI.  10G5. 

4)  Damb.  VII.  22.  Palacky  I.  318. 

5j  Catal.  arch.  Mog.  bei  Menken  III.  489.  490. 
6)  Kbcncl.  u.  Herschel  etc. 


221 


seiner  Abwesenheit  hielt  (1099)  der  schismatische  Legat  Rupert 
eine  Aftersynode  zu  Mainz,  auf  welcher  er  Klerus  und  Volk  vom 
Gehorsam  gegen  den  Erzbischof  entband  und  dem  Prager  Bischöfe 
Hermann  die  bischöfliche  Consecration  ertheilte.  ')  Dagegen  hielt 
Ruthart  am  29.  Juni  1105  eine  grosse  Provincialsynode  zu  Nord- 
hausen, welche  nebst  Erlassung  einiger  kirchlichen  Anordnungen 
sich  offen  für  den  dort  anwesenden  Heinrich  V.  erklärte.  2)  Letz- 
terer bemächtigte  sich  endlich  im  folgenden  Jahre  (1106)  der  Stadt 
Mainz.  Da  kehrte  Ruthard  zu  den  Seinen  zurück  und  weihte  die 
noch  übrige  Zeit  seines  Lebens  frommen  Werken.  Er  starb  im 
Jahre  1109  in  dem  von  ihm  selbst  gestifteten   Kloster  S*  Johann.  3) 

4.  A  d  a  1  b  e  r  t  Graf  von  Saarbrück,  Kaisers  Heinrich  V.  Kanz- 
ler und  vertrautester  Rath,  „der  ruhinwürdigste  aller  Kanzler,  die 
vor  ihm  am  Kaiserhofe  waren,"  4)  wurde  in  Jahre  Uli  einhellig 
als  Nachfolger  Rutharts  gewählt  und  sofort  von  seinem  kaiserli- 
Gönner  in  der  von  Gregor  VII.  verbotenen  Weise  mit  Ring  und 
Stab  investirt.  Es  war  die  Zeit,  wo  Heinrich  V.  den  langen  Streit 
mit  dem  päpstlichen  Stuhle  durch  Gefangennehmung  und  zweijäh- 
rige harte  Bedrängung  des  Papstes  Paschalis  beendigen  wollte.  Er 
hatte  sich  verrechnet;  denn  der  wieder  in  Freiheit  gesetzte  Papst 
erklärte  auf  Andringen  einer  im  Lateran  zu  Rom  gehaltenen  Sy- 
node (18 — 23.  März  1112)  die  ihm  abgezwungenen  Zugeständnisse 
für  nichtig. 5) 

Zur  selben  Zeit  sah  sich  auch  Erzbischof  Adalbert  genöthigt, 
entschieden  gegen  die  Willkürlichkeiten  des  Kaisers  auf  kirchli- 
chem Gebiete  und  insbesondere  im  Mainzer  Erzstifte  selbst  zu  pro- 
testiren,  und  da  er  nicht  gehört  wurde,  das  kaiserliche  Hoflager 
zu  verlassen.  Da  überdiess  Erzbischof  Adalbert  sich  nun  auch  zur 
päpstlichen  Seite  hinneigte :  so  beschuldigte  ihn  Heinrich  des  Ein- 
verständnisses mit  seinen  Feinden  (Dec.  1112)  und  setzte  ihn  auf 
die  Reichsfestung  Trifels  gefangen.  Drei  Jahre  schmachtete  er  dort 
in  trauriger   Haft,  bis  endlich   die  treuen  Bürger  von  Mainz  durch 


«)  Damb.  VII.  414.  Vgl.  §.  49. 

3)  Schannat  III.  248. 

8)  Catal.  arch.  Mog.  und  Herschel  1.  c. 

4)  Annal.  Sax.  bei  Damberger  VII.  663. 

5)  Damb.  VII.  677.  etc. 


222 


die  förmliche  Belagerung  des  eben  dort  anwesenden  Kaisers  das 
Gebot  seiner  Freigebung  erzwangen.  (1.  Nov.  1115.)   *) 

Nun  bemühte  sich  Adalbert  auf  das  Ernsteste,  den  langen 
Investiturstreit  zu  vermitteln.  An  der  Spitze  mehrerer  deutschen 
Bischöfe  drang  er  in  Zuschriften  an  den  Papst  Paschal  auf  eine 
Synodalentscheidung,  welche  auch  wohl  auf  einem  grossen  Concil 
im  Lateran  (6—11.  März)  1116  erlassen  wurde.  Dennoch  verzö- 
gerte sich  der  Friede  noch  bis  zum  Jahre  1122.  Das  Concordat 
zu  Worms  (mit  Calixt  IL  23.  Sept.  1122)  stellte  endlich  fest:  dass 
in  Zukunft  die  Wahl  und  Consecration  der  geistlichen  Würdenträ- 
ger frei  vor  sich  gehen,  die  Investitur  durch  King  und  Stab  hin- 
wegfallen, dagegen  die  Einführung  des  Gewählten  in  den  Genuss  der 
Regalien  durch  Darreichung  des  Scepters  von  Seiten  des  Kaisers 
geschehen  sollte.  2) 

Von  nun  an  weihte  Erzbischof  Adalbert  seine  Zeit  und  Kraft 
ungetheilt  seinem  kirchlichen  Berufe.  Vor  allem  nahm  er  die  so 
dringend  nothwendige  Reformation  der  Geistlichkeit  in  Angriff.  Die 
Zeit  des  Kampfes  hatte  hier  die  manigfachen  Gebrechen  noch  zahl- 
reicher und  ärger  gemacht.  Nun  galt  es,  dem  Uebel  für  immer  einen 
Damm  zu  setzen.  Es  ist  die  Zeit,  wo  die  heiligen  Bernard  und  Norbert 
im  Klosterwesen  ihre  grossartigen  Reformen  begannen.  Da  versam- 
melte auch  Erzbischof  Adalbert  seine  Suffraganen  und  seinen  Klerus 
um  sich,  um  endlich  die  Gesetze  über  Simonie  und  Priesterehen  zur 
Durchführung  zu  bringen.  Es  gelang  ihm  auch  wohl  auf  den  Synoden 
zu  Mainz  in  den  Jahren  1124.  1125,  1127,  1128  und  1131.  3)  Mäch- 
tig wirkte  auch  hier  die  gleichzeitige  Einführung  der  mustergeben- 
den Convente  nach  den  Regeln  von  Cisterz  und  Praemonstrat  (Gi- 
teaux  und  Premontre)  in  der  Erzdiöcese.  Erzbischof  Adalbert  selbst 
errichtete  derartige  Klöster  zu  Eberbach,  Schwabenheim  und  Ringau. 
Endlich  beschloss  er  am  22.  Mai  1137  sein  vielbewegtes  Le- 
ben. 4)  Er  war  der  erste  wirkliche  Churfürst  von  Mainz;  auf  seine 
Veranstaltung  hatte  sich  zuerst  bei  der   Wahl  des  Kaisers  Lothar 


')  Darab.  VII.  685.  763. 
'-)  Damb.  VII.  869—871. 

3)  Die  speciellen  Erlässe  dieser  Synoden  (einige  Wahlstreitigkeiten  ausge- 
nommen) sind  nicht  bekannt. 

4)  Catal.  arch.  Mog.  Menken  IL  495.  etc.,  und  Hirschel  Gesch.  des  Bisthums 
Mainz  51  etc. 


223 

(1125)  aus  der    Menge   der  deutschen  Fürsten    ein  Churcollegium 
gebildet.  ') 

5.  Ihm  folgte  im  J.  1139  sein  Neffe  (oder  Bruder?)  des  Na- 
mens Ad  albert  IL  von  Saarbrück,  vordem  Propst  in  Erfurt,  er- 
wählt durch  Klerus  und  Volk  und  mit  voller  Zustimmung  des  Kö- 
nigs Conrad  III. 2)  Papst  Innocenz  IL  berief  ihn  darauf  nach  Rom 
und  beehrte  ihn  mit  dem  Titel  eines  apostolischen  Legaten  (1140). 
Er  starb  bereits  am  17.  Juli  1141.  3) 

6.  Ihm  folgte  der  bisherige  Propst  von  Aschaffenburg  Mar- 
culph,  abermals  frei  von  Klerus  und  Volk  gewählt.  Er  hatte  kaum 
voll  h.  Eifers  sein  neues  Amt  angetreten,  und  die  Herstellung  des 
Friedens  im  Pieiche  (Conrad  III.  und  die  Weifen)  sich  zur  Auf- 
gabe gemacht,  da  starb  auch  er  —  am  9.  Juni  1142.4) 

7.  Heinrich  I.  (von  Harburg),  der  bisherige  Metropolitan- 
propst  zu  Mainz,  wurde  noch  im  Jahre  1142  zum  Erzbischof  da- 
selbst gewählt  und  geweiht.  Schon  am  19.  und  20.  März  1143  ver- 
sammelte er  eine  Provinzials)mode  zu  Mainz,  wohl  die  erste  wieder 
seit  dem  Tode  Adalberts  I.  Es  galt  da  kirchliche  Streitigkeiten 
zu  schlichten,  —  gewiss  aber  auch  die  geistliche  Pieformation  ernst- 
lich fortzusetzen.5)  Im  Jahre  1146  erhob  sich  in  Mainz —  wie  auch 
in  andern  Städten  Deutschlands  —  eine  arge  Judenverfolgung :  da 
erhob  sich  der  Erzbischof  Heinrich  als  kräftiger  Vertheidiger  der 
Bedrängten.  6)  Im  Jahre  1147  stand  er,  als  Kaiser  Conrad  mit 
einem  Kreuzheere  ins  Morgenland  gezogen  war,  an  der  Spitze 
der  Vormundschaft  seines  unmündigen  Sohnes.7)  Indess  erhoben 
sich  auch  Klagen  gegen  ihn.  Mildthätig  wie  er  war,  pflegte  er  mit 
Recht  zu  sagen:  Als  Domherr  war  ich  reich,  als  Propst  arm,  als 
Bischof  bin  ich  ein  Bettler.8)  War  es  nun  wirklich  die  übertriebene 
Freigebigkeit,  welche  das  Vermögen  der  Kirche  zu  gefährden  schien, 


l)  Luden  Gesch.  des  deutschen  Volks  X.  13. 

*)  Die  Wahl  soll  doch  nicht  ganz  in  kanonischer  Weise  geschehen  sein;  ein 
diesfalls  eingeleitete  Process  wurde  aber  aufgegeben.  (Darab.  VIII.  255.) 

3)  Catal.  Arch.  Mog.  Menken.  498—499. 

4)  Damb.  VIII.  296.  302.  Catal.  Arch.  Mog.  Menken  III.  498  und  499. 

5)  Damb.  VIII.  312.  Schannat  III.  347. 

6)  Damb.  VIII.  428.  Catal.  Arch.  ap.  Menken. 

7)  Damb.  VIII.  439. 

8)  Herschel  53,  54. 


224 


oder  war  dicss  nur  der  Vorwand,  unter  welchem  man  seine  kano- 
nische Strenge  vereiteln  wollte :  das  Capitel  zu  Mainz  klagte  in 
Rom  und  erwirkte  erst  eine  Citation  des  Erzbischofs  (1149)  und 
als  Heinrich  dieser  nicht  nachkam,  seine  erzwungene  Resignation 
(Pfingsten  1153).  Er  starb  schon  am  2.  September  desselben  Jahres 
zu  Eimbeck.1) 

8.  An  seine  Stelle  ward  der  damalige  Metropolitanpropst  und 
kaiserliche  Kanzler  Arnold  (von  Seelenhofen)  auf  einer  Versamm- 
lung zu  Worms  zum  Erzbischof  ernannt.  Dieser  hatte  —  obwohl 
als  Vertheidiger  nach  Rom  gesendet  —  am  meisten  zur  Absetzung 
seines  Vorgängers  beigetragen.  Diess  und  sein  bekannter  Geiz,  so 
wie  auch  sein  barsches  Wesen  gegen  Untergebene  machten  ihn 
wohl  schon  im  Vorhinein  sehr  missliebig.  Dazu  kam ,  dass  er  sich 
als  blinder  Anhänger  Friedrichs  gegen  den  neuen  Papst  Alexander  III. 
und  somit  für  das  Schisma  erklärte.  Diess  alles  wirkte  zusam- 
men, um  den  neuen  Metropoliten  in  Mainz  aufs  Ärgste  verhasst 
zu  machen.  Sein  kaiserlicher  Gönner  hatte  eben  vollauf  in  Italien 
zu  thun.  Da  kam  es  (1159)  in  Mainz  zum  offenen  Aufrühre  wider 
ihn.  Der  Erzbischof  nmsste  flüchten.  Der  Dom  ward  vom  stürmen- 
den Pöbel  der  grössten  Kostbarkeiten  und  Kunstwerke  beraubt. 
Auf  kaiserlichen  Befehl  mussten  zwar  die  Mainzer  dafür  schwere 
Busse  thun.  Als  aber  der  Erzbischof  selbst  zurückkehren  wollte, 
erhob  sich  der  Aufstand  von  Neuem  (1160).  Pöbelmassen  zogen 
dem  Verhassten  entgegen,  belagerten  ihn  in  seinem  eilig  erwählten 
Zufluchtsorte,  dem  Kloster  S.  Jakob  in  der  Nähe  der  Stadt,  setzten 
das  Haus  in  Flammen  und  ermordeten  den  unglücklichen  Oberhir- 
ten (24.  Juni  1160).') 

9.  Als  die  Besinnung  zurückkehrte  und  mit  ihr  die  Furcht, 
wurde  von  den  Aufrührern  eine  —  wie  sie  hofften  —  den  Kaiser  be- 
sänftigende Wahl  vorgenommen.  Man  erwählte  den  kaiserlichen  Vetter 
Rudolph  von  Zähringen.  Indess  versammelte  sich  zu  Er- 
furt auf  Befehl  des  in  Italien  abwesenden  Kaisers  ein  Fürsten- 
tag (25.  Juli  1160),  der  die  Bischofsmörder  in  Acht  und  Bann  er- 
klärte und  die  Wahl  Rudolphs  verwarf.  Dann  erwählten  die  mainzi- 


l)  Damb.  VIII.  483.  539.  Herschel  54. 
*)  Vgl.  Herschel.  S,  54—57.  Damb.  VIII.  706-707. 


225 

sehen  Suffragane  *)  auf  einer  Versammlung  zu  Frankfurt  (1.  Nov. 
1160)  den  kaiserlichen  Vicekanzler  und  Merseburger  Propst  Chri- 
stian von  Buch  zum  Metropoliten.2)  Friedrich  bestätigte  aber 
weder  Rudolph  noch  Ch  ristian,  sondern  verlangte  die  Einsetzung 
Conrads  von  Wi ttelsbach,  der  bisher  Canonicus  in  Salzburg 
gewesen  war.  Schon  hatte  man  sich  allseitig  (im  J.  1162)  zur  An- 
erkennung des  vom  Kaiser  gewünschten  Erzbischofs  geeinigt.  Nichts 
destoweniger  zog  im  J.  1163  der  noch  immer  zürnende  Kaiser  zur 
Bestrafung  der  Stadt  heran.  Die  Schuldigsten  flohen,  ein  einziger 
Rädelsführer  erlitt  die  Todesstrafe;  die  Stadt  Mainz  aber  musste 
ihre  Mauern  niederbrechen  und  verlor  auf  37  Jahre  alle  ihre 
Freiheiten. 3) 

Erzbischof  Conrad,  obwohl  durch  kaiserlichen  Einfluss  auf  den 
erzbischöflichen  Stuhl  erhoben,  weigerte  sich  entschieden,  ein  An- 
hänger des  traurigen  Schismas  zu  werden,  welches  Friedrich  ins 
Leben  gerufen  hatte.  Zwar  musste  er,  ohne  noch  geweiht  zu  sein, 
dem  kaiserlichen  Herrn  nach  Italien  folgen.  Hier  aber  mied  er 
jeden  Verkehr  mit  dem  Gegenpapste  und  als  in  Folge  dessen  die 
Spannung  mit  dem  Kaiser  und  seinen  Rathgebern  immer  stärker 
wurde,  floh  er  aus  dem  kaiserlichen  Hoflager  (Dec.  1163).  Nach 
kurzem  unsicherem  Aufenthalte  in  Deutschland  ging  er  (Jan.  1165) 
nach  Frankreich  zu  dem  dahin  geflüchteten  Papst  Alexander  III. 
Dieser  ertheilte  ihm  die  bischöfliche  Weihe  (18.  Dec.  1165)  und 
ernannte  ihn  zu  seinem  Legaten  und  zum  Cardinalbischof  zu  Sa- 
binum.  Als  solcher  versuchte  Conrad  noch  im  selben  Jahre  ver- 
gebens eine  Aussöhnung  des  Papstes  mit  dem  Kaiser.  Nun  wirkte 
er  bis  zum  Frieden  von  Venedig  als  Legat  Alexanders  zu  Genua, 
Lombardien  und  Friaul.  Als  endlich  die  beiden  Häupter  der  Chri- 
stenheit sich  versöhnten  (Venedig  1177),  wurde  ihm  als  Entschä- 
digung für  das  bereits  anderweitig  besetzte  Erzbisthum  Mainz  der 
erzbischöfliche  Stuhl  in  Salzburg  zu  Theil.4) 


l)  Das  Mainzer  Erzbisthum  umfasste  damals  14  Suffraganbisthümer:  Worms, 
Würzburg,  Eichstadt,  Speier,  Augsburg,  Strassburg,  Konstanz,  Chur,  Pa- 
derborn, Halberstadt,  Hildesheim,  Verden,  Prag,  Olmütz. 

3)  Damb.  VIII.  707  etc. 

3)  Hirschel  57  etc  .  Damb.  VIII.  753. 

4)  Damb.  VIII.  753.  765.  789.  848.  989. 

15 


226 

10.  Nach  der  Flucht  Conrads  hatte  der  erzürnte  Kaiser  so- 
fort seinen  Yicekanzler,  den  Merseburger  Propst  Christian  von 
Buch,  der  von  den  Mainzer  Suffraganen  bereits  am  1.  Nov.  1160 
erwählt  worden  war,  zum  Metropoliten  von  Mainz  ernannt.  Dieser 
blieb  ein  treuer  Anhänger  Friedrichs  und  des  schismatischen  Pap- 
stes und  konnte  sich  auch  den  bevorzugtesten  Günstling  seines  kai- 
serlichen Herrn  nennen.  Als  solcher  nahm  er  Antheil  an  dessen  Ge- 
waltstreichen gegen  den  deutschen  Episkopat,  sowie  auch  an  den 
Kriegszügen  in  Italien.  Endlich  söhnte  auch  ihn  der  Friede  von  Vene- 
dig mit  der  Kirche  aus.  Seinen  Bischofsitz  aber  sah  er  nicht  wieder. 
Er  starb  in  Italien,  wo  ihn  sein  Amt  als  kaiserlicher  Statthalter  zu- 
rückhielt, zu  Tusculum  am  28.  August  11821),  gerühmt  als  Kenner 
der  alten  und  neuen  Sprachen  sowie  als  trefflicher  Schriftsteller.  *) 

11.  Nach  dem  Tode  Christians  bewarb  sich  Conrad  von 
Witteisbach  um  die  Bückkehr  auf  den  Mainzer  Stuhl.  Kaiser 
Friedrich  war  um  so  weniger  entgegen,  als  so  auch  der  von  Salz- 
burg verdrängte  Erzbischof  Adalbert  (Sohn  des  Königs  von  Böh- 
men) seinen  Metropolitansitz  wieder  erlangen  konnte.  Bald  hatte 
nun  Conrad  das  volle  Vertrauen  des  Kaisers  wieder  erworben,  sowie 
er  auch  bis  zu  seinem  Tode  ein  gesuchter  Rathgeber  des  päpst- 
lichen Stuhles  blieb.  Der  Kaiser  überliess  ihm  von  da  nicht  selten 
die  wichtigsten  Angelegenheiten  des  Reiches.  Dabei  vergass  er  auch 
keineswegs  eine  sorgsame  Regierung  des  eigenen  Erzbisthums,  in 
welchem  es  ihm  oblag,  die  Anordnungen  des  unter  seiner  Theilnahnie 
abgehaltenen  dritten  ökumenischen  Lateranconcils  (1179)  zur  Durch- 
führung zu  bringen.3)  Als  Kaiser  Friedrich  im  Jahre  H89  sich  mit 
jugendlicher  Begeisterung  an  die  Spitze  der  deutschen  Kreuz- 
fahrer stellte,  vertraute  er  dem  Erzbischofe  Conrad  die  Mit-Regie- 
rung  des  deutschen  Reiches  an.  Im  Jahre  1196  hielt  er  noch  eine 
Synode  zu  Mainz; 4)  dann  (1197)  zog  auch  er  als  Kreuzfahrer  nach 


')  Damb.  IX.  85.  VIII.  765  etc. 

2)  Catal.  Archpp.  Mog.  Er  schrieb  das  Leben  Friedrichs  L,  überdiess  Reden 
und  Briefe. 

3)  Die  Beschlüsse  des  Concils  handelten  über  die  Papstwahl,  über  die  Ket- 
zerei der  Albigenser,  über  die  Erfordernisse  zur  Würde  eines  Bischofs  u. 
der  übrigen  geistlichen  Grade,  über  das  priesterliche  Leben,  über  Dom- 
schulen u.  a.  m. 

4)  Schannat  III.  463. 


227 

Jerusalem  und  brachte  3  Jahre  im  Morg  enlande  zu.  Im  J.  1199 
kehrte  er  auf  die  Bitte  des  Papstes  Innocenz  III.  als  das  „nächst 
dem  Papste  ausgezeichneteste  Glied  der  Kirche"  ins  Vaterland  zu- 
rück, um  den  mittlerweile  entbrannten  Streit  Philipps  von  Schwaben 
und  Otto's  von  Braunschweig  zu  schlichten.  Diess  gelang  ihm  aller- 
dings nicht;  dafür  aber  versöhnte  er  die  damals  in  feindseligen 
Streit  gerathenen  königlichen  Prinzen  in  Ungarn.  Er  starb  auf  der 

Rückreise  von  diesem  Friedenswerke  in  der  Nähe  von  Passau  am 

18.  Okt.  llOO.1) 

§.58.  Die  Kreuzzüge  bis  zum  Ende  des  XII.  Jahrhunderts. 

Wir  setzen  die  allgemeine  Geschichte  der  Kreuzzüge  als  be- 
kannt voraus.  Nur  die  Art  und  Weise,  wie  unser  Vaterland  an 
denselben  Antheil  nahm,  und  wie  das  kirchliche  Leben  unserer 
Ahnen  dadurch  gefördert  wurde,  wollen  wir  an  dieser  Stelle  etwas 
näher  betrachten. 

1.  Als  die  Stimme  Peters  von  Amiens  die  abendländische 
Christenheit  zum  heiligen  Kampfe  für  die  Befreiuung  des  heiligen 
Grabes  aufrief,  fand  sie  wenig  und  keinen  Wiederhall  im  Herzen 
des  kirchenfeindlichen  Kaisers  Heinrich  IV.  und  seiner  Freunde. 
Zu  letzteren  zählte  damals  auch  unser  Herzog  Bfetislaw  und  lange 
Zeit  hindurch  der  noch  ungeweihte  Bischof  Cosmas.3)  Ueberdiess 
nahm  eben  in  den  Jahren  1095  und  1096  ein  Krieg  mit  Polen  die 
besten  Kräfte  unseres  Vaterlandes,  in  Anspruch.3)  So  kam  es  wohl 
dass  der  damalige  erste  Kreuzzug  für  Böhmen  lediglich  eine  pas- 
sive Bedeutung  gewann,  —  durch  jene  bedauernswürdigen  Uiber- 
griffe,  welche  sich  einige  durch  Prag  ziehende  Haufen  von  Kreuz- 
fahrern gegen  die  dortige  Judenschaft  erlaubten.4) 

2.  Der  erste  grosse  Kreuzzug  hatte  aber  die  Völker  und 
Fürsten  Europas,  die  einen  unmittelbar,  die  andern  mittelbar  aus 
dem  Zustande  eines  frevelvollen  unabsehlichen  Gewirres  zur  Ein- 
heit einer  grossen  Idee  und  so  zu  einem  neuen  sittlich  religiösen 
Leben  erhoben;  um  so  willigeres   Gehör  fand  desshalb  im  J.  1146 


*)  Catal.  Archpp.  Mog.  u.  Damb.  IX.  Krit.  99. 
?)  Vgl.  §.  48  etc. 

3)  Vgl.  Palacky  I.  342. 

4)  Erzählt  in  §.  48. 

15* 


228 

der  neue  Hilferuf  Eugens  III.  und  seines  gottbegeisterten  Sendbo- 
ten, des  heiligen  Abtes  Bernhard.  Die  wunderbare  Beredsamkeit  des 
letzteren  riss  besonders  in  Frankreich  und  Deutschland  Hundert- 
tausende hin  zur  Annahme  des  Kreuzes;  an  ihrer  Spitze  die  Kö- 
nige Ludwig  VII.  und  Conrad  III.  selbst.  Auch  in  Böhmen  ward 
ein  brieflicher  Aufruf  des  grossen  Abtes  vor  dem  Herzoge  Wladi- 
slaw  IL  und  dem  Volke  in  der  Kirche  verlesen.  Was  etwa  dem 
geschriebenen  Worte  an  Eindringlichkeit  gebrach,  das  ersetzte  die 
feurige  Rede  des  olmützer  Bischofs  Heinrich  Zdik.  Ein  Uibriges 
thaten  noch  der  zu  gewinnende  vollkommene  Ablass,  den  Eugen 
wie  einst  Urban  IL  den  Kreuzfahrern  verheissen  hatte,  das  Ver- 
sprechen kirchlichen  Schutzes  für  alles  Eigenthum  und  die  Sehn- 
sucht vieler  Hörigen,  den  Druck  in  der  Heimat  mit  der  Freiheit 
in  der  Ferne  zu  vertauschen.  Grosse  Heerhaufen  sammelten  sich 
aus  allen  Gauen  des  Vaterlandes,  an  ihrer  Spitze  die  ausgezeich- 
netsten Männer  des  Adels.  Wladislaw  selbst  nahm  ebenfalls  das 
Kreuz,  ebenso  sein  Bruder  Heinrich  und  der  Prinz  Spytihnew.  Diese 
alle  schlössen  sich  Anfangs  Juni  1147  dem  Könige  Conrad  in 
Oesterreich  an  und  theilten  fortan  alle  Schicksale  des  deutschen 
Heeres,  das  bekanntlich  zum  grösseren  Theile  in  den  Gebirgen 
Kleinasiens  durch  widrige  Elemente,  Hunger,  Verrath  und  feindli- 
ches Schwert  den  Tod  fand.  Von  den  Böhmen  fiel  insbesondere  der 
edle  und  tapfere  Marschall  Jurik  mit  sehr  vielen  adeligen  Genos- 
sen im  erfolglosen  Kampfe.  Der  herzogliche  Kanzler  Bartholomäus 
gerieth  mit  ebenso  vielen  andern  in  die  Gefangenschaft  der  Un- 
gläubigen. Der  Herzog  selbst  überliess  darauf  die  weitere  Führung 
seiner  Krieger  dem  Könige  von  Frankreich  und  kehrte  über  Con- 
stantinopel  nach  Böhmen  zurück.1)  Indess  endete  der  so  glorreich 
begonnene  Kreuzzug  mit  der  fruchtlosen  Belagerung  von  Damascus 
(Juli  1148).  Am  8.  September  1148  schifften  sich  die  noch  übrigen 
in  ihren  Hoffnungen  bitter  getäuschten  Fürsten  und  Kreuzfahrer  zu 
Accon  nach  Europa  ein.  9) 

3.  Dieser  Ausgang  kühlte,  wie  in  Europa  überhaupt,  so  auch  in 
Böhmen,  die  Theilnahme  für  das  heilige  Land  bedeutend  ab.  Zu- 
erst blieb  jetzt  der  Vertheidigungskampf  den  dortigen  Fürsten  selbst 


»)  Palacky  I.  427,  428.  Vincentius  ed.  Dobn.  I.  37—40. 
2)  Damberger  VIII.  467  u.  468. 


229 

und  den  mittlerweile  gestifteten  geistlichen  Ritterorden  über- 
lassen. Was  aber  der  Gesammtheit  an  Begeisterung  fehlte,  das  bemühte 
sich  die  Opferwilligkeit  Einzelner  zu  ersetzen.  Allerwärts  wurden 
in  dieser  Zeit  Ordenshäuser  jener  geistlichen  Ritter  theils  gegrün- 
det theils  reicher  dotirt  als  ebensoviele  Werb-  und  Bildungsstätten 
für  die  stete  Fortsetzung  des  heiligen  Kampfes.  Endlich,  als  am 
30.  Oktober  1187  Jerusalem  in  die  Hände  des  ägyptischen  Sultans 
Saladin  fiel,  erwachte  auf  den  Hilferuf  des  Papstes  Gregor  VIII. 
der  heilige  Eifer  und  die  Kampflust  des  Abendlandes  von  Neuem. 
Kaiser  Friedrich  I.  selbst  und  mit  ihm  viele  Fürsten  des  Reiches 
nahmen  schon  im  Februar  1188  zu  Mainz  das  Kreuz,  —  mit  ihnen 
auch  unser  Herzog  Friedrich,  ein  vorzüglicher  Verehrer  des  Gra- 
bes Christi,  der  bisher  nur  ungern  seine  Theilnahme  für  das  heil. 
Land  auf  die  freigebigste  Unterstützung  der  geistlichen  Ritter  be- 
schränkt hatte.  Der  edle  Herzog  erlebte  aber  die  Kreuzfahrt  selbst 
nicht  mehr;  er  starb  am  15.  März  1189.  Dafür  rüstete  sein  Nach- 
folger Conrad  Otto  einen  Heerhaufen  tapferer  Böhmen  zum  heil. 
Kampfe  aus  und  gab  diesem  den  tapfern  Prinzen  Diepold  IL  zum 
Führer.  Mit  den  Schaaren  des  Kaisers  Friedrich  zogen  nun  auch 
unsere  Landsleute  über  Adrianopel  und  Gallipoli  nach  Kleinasien 
und  kämpften  dort  siegreich  in  den  Gebirgen  von  Iconium.  Da 
starb  am  10.  Juni  1190  am  Kalikadnus  Kaiser  Friedrich,  der  ge- 
meinsame Führer  Aller.  Das  trauernde  Pilgerheer,  und  in  diesem 
auch  unsere  Böhmen,  gelobte  sofort  dessen  Sohne  Friedrich  von  Schwa- 
ben treuen  Gehorsam,  Unter  neuen  Siegen  rückte  man  weiter  bis 
nach  Syrien  und  endlich  bis  unter  die  Mauern  von  Accon  vor.  Un- 
sere Landsleute  erwarben  dabei  den  Ruhm  eines  seltenen  kriegeri- 
schen Muthes,  der  Verachtung  aller  Gefahren  und  seltener  Geübt- 
heit im  Kampfe;  leider  zogen  sie  sich  auch  den  Vorwurf  besonde- 
rer Raubsucht  zu.  Diepold  selbst  fiel  im  tapfern  Kampfe,  und  mit 
ihm  so  Mancher  aus  der  böhmischen  Schaar,  die  überall  zu  finden 
war,  wo  es  eben  galt,  die  verwegensten  Streiche  auszuführen.  Die 
Wenigsten  sahen  ihr  Vaterland  wieder. ') 

4.  Noch  einmal  regte  sich  der  Eifer  fürs  heil.  Land,  als  im 
Jahre  1195  der  Papst  Cölestin  III.  widerholt  die  Völker  der  Chri- 


')  Palacky  I.  482  u.  483,  Chronogr.  Siloensis  cd.  Dobn.  I.   121,  Damberger 
IX.  185  etc. 


230 

stenlieit  zur  Befreiung  des  h.  Grabes  aufrief.  Kaiser  Heinrich  VI. 
und  mit  ihm  unser  Herzog-Bischof  Heinrich  Bfetislaw  rüsteten 
sich  zur  neuen  Kreuzfahrt.  Da  vereitelte  ein  Aufstand  in  Neapel 
das  vorgenommene  Werk.  Noch  einmal  (1J97)  erging  des  heil. 
Vaters  Ruf:  in  Böhmen  verkündete  selben  der  Cardinallegat  Peter, 
der  8  Wochen  lang  in  Prag  verweilte  —  zugleich  um  hier  die  Re- 
formation der  Geistlichkeit  zu  bewirken.  Wohl  starb  jetzt  der  Bi- 
schof und  Herzog  Heinrich  (15.  Juni  1197);  dennoch  brachen  die 
Edlen,  die  auf  des  Legaten  Ruf  das  Kr  euz  genommen  hatten,  nach 
Italien  auf,  um  sich  dort  dem  Kreuzheere  Heinrichs  VI.  anzuschlies- 
sen.  Unter  ihnen  war  der  Burggraf  von  Prag,  der  edle  Graf  Hroz- 
nata,  den  wir  später  als  Stifter  von  Tepl  und  Choteschau  nennen 
werden.  Da  starb  nun  auch  Heinrich  VI.  (28.  September  1197.) 
W  ohl  zogen  nichts  desto  weniger  vereinzelte  Schaaren  ins  heil 
Land:  ob  auch  unsere  Böhmen  daran  Antheil  nahmen,  ist  unbe- 
kannt. Wenigstens  kehrte  der  edle  Hroznata  sofort  über  Rom  nach- 
Böhmen  zurück. 

§.59.  Fortsetzung.  Ritterliche  und  asketische  Orden. 

Soweit  ging  die  Betheiligung  unseres  Vaterlandes  an  dem 
grössten  und  herrlichsten  Kampfe  des  zwölften  Jahrhunderts.  Auch 
die  Folgen  dieses  Kampfes  kamen  ihm  zu  Statten.  Der  zugleich 
in  Folge  der  klerikalen  Reformation  erwachte  religiöse  Geist  trug 
herrliche  Früchte. 

1.  Der  heilige  Glaube,  für  den  man  Gut  und  Blut  gewagt,  konnte 
so  leicht  nicht  wieder  gleichgültig  werden.  Er  drängte  unwider- 
stehlich zu  frommen  Werken.  Man  pilgert  in  frommer  Demuth  zu 
nahen  und  fernen  heiligen  Stätten,  man  hilft  aJlerwärts  prächtige 
Gotteshäuser  und  Hospitäler  erbauen,  man  stiftet  neue  Klöster  und 
neue  Orden,  man  ahmt  selbst  im  täglichen  Verkehre  durch  die  im 
Geiste  der  Frömmigkeit  gegründeten  Bruderschaften  das  klösterliche 
Leben  nach.  Darneben  ist  durch  die  ausgedehntere  Bekanntschaft 
der  Völker  die  Wissenschaft  allerwärts  zur  Geltung  gekommen  und 
die  Kunst  in  allen  Gauen  Europas  heimisch  geworden.  In  vollster 
Lebens-  und  Kraftentfaltung  treten  sofort  die  Völker  des  Abendlan- 
des und  auch  unser  Böhmenvolk  in  das  neue  Jahrhundert  hinüber. 

2.  Die  schönste  und  für  uns  interessanteste  Frucht  des  Jahr- 


231 

himderts  der  ersten  Kreuzzüge  war  die  Vereinigung  des  regulirten 
Lebens  der  Klöster  mit  dem  Ritterstande  —  das  Institut  der 
geistlichen  Ritterorden.  Da  mit  dem  Lehenwesen  in  der 
Regel  ein  ungeteilter  Besitz  zunächst  für  den  Erstgebornen  ver- 
bunden war:  so  hatten  zeither  die  Jüngern  Söhne  aus  edlen  Ge- 
schlechtern ihr  Unterkommen  innerhalb  der  klöstertichen  Mauern 
und  in  den  Domcapiteln  des  Landes  suchen  müssen,  welche  —  zumal 
die  letzteren  —  eben  dadurch  sehr  viel  von  ihrer  ursprünglichen 
Strenge  verloren.  Jetzt  winkte  dagegen  im  fernen  heiligen  Lande 
die  schönste  ritterliche  Ehre,  und  die  Häupter  der  Christenheit  rie- 
fen alle  Stände  auf,  solche  zu  gewinnen.  Da  nahm  auch  so  man- 
cher hochgeborne  Kleriker  mit  Freuden  das  lang  entwöhnte  Schwert 
wieder  zur  Hand,  während  ihm  anderseits  grade  sein  geistlicher 
Stand  auch  in  der  Ferne  den  nöthigen  Unterhalt  bieten  konnte. 
So  gab  es  geistliche  Ritter,  ehe  es  geistliche  Orden  gab. 

Der  erste  wirkliche  Ritterorden  war  der  der  Johanniter.  Im 
Jahre  1099  war  nämlich  in  Jerusalem  die  Congregation  der  Hospital- 
brüder zur  Pflege  der  Pilger  ins  Leben  getreten.  Ihr  Gründer  war 
der  fromme  Gerhard  gewesen,  und  so  mancher  ritterliche  Held  war 
sein  Genosse  geworden.  Güter  im  neuen  Reiche  Jerusalem  sowie  auch 
in  Europa  sorgten  zur  Genüge  für  die  Bedürfnisse  der  geistlichen 
Brüder  und  ihrer  Genossen. ')  Schwere  Bedrängnisse  des  neuen  Reichs 
hatten  wohl  schon  wiederholt  den  ritterlichen  Pilgerpflegern  das 
abgelegte  Schwert  wieder  aufgenöthigt :  endlich,  da  voraussichtlich 
die  heiligen  Stätten  nur  in  stetem  Kampfe  zu  behaupten  waren, 
fügte  der  zweite  Vorsteher  des  Hauses  Raymund  de  P  u y  zu  den 
bisherigen  noch  das  neue  förmliche  Gelübde  hinzu :  gegen  die 
Ungläubigen  zu  kämpfen.  Die  sofortige  Gliederung  der  Ge- 
nossen in  Ritter,  Priester  und  dienende  Brüder  unter  einem  Gross- 
meister und  einzelnen  Hauscommandeuren  (Comthuren)  bestätigte 
Papst  Innocenz  IL  So  war  der  erste  Ritterorden  ausgebildet :  sein 
Zeichen  blieb  das  weisse  Kreuz  auf  schwarzem  Kleide  und  das 
rothe  Kreuz  in  ihrer  Fahne. 

3.  Fast  gleichzeitig,  als  die  Johanniter  als  kämpfende  geist- 


l)  Schon  am  15.  Febr.  1113  bestätigte  Papst  Paschalis  „dem  ehrwürdigen 
Sohne  Geraudus ,  Gründer  und  Vorstand  des  Spittels  S.  Johann  Bapt.  zu 
Jerusalem"  alle  Güter  seiner  Stiftung,  wie  auch  die  Güter  der  Filialspittel 
zu  St.  Gilles,  Pisa,  Bari,  Ydrontum,  Tarent,  Messina.  (Damberger  VII.  731.) 


232 

liehe  Ritter  sich  erhoben,  legten  9  französische  Ritter  unter  Hugo 
von  Payens  zu  gleichem  Zwecke  das  ritterliche  Gelübde  ab.  Papst 
Honorius  IL  gab  ihnen  auf  Verwendung  des  heil,  Bernhard  im  Jahre 
1127  die  Bestimmung,  die  Pilger  auf  dem  Wege  nach  Jerusalem 
vor  Räubern  zu  schützen.  Die  Noth  des  jerosolimitanischen  Reichs 
führte  endlich  auch  sie  in  den  Kampf  gegen  die  Sarazenen.  Ihre  Verfas- 
sung war  der  der  Johanniter  bis  in's  Einzelne  nachgebildet,  ihr  Ordens- 
zeichen das  rothe  Kreuz  auf  weissem  Kleide,  ihr  Name  Tempelher- 
ren, entnommen  von  ihrer  ersten  Niederlassung  in  einem  Palaste  Bal- 
duinsll.  in  unmittelbarer  Nähe  des  ehemaligen  salomonischen  Tempels. 

4.  Deutsche  Pilger  hatten  schon  im  Jahre  1128  ein  deut- 
sches Hospital  mit  deutschen  Hospitalbrüdern,  jedoch  unter  der 
Aufsicht  des  Grossmeisters  der  Johanniter  gegründet.  Daraus  und 
aus  dem  Zutritte  zahlreicher  deutscher  Ritter,  und  durch  die  grosse 
Hospitalstiftung  reicher  lübecker  und  bremer  Bürger  vor  Accon  er- 
stand im  Jahre  1190  der  ritterliche  Orden  der  Deutschherren 
mit  dem  ersten  selbstständigen  Grossmeister  Walpot  von  Bässen. 
Die  Regel  und  Verfassung  war  den  früheren  gleich;  als  Ordenszei- 
chen galt  ein  schwarzes  Kreuz  auf  weisem  Mantel.  Die  feierliche  Bestä- 
tigung erfolgte  nachmals  durch  Papst  Clemens  II.  Wir  übergehen  hier 
die  vielen  nachgebildeten  Ritterorden  in  Spanien,  Portugal  und  andern 
Ländern,  da  sie  für  unsere  Heimat  keine  Bedeutung  haben.  ') 

5.  Durch  die  Ausscheidung  der  ritterlichen  Elemente  aus  den 
Reihen  des  Klerus  wurde  die  bereits  angedeutete  Reformation  der 
übrigen  Geistlichkeit  in  hohem  Grade  begünstigt.  Wie  nun  der 
Säcularklerus  zu  kirchlichem  Bewusstsein  erwachte,  wissen  wir  be- 
reits. Indessen  nahm  auch  der  heilige  Norbert,  Canonicus  von 
Xanthen  die  Reform  der  Dom-  und  Collegiatcapitel  in  Angriff.  In 
Premontre  (Praemonstratum)  versammelte  er  diejenigen  Canonicer, 
die  mit  ihm  nach  der  erneuten  strengen  Regel  zu  leben  gedachten. 
Seine  nachmalige  Erhebung  auf  den  erzbischöflichen  Stuhl  von  Mag- 
deburg und  alsbald  auch  die  nähere  Bekanntschaft  mit  seinen  re- 
formirten  Capitularen  gaben  seinem  Werke  die  weiteste  Verbreitung. 
So  war  der  Orden  der  regulirten  Chorherren,  auch  Prämon- 
stratenser und Norbertiner  genannt,  in's  Leben  getreten.  (1120.) 

Zur  selben  Zeit  hatte  auch,    wie  bereits  erzählt  wurde,  der 

•JVon  einer  einheimischen  Nachbildung  dieser  Orden  —  den  Kreuzherren  mit 
rothem  Sterne  —  wird  später  die  Rede  sein. 


233 

heil.  Bernard  das  Mönchsleben  neu  geregelt  und  so  den  strengen 
Orden  der  Cisterzienser  in's  Dasein  gerufen.  (1113  u.  ff.) — 
Vordem  hatte  der  heil.  Bruno,  Canonicus  von  Rh  eims,  in  der  Ein- 
öde Chartreuse  (Carthusium)  den  Mönchsverein  der  Karthäuser 
gegründet,  der  bei  dem  strengsten  Leben  das  stete  Stillschweigen 
übte  (1101).  —  Um  1156  bildete  sich  zunächst  am  Berge  Karmel 
unter  B e r t h o  1  d  aus  Calabrien  der  Mön chsverein  der  Karmeliter. 
Noch  andere  strenge  Vereine  folgten  der  Anregung  jener  Zeit; 
doch  die  übrigen  vor  dem  Jahre  1200  gestifteten  sind  nie  bis  in 
unser  Vaterland  gedrungen.  Hier  aber  zeigte  sich  am  Ende  dieser 
Zeit  ein  ganz  eigen thümli eher  Orden,  den  man  sonst  nur  noch  in 
Polen  traf,  unbekannt  in  seiner  Gründung,  aber  wichtig  genug  in 
seiner  Verbreitung,  der  Orden  der  Wächter  des  heil.  Grabes 
(1190).  Nach  dem  Muster  der  männlichen  Vereine  bildeten  sich 
sofort  auch  weibliche  Genossenschaften ,  welche  durch  Beobachtung 
derselben  Regel  und  unter  der  geistlichen  Leitung  der  refor- 
mirten  Ordensbrüder  der  Gnaden  jener  neuen  Stiftungen  theilhaftig 
werden  wollten. 

§.  60.  Anfänge  der  nordischen  Kreuzzüge. 

1.  Für  unser  Vaterland  sollte  der  Eifer  der  Kreuzfahrer  alsbald 
noch  eine  andere,  als  die  Richtung  nach  dem  Oriente  gewinnen, 
und  hier  die  Zeit  der  orientalischen  Kreuzkriege  noch  lange  über- 
dauern. Zu  gleicher  Zeit,  als  der  Hilferuf  Peters  von  Amiens  und 
des  Papstes  Urban  IL  die  Aufmerksamkeit  der  Christenheit  nach 
Palästina  lenkte,  machte  sich  auch  die  Idee  geltend,  dass  es  nicht 
minder  verdienstlich  sei,  die  christliche  Religion  gegen  feindselige 
Heidenstämme  in  Europa  zu  verth  eidigen.  Die  Päpste  säumten  auch 
nicht,  alle  geistlichen  und  weltlichen  Vortheile  der  orientalischen 
Kreuzzüge  auf  diese  anderweitigen  Kämpfe  zum  Schutze  der  Kirche 
auszudehnen.  So  nahmen  die  Kreuzfahrten  gegen  die  heidnischen 
Nordslawen  ihren  Anfang,  ebenso  wie  die  eigentlichen  Kreuz- 
züge theils  ein  stetes  Ziehen  Einzelner,  theils  eine  wiederholte 
Vereinigung  bedeutender  Streitkräfte  zum  Kampfe  gegen  die  chri- 
stenfeindlichen Nachbarn. 

2.  Im  9.  und  10.  Jahrhunderte  hatte  es  schon  von  Meissen 
und  Sachsen  her  an  Kämpfen  mit  den  Slawen  nicht  gefehlt.    Aber 


234 

damals  hatte  man  nur  einzelne  Stämme  zu  bekriegen,  die  theils 
an  sich  den  christlichen  Nachbarn  nicht  hold  waren,  theils  aber 
auch  gegen  manche  Ungebühr  der  Letzteren  mit  den  Waffen  sich 
erhoben.  Jetzt  aber  drohte  die  grösste  Gefahr,  als  im  J.  1034  alle 
transalbinischen  Slawen  unter  dem  Obotriten  Gottschalk  zu 
einem  grossen  Wendenreiche  sich  vereinten.  ')  Dieser  kühne 
Jüngling,  bereits  Christ,  war  seinen  Erziehern  in  Lüneburg  entflo- 
hen, war  wieder  Heide  geworden,  und  hatte  alle  seine  Landsleute 
zur  Blutrache  an  den  Sachsen  wegen  Ermordung  seines  Vaters  auf- 
gerufen. Ein  grausamer  Krieg  entbrannte,  zugleich  Vertilgungskampf 
gegen  die  christlichen  Einrichtungen  im  eigenen  und  im  nächsten 
Nachbarlande.  Nur  wenig  nützte  die  Gefangennehmung  des  Führers 
durch  Kaiser  Conrad  im  J.  1036;  denn  nun  stritten  eine  Menge 
Häuptlinge  auf  eigene  Hand.  Mehr  half  Gottschalk's  Kückkehr  zum 
Christenglauben  und  seine  darauf  folgende  Heimkehr.  Nun  begün- 
stigte er  selbst  die  Aufnahme  des  Christenthums  unter  den  Slawen, 
und  gab  so  auch  den  Nachbarn  den   Frieden  zurück. 2) 

3.  Gottschalk  wurde  1066  in  einem  Aufstande  der  unzufrie- 
denen Heiden  ermordet.  Zwar  hielt  der  nun  folgende  Kampf  um 
den  Wendenthron  die  Parteihäupter  im  eigenen  Lande  fest;  aber 
der  Kampf  galt  hier  nicht  weniger  dem  noch  schwach  eingewur- 
zelten Christenglauben.  Eine  kurze  Zeit  schien  zwar  dieser  mit 
Buko,  dem  Sohne  des  gemordeten  Gottschalk,  wieder  zu  siegen. 
Da  erhob  sich  von  Rügen  her  ein  neuer  Heidenhäuptling  Kruko, 
tapferer  und  glücklicher  als  irgend  einer  vor  ihm.  Bis  zum  J.  1075 
erkämpfte  sich  dieser  alle  Herrschaft  von  der  Oder  bis  zur  Elbe. 
Die  Leichen  der  erschlagenen  Christen  und  die  Trümmer  der  zer- 
störten Gotteshäuser  und  Altäre  bezeichneten  die  Bahn  seiner  Siege. 
Auch  nach  dem  benachbarten  Sachsen  erstreckte  sich  endlich  der 
Vernichtungskrieg.  Herzog  Adolf  und  sein  Sohn  Magnus  kämpften 
vergeblich  gegen  den  übermächtigen  Feind. 3)  Kaiser  Heinrich  ver- 
geudete des  Reiches  Kraft  im  Bürgerkriege.  So  wuchs  Krukos  Kühn- 


»)  Damberger  VI.  111.  W.  Menzel  Gesch.  der  Deutschen  226. 

a)  Damberger  VI.  444,  639. 

3)  W.  Menzel  Gesch.   der  Deutschen  238.  Damberger  VI.  741,  970. 


235 

heit  von  Tag  zu  Tage,  und  immer  lauter  wurden  die  Klagen  der 
Christen  in  Sachsen  sowohl,  als  in  den  angränzenden  dänischen 
Landern.  Endlich  kam  es  umsJ.  1095  unter  dem  tapfern  und  from- 
men Könige  Erich  zu  einem  Waffenbunde  tapferer  Christen. 
Wie  die  Gläubigen  beim  Concile  zu  Clermont,  so  nahmen  auch 
diese  das  Kreuz  gegen  den  gewaltigen  Feind  des  Kreuzes.1)  Der 
Erfolg  war  Krukos  Unterwerfung  unter  die  dänische  Hoheit  und 
sein  Versprechen,  das  Christenthum  fortan  zu  dulden  und  sogar 
selbst  zu  befördern.  Als  aber  König  Erich  im  J.  1104  mit  Tode 
abging,  fiel  Kruko  vom  Dänenreiche  und  vom  Christenglauben  wie- 
der ab.  Von  Neuem  begann  die  Verfolgung  des  Kreuzes.  Aber 
schon  sammelten  sich  neue  Kreuzfahrer  um  Bukos  jüngsten  Bruder 
Heinrich.  Kruko  ward  endlich  gänzlich  überwunden  und  fiel  im 
Kampfe  (1105).  Der  christliche  Heinrich  ward  König  der  Wrenden.3) 

4.  Der  neue  Wendenfürst  vergass  aber  sehr  bald,  wem  er 
seine  Herrschaft  verdankte.  Nicht  lange,  so  hielt  er  es  selbst  mit 
den  Heiden  im  Lande,  vielleicht  weil  sonst  seine  Herrschaft  stets 
gefährdet  blieb.  Er  duldete  die  ärgsten  Gräuel  an  den  Christen.' 
Im  J.  1110  fiel  er  gar  selbst  an  der  Spitze  der  heidnischen  Slawen 
im  Nordalbingien  ein.3)  Da  rief  Erzbischof  Adelgold  von  Magde- 
burg und  mit  ihm  die  Bischöfe  Albuin  von  Merseburg,  Walram 
von  Naumburg,  Herwig  von  Meissen,  Hezilo  von  Halberstadt,  Hart- 
brecht von  Brandenburg,  und  überdiess  auch  weltliche  Grafen  des 
östlichen  Sachsenlandes  die  benachbarte  Christenheit  zu  einem 
neuen  Kreuzzuge  auf.  In  ihrem  Ausschreiben4)  schilderten  sie  mit 
lebhaften  Farben,  wie  die  Slawen  eben  die  Kirchen  Christi  durch 
Götzendienst  entweiht,  die  Altäre  zerstört  und  Dinge  an  den  Chri- 
sten verübt  hätten,  die  ein  menschliches  Herz  zu  hören  sich  scheue. 
Sehr  häufig  seien  sie  ins  deutsche  Land  eingefallen,  hätten  da 
Keinen  geschont,  geplündert,  gemordet,  zerstört,  viele  in  ausge- 
suchter Weise  gemartert,  einige  enthauptet,  und  die  Häupter  ihren 
Götzen  geopfert.  Am  Samstage  in  der  Bittwoche  sollten  die  Kampf- 
lustigen in  Merseburg  und  anderen  bezeichneten  Orten  sich  versam- 


!)  Vgl.  Damberger  VII.  323. 

2)  Vgl.  Damberger  VI.  741.  VII.  29,  581,  582. 

3)  Ebend.  VII.  664. 

4)  Urkunde  bei  Calles  series  episc.  Misn.  p.  106—109. 


236 

mein. ])  Ein  besonderer  Erfolg  dieses  Zuges  ist  nicht  bekannt.  Das  Wen- 
denreich Heinrichs  ward  sogar  immer  noch  grösser  und  furchtbarer. 8) 

Im  J.  1120  sammelten  sich  neuerdings  dänische  Kreuzfahrer  zum 
Kampfe  gegen  ihn  und  seinen  Lehenfürsten.  Gleichzeitig  erhoben 
von  Osten  her  die  Polen  gegen  ihn  die  Waffen3)  —  diessmal,  wie 
es  scheint,  mit  besserem  Glücke.  Denn  weiterhin  finden  wir  den 
König  Heinrich  im  Frieden  mit  den  Christen  und  ausgesöhnt  mit  der 
Kirche.4)  Aber  schon  im  J.  1126  fand  Heinrich  ein  trauriges  Ende. 
Seine  eigenen  Söhne  stellten  sich  an  die  Spitze  eines  Aufstandes 
der  mit  ihm  unzufriedenen  Heiden  und  ermordeten  ihn.  Doch  die 
Blutthat  strafte  sich  selbst.  Im  Kampfe  um  das  Reich  fielen  auch 
diese  Söhne  unter  Meuchlerhänden  im  J.  1127.  Das  grosse  Wen- 
denland zerfiel  in  eine  Anzahl  kleinerer  Gebiete,  die  sich  selbst  be- 
kämpften. Das  christliche  Nachbarland  hatte  so  eine  Zeit  lang 
Frieden.  Christliche  Missionäre  wagten  sogar  bis  an  die  Ostsee 
vorzudringen.5) 

5.  Noch  einmal  ward  das  Wendenvolk  furchtbar  unter  Niclot, 
dem  Fürsten  der  Obotriten.  Die  deutsche  Nachbarschaft  erlebte  noch 
einmal  die  alten  Gräuel  alljähriger  Raubzüge,  uud  bis  nach  Pom- 
mern und  Rügen  hin  wurden  die  kaum  gegründeten  christlichen 
Gemeinden  von  den  Heiden  gemisshandelt  und  mit  Füssen  getre- 
ten; selbst  die  Reiche  der  Polen  und  der  Dänen  sahen  sich  be- 
droht. Unter  solchen  Umständen  delegirte  Papst  Eugen  III.  unterm 
11.  April  1146  den  Bischof  Anselm  von  Havelberg,  einen  förmlichen 
Kreuzzug  gegen  Niclot  mit  Verleihung  der  gewöhnlichen  Indulgen- 
zen  zu  verkündigen.  Am  29.  Juni  brach  in  Folge  dessen  ein  be- 
deutendes Kreuzheer  aus  Sachsen  auf.  Es  befanden  sich  dabei  die 
mährischen  Fürsten  Otto,  Swatopluk  und  Wratislaw,  und  der  be- 
rühmte olmützer  Bischof  Heinrich  Zdik.  An  der  Spitze  aller  zog 
der  sächsische  Herzog  Heinrich  der  Löwe  in  den  Kampf.  Auch  von 
Dänemark  her  kam  ein  mächtiges  Heer  von  Kreuzfahrern  gegen 
Niclot  heran.  Gleichzeitig  begannen  auch  die  Polen  den  Krieg  ge- 


')  Ebendaselbst. 

*)  Damb erger  VII.  922. 

3)  Ebend.  VII.  932  etc. 

4)  Ebendaselbst. 

5)Vgl.  Damberger  VIII.  115,  VII.  933. 


237 

gen  ihre  gefährlichen  Nachbarn.  So  musste  endlich  Niclot  nach  ver- 
zweifelter Gegenwehr  unterliegen.  Die  kleineren  Fürsten  der  Sla- 
wen unterwarfen  sich  einer  nach  dem  andern,  zumal  nun  Heinrich 
der  Löwe  seine  siegreichen  Züge  fast  von  Jahr  zu  Jahr  erneuerte. 
Niclot  selbst  fand  erst  im  J.  1161  bei  einem  Ausfalle  aus  seiner 
von  Heinrich  eingeschlossenen  Burg  den  Tod.  !)  Das  war  das  Ende 
des  Wendenreichs,  zugleich  das  Ende  des  Widerstandes  der  trans- 
albinischen  Slawen  gegen  das  Christenthum,  und  so  auch  das  Ende 
der  Kreuzfahrten  in  die  Gebiete  der  westlichen  Ostsee.  Desto  er- 
bitterter erhoben  sich  nun  die  Slawen  in  Preussen  gegen  ihre  christ- 
liche Nachbarn,  und  hiedurch  erhalten  die  nordischen  Kreuzzüge 
für  das  nächste  und  nachfolgende  Jahrhundert  eine  neue  Richtung. 
Diese  Kreuzzüge  aber  werden  für  uns  um  so  bedeutungsvoller  sein, 
da  sie  zum  grossen  Theile  von  unserem  Vaterlande  ihren  Ausgang 
nahmen. 

Die  kirchlichen  Institute  Böhmens  in  der  Zeit  des  Reformationskampfes. 

§.61.  Das  Prager  Domstift. 

1.  Unter  den  geistlichen  Instituten  im  Umkreise  unseres  Va- 
terlandes nahm  selbstverständlich  die  erste  Stelle  nach  dem  Bischöfe 
das  bischöfliche  Domcapitel  in  Prag  ein.  Anfangs  gleich 
allen  ähnlichen  Stiftungen  ohne  einen  persönlichen  Vorrang  seiner  Mit- 
glieder— blühte  es  in  Kurzem  unter  den  dringenden  Bedürfnissen  der 
Zeit  zu  jeneiii  hochberechtigten  Körperschaft  empor ,  welche  nicht 
nur  die  eigenen  inneren  Angelegenheiten  selbstständig  verwaltete,  son- 
dern auch  dem  Bischöfe  mit  Piath  und  That  zur  Seite  stand  und 
bei  dessen  Verhinderung  oder  Ableben  sogar  die  Verwaltung  der 
Diöcese  in  die  Hände  nahm. 2)  Diess  musste  namentlich  seit  der 
Zeit  geschehen,  als  das  Presbyterium  von  St.  Veit,  welchem  sonst 
nach  alter  kirchlicher  Ordnung  jene  Rechte  zustanden,  zur  Gänze 
mit  dem  Domcapitel  verschmolzen  war.    Diess  scheint  bereits  un- 


!)  Vgl.  Damberger  VIII.  116,  120,  121,  145,  377,  378,  445—448,  640,  665, 
795—798. 

2)  Die  Domcapitel  führten  diese  Verwaltung  fortan  bald  als  Körperschaft 
(in  corpore)  bald  nach  der  Reihe  seiner  Glieder  (per  turnum),  bald  durch 
einen  oder  mehrere  Vertreter  aus  ihrer  Mitte  (per  delegatos). 


238 

ter  dem  ersten  Bischöfe  Dietmar  geschehen  zu  sein.   Unter  dem 
heiligen  Adalbert  weisstdas  Capitel  bereits  hechehrwürdige  und  ein- 
flussreiche Männer  auf.  Der  Canonicus  Prostiwoj  starb  bei  Gele- 
genheit des  feindlichen  Auftretens  der  Wrsowecen  gegen  den  hei- 
ligen Bischof  den  Martyrertod  an  jener  Stelle  in  der  Nähe  des  weis- 
sen Berges,  wo  nachmals  Herzog  Boleslaw  II.  eine  Kirche  zu  Ehren 
der  heil.  Mutter  Gottes  und  der  heiligen  Fabian  und  Sebastian  er- 
baute. *)    Der  Propst  Willi co  (Welich)  leitete  während  Adalberts 
erster  Abwesenheit  die  geistliche  Verwaltung  der  Diöcese,  3)  sowie 
sein   muthmasslicher  Nachfolger  Po  kor  in  ein   Gleiches  nach  dem 
zweiten  Abgange  des  heil.  Bischofs  zu  besorgen  hatte.    Darauf  be- 
stiegen   die  Pröpste  Erhard,  Hyzo  und   Severus  nach  einan- 
der den  bischöflichen   Stuhl  von   Prag.  Auch  der  nachmalige  un  ru- 
hige Bischof  Ja  r  om  ir  soll  früher  Propst  des  Domstifts  gewesen  sein.3) 
Ein  Capiteldechant  wird  in  dieser  Zeit  noch  nicht  genannt. 

2.  Das  Zeitalter  des  Reformationskampfes  drängte  das  Dom- 
capitel  noch  mehr  in  den  Vordergrund  aller  kirchlichen  Ereignisse 
n  unserem  Vaterlande.  Es  beginnt  gleichsam  mit  der  zweiten  Stif- 
tung des  Capitels.  Bisher  hatten  die  Canonici  ihre  geistliche  Regel 
fast  gar  nicht  befolgt.  Nun  aber  führte  der  neue  Propst  Marcus 
ein  Deutscher  aus  edlem  Geschlechte, 4)  eine  neue  Ordnung  ein. 
Er  wählte  aus  der  zahlreichen  Domgeistlichkeit  25  Brüder  aus, 
welche  er  für  die  würdigsten  hielt  und  verband  sie  durch  einen  Eid 
zur  Beobachtung  der  Regel  des  heil.  Chrodegang,  zum  Tragen  der 
canonischen  Kleidung  und  zum  gemeinschaftlichen  Wohnen  im  Ca- 
pitelhause.  5)   Bischof  Meinhart  vermehrte    später  die  Zahl  dieser 


'}  Pessina  phosph.  septic.  171.  Cosmas  u.  A. 

2)  Willico  trat  später  als  Benediktinerbruder  in  das  Kloster  Monte-Casino 
ein.  Tomek  G.  P.  I.  651. 

3)  Pessina  phosph.  septe.  —  Derselbe  (einst  Domdechant  bei  St.  Veit)  beruft 
sich  auf  ihm  vorgelegene  Aufzeichnungen  des  Capitelarchivs.  Er  nennt 
aber  auch  schon  die  Vorsteher  der  St.  Veitskirche  vor  Errichtung  des 
Bisthums  als  Pröpste ;  —  und  zwar  den  regensburger  Priester  Gerhard  und 
nach  diesem  den  Hostiwod,  letzteren  zur  Zeit  der  Einrichtung  des  Bis- 
thums. Doch  ward  das  Capitel  als  solches  wohl  erst  zur  Zeit  des  ersten 
Bischofs  ins  Leben  gerufen. 

*)  Tomek  G.  P.  651. 

5)  Ebendaselbst  und  Cosmas. 


239 

eigentlichen  Canoniker  auf  30. ])  Seitdem  wird  als  zweiter  Wür- 
denträger des  Capitels  ein  Dekan  genannt.  Leider  schützte  diese 
Reform  nicht  gegen  die  Wirren,  welche  der  unruhige  Geist  des 
Bischofs  Jaromir-Gebhard  der  Kirche  Böhmens  bereitete.  Wenig- 
stens hielt  damals  der  Dechant  des  Capitels,  der  oftgenannte  Chro- 
nist Cosmas,  als  Jugendfreund  nur  allzu  sehr  an  seinem  weltlich 
gesinnten  Oberhirten.  Aber  bald  glänzte  wieder  im  Capitel  ein 
Stern  erster  Grösse.  Nach  Marcus-)  und  dem  wenig  bekannten 
W i t o s  1  a w  3)  ward  der  Sohn  des  Chronisten  Cosmas  4)  —  Heinrich 
Zdik  —  gerühmt  als  der  grösste  Mannseiner  Zeit,  zur  Würde  des 
Propstes  erhoben.  Von  seinem  geistlichen  Eifer  zeugte  eine 
Pilgerreise,  die  er  als  Propst  nach  Jerusalem  unternahm  und  auch 
sonst  mögen  seine  Verdienste  nicht  gering  gewesen  sein ;  denn  im 
Jahre  1126  wurde  er  in  Folge  derselben  zum  Bischof  von  Olmütz 
gewählt.  Noch  einmal  pilgerte  er  in's  heilige  Land  (1137)  und 
brachte  diessmal  von  dort  seine  Begeisterung  für  den  Prämonstra- 
tenserorden  zurück.  Fortan  erscheint  er  als  dessen  eifrigster  Be- 
förderer und  als  Mitbegründer  seiner  meisten  Niederlassungen  in 
Böhmen  und  Mähren.  Auch  unter  den  heidnischen  Preussen  treffen 
wir  ihn  als  Kreuzfahrer  und  Glaubensprediger.  Bei  dem  grossen 
Werke  der  geistlichen  Pieformationen  stand  er  dem  päpstlichen  Legaten 
Guido  als  erste  Stütze  zur  Seite.  Er  starb  nach  Einigen  als  Prämon- 
stratenserbruder  —  im  Jahre  1151  und  fand  im  Kloster  Strahow  seine 
bleibende  Ruhestätte.  5)  —  Als  seine  Nachfolger  in  der  Prager  Prop- 
stei  werden  Hermann  (von  Ralsko,  f  1133),  Otto  (angeblich  von  Swa- 
benic),  und  Conrad  (nach  Andern  Jurata)  genannt.  Von  diesen  be- 
stieg Otto  den  Bischofsstuhl  zu  Prag  und  wurde  der  Reformator 
Böhmens.  Sein  Nachfolger  Conrad  (Jurata)  war  zur  Zeit 
der  Ankunft  des  Legaten  Guido  noch  nicht  einmal  zum  Priester 
geweiht  und  obendrein  beweibt:  desshalb  wurde  er  nebst  dem  da- 
maligen Domdechant  Peter,   welcher  nach  einander  sogar  3  Wei- 


')  Ebend.  und  Series  episc.  in  Script.  Boh.  IL  438. 

2)  Marcus  starb  1098.  Tomek  651.  Pessina  phosph.  605. 

3)  Witoslaw  c.  111.  (Pessina  605.) 

4)  Vgl.  Palacky  1.  400.  Pessina  phosph.  557  hielt  ihn  für  den  jüngsten  Sohn 
des  Königs  Wratislaw. 

5)  Vgl.  Pessina  557  etc.  Tomek  G.  Pr.   38.  99.  103.  142.    Palacky  400  etc. 


240 

ber  geeheligt  hatte  l)  und  dem  verheirateten  Canon  icus  Sebastian 
aller  geistlichen  Würden  entsetzt  (1143). 2)  Offenbar  hatten  die 
Wirren  der  letzten  Jahre  die  neue  Ordnung  des  eifrigen  Propstes 
Marcus  wieder  vergessen  gemacht. 

3.  Dagegen  erhob  sich  das  Capitel  nach  dieser  neuen  Reform 
zu  desto  schönerem  Glänze.  Es  erwarb  den  Ruhm  des  „allzeit  ge- 
treuen", der  ihm  später  in  Folge  steter  Bewährung  zum  privilegir- 
ten  Ehrentitel  wurde.  Zunächst  hatte  es  nach  dem  abgesetzten 
Conrad  (Jurata)  den  gelehrtesten  und  gewandtesten  Mann  des  Lan- 
des, den  nachmaligen  Bischof  Daniel  als  Propst  erhalten,  der  ohne 
Zweifel  nicht  wenig  zur  Förderung  des  geistigen  —  insbesondere 
des  wissenschaftlichen  Lebens  in  dem  geistlichen  Musterhause,  der 
klerikalen  Pflanzschule  des  Landes,  beitrug.  Er  bestieg  am,  29. 
Juli  1148  den  bischöflichen  Stuhl.  In  der  propsteilichen  Würde 
folgten  ihm  Heinrich  (angeblich  von  Lipa,  1 148 — 11 50)  und  H  r  o  z- 
nata,  ein  besonderer  Wohlthäter  des  Klosters  Leitomischl,  nach. 
(c.  1150 — c.  1159.) 3)  Wir  haben  gehört,  wie  Bischof  Daniel  der 
treueste  Anhänger  seines  Landesherrn  und  der  innigste  Vertraute 
des  Kaisers  Friedrich  Barbarossa  wurde.  So  ward  er  in  das  trau- 
rige Schisma  jener  bewegten  Zeit  verflochten.  Leider  mussten  eine 
Zeit  lang  auch  das  Capitel  und  der  Klerus  des  Landes  seinem  Bei- 
spiele folgen ;  denn  Bischof,  Fürst  und  Kaiser  hatten  sich  verbun- 
den, mit  Censuren  und  weltlichen  Waffen  die  Anerkennung  des 
Gegenpapstes  Victor  zu  erzwingen.  So  leistete  man  in  den  Jahren 
1162  und  1164  gezwungen  dem  eben  in  Prag  anwesenden  Bischöfe 
die  canonische  Obeclienz.  4)  Bald  aber  ermannte  sich  vorerst  das 
Prager  Capitel  unter  seinem  Propste  Ulrich  (angeblich  von  Wal- 
dek,  1160  —  1172),  und  zwar  auf  Anrathen  der  Bischöfe  von  Re- 
gensburg (Hertwig)  und  Passau  (Conrad)  zur  Anerkennung  des  recht- 
mässigen Oberhauptes  der  Kirche.  Ja  es  gelang  ihm  sogar,  den  Kö- 
nig Wladislaw  selbst  von   der  Partei  des    Gegenpapstes   abwendig 


1)  So  und  nicht  anders  ist  die  Anklage  wegen  dreier  Weiber  gemeint.  Es 
ist  bekannt,  dass  selbst  die  orientalische  Kirche  dem  Priester  eine  zweite 
Ehe  als  schweres  Vergehen  untersagt. 

2)  Vgl.  Tomek  G.  P.  103. 

3)  Vgl.  Pessina  phosph.  605.  Tomek  651.  Letzterer  nennt  den.Hcoznata  nicht. 

4)  Chron.  Vincentii  ad  1162,  Pulkava  ad  1164. 


241 

zu  machen.  *)  Da  überdiess  dem  Capitel  damals  in  Abwesenheit 
des  Bischofs  die  Administration  der  Diöcese  zustand,  so  wurde 
es  ihm  auch  möglich,  unser  Vaterland  vom  Unsegen  des  Schisma's 
zu  erretten.  2)  Auch  nach  dem  Tode  des  Bischofs  Daniel  bewahrte 
es  dieselbe  Treue  bis  zur  Beilegung  des  unglückseligen  Streites  im 
Frieden  zu  Venedig.  In  letzter  Zeit  führte  Martin,  ehedem  Propst  von 
Leitmeritz,  die  Leitung  des  Domstiftes  (1174—  c.  1180),  derselbe,  den 
wir  später  als  grössten  Beförderer  des  Johanniter-Ritterordens  kennen 
lernen  werden.  Ihm  folgte  Peregrin  (1180—1182),  der  nachmalige 
Bischof  von  Olmütz. Endlich  beschliessen  die  Pröpste  Kuno  (1184), 
Hermann  (1184—1190)  und  Florian  (1194—1201)  3)  das  kampf- 
reiche Jahrhundert.  Dem  letzteren  war  das  Glück  beschieden,  die 
glorreiche  Reformation  in   unserem  Vaterlande  zu  erleben. 4) 

4.  Da  wir  in  unserer  Erzählung  stets  auch  der  besonderen 
Beziehungen  kirchlicher  Institute  auf  die  jetzige  Diöcese  von  Leit- 
meritz gedenken  wollen :  so  erübrigt  noch,  jener  Mitglieder  des  Pra- 
ger Capitels  uns  zu  erinnern,  welche  in  dem  beschriebenen  Zeit- 
räume als  Archidiakone  den  einzelnen  Archidiakonaten  unseres 
Bereiches  vorgesetzt  waren.  Leider  erfahren  wir  aus  so  alter  Zeit 
nur  wenige  Namen;  erst  späterhin  wird  in  dieser  Beziehung  unsere 
Geschichte  reicher  werden.  Das  Archidiakonat  von  Bilin  wurde, 
wie  schon  erwähnt  ward,  erst  im  Jahre  1216  errichtet.  Das  Leit- 
meritz er  Archidiakonat  verwaltete  im  Jahre  1177  der  Canoni- 
cus  Pfibislaw,  vordem  Archidiakon von  Raudnitz,  und  nach  1181 
Propst  zu  Altbunzlau.  5)  Dem  Archidiakonate  Bunzlau  stand  in 
den  Jahren  1169  und  1177  der  Canonicus  Othmar  vor.  ü)  Als  Ar- 
chidiakone zu  S  a  a  z  werden  von  1 181  bis  1 194  der  Canonicus  F  r  i  e- 
drich7)und  von  1195  bis  1212  ein  Canonicus  Witek  genannt.8) 


f)  Pessina  177. 

8)  Ebendaselbst.  Das  Capitel  verordnete  die  Anerkennung  Alexanders  III.  im 
ganzen  Lande.  Cit.  Radewic  Can.  Frising.  scriptor  coaevus. 

3)  Vgl.  Tomek  651. 

4)  Vgl.  §.  55. 
5)Dobner  annal.  VI.  501. 

6)  Tomek  I.  652.  Acten  des  Prager   Üapitelarchivs  ad  1177.  (A.  IL  I.  1.)  Er- 
ben regest.  139. 

7)  Bubna  catal.  cap.  Prag.  MS. 

8)  Urkunde  des  Capitelarchivs  (B.  I.  I.  2).    Als  Archidiakone  von  Prag  er- 

16 


242 


§.  62.  Das  Gollegiatstift  zu  Leitmeritz. 


Uns  interessirt  nun  zunächst  jenes  altehrwürdige  Capitel,  wel- 
ches dermalen  noch  die  bischöfliche  Stadt  Leitmeritz  ziert.  Wir 
wollen  desshalb  vor  Allem  die  Männer  näher  kennen  lernen,  die  das- 
selbe in  dem  soeben  besprochenen  Zeitalter  geleitet  haben,  —  wir 
meinen  dessen  Pröpste. 

1.  Schon  die  Geschichte  unserer  Bischöfe  hat  uns  den  ersten 
derselben  genannt.  ])  Es  war  Lanzo,  der  ausgezeichnetste  unter 
den  Hofgeistlichen  Wratislaws  IL  Er  war  aus  einem  edlen  sächsi- 
schen Geschlechte  entsprossen, 3)  mutmasslich  ein  Verwandter  des 
h.  Bischofs  Benno  von  Meissen,  und  sonach  wohl  ebenfalls  aus  der 
Gegend  von  Hildesheim  stammend, 3)  eben  so  ausgezeichnet  durch 
seine  Gelehrsamkeit  und  seinen  sittlichen  Wandel,  wie  durch  seine 
äussere  Erscheinung.4)  Er  hatte  wohl  lange  schon  vor  der  Errich- 
tung des  Leitmeritzer  Stifts  in  Böhmen  geweilt  und  sich  viele  Ver- 
dienste um  das  Land  erworben ;  auch  war  er  gewiss  der  böhmi- 
schen Sprache  im  vorzüglichen  Grade  mächtig  geworden.  Nur  so 
erklärt  es  sich,  dass  der  den  Deutschen  nichts  weniger  als  freund- 
lich gesinnte  Herzog  Spytihnew  IL  grade  diesen  Fremden  zur  pröpst- 
lichen Würde  für  sein  neues  Collegiatcapitel  auserkor,  und  dass  der- 
selbe ruhig  im  Lande  verweilen  durfte  zu  einer  Zeit,  wo  der  den 
Fremden  zürnende  Fürst  fast  alle  Deutsche  des  Landes  verwies.  5) 


scheinen:  Peter  (1143),  Domaslaw  (1167),  Zdislaw  (1181),  Chwalek  (1196); 
von  Pilsen:  Herold  (1131),  Zdeslaw  (1172);  von  Königgräz:  Slawon  (1167 — 
1181);  von  Bechyn:  Dietleb  (1167),  Hermann  (1184),  Engelbert  (1186); 
Wicemil  (1191);  von  Kaurim :  Peregrin  (1167);  von  Raudnitz:  Berthold (1167), 
PHbislaw  (1176);  von  Rokitzan:  Zdislaw  (1167);  von  Bischofteinitz :  Chri- 
stoph (1186).  Vgl.  Tomek  652  etc. 
i)  Vgl.  2.  Periode  §.  45. 

2)  Cosmas  ad  ann.  1067. 

3)  Crugerius  ad  24.  Januar. 

4)  Cosmas  ad  ann.  1067. 

5)  Jedenfalls  sagt  Cosmas  ad  ann.  1155  zuviel,  wenn  er  dem  Spytihnew  das 
Gebot  zuschreibt,  dass  alle  Deutschen  ohne  Ausnahme  hätten  das  Land 
meiden  müssen.  Dagegen  spricht  einfach  schon  die  Bemerkung  der  leitm. 
Stiftungsurkunde  von  1057,  dass  peregrini,  offenbar  Deutsche,  den  leitme- 
ritzer Markt  besuchen.  Uiberdiess  war,  abgesehen  von  unserem  Lanzo 
auch  der  grade  damals  eingesetzte  Abt  von  Sazawa  ein  Deutscher.  Vgl. 
auch  Palackv  I.  293. 


Nur  so  auch  konnte  ihn  nachher  der  Herzog  Wratislaw  als  den  wür- 
digsten und  geeignetsten  Mann  für  die  bischöfliche  Würde  bezeich- 
nen. Uibrigens  hatte  Lanzo  gerade  diesem  Fürsten  „in  jeder  Weiseu 
die  treuesten  Dienste  geleistet;  insbesondere  war  er  noch  zuletzt 
sein  treuer  Begleiter  in  dem  Feldzuge  gegen  die  Polen  (1167).  f) 
Wohl  war  es  die  besondere  Klugheit  in  allen  Geschäften  des  Hofes 
und  des  Landes,  die  ihm  damals  beim  böhmischen  Volke  den  Beina- 
men des  Fuchses  (man  nannte  ihn  Luska)  verschaffte. a)  Wir  haben  be- 
reits erfahren,  wie  die  Erhebung  dieses  Mannes  zur  bischöflichen  Würde 
scheiterte.  Nationale  Sympathien  und  die  Hoffnung  eines  bischöf- 
lichen Genossen  im  Widerstände  gegen  Wratislaw  riefen  damals 
lauter  nach  dem  Prinzen  Jaromir,  der  auch  sofort  unter  dem  Na- 
men Gebhard  vom  bischöflichen  Stuhle  Besitz  nahm.  3)  Fortan  ge- 
schieht unseres  Propstes  keine  weitere  Erwähnung  mehr.  Doch  ist 
es  mehr  als  wahrscheinlich,  er  habe  nach  wie  vor  nach  der  Sitte 
jener  Zeit  als  Hofgeistlicher  bei  Wratislaw  gelebt,  und  sei  dessen 
Freund  und  Rathgeber  geblieben.  Den  Verfall  unseres  Vaterlan- 
des in  den  traurigen  Kirchenstreit  und  in  das  noch  schlimmere 
Schisma  erlebte  er  nicht.    Er  starb  im  Jahre  1075.  4) 

2.  Als  zweiter  Propst  wird  Andreas  genannt,  entsprossen  aus 
jenem  edlen  Geschlechte  Mährens,  das  später  den  erblichen  Namen 
der  Herren  von  Dubrawic  annahm.  5)    Er  war  doctor   äecretoram 


')  Cosmas  ut  supra. 

2)  MS.  Chronik  des  ehem.  Klosters  S.  Georg  (jetzt  in  der  prager  Universi- 
tätsbibliothek). 

3)  Vgl.  § .  45. 

4)  So  alle  handschriftlichen  Series.  Von  solchen  liegen  nachgenannte  vor: 
1.  Die  Bretfeldische  in  einer  1811  veröffentlichten  völlig  unkritischen  Ge- 
schichte des  leitm.  Capitels;  2.  die  des  Crugerius  ad  3.  Aug.  seiner  „Sacri 
pulveres";  3.  die  der  illustr.  Chronik  v.  Böhmen  II.  501,-  4.  die  handschrift- 
liche im  leitm.  Capitelarchive ;  5.  die  handschriftliche  in  Hohns  „antiquitates 
ecclesiarum  circuli  Litomericensis"  6.  die  handschriftliche  des  Valentin 
Weidner  im  Klosterarchive  bei  S.  Thomas  in  Prag;  7.  die  handschriftliche 
in  Hammerschmidts  „Chronica  aliquot  urbium  regiarum"  in  der  prager  Uni- 
versitätsbibliothek. Diese  alle  sind  offenbar  ursprünglich  aus  einer  Quelle 
geflossen,  nämlich  aus  den  mangelhaften  Daten  des  leitmeritzer  Capitelar- 
chivs.  Die  Series  dieses  gegenwärtigen  Werkes  ist  nach  gleichzeitigen  Ur- 
kunden ergänzt  u.  berichtigt. 

5)  Dubrav.  IX.  —  Erbliche  Familiennamen  erscheinen  auch  bei  dem  höchsten 
Adel  Böhmens  und  Mährens  erst  nach  dem  Ende  des  XII.  Jahrhunderts. 

16* 


244 

oder  des  kanonischen  Rechts  *)  und  wird  in  den  Traditionen  des 
Capitels  als  ein  sehr  frommer  Kleriker  gerühmt.  Als  solcher  war 
er  frühe  schon  ein  Günstling  des  damals  bloss  erst  in  Mähren  herr- 
schenden nachmaligen  Königs  Wratislaw. 2)  Später  zählte  er  zu 
den  beliebtesten  Caplänen  des  böhmischen  Königshofes  und  ver- 
einigte in  seiner  Person  die  Würden  eines  Domherrn  zu  Prag,  und 
Propstes  der  Capitel  zu  Leitmeritz,  Olmütz  und  Brunn. 3)  Leider 
verfiel  auch  er  mit  seinem  königlichen  Gönner  in  das  traurige 
Schisma,  welches  von  1080  bis  1088  an  dem  irregeleiteten  Könige 
einen  so  eifrigen  Verfechter  fand.  Auch  mochte  ihn  im  Jahre  1088 
das  vom  Bischöfe  Jaromir  über  den  König  und  sein  Haus  allerdings 
unrechtmässig  verhängte  Interdict  mit  berühren.  4)  Ausgesöhnt  mit 
dem  rechtmässigen  Papste  wurde  er  —  wahrscheinlich  kurz  vor 
dem  Tode  seines  königlichen  Freundes  (f  14.  Jänner  1092)  — 
auf  den  bischöflichen  Stuhl  zu  Olmütz  durch  die  einstimmige 
Wahl  des  dortigen  Capitels  erhoben.  5)  Seine  bischöfliche  Conse- 
cration  verzog  sich  aber  durch  dieselben  Umstände,  wie  die  des  neuen 
prager  Bischofs  Cosmas  ü)  bis  12.  März  1094 ,  wo  sie  endlich  durch 
den  Erzbischof  Rudhard  von  Mainz  auf  einer  zu  Mainz  versammel- 
ten Generalsynode  des  deutschen  Reichs  zugleich  mit  der  Weihe 
des  neuen  Bischofs  von  Prag  Statt  fand.  Nun  erst  verzichtete  An- 
dreas auf  die  seit  19  Jahren  bekleidete  Propsteiwürde  von  Leitme- 
ritz. 7)  Unter  ihm  erst  soll  das  mährische  Bisthum  seinen  blei- 
benden Sitz  in  Olmütz  erhalten  haben,  nachdem  seine  beiden 
Vorgänger  angeblich  die  Kirche  des  h.  Petrus  in  Polesowic  bei  We- 
lehrad  (nach  Andern  aber  in  Kuniowic  bei  Olmütz)  als  Kathedrale 


Wenn  alle  Serien  diesen  Propst  geradezu  Andreas  von  Dubrawic  nennen, 
so  soll  diess  wohl  nur  soviel  sagen,  dass  die  Herren  v.  D.  diesen  Andreas 
späterhin  zu  ihren  Ahnen  gezählt  haben.  Vgl.  Palacky  IL  1.  29. 

')  Aug.  Olomuc.  — 

a)  Series  des  leitm.  Capitelarchivs. 

3)  Bubna  catal.  capit.  Prag.  —  Augustin.  Olomuc.  —  Dubrav.  — 

4)  Vgl.  §.  47. 

5j  Dubrav.  1.  IX.  nennt  ihn  „electus  ex  corpore  suo";  also  war  er  unzweifel- 
haft Mitglied  des  Capitels. 
6)  Vgl.  §.  5. 
')  So  stimmt  auch  die  Angabe  der  Serien  über  Amtsdauer  seines  Nachfolgers. 


245 

inne  gehabt  hatten.  ')    Andreas  starb  zu  Olmütz  am  22.  Mai  1097, 
und  ward  im  dortigen  Dome  beigesetzt.2) 

3.  Nach  der  Resignation  des  Andreas  erhielt  Letoslaw  die 
Propstei  zu  Leitmeritz. 3)  Er  war  ebenfalls,  wie  sein  Vorgänger, 
einem   mährischen   Adelsgeschlechte   entstammt,  angeblich  demsel- 

V 

ben,  das  sich  später  den  erblichen  Namen  der  Herren  von  Swabe- 
nic  beilegte. 4)  Ist  dem  so,  so  war  er  ein  Verwandter  des  nachmali- 
gen Bischofs  Otto  von  Prag,  vielleicht  sogar  dessen  Bruder  und 
derselbe  Letoslaw,  der  die  Kirche  am  Zderas  in  Prag  gründete  und 
daselbst  seinen  am  11.  Juli  1190  vom  Prinzen  Bretislaw  ermorde- 
ten Vater  Zderad,  den  beneideten  Günstling  Wratislaws  IL  begrub. 5) 
Möglich,  dass  der  zum  Throne  gelangte  Bretislaw  zur  Sühne  für 
die  am  Vater  verübte  Schuld  ebenso  im  Jahre  1094  unserem  Le- 
toslaw die  Propstei  von  Leitmeritz  verlieh,  wie  er  später  den  Otto 
mit  einem  Canonicate  zu  Prag  und  der  Propstei  zu  Sadska,  nach- 
mals mit  der  Propstei  des  prager  Domstifts  und  endlich  sogar  mit 
dem  prager  Bisthum  zu  versorgen  bemüht  war.  6)  Dieser  Leto- 
slaw hinterliess  bei  der  von  ihm  erbauten  Kirche  am  Zderas  reiche 
Stiftungen,  die  überdiess  auch  der  Bischof  Otto  freigebig  vermehrte. 7) 
So  war  für  die  nachmalige  Stiftung  eines  Klosters  bei  diesem  Got- 
teshause bereits  eine  Fürsorge  getroffen  worden. 8)  Unser  Propst 
Letoslaw  starb  im  J.  1125.  9) 


l)  Baibin.  miscell.  D.  I.  L.  2.  C.  7.  —  Aug.  Olomuc.  edit.  Fr.  Xav.  Richter 
3)  Eben  das.  Vgl.  Dobn.  ann.  VI. 

3)  Rohn  (Antiquit.  eccles.  MS.)  deutet  aus  Anlass  der  Angabe  aller  Serien 
dass  dieser  Propst  32  Jahre  lang  im  Genüsse  dieser  Pfründe  gewesen  sein 
solle,  die  Vermuthung  an,  dass  hier  vielleicht  der  Name  eines  zwischen 
Andreas  und  Letoslaw  zu  setzenden  Propstes  fehlen  könne.  Positive 
Anhaltspunkte  gibt  es  für  diese  Vermuthung  nicht.  Ein  32jähriger  Pfrün- 
denbesitz ist  übrigens  bei  dem  Umstände  leicht  denkbar,  dass  erweislich 
auch  der  jüngste  Kleriker  (oft  noch  im  ersten  Jünglingsalter)  solche  kirch- 
liche Benelicien  erhalten  konnte. 

4)  So  alle   Serien  der  Pröpste,   die  ihn  geradezu  einen  Grafen  von  Swabe- 
nic  nennen. 

5)  Vgl.  Palacky  I.  323. 

G)  Bubna  catal.  capit.  Prag. 

7)  Ebendaselbst  —  und  Dalimil. 

8)  Hundert  Jahre  nach  der  Erbauung  ward  hier  das  Kloster  der  Kreuzherren 
vom  Grabe  Gottes  gestiftet,  dessen  wir  später  gedenken  werden. 

9)  Nach  den  Serien. 


246 

§.  63.  Fortsetzung. 

4.  Nach  Letoslaws  Tode  erhielt  ein  gewisser  Beneda  die 
pröpstliche  Pfründe  zu  Leitmeritz.  Ohne  Zweifel  gehörte  derselbe 
in  die  Zahl  der  Hofcapläne  des  ebenfalls  im  J.  1125  auf  den  Thron 
gelangten  Herzogs  Sobßslaw.  Die  Serien  der  Pröpste  sagen  nichts 
Weiteres  von  ihm,  als  dass  er  ein  Enkel  des  Grafen  Thasius  ge- 
wesen sei.  Es  ist  wohl  hiemit  jener  Graf  Thaz  gemeint,  dessen 
beide  Söhne  Naöerat  und  Wznata  im  J.  1085  bei  der  Besitznahme 
der  Mark  Meissen  durch  König  Wratislaw  ihr  Leben  verloren  und 
damals  weit  berühmt  waren  als  „riesige  Säulen  des  Vaterlandes  und 
glänzend  vom  Lichte  der  Tugenden."  ')  War  unser  Beneda  der  Sohn 
eines  dieser  edlen  Helden,  so  wollte  Herzog  Soböslaw  durch  die 
Begünstigung  desselben  wahrscheinlich  die  Dankesschuld  seines  ei- 
genen Vaters  (Wratislaw  IL)  zum  Theile  abtragen.  Propst  Beneda 
starb  nach  14jährigem  Genüsse  der  Propstei  im  Jahre  1139. 2) 

5.  Von  dem  darauffolgenden  Propste  Sebastian  ist  etwas 
Weiteres  nicht  bekannt,  als  dass  er  im  Jahre  1144  die  von  Herzog  Wla- 
dislaw  IL  ausgestellte  Confirmationsurkunde  des  olmützer  Bisthums 
als  Zeuge  unterschrieb.  3)  Eben  daraus  geht  aber  hervor,  dass  auch 
Sebastian  am  Hofe  des  Herzogs  lebte,  also  vielleicht-  bis  zu  seiner 
Erhebung  zur  propsteilichen  Würde  (1140)  ein  Anhänger  des  da- 
maligen Prinzen  Wladislaw,  und  nun  nach  Berufung  des  letztern 
auf  den  herzoglichen  Thron  dessen  ergebener  Capellan.  Lange  hat 
dieser  Sebastian  die  leitmeritzer  Pfründe  nicht  inne  gehabt ;  da  im 
J.  1167  bereits  sein  Nachfolger  daselbst  mit  Tode  abgegangen  ist. 

6.  Als  Nachfolger  nennen  die  Serien  den  H  r  o  z  n  a  t  a,  einen  an- 
geblichen Grafen  vonMelnikund  Abkömmling  Slawibors  des  Schwieger- 
vaters Boriwojs  I.  Dieser  Hroznata  war  ein  Mann  von  ausgezeichneter 
Frömmigkeit  und  Heiligkeit,   so  dass  er  dadurch  sogar  die  Vor- 


*)  Cosmas  ad  ann.  1087.  Ein  zweiter  Graf  Thasius  würde  wenigstens  durch 
einen  Beisatz  unterschieden  worden  sein. 

2)  So  die  Serien. 

3)  Erben  regesta  p.  110.  Irrig  nennt  der  Index  bei  Erben  (p.  749)  diesen 
Sebastianus  decanus  Litomericensis.  Dem  widerspricht  schon  der  Wort- 
laut der  Unterschrift,  wo  Sebastianus  nach  den  Pröpsten  von  Prag,  Wyäc- 
hrad  und  Melnik  als  Sebastianus  Litomericensis  angeführt  ist,  —  mehr 
aber  noch  der  Umstand,  dass  es  bis  zum  J.  1340  keine  Capiteldekane  in 
Leitmeritz  gab. 


247 

züge  seiner  Geburt  verdunkelte.  Er  war  auch  einer  der  vorzüg- 
lichsten Förderer  des  damals  in  Böhmen  emporblühenden  Ordens  der 
Prämonstratenser :  als  solcher  schenkte  er  dem  neuen  Convente  zu 
Leitomysl  das  Dorf  Olsany  (20.  Jan.  1167),  während  sein  Bruder 
Nemoy  zu  gleicher  Zeit  das  Dorf  Rugne  dem  neuen  Stifte  übergab.  ') 
Wir  werden  später  erfahren,  wie  alsbald  ein  anderer  Hroznata,  eben- 
falls Graf  von  Melnik  genannt,  dem  Orden  der  Prämonstratenser 
die  Klöster  zu  Tepl  und  Chotösau  erbaute,  und  überdiess  seine  sehr 
bedeutenden  Güter  bei  Leitmeritz  fast  durchwegs  frommen  Zwecken 
weihte.  Muthmasslich  war  dies  ein  Neffe  unseres  Propstes,  dieser  aber 
ein  Bruder  des  nachmaligen  prage.r  Bischofs  Andreas  und  Sohn  je- 
nes Hroznata,  der  am  6.  Oktober  1152  als  Wallfahrer  zu  Jerusa- 
lem gestorben  war. 2)  Die  Serien  geben  das  Sterbejahr  unseres 
Propstes  auf  1157  an  :  nach  dem  oben  Gesagten  muss  selbes  jedoch 
erst  nach  dem  Jahre  1167  fallen. 

7.  Ihm  folgte  M  a  r  t  i  n  u  s  in  der  pröpstlichen  Würde  nach. 3) 
Dieser  ist  erweislich  im  Jahre  1169  Propst  des  leitmeritzer  Capi- 
tels  gewesen  ;  denn  als  solcher  wird  er  in  zwei  für  das  mährische 
Stift  ßaigern  im  selben  Jahre  ausgestellten  Diplomen  des  olmützer 

')  Erben  regest.  138  u.  139.  Hier  wird  der  Schenker  einfach  nur  Hroznata 
praepositus  genannt.  Wohl  nennt  Pesina  phosp!  p.  605  einen  Hroznata 
praepositus  Pratensis,  der  aber  nach  ihm  am  6.  April  1152  gestorben  ist, 
und  um  so  weniger  der  Schenker  von  Olsany  gewesen  sein  kann, -als  ebenfalls 
nach  Pesina's  Angabe  1161  n.  1167  u.  urkundlich  (Erben  regest.  134.  137# 
139.  143.  145.  149)  sogar  vor  1160—1172  Ullrich  von  Waidekais  prager 
Propst  genannt  wird.  Ebenso  wenig  war  aber  jener  Hroznata  der  1144 
urkundlich  genannte  Propst  Hroznata  von  Melnik;  denn  in  den  Jahren 
1160—1167  war  urkundlich  (Erben  reg.  135.  137.  139.  151.  157)  bereits 
sein  in  obiger  Urkunde  ebenfalls  genannter  Nachfolger  Jurata  Propst  zu 
Melnik.  Auch  war  jener  Hroznata  nicht  Propst  auf  dem  Wysehrad;  denn 
dort  bekleidete  diese  Würde  urkundlich  v.  1146 — 1188  ein  gewisser  Gcr- 
vasius.  (Erben  reg.  118—181.)  Ebenso  konnte  er  auch  nicht  Propst  von 
Sadska  sein,  wo  nach  1165  ein  gewisser  Albertus  (1167  ein  Paltnir)  dieser 
Würde  vorstand  (Erben  137  u.  139,;  endlich  auch  nicht  Propst  v.  Alt- 
bunzlau,  wo  urkundlich  von  1160  an  ein  Propst  Petrus  erscheint.  (Erben 
reg.  135.  137.)  Also  war  es  ein  Propst  v.  Leitmeritz. 

2)  Weleslawin  Kai.  bist.  Vgl.  Balbin's  Stammbaum  der  Guttensteine. 

3)  Mit  einziger  Ausnahme  des  M.  S.  v.  Rohn  (antiq.  eccl.)  kennt  keine  der 
bisherigen  Serien  diesen  Propst,  —  jedenfalls  irrig,  wie  sich  zeigen  wird. 
Uiberhaupt  werden  jene  Serien  hierorts  mehrfach  eine  Vervollständigung 
u.  Berichtigung  linden. 


248 

Herzogs  Friedrich  und  ebenso  in  einer  wieder  in  demselben  Jahre 
zu  Gunsten  des  Johanniterordens  ausgestellten  Schenkungsurkunde 
des  Königs  Wladislaw  I.  ausdrücklich  als  Zeuge  angeführt.  ')  Es  ist 
daraus  zugleich  ersichtlich,  dass  Martin  gleich  seinen  Vorgängern 
als  Caplan  und  Notarius  am  fürstlichen  Hofe  lebte.  Er  war  der 
Neffe  des  Propstes  Gervasius  vom  Wysehrad,  des  berühmten  könig- 
lichen Kanzlers,  der  in  den  Jahren  1158  und  1162  auch  als  tap- 
ferer Krieger  in  Italien  an  der  Seite  seines  Königs  kämpfte  2),  und 
derselbe  Notarius  und  Unterkanzler  Wladislaws  L,  der  als  ehrsa- 
mer und  in  der  Beredsamkeit  wohlgeübter  Kleriker,  und  als  beson- 
ders treuer  und  geliebter  Diener  seines  Fürsten  bekannt,  im  Jahre 
1164  an  der  Spitze  einer  nach  Constantinopel  bestimmten  ehren- 
vollen Gesandtschaft  sich  befand. 3)  Die  Propstei  zu  Leitmeritz, 
die  er  jedenfalls  der  Huld  seines  königlichen  Gönners  verdankte, 
besass  er  nicht  lange.  Wahrscheinlich  erst  um  1168  zu  derselben 
erhoben  finden  wir  ihn  im  Jahre  1174  schon  in  der  ansehnlichen 
Würde  eines  Propstes  des  prager  Domstifts,4)  zu  der  ihn  eben- 
falls die  Gunst  seines  königlichen  Herrn  befördert  hatte.  5)  Aber 
auch  in  dieser  Stellung,  die  ihm  ohne  Zweifel  durch  den  im  Jahre 
1179  ausgebrochenen  Thronstreit  und  Bürgerkrieg  herb  verbittert 
wurde,  verblieb  er  nicht  lange.  Vielleicht  in  derselben  Zeit,  sicher 
aber  im  Jahre  1180  trat  er  in  den  von  ihm  hochverehrten  Orden 
der  Johanniter  ein,  —  allerdings  mit  Vorbehalt  seines  pröpstlichen 
Titels. ü)  Diesen  Orden  hatte  eigentlich  Martin  selbst  in  Böhmen 
eingeführt;  denn  schon  im  Jahre  1156  hatte  er  demselben  in  Ge- 
meinschaft mit  seinem  Onkel  Gervasius  aus  eigenem  Vermögen 
die  Kirche  und  das  erste  Hospital  bei  St.  Maria  an  der  prager 
Brücke  erbaut,  7)  und  ansehnliche  Güter  am  Flusse  Mies  zum  Be- 

')  Urkunde  in  Erben  regesta.   p,    143— -145    u.    bei  Magnoald  Ziegelbauer: 

Chron.  mon.  Brewnow. 
a)  Tomek  Gesch.  P.  I.  651.  Hammerschmidt  gloria  eccl.  Wysehrad.  p.  487. 

3)  Chron.  Vincentii  (Mon.  Boh.  I.  76).  Chron.  Pulkavae  (ibid.  IV.  188).   Vgl. 
Urkden.  bei  Erben  reg.  132  u.  137. 

4)  Urkunden  bei   Erben   reg.   ad.  1174  etc.  (p.  151,  156,  158,  166);    Tomek 
Gesch.  Prags  I.  651. 

6)  Diess  war  jedenfalls  schon  im  J.    1173  noch  vor  der  Thronentsagung  des 

Königs  geschehen. 
fa)  Der  neue  Prager  Propst  Peregrin  wird  von  1180  an  genannt.  Tomek  I.  651. 
*)  „Duces  et  reges  Bohemiae"  in  Monum.  Boh.  III.  p.  35.  u.  Dobncri  obser- 

vationes  pracviae  daselbst  p.  27. 


249 

sitze  geschenkt.  l)  Jetzt  nahm  er  auch  das  Kleid  dieses  Ordens 
und  zog  als  geistlicher  Ritter  ins  heilige  Land.  Um  das  Jahr  1183 
kehrte  er  von  dort  als  „Präceptor  der  Ordens  über  Ungarn, 
Böhmen  und  alle  im  Osten,  Süden  und  Norden  an gr an- 
wenden Länder"  zurück,  und  erwirkte  in  dieser  Eigenschaft  die 
namhaftesten  Schenkungen  für  seinen  Orden  in  unserem  Vaterlande. 
Im  J.  1186  ging  er  neuerdings  nach  Jerusalem.  Von  1189  an  fin- 
den wir  ihn  abermals  im  Interesse  seines  Ordens  in  «Böhmen  thä- 
tig. 2)  Er  soll  im  J.  1199  noch  gelebt  haben.3)  Sein  Sterbejahr 
ist  uns  unbekannt. 

8.  Nach  dem  Abgange  Martins  erlangte  D  o  b  r  o  m  i  r  die  Würde 
des  Propstes  zu  Leitmeritz.  Derselbe  soll  ein  Bruder  jenes  Georg 
Trosicky  gewesen  sein,  der  im  Jahre  1158  den  König  Wladislaw 
in  den  italienischen  Krieg  begleitet,  und  dort  wegen  ausgezeichneter 
Tapferkeit  vom  Kaiser  Friedrich  ein  Ehrenwappen  erhalten  hatte.  4) 
Von  diesem  Propste  ist  weiter  nichts  bekannt,  als  dass  er  schon  um 
1170  gestorben  sein  soll.5)  Wahrscheinlicher  ist  es  aber,  dass  er 
um  diese  Zeit  erst  zur  pröpstlichen  Würde  gelangte,  und  bis  um 
das  Jahr  1187  dieselbe  verwaltete;  denn  in  letzterem  Jahre  erst  wird 
sein  Nachfolger  urkundlich  erwähnt.  Da  Dobromir's  Name  in  den 
noch  aufbewahrten  öffentlichen  Urkunden  dieser  Zeit  nicht  genannt 
wird,  Hesse  sich  vielleicht  vermuthen,  dass  dieser  Propst  damals 
irgendwo  ausser  Landes  lebte,  etwa  am  Hofe  der  nach  Wladislavs 
Thronentsagung  zu  Merane  in  Thüringen  wohnenden  Königin  Judith. 

9.  Vom  Jahre  1187  an  erscheint  urkundlich  der  Propst  Ra- 
dost a  von  Leitmeritz.  6)  Unsere  Serien  (sowie  auch  einige  Wyse- 
hrader  Urkunden)  nennen  ihn  auch  Gaudentius.  Es  ist  diess  ohne 
Zweifel  derselbe  Radosta,  den  wir  in  den  Urkunden  um  1174  als 
Caplan  Sobeslaws  IL,  des  Bauernfürsten,  kennen  lernen, 7)  und  wie- 

')  Urkde.  Erben  reg.  181. 

~)Dobneri  annal.  VI.  534,  570,  590;  Erben  regesta  p.  167,  174,  183;  Bubna 
Canon,  cap.  Prag. 

3)  Bubna  1.  c. 

4)  Illust.  Chronik  v.   Böhmen   IL  503;   Crugerius;  vergl.  Chron.  Neplachonis, 
Pulkavae,  Hajek  etc.  ad  ann.  1059. 

5)  So  die  Serien  mit  Ausnahme  Rohns. 

6)  Erben  reg.  p.  179,  180,  183. 

7)  Urkde.  Erben  reg.  p.  150. 


250 

der  derselbe  Radosta,  welcher  im  J.  1181  als  Canonicus  des  pra- 
ger Capitels  erwähnt  wird.  ')  Von  1187  an  erscheint  er  ohne  Un- 
terbrechung bis  zum  Jahre  1199  als  Propst  von  Leitmeritz, 8)  welche 
kirchliche  Würde  er  wahrscheinlich  dem  Herzoge  Friedrich  zu  ver- 
danken hatte.  Dass  auch  er  als  Hofgeistlicher  in  beständiger  Nähe 
seines  Fürsten  lebte,  dafür  bürgt  seine  wiederholte  wZeugenschaft  in 
landesfürstlichen  Urkunden  3) ;  für  seine  thätige  Verwendung  in  öffent- 
lichen Angelegenheiten  aber  zeugt  seine  Theilnahme  am  Landtage 
zu  Sadska  im  J.  1189,  wo  unterschiedliche  Gesetze  für  die  Ruhe 
und  Ordnung  des  Landes  festgesetzt  wurden.  4)  Sein  Sterbejahr 
ist  uns  nicht  bekannt. 5)  Jedenfalls  schloss  er  das  zwölfte  Jahr- 
hundert ab,  und  wir  nehmen  desshalb  von  ihm  Uibergang  auf  die 
Vorsteher  des  andern  Collegiatstifts  innerhalb  der  jetzigen  Grän- 
zen  des  leitmeritzer  Bisthums. 

§.  64.  Die  Pröpste  des  Collegiatstifts  zu  fflelnik. 

1.  Als  erster  nachweisbarer  Propst  zu  Melnik  erscheint  in 
den  Serien  ti)  S  e  v  e  r  u  s,  und  zwar  um  das  Jahr  1086.  Demselben  wid- 
mete unser  ältester  Chronist  Cosmas  seine  oft  erwähnte  Chro- 
nik. Er  nennt  ihn  in  seiner  Widmungsschrift  seinen  geliebten  Freund, 
und  einen  Mann,  der  mit  wissenschaftlichen  und  geistlichen  Kennt- 
nissen gleichmässig  ausgerüstet  sei. 7)    Vordem  war   er  des  Cos- 


])  Ebend.  p.  106. 

~)  Zuletzt  noch  1199  als  Zeuge  in  einer  Urkunde  des  Herzogs  Otto.  (Dob- 
neri  annal.  VI.  590.) 

3)  Erben  reg.  179,  180,  183. 

4)  Pubitschka  IV.  4G1. 

5)  Die  bisherigen  Serien  setzten  irrig  sein  Ableben  in  das  Jahr  1188.  Nur 
einige  (Bretfeld,  Weidner,  illust.  Chronik)  sagen,  —  ebenfalls  irrig,  — 
dass  sein  Name  1188  zum  letzten  Male  genannt  werde. 

6)  Dem  Verfasser  sind  folgende  Serien  der  melniker  Pröpste  zur  Hand: 

1.  Die  Series  des  „Extractus  ex  libro  memorabilium  decanalis  ecclesiae 
Melnicensis"  von  Dechant  Josef  Ritter. von  Wlkanowa  1726,  —  geschöpft 
aus  den  wenigen  noch  übrigen  Akten  in  Melnik  u.  aus  dem  „Extractus  de 
annalibus  monasterii  S.  Joannis  sub  rupe  fol.  25  (Diadochus  scu  successio 
quorumdam  D.  D.  praepositorum  colleg.  eccl.  Melnicensis)",  das  M.  S.  im 
leitm.  bisch.  Archive.  —  2.  Die  Series  in  Kohns:  Antiquitates  ecclesiarum 
circuli  Boleslav.  p.  85  et  seq.  —  Keine  dieser  beiden  Serien  ist  vollständig. 
7J  Cosmas. 


251 

mas  Mitcapitular  im  prager  Domstift  gewesen.  ')  Weiteres  ist  von 
ihm  nicht  bekannt.  Wahrscheinlich  aber  gehörte  er  ebensowohl 
wie  seine  Nachfolger  zur  Hofgeistlichkeit  des  regierenden  Landes- 
fürsten. Auch  sein  Sterbejahr  ist  nirgends  ausdrücklich  erwähnt. 
Aus  dem  Umstände  aber,  dass  Cosmas  sein  Werk  erst  kurz  vor 
seinem  im  Oktober  1125  erfolgten  Tode  vollendete,  und  erst  in  die- 
ser Vollendung  unserem  Propste  Severus  weihte,  lässt  sich  schliessen, 
dass  letzterer  wohl  erst  nach  dem  Jahre  1125  aus  dem  zeitlichen 
Leben  geschieden  sein  muss. 

2.  Als  seinen  Nachfolger  nennen  die  Serien  um  1125  den  Propst 
G  e  r  v  a  s  i  u  s. 2)  Es  ist  diess  wahrscheinlich  derselbe  Gervasius,  dem 
Cosmas  das  um  1110 fertig  gewordene  erste  Buch  seiner  Chronik 
gewidmet  hatte.  Damals  war  dieser  Gervasius  noch  „Oberältester" 
(archigeron)  oder  Vorstand  der  Schule  der  Kleriker  am  prager  Col- 
legiatcapitel,  und  anerkannt  als  in  allen  Studien  der  freien  Künste 
vollkommen  bewandert  und  in  der  Kenn tniss  jedweder  Wissenschaft 
ausgezeichnet. 3)  Näheres  ist  auch  von  ihm  nicht  bekannt.  Dass 
er  mit  dem  im  Jahre  1178  abgeschiedenen  obersten  Kanzler  und 
Propste  Gervasius  (Kanzler  bereits  1146 4)  von  Wysehrad  eine  Per- 
son gewesen  sei,  ist  wohl  nicht  unmöglich  aber  doch  etwas  unwahr- 
scheinlich, indem  er  dann  mindestens  ein  Alter  von  100  Jahren  er- 
reicht haben  müsste. 

3.  Um  1144  wird  in  öffentlichen  Urkunden  ein  melniker  Propst 
Hroznata  genannt.  5)  Damals  gehörte  er  unzweifelhaft  zur  Hof- 
geistlichkeit des  Herzogs  Wladislaw.  Weiteres  wissen  wir  nicht 
von  ihm,  falls  er  nicht  identisch  ist  mit  dem  nachherigen  Propste 
Hroznata  von  Leitmeritz.  ü)  Die  Beförderung  von  Melnik  nach  Leit- 
meritz  hat  allerdings  einige  Beispiele  für  sich. 

4.  Als  nächster  Propst  erscheint  Jurata,  den  mehrere  lan- 
desfürstliche Urkunden  aus   den  Jahren  1160  bis  1168  unter  die- 


1)  Bubna  can.  cap.  Prag. 

2)  Obige  Serien. 

3)  Cosmas   am   Anfange   des   1.   Buches.    Vergl.    Scriptor.  rer.  boh.  Tom.  I- 
praef.  p.  XL  et  X. 

4)  Erben  reg.  118. 

5)  Urkd.  bei  Erben  reg.  109,  110.     Die  oben   citirten  Serien  kennen    diesen 
Propst  nicht. 

c)  Vgl.  oben  §.  G3. 


252 

sem  Titel  als  Zeugen  aufführen.  ])  Dieser  Propst  ist  doppelt  in- 
teressant, einmal  im  Allgemeinen,  indem  späterhin  ein  rechtmässi- 
ger Sohn  desselben  auftritt,  so  dass  Jurata  entweder  als  Propst 
(wohl  ohne  die  Priesterweihe)  oder  vordem  verheiratet  war,  —  und 
dann  wieder  insbesondere  für  die  jetzige  leitmeritzer  Diöcese,  in- 
dem ihm  ein  Theil  der  heutigen  Stadt  Grabern  als  Eigenthum  gehörte. 
Erweislich  vertauschte  nämlich  des  Jurata  Sohn  Chren  sein  Erbgut 
in  „Cravar"  mit  der  ganzen  dazu  gehörigen  Waldung  gegen  den 
Hof  Radowesic  an  das  Kloster  zu  Doxam  2)  Jurata  scheint  im  J. 
1168  mit  Tode  abgegangen  zu  sein.  3) 

5.  Ihm  folgte  bereits  im  Jahre  1168  der  berühmteste  aller 
Pröpste  von  Melnik,  der  selige  Adalbert. 

Adalbert  war  der  dritte  Sohn  des  Königs  Wladislaw,  geboren 
von  Gertrud  von  Oesterreich,  der  edlen  Stifterin  des  Jungfrauen- 
klosters zu  Doxam  Nachdem  er  als  etwa  achtjähriger  Knabe  seine 
Mutter  durch  den  Tod  verloren  hatte,  ward  er  in  das  neugegrün- 
dete Prämonstratenserkloster  Strahow  zur  Erziehung  gegeben,  ebenso, 
wie  nachmals  seine  ebenfalls  als  selig  verehrte  Schwester  Agnes 
in  das  Kloster  zu  Doxam  4)  Hier  lernte  er  von  Kindheit  auf  das 
geistliche  Leben  kennen  und  lieb  gewinnen.  Hier  sammelte  er  auch 
einen  reichen  Schatz  von  Kenntnissen  und  erwarb  jene  ausgezeich- 
neten Tugenden,  die  ihn  bald  allerwärts  bekannt  und  beliebt  mach- 
ten. Er  widmete  sich  bleibend  dem  geistlichen  Stande  und  erhielt, 
kaum  24  Jahre  alt  die  eben  erledigte  Propstei  des  Collegiatstifts 
zu  Melnik  (1168).  Noch  in  demselben  Jahre  aber  wählte  ihn  das 
Domcapitel  zu  Passau  zu  seinem  Bischöfe,  und  bevor  er  noch  Zeit 


')  Erben  reg.  135,  137,  139,  141. 

8)  Urkunde  bei  Erben  reg.  ad  ann.  1170.  p.  157.  Tomek  I.  100  verlegt 
irrthümlich  dieses  Crawar  hinter  Liben  bei  Prag.  Wir  kommen  darauf 
bei  Besprechung  des  Klosters  Doxan  wieder  zurück. 

a)  Eine  Vermuthung  drängt  sich  auf:  War  vielleicht  der  1145  vom  Cardinal 
Guido  wegen  seines  verheirateten  Standes  entsetzte  prager  Propst  nach- 
mals wieder  zu  einem  geistlichen  Amte  gekommen?  Wurde  er  in  einer  Zeit 
da  die  Reformation  Guidos  wieder  vielfach  umgangen  ward,  mit  der  Propste ' 
Melnik  versorgt?  (Vgl.  §.  52.) 

4)  Chron.  Pulkavae  ad  ann.  1151.  (Mon.  Boh.  III.  166).  Mika  „das  ruhmwür- 
dige Doxan"  p.  21,  cit.  Strahöwer  Jahrbücher.  Vgl   Palacky  I.  430. 


253 

gewonnen  hatte,  die  Annahme  dieser  Würde  zu  erklären,  erkor  ihn 
auch  das  Capitel  zu  Salzburg  zu  seinem  Metropoliten.  ') 

Von  da  an  begann  die  Zeit  schwerer  Leiden  für  Adalbert. 
Das  Salzburger  Domcapitel,  bisher  wegen  seiner  offenen  Erklärung 
für  den  rechtmässigen  Papst  Alexander  III.  vom  Kaiser  Friedrich 
viel  verfolgt,  hatte  den  böhmischen  Prinzen  in  der  Hoffnung  ge- 
wählt, dass  dieser  wenigstens  als  Sohn  eines  langjährigen  Freundes 
dem  gereizten  Kaiser  genehm  sein  und  so  die  kaiserliche  Bestäti- 
gung finden  werde,  und  dass  man  so  nicht  erst  genöthigt  werden 
möchte,  einen  erklärten  Schismatiker  als  Erzbischof  anzunehmen. 
Diese  Hoffnung  war  vergeblich.  Dem  Kaiser  stand  die  Parteinahme 
für  seinen  schismatischen  Papst  höher,  als  die  schon  längere  Zeit 
schwankende  Freundschaft  mit  dem  böhmischen  Könige.  So  kam 
es,  dass  Wladislaw  und  Adalbert  auf  dem  Hof  tage  zu  Bamberg  statt 
der  gewünschten  Belehnung  des  letztern  mit  den  Regalien  —  nicht 
einmal  Zutritt  erhielten.  (8.  Juni  1169.)  Ja  der  Kaiser  brach  sogar 
noch  im  folgenden  August  mit  bewaffneten  Schaaren  gegen  Salz- 
burg auf,  und  strafte  durch  furchtbare  Verwüstung  des  Landes  das 
ihm  verhasste  Capitel.  *)  Vergeblich  bemühte  sich  Adalbert  den 
erzürnten  Kaiser  zu  versöhnen,  indem  er  demselben  die  Feste  und 
Stadt  Salzburg  und  alle  Burgen,  Ministerialen,  Ortschaften  und 
Zehnten  des  Erzstifts  ohne  Vorbehalt  als  einzigen  Gegenstand  weltli- 
chen Interesses  überlieferte,  ja  sogar  noch  5000  Mark  Silbers  und 
20  Pfund  Goldes  herauszuzahlen  versprach,  und  selbst  nichts  Wei- 
teres haben  wollte,  als  sein  geistliches  Amt, 3)  das  er  durch  Con- 
secration  von  Seiten  des  Patriarchen  zu  Aquileia  und  durch  Em- 
pfang des  erzbischöflichen  Palliums  von  Seiten  des  Papstes  Alexan- 
der III.  bereits  übernommen  hatte. 4)  Alles  war  vergeblich.  Fried- 
rich bedrängte  das  Capitel,  dass  es  zu  einer  neuen  Wahl  schreite,  5) 
und  befahl  strengstens  dem  Klerus  des  erzbischöflichen  Sprengeis, 
dem   Erzbischof  Adalbert  den  Gehorsam  zu  verweigern. 6)    Aber 


l)  Palacky  I.  453. 

*)  Vgl.  Ebendaselbst  I.  454. 

3)  Vgl.  ürkde.  Erben  reg.  142. 

4)  Inthronisirt   am   1.   Nov.   1168,   zum  Priester  geweiht  und  consecrirt  zum 
Bischöfe  15—16  März  1169.  Damberger  synchr.  Gesch.  VIII.  863. 

5)  Ebendas. 

6)  ürkde.  ebendas.  145  ad  ann.  1170.  Damberger  VIII.  893,  894,  899. 


254 

auch  dieses  war  vergebens.  Der  grössere  Theil  der  Capitularen 
widerstand  dem  kaiserlichen  Ansinnen  aus  Begeisterung  für  die  ge- 
rechte Sache,  der  Klerus  aber  fürchtete  die  angedrohten  kirchlichen 
Censuren  mehr,  als  den  Zorn  des  Kaisers.  l)  Adalbert  selbst  flüch- 
tete zu  seiner  persönlichen  Sicherheit  erst  in  die  Gebirge  von  Kärn- 
then  und  1170  in  das  obersteierische  Kloster  Admont. -)  Ohne  Er- 
folg blieb  ein  Versuch  unseres  Königs  Wladislaw,  durch  den  Bischof 
Wigmann  von  Magdeburg  seinen  Sohn  mit  dem  Kaiser  zu  versöh- 
nen 3)  (1171).  Indess  ermahnte  der  Papst  Alexander  III.  unseren 
Fürsten  wiederholt  (1171  und  1172),  seinen  Sohn  und  die  Kirche 
von  Salzburg  standhaft  zu  vertheidigen.  4)  Wladislaw  aber  fühlte 
bereits  zu  sehr,  dass  seinem  durch  mehrere  Krankheiten  geschwächten 
Leben  das  Ende  nahe,  und  es  war  ihm  viel  zu  viel  daran  gelegen,  sei- 
nem ältesten  Sohne  die  Nachfolge  in  Böhmen  zu  sichern,  als  dass 
er  jetzt  einen  unabsehbaren  Kampf  gegen  den  Kaiser  hätte  eröff- 
nen mögen.  5)  Drum  begnügte  er  sich,  noch  einmal  im  Jahre  1172 
den  Weg  der  Unterhandlung  zu  betreten.  Zu  diesem  Zwecke  be- 
suchte er  den  Hoftag  des  Kaisers  zu  Salzburg,  und  drei  Suffragane 
von  Salzburg  vereinten  dort  mit  ihm  ihre  Bitten  für  Adalbert.  Da 
war  der  Kaiser  endlich  bereit,  den  Adalbert  wieder  in  Gnaden  auf- 
zunehmen :  jedoch  müsse  derselbe  gegen  anderweitige  Entschädi- 
gung mit  geistlichen  Würden  jedenfalls  dem  salzburger  Erzbisthume 
entsagen.  Solche  Bedingung  aber  nahm  Adalbert  nicht  an  und 
floh  neuerdings  in  die  Gebirge. ü)  Mehr  als  je  zürnte  nun  Fried- 
rich ihm  und  dem  salzburger  Capitel,  das  treu  an  seinem  Metro- 
politen hielt.  Harte  Drohungen  eröffneten  die  Feindseligkeiten  (11 73). 7) 
Uiberdiess  erhob  sich  jetzt  im  kaiserlichen  Auftrage  der  Herzog 
Heinrich  von  Kärnthen,  um  den  armen  Erzbischof  allerwärts  zu  ver- 
folgen und  seine  Anhänger  in  jeglicher  Weise  zu  bekämpfen. 8)  Auch 


>)  Vgl.  Urkde.  Erben  142.  u.  150. 

8)  Henricus  archidiac.  Salisburg.  item  chartae  archiepiscopales  bei  Hansiz  II. 

288;  also  weilte  er  nicht  in  Mähren  u.  in    seiner  Propstei  zu  Melnik,  wie 

Pulkawa  erzählt. 

3)  Urkde.  bei  Erben  reg.  146. 

4)  Urkden  Erben  reg.  147. 

5)  Vgl.  Palacky  I.  455. 

t])  Vgl.  Urkde.  Erben  reg.  148. 
7j  Vgl.  Urkde.  Erben  reg.  150. 
8)  Urkde.  in  Erben  reg.  152. 


255 

die  Grafen  von  Plauen  verdienten  sich  in  gleichem  Kampfe  des  Kai- 
sers Lob.  ')  Der  unglückliche  Erzbischof,  der  nach  der  Thronent- 
sagung seines  königlichen  Vaters  (1173)  keine  Hilfe  mehr  aus  dem 
Vaterlande  gewärtigen  konnte,  wurde  nun  sogar  auf  einem  Reichs- 
tage zu  Regensburg  (26.  Mai  1174)  förmlich  —  obwohl  unrechtmässig 
—  abgesetzt,  und  der  Propst  Conrad  von  Berchtesgaden  an  seine 
Stelle  eiugedrängt. 3)  Da  verliess  endlich  das  eingeschüchterte  Ca- 
pitel  seinen  hartbedrängten  Metropoliten.  3)  Einzig  nur  der  Herzog 
Heinrich  Jasomirgott  von  Oesterreich  bot  ihm  noch  Schutz,  obschon 
er  desshalb  vom  böhmischen  Bauernfürsten  auf  kaiserliches  Geheiss 
mit  Krieg  überzogen  ward  (1175).  Da  machte  endlich  der  Friede 
von  Venedig  (24.  Juni  1177)  dem  Kampfe  zwischen  Friedrich  und 
dem  Papste  ein  Ende :  hiemit  musste  auch  Friede  werden  zwischen 
Ersterem  und  dem  Erzbischofe  Adalbert.  Der  fromme,  aller  Eigen- 
sucht bare  Kirchenfürst  legte  zu  diesem  Ende  seine  ganze  Sache 
in  die  Hände  des  Papstes.  4)  Auf  dessen  Wunsch  brachte  er  seine 
Person  dem  eben  geschlossenen  Frieden  zwischen  Kirche  und  Reich 
zum  Opfer.    Er  resignirte  auf  das  salzburger  Erzbisthum.  5) 

Während  des  ganzen  Kampfes  hatte  Adalbert  die  Pro  pst  ei 
von  Melnik  sich  vorbehalten.  Einer  Administration  daselbst  hatte  es 
aus  dem  Grunde  nicht  bedurft,  weil  die  wenigen  damit  verbundenen 
geistlichen  Functionen  ohnehin  von  jeher  (da  die  Pröpste  selten 
Priester,  sondern  meist  nur  niedere  Kleriker  waren)  durch  ange- 
stellte Vicare  besorgt  wurden.  Aber  nur,  so  lange  sein  Vater  in 
Böhmen  regierte,  wahrte  man  dort  des  bedrängten  Sohnes  Recht. 
Gleich  nach  Wladislaws  Thronentsagung  (anfangs  1173)  finden  wir 
dort  einen  —  ohne  Zweifel  vom  Herzoge  Sobeslaw  erwählten  Propst, 
Namens  Hieronymus.  So  sollte  das  Schisma  auch  selbst  hieher 
sich  verpflanzen. ü)  Dieser  Hieronymus  wird  zugleich  als  Magister  der 
Gottesgelehrtheit  aufgeführt  und  war  ohne  Zweifel  einer  der  Hofgeist- 


')  Urkde.  in  Erben  reg.  152. 

~)  Palacky  I.  466.  Damberger  VIII.  924.  I 

3j  Urkde.  Erben  reg.  154. 

4)  Palacky  I.  467. 

5)  Urkden.  reg.  160.  Damberger  VIII.  989. 

G)  Dass  Hieronymus  wirklicher  Propst  u.  nicht  bloss  Administrator  war, 
dafür  bürgt  ausser  Obengesagtem  seine  Unterschrift  in  öffentlichen  Urkunden 
bei  Erben  reg.  149  ad  1172  (recte  1173).  , 


v 


256 

liehen  des  neuen,  dem  Adalbert  feindseligen  Fürsten.  Er  muss 
aber  bereits  im  Jahre  1174  gestorben  sein.  Denn  im  nächstfolgen- 
den Jahre  befiehlt  Kaiser  Friedrich  dem  Herzoge  Sobeslaw,  die  er- 
ledigte Propstei  zu  Melnik  einem  kaiserlichen  Verwandten  zu  ver- 
leihen, dem  Sobeslaw  vor  Kurzem  die  Stelle  eines  Hofkaplans  ent- 
zogen hatte.  ')  Es  ist  kaum  zu  zweifeln,  dass  der  Herzog  dem  Be- 
fehle des  Kaisers  wirklich  nachkam.  Doch  ist  uns  der  Name  des 
neuen  Propstes  nicht  mit  Sicherheit  bekannt.  Nur  die  Bezeich- 
nung desselben  mit  „Be"  lässt  den  Namen  Benedikt  (Benko)  ver- 
muthen.  Vielleicht  war  es  derselbe  Benedikt,  den  wir  später  als 
Propst  von  Leitmeritz  kennen  lernen  werden. 

Adalbert  kehrte  nach  seiner  im  Jahre  1177  erfolgten  Resig- 
nation auf  Salzburg  und  nach  der  Vertreibung  des  ihm  feindlichen 
Bauernfürsten  Sobeslaw  im  Jahre  1178  nach  Böhmen  zurück,  und 
nahm  nun  wieder  ohne  Anstand  Besitz  von  seiner  Propstei  zu 
Melnik.  Der  Kirchenfriede  inusste  selbstverständlich  auch  hier 
das  Schisma  enden.  Er  lebte  nun  in  Melnik  selbst  in  frommer 
Zurückgezogenheit.  „Uiber  seine  Sanftmuth,  Frömmigkeit  und  Hin- 
gebung war  unter  seinen  Zeitgenossen  nur  eine  Stimme."  Sie  ver- 
söhnte endlich  auch  den  ihm  feindlich  gesinnten  Kaiser,  der  ihm 
1182  die  Rückerstattung  seines  Erzbisthums  versprach,  und  dieses 
Versprechen  im  nächsten  Jahre  wirklich  erfüllte.  3)  Adalbert  blieb 
nun  wohl  immer  noch  Propst  von  Melnik,  zog  aber  nach  Salzburg, 
um  dort  ganz  für  sein  heiliges  Amt  zu  leben.  In  den  Jahren  1184 
und  1189  sollte  er  sich  noch  der  Würde  eines  apostolischen  Lega- 
ten erfreuen. 3)  Endlich  beschloss  er  im  Rufe  der  Heiligkeit  sein 
vielbewegtes,  leidenvolles  Leben  am  7.  April  1200.  Unsere  Vor- 
fahren verehrten  ihn  als  einen  Seligen. 4) 

§.  65.  Das  neue  Collegiatstift  Wysehrad. 

1.  Herzog  Wratislaw  IL  hatte  bereits  um  1068  in  Folge  eines 
Gelübdes  5)  den  Grund  zur  Kirche  des  h.  Petrus  in  der  alten  Für- 


')  Urkde.  Erben  reg.  155,  156.    Der  neue   Candidat  wird  im  jetzigen  Texte 

der  Urkunde  nur  mit  Be  bezeichnet. 
~)  Palacky  I.  475. 
3)  Urkde.  Erben  reg.  172,  188. 
4j  Bubna  Canon,  cap.  Prag. 
5J  Dass  ein  Gelübde  der  Grund  war,  bestätigt   die  Bulle  Alexanders  II.  ad 


257 

stenburg  Wysehrad  gelegt,  in  der  Absicht,  dabei  ein  neues  Colle- 
giatstift  zu  gründen.  ')  Den  Grundstein  hatte  auf  seine  Verwen- 
dung ein  eigens  dazu  von  Rom  gekommener  päpstlicher  Legat,  Jo- 
hannes Bischof  von  Tusculum,  gelegt  und  Wratislaw  selbst  hatte 
dabei  12  Körbe  voll  Erde  auf  eigenen  Schultern  zugetragen. 2)  Be- 
reits unterm  9.  Mai  1070  konnte  Papst  Alexander  IL  dem  neuen 
Gotteshause,  bei  welchem  12  Capitularen  nebst  einem  Propste  und 
einem  Dechante  den  heiligen  Dienst  versehen  sollten,  auf  Wrati- 
slaws  Verwendung  den  Schutz  des  apostolischen  Stuhles  und  den 
Ehrenrang  als  einer  Hauptkirche  des  Landes  verleihen,  unter  Einem 
die  bereits  erlangten  Besitzungen  bestätigen,  und  den  Capitularen 
den  Gebrauch  der  bischöflichen  Mitra  und  Sandalien  zugestehen.  3) 
2.  Ausnehmend  reich  war  die  Dotation  des  nunmehrigen 
ersten  und  vornehmsten  aller  Collegiatcapitel  in  Böhmen  und 
Mähren.  Herzog  Wratislaw  war  gegen  dasselbe  überaus  freigebig 
in  der  Widmung  von  Ortschaften,  Zinsungen  und  dienstbaren  Leu- 
ten. Auch  der  Bischof  Gebhard  (Jaromir)  von  Prag  schenkte  dazu 
200  und  Bischof  Johann  von  Olmütz  100  zinsbare  Unterthanen.  4) 
Weiterhin  beeiferten  sich  auch  die  Nachfolger  sowohl  auf  dem  her- 
zoglichen als  bischöflichen  Stuhle  und  nicht  minder  die  Edlen  des 
Landes,  den  Glanz  des  Wy Sehrader  Stiftes  durch  neue  Schenkungen 
zu  vermehren.  So  gelangte  dieses  zu  einem  Reichthume,  der  als- 
bald im  weiten  Vaterlande  seines  Gleichen  suchte.  So  wurden  auch 
die  Würden  —  nicht  bloss  des  Propstes  und  Dechants,  sondern 
auch  der   einfachen  Capitularen  einerseits  immer  mehr   ein  Gegen- 


1072.  Gegen  die  Angabe  des  Hajek  u.  Dubravius,  welche  behaupten,  Wra- 
tislaw habe  den  ganzen  Plan  der  neuen  Capitelstiftung  nur  seinem  bischöf- 
lichen Bruder  zum  Possen  gefasst  u.  ausgeführt,  spricht  ausser  der  Natur 
der  Sache  auch  noch  der  Umstand,  dass  Bischof  Gebhard  (Jaromir)  selbst 
bei  der  Dotation  des  neuen  Stifts  sich  betheiligte.  (Vgl.  dieselbe  Bulla 
Alexanders  II.,  u.  Pesina  phosph.  p.  266.) 

')  Hammerschmidt  gloria  et  majestas  ecclesiae  Wysehradensis.  Ruffer : 
Historie  Wysehradska  38  etc. 

2).Urkde.  Alexanders  II.  in  Erben  reg.  p.  57.  Vielleicht  hängt  mit  dieser 
Grundsteinlegung  durch  einen  römischen  Legaten  die  seltsame  Sage  zu- 
sammen :  der  Teufel  habe  bei  Gelegenheit  dieses  Baues  eine  Säule  von 
Rom  herbeigetragen. 

3)  Dieselbe  Urkunde  Alexanders  IL  u.  Tomek  Gesch.  Pr.  I.  86. 

4)  Obige  Urkunde  Alexanders  IL     .  ' 

17 


258 

stand  der  Bewerbung  für  die  edelsten  Familien,  und  anderseits  eine 
besondere  Auszeichnung  für  die  verdientesten  Kleriker  des  Landes. 

Als  Präbenden  dieses  Capitels  werden  im  J.  1384  aufgezählt,  ]) 
und  zwar  mit  Ausschluss  der  Propstei,  der  Dekanie  und  Schola- 
sterie :  Die  Custodie-Präbende  Kbel  (2  Schock  6  G.),  die  einfachen 
Präbenden  Modfanov  (2  Seh.),  Wrsowice  mit  Wotice  (1  Seh.  12  Gr.), 
Tfitec  (36  Gr.),  Kustoplach  (Kostomlaty  ?),  Sitka  (2  Seh.  6  Gr.), 
Snöt  (1  Seh.  26  Gr.),  die  Präbende  bei  Saaz  (3  Seh.  4  Gr.), 
Pfeska  (42  Gr.),  Blazejowice  und  Branice  (34  Gr.),  die  Präbende 
in  Elbogen  (1  Seh.  10  Gr.),  Hohenmauth  (0),  Hroznetice  und  Ho- 
fice (1  Seh.  12  Gr.),  Dymice  (1  Seh.  6  Gr.),  Hefman  (0),  Zili- 
mir  (1  Seh.  12  Gr.),  Jezov  mit  Kralowice  (1  Seh.  12  Gr.),  die  2 
Präbenden  in  Blazejowice  und  Branice  (34  und  30  Gr.),  ÜeSowice 
(32  Gr.),  Tomice  (15  Gr.),  Chrystoklad  (0),  2  Präbenden  in  Libe- 
znice  (jede  2  Seh.),  Ursawa  (30  Gr.),  —  und  die  Obedienz  in  Ka- 
menny  Most  (30  Gr.). 

3.  Im  Umkreise  der  jetzigen  Diöcese  von  Leitmeritz  lagen 
folgende  Besitzungen  des  Capitels: 

a.  Der  Gutscomplex  von  Schüttenitz  (Sitenicej.  Schon  bei 
der  Stiftung  des  Capitels  (1068)  gelangte  diese  noch  heute  zu  Wy- 
sehrad  gehörige  Besitzung  an  das  genannte  Capitel,  und  zwar,  wie 
die  dem  Inhalte  nach  verlässige  sogenannte  Stiftungsurkunde  *)  aus- 
drücklich besagt,  —  das  ganze  Dorf  mit  Wein-  und  Obstgärten, 
angehend  von  der  Quelle,  die  im  Berge  Lbin  (jetzt  Welbine)  ent- 
springt, bis  an  die  Marktstrasse  herab.  Ausserhalb  dieser  Grän- 
zen  bestand  —  wie  schon  erwähnt  wurde  —  eine  Obedienz  des 
leitmeritzer  Collegiatstifts.  Die  Pfarrkirche  in  Schüttenitz  ward  um 
das  Jahr  1200  von  dem  Propste  Siegfried  von  Eppenstein  (zugleich 
Erzbischof  von  Mainz,  nachmals  Cardinal)  erbaut  und  feierlich  con- 
secrirt.  3)  Nachmals  geschah  unter  König  Wenzel  I.  (c.  1230,)  ein 
Vergleich  zwischen  dem  Propste  und  Capitel  betreffs  der  beidersei- 
tigen Rechte  in  Schüttenitz:  hiebei  wurde  bestimmt,  dass  die  Col- 


1)  Regist.  deeim.  Die  beigefügten  Beträge  sind  die  Halbjahrszehente  v.  1384 
und  lassen  auf  den  Reichthum  des  Capitels  schliessen. 

2)  Erben  reg.  77.  Diese  Stiftungsurkunde  ist  zwar  nicht  authentisch,  aber  dem 
Inhalte  nach  wahrhaft.  (Tomek.   G.  Pr.  I.  86.) 

3)  Anonymus  Continuator  ephemeridum  Litomeric.  M.  S.  der  strahöver  Stifts- 
bibliothek. 


259 

latur  über  die  Pfarrkirche  daselbst  dem  gesammten  Capitel  zuste- 
hen solle.  ')  Später  scheint  diese  Bestimmung  wieder  abgeändert 
worden  zu  sein,  indem  erweislich  in  der  zweiten  Hälfte  des  14. 
Jahrhunderts  und  weiterhin  diese  Collatur  als  ein  ausschliessliches 
Recht  der  Pröpste  erscheint.  2)  Die  Dotation  der  Pfründe  war  so 
vorzüglich,  dass  ihre  Beisteuer  zum  allgemeinen  Kirchenzehent  im 
J.  1384  halbjärig  auf  24  prager  Groschen  fatirt  werden  konnte. 3) 
Im  Jahre  1408,  26.  April  übertrug  ein  Weinbergbesitzer  daselbst 
noch  den  Zehent  von  seinem  Weinberge  aus  freien  Stücken  an  jene 
Kirche.  4)  Im  J.  1410,  4.  Juni  verpfändete  König  Wenzel  dieses 
Dorf  sammt  den  dazu  gehörigen  Ortschaften  um  500  Schock  böhm- 
Groschen  an  Hasko  von  Robec,  5)  von  dem  es  nachher  auf  eine  Zeit 
an  die  Herren  von  Raupowa  gelangte.  —  Als  dazu  gehörige  Orte 
werden  erwähnt:  Lbin  (das  heutige  Welbine) 6),  Skalice,  das 
heutige  Skalitz  am  Schüttenitzer  Bach,  Tynec  (Teinitzl,  Gut  Za- 
hofan),  Male  so  w  (Maischin,  ebendaselbst),  Wrutice  (Webrutz, 
GutEnzowan),  Kojetic  (Gojeditz,  Gut  Schwaden),  7)  Aujezd  (Gut 
gl.  N.),  ein  Zehent  in  Leitmeritz, 8)  und  das  Patronat  der  S. 
Peterscapelle  in  der  Vorstadt  daselbst.  9) 


')  Urkunde  in  Hammerschmidts:  gloria  et  majestas  eccle.  Wyseh.  p.  182  etc- 
3j  Libri  Confirm.  M.  S.  II  und  VII.  Collatoren  1370  und  1372  Propst  Johann 

1416  Albik,  zugleich  Erzbischof  von  Caesarea).   Beide  Pröpste  sind  in  der 

Series  bei  Hammerschmidt  nicht  erwähnt. 

3)  Codex  deeimarum. 

4)  Lib.  Erect.  VIII.  B.  3. 

5)  Palacky  Archiv  II.  453. 

6)  Vgl.  Stiftungsurkunde. 

7)  Ebendaselbst. 

8)  Vergleichsurkunde  1239  bei   Hammerschmidt  p.  182. 

9)  Libri  Confirm.  M.  S.  ad  1402  und  1417.  Als  für  diese  Capelle  präsentirende 
Pröpste  werden  da  genannt:  1402  Nicolaus  (nebst  Bocko  von  Kunstadt),  1417 
Albik  v.  Cäsarea.  Auch  diesen  Nicolaus  kennt  die  Series  bei  Hammerschmidt 
nicht.  Der  Standort  dieser  Kapelle  ist  jetzt  unbekannt.  Vielleicht  lässt  der 
Umstand,  dass  der  Propst  auch  das  Zinsrecht  von  einem  Eibbade  nebst  Un- 
terthanen  in  Leitmeritz  besass,  vermuthen,  auch  jene  Kapelle  sei  nahe  an 
der  Elbe  (etwa  in  der  heutigen  Mariahilfvorstadt)  gestanden.  (1177  ertheilte 
K.  Ottokar  dem  Capitel  ein  Privilegium,  kraft  dessen  die  Unterthanen  des 
Capitels  in  Leitmeritz  nicht  zu  den  städtischen  Gerichten  gezogen  werden 
durften,  und  das  auf  Propsteigrunde  erbaute  Eibbad  dem  Propste  Zinsen 
sollte.  Hammerschmidt   p.  210. 

17* 


260 

b.  Als  Vermächtniss  des  Nemoy  von  Wrsowec  gediehen  im  J. 
1108  (nach  dem  Tode  seiner  Gemalin)  an  das  Wygehrader  Stift  die 
Dörfer  Cernuc  und  WraSkow  (G.  Doxan),  S  k  r  s  i  n  (bei  Kosel),  C  h  r  a- 
berce  (bei  Laun)  nebst  Libyn  (im  rak.  Kreise).  ')  Wahrscheinlich 
verfiel  diese  Erbschaft  anfänglich  mit  in  die  Confiscation  der  Wr§o- 
wecischen  Güter.  Sicher  befanden  sie  sich  erst  1174  im  Besitze 
des  Capitels. 3)  Uiberdiess  besass  letzteres  in  dieser  Gegend  schon 
vom  Anfange  her  1  Pflugmass  zinsbaren  Ackers  nebst  1  Kleider- 
wäscher im  Pfarrdorfe  L  i  b  ö  e  w  e  s  (Liebschhausen) 3),  2  Pflugmasse 
derselben  Eigenschaft  in  Zihlic  (Schichlitz  bei  Teplitz);  und  wei- 
terhin im  saazer  Kreise  1  Pflugmass  und  1  Bergmann  im  alten  Pfarr- 
dorfe Uho§tany  (Atschau,  G.  Milsau)  4),  1  Pflugmass  und  einen 
Töpfer  in  Lomasic  5)  (Lametitz  G.  Pohlig),  1  Pflugmass  und  1 
Fischer  in  Trnowan  (Tyrnowan  G.  Dobritschan),  und  1  Gerber, 
1  Kelchner  und  1  Eisenarbeiter,  in  S  a  a  z. 

c.  Im  bunzlauer  Kreise  gehörten  dem  Capitel  das  jetzt  ver- 
schwundene Dorf  Piymany  (bei  Liboch),  ein  Theil  von  Zel£in 
bei  Melnik  ^j,  15  Pflugmasse  Ackers  in  Melnik7),  7  Ansässig- 
keiten mit  den  betreffenden  Unterthanen  in  Heikowice  (G.  Do- 
browice),  1  Pflugmass  nebst  einem  dienstbaren  Schmiede  im  Pfarr- 
dorfe Jesenik   (G.   Kfinec)  8),  7  Ansässigkeiten  und  4  Winzer  in 


!)  Urkunde  Erben  reg.  85. 
3)  Tomek  G.  Pr.  I.  89. 

3)  Dieses  Pfarrdorfes  ward  schon  unter  den  Besitzungen  des  prager  Domca- 
pitels  gedacht. 

4)  Stiftungsurkunde  Erben  reg.  85.  Uhoätany  hatte  erweislich  schon  vor  1 363 
eine  eigene  Pfarre;  denn  in  diesem  Jahre  installirte  der  dortige  Pfarrer 
den  Seelsorger  in  Okenow  (Lib.  connrm.)  Doch  war  die  Pfründe  ziemlich 
arm,  da  sie  1384  nur  3  böhm.  Groschen  als  halbjährigen  Kirchenzehent  ab- 
liefern konnte.  (Codex  deeimarum.) 

5)  1384  war  die  Pfarrpfründe  noch  so  arm,  dass  sie  keinen  Zehent  entrichten 
konnte.  (Cod.  Decim.)  1411  20.  April  schenkte  Wenzel  von  Polak  der  Kirche 
eine  Zinsunu  von  1   Schok  G  Gr.  (Erect.  VIII.  N.  6.) 

fi)  Ersteres  wurde  1410  von  K.  Wenzol  an  Ilasko  v.  Robec,  letzteres  von  K. 
Sigmund  1420  an  Jan  v.  Brnikova  verpfändet.  (Palacky  Archiv  I.  u.  II.) 

7)  Hammerschmidt  247.  Eilf  davon  wurden  erst  1321  v.  Königin  Elisabeth 
geschenkt.  (Ebend.  2G1.) 

8)  Stiftungsurkunde  Erben  reg.  85.  Auf  dieses  uralte  Pfarrdorf,  dessen  Col- 
laturrecht  nachmals  dem  Johanniterorden  zustand,  (Lib.  connrm.  ad  1383) 
kommen  wir  später  ausführlicher  zu  sprechen. 


261 

Badry(?)  und  3 'Pflugniasse  Ackers  im  Pfarrdorfe  Bezno.  ')  Letz- 
tere Besitzung  war  immerhin  so  bedeutend,  dass  später  drei  Ca- 
nonici ihr  Einkommen  davon  beziehen  konnten. 2) 

d.  Von  den  Landeseinkünftcn  flössen  dem  Capitel  zu:  der 
zehnte  Theil  der  allgemeinen  Friedenssteuer  (mir)  von  16  Zupen  (da- 
runter die  von  Leitmeritz,  Saaz,  Bilin,  Tetsclien,  Bunzlau,  Kame- 
nec,  Havvran),  der  zehnte  Theil  der  Verkaufstaxe  (venditiones,  in  4 
Zupen  (darunter  Kameriec),  bestimmte  Antheile  an  einigen  Zöllen 
(ausserhalb  der  jetzigen  leitm.  Diöcese),  die  Einkünfte  von  3  Uiber- 
fuhren  (darunter  eine  bei  Laun),  verschiedene  Bezüge  aus  den  kö- 
niglichen Zupenburgen  (Tisch-  und  Handtücher)  nebst  einer  Menge 
Naturallieferungen  von  den  königlichen  Maiereien  des  Landes,  end- 
lich der  Zehent  vom   Masserträgnisse  des  Marktes   in   Budissin. 3) 

§.  (36.  Das  Collegiatstift  Sadska. 

1.  Dieses  Stift  hatte  seinen  ehemaligen  Sitz  zu  Sadska  un- 
weit von  Nimburg,  zunächst  an  der  Gränze  der  gegenwärtigen  Diö- 
cese Leitmeritz.  Der  Gründer  desselben  war  Herzog  Bofiwoj  II. 
Dieser  war  der  frommen  Uiberzeugung,  dass  er  seine  Rettung  aus 
dem  jahrelangen  Kerker  vor  Allem  der  Fürbitte  des  h.  Apollinaris 


')  Stiftungsurkunde,  wie  oben.  Die  Pfarre  Bezno  war  nächst  der  Burg  Pösig 
wahrscheinlich  die  erste  Pfründe  des  Dekanates  Kamenec.  Sie  zahlte  auch 
1384  nächst  Pösig  den  höchsten  Kirchenzehent  im  Dekanate  (30  gi\).  Als 
Collatoren  erscheinen  in  den  Confirmationsbitchern:  1373  Bohunek  de  Li- 
bis,  1399  Bohunek  cliens  de  Bezna,  1417  Bohusek  u.  Ctibor  de  Bezna. 
(Vgl.  Collegiatstift  Altbunzlau.) 

-)  Tomek  G.  Pr.  S.  99. 

:i)  Tomek  Gesch.  Pr.  87  u.  88.  resp.  Stiftungsiu-kunde.  Uibrige  ursprüngliche 
Besitzungen:  Im.rak.  Kr.  Hostin,  Wojkowic,  ein  Theil  Hoholic,  dessglei- 
chen  von  Blahotic,  Lobec,  Hornin,  Drahlic,  Budehostic,  Kamenmost,  Rez, 
Podlesin,  Knowiz,  Libosin,  Auherz,  Dehnic,  Knezewes,  Modfiluh,  Tynec, 
Jinonic,  Butowic,  Leten  und  Buben.  Im  kauf.  Kr.  Theile  von  den  Dörfern 
Cakowic,  Kacihora,  Stitaf,  Nesmen,  Woderad,  Kaufim,  Chotis,  Sluh,  Psaf, 
Jesenic,  Wrbcan,  Hradist,  Klk,  Bfezan,  Chwa^  Dubec,  Öenetic,  Wrsowic, 
Nusel,  Bast,  Zäbehlic,  Branik  und  Winof.  Im  ber.  Kr.  Theile  der  Dörfer 
Bojesic,  2inan,  Brod,  Obfin,  Wrhowic,  Let,  Suchomast,  Swinaf,  2how,  Mo- 
kropes,  Honic,  Holyn,  Komofan  und  der  Berg  Plesiwec  bei  Karlstein.  Im 
pracb.  Kr.  Theile  von  Susic  und  Rastyl.  Auch  ünterthanen  in  Prag  selbst. 
(Näheres  Tomek  Gesch.  Prags  I.  86—88.) 


262 

zu  verdanken  habe,  und  verehrte  seitdem  diesen  seinen  Schutzpa- 
tron mit  glühender  Andacht.  Als  er  im  J.  1115  neuerdings  den 
Thron  bestiegen  hatte,  gründete  er  aus  Dankbarkeit  zu  Sadska  eine 
prachtvolle  Kirche  zu  Ehren  des  h.  Apollinar,  dotirte  sie  mit  rei- 
chen Einkünften  und  stiftete  für  den  heiligen  Dienst  bei  derselben 
ein  Collegiatcapitel  mit  einein  Propste  an  der  Spitze.  *)  Später 
(1362)  übertrug  Kaiser  Karl  IV.  die  gesammte  Stiftung  ßofiwojs 
zu  der  neuen  Apollinarkirche  auf  dem  Windberge  zwischen  Prag 
und  Wysehrad.  2)  Im  J.  1503  wurde  dieses  in  den  husiti sehen  Be- 
wegungen ganz  verarmte  Collegiatstift  durch  den  König  Wladislaw 
mit  dem  prager  Domcapitel  derart  vereinigt,  dass  die  Metropolitan  - 
canoniker  zugleich  Capitularen  bei  S.  Apollinar  waren  und  einer 
derselben  die  Würde  des  Dechants  bekleidete.  Die  Propstei  war 
mittlerweile  gänzlich  eingegangen.  3) 

2.  Eine  Aufzählung  aller  ehemaligen  Besitzungen  von  Sadska 
ist  nicht  leicht  möglich,  da  weder  eine  echte  noch  unechte  Stiftungs- 
urkunde bekannt  ist.  Der  Umstand,  dass  Bofiwoj  IL  der  Gründer 
war,  selber  aber  das  Land  jenseits  des  rechten  Elbeufers  seinem 
Bruder  Wladislaw  überlassen  hatte,  lässt  vermuthen,  dass  die  ur- 
sprünglichen Dotationsgüter  von  Sadska  durchgängig  am  linken 
Ufer  der  Elbe,  —  daher  zumeist  ausserhalb  der  jetzigen  Diöce- 
sangränzen  von  Leitmeritz,  gelegen  waren.  Nachmals  aber  erfolgte 
durch  Karl  IV.  gelegenheitlich  der  Übertragung  des  Capitels  auf 
den  Windberg  bei  Prag  ein  Gütertausch  mit  den  Besitzungen  der 
an  letzterem  Orte  vordem  schon  erbauten  Apollinarkirche.  Hiedurch 
sowie  durch  manche  spätere  Schenkung  mag  Sadska  die  Glänzen 
seiner  Besitzungen  vielfach  erweitert  haben.  Im  Umkreise  unserer 
Diöcese  besass  es  erweislich  die  Dörfer  Rudnik  und  WSstany 
(die  heutigen  Orte  Raudnik  und  Weschen  auf  dem  Dominium  Tür- 
mitz).  Zu  Raudnik  bestand  eine  ziemlich  alte  Pfarrkirche,  die  im 
J.  1384  bereits  10  prager  Groschen  als  halbjärigen    Kirchenzeh ent 


')  Dobner  annal.  VT.  138.  Pubitschka  IV.  194.  Seltsamer  Weise  haben 
einige  Aeltere  unter  dem  „Praepositus  Sacensis"  einen  Propst  von  Saaz 
verstanden,  wo  doch  erweislich  erst  sehr  spät,  und  auch  da  nur  ein  Klo- 
sterpropst  existirte. 

-)  Das  heutige  Gebärhaus. 

3)  Pubitschka  VI.  196.  Berghauer  159,  Litera  Wladislai  regis  origin.  in  Ar- 
chivo  Cap. 


263 


zahlte.  ])  Hier  übten  die  Canonici  von  S.  Apollinar  noch  im  J. 
1413  das  Collaturrecht  aus.  a)  Im  J.  1420  wurde  dieser  Ort  zu- 
gleich mit  Westany  von  K.  Sigmund  an  Peter  von  Skala  und  seinen 
Bruder  auf  Sulewic  um  130  Schock  böhm.  Groschen  verpfändet.  3) 
Ausserdem  wird  noch  eine  Obedienz  des  Apollinarcapitels  in  K  o  z  1  y 
erwähnt.4)  Es  lässt  sich  nicht  entscheiden,  ob  hiemit  der  gleich- 
namige dem  prager  Domcapitel  gehörige  Pfarrort  bei  Liebschhausen 
(von  dem  bereits  gesprochen  wurde),  oder  der  Pfarrort  dieses  Na- 
mens zwischen  Melnik  und  Brandeis  gemeint  sei,  obschon  die  grös- 
sere Wahrscheinlichkeit  für  das  letztere  spricht.  5) 

§.  67.  Die  Benedictinerklöster  zu  Opatowic,  Kladrau,  LeitomysI,  Wilemow 

und  Podlazice. 

1.  König  Wratislaw  I.  legte  im  J.  1086  den  Grundstein  zu 
dem  angeblich  reichsten  aller  böhmischen  Klöster,  zu  Opatowic  in 
der  Einöde  eines  gewissen  Nicolaus  in  der  Gegend  von  Königgräz. 
Zuvor  hatte  daselbst  eine  „Zelle"  —  ein  Filialklösterlein  des  Klo- 
sters Bfewnow  bestanden.  Schon  Wratislaw  dotirte  das  neue  Klo- 
ster mit  echt  fürstlicher  Freigebigkeit.  Mehrere  Gro  sse  des  Reichsi 
der  erwähnte  Nicolaus,  der  Propst  Tessen  von  Gradi  c  und  der  Abt 
Bolebud  und  Wsebor  folgten  sofort  dem  Beispiele  ihres  Königs. 6) 
Später  (1227)  thaten  noch  Graf  Kojata,  die  Edlen  Casta,  Caslaw, 
Zdeslaw  und  selbst  der  königliche  Koch  Matthäus  ein  Uebriges,  um 


1)  Codex  decimarum. 

2)  Lib.  Confirm.  ad  h.  ann. 

3)  Palacky  archiv  (registra  zäpisüw). 
4)Lib.  Erect.  I.  M.  7.  ad  ann.  1375. 

5)  Dieses  Kozly,  obgleich  am  rechten  Elbeufer  gelegen,  gehört  dermalen  zur 
prager  Diöcese,  und  ist  eine  Filiale  von  Wsetaty.  Einst  war  es  eine  eigene 
Pfarre  unter  dem  Dekanate  von  Melnik  und  gehörte,  da  es  1384  12  böhm. 
Groschen  als  halbjährigen  Kirchenzehent  zahlte,  jedenfalls  zu  den  älteren 
Pfründen  der  Gegend.  (Vrgl.  Codex  decimarum.)  Das  Patronatsrecht  besass 
hier  das  Capitel  von  Altbunzlau  (lib.  Confirm.  1371,  1407,  1418).  —  Noch 
werden  als  Besitzungen  des  Apollinarstiftes  genannt:  Satolic  (lib.  Erect. 
XIII.  S.  3.),  Kostrow  (Erect.  XII.  A.  6.),  Kriwan  (Erect.  XIII.  E.  10.), 
Tusce  (Registra  zäpisüw  1437),  Ledöice  (ebend.  1436)  und  Zinsungen  in 
Popowic,  Kocow,  Chaby,  Libkowic,  Hradsin  etc.  (Erect.  VII.  M.  8,  IV.  E.  8- 
VIII.  B.  9,  XII.  0.  9,  XIII.  H.  10,  0.  1. 

6)  Urknd.  Erben  regest.  73. 


264 

den  Reichthuni  des  neuen  Klosters  zu  vermehren.  ')  Wie  König 
Wratislaw  das  gleichfalls  von  ihm  gestiftete  Capitel  von  Wysehrad 
unabhängig  von  der  Jurisdiction  des  prager  Bischofs  haben  wollte, 
ebenso  erwirkte  er  die  Exemtion  des  neuen  Abtes  zu  Opatowic  von 
der  Aufsicht  des  Erzabtes  in  Bfewnovv.  Die  Brüder  des  neuen  Or- 
denshauses berief  er  überdiess  unmittelbar  aus  dem  Mutter -Kloster 
Cassino,  dessen  Abt  fortan  auch  zu  Opatowic  als  geistlicher  Vater 
verehrt  wurde.  Von  Opatowic  selbst  gingen  wieder  neue  Ordens- 
propsteien  aus,  vor  Allem  die  zu  Wahlstadt,  Grissau  und  Neu- 
mark in  Schlesien  (1241— 1535),  zu  Hohen  elbe  und  zu  Base  in 
(vermuthlich  das  heutige  Pöcin  bei  Senftenberg)  in  Böhmen. 2)  Im 
Umkreise  der  jetzigen  leitmeritzer  Diöcese  hatte  das  Kloster  Opa- 
towic keinen  bekannten  Grundbesitz.  3) 

2.  Bedeutungsvoller,  als  die  eben  genannten  Ordenshäuser 
des  h.  Benedict  war  für  den  Umkreis  der  jetzigen  Diöcese  Leitme- 
ritz  das  alte  ehrwürdige  Stift  Kladrau  (Cladruby).  Der  erste  Stifter 
desselben  war  der  Herzog  Swatopluk,  der  leidenschaftlichste  unter 
allen  Regenten  unseres  Vaterlandes,  der  unglückliche  Fürst,  der 
seine  Hände  und  seinen  Namen  mit  dem  Blute  des  Geschlechtes 
der  Wrsowecen  befleckt  hat.  Das  Ordenshaus  und  die  Kirche  zu 
Kladrau  wollte  er  theils  zum  Danke  für  den  errungenen  Fürsten- 
thron, theils  wohl  auch  zur  Sühne  für  seine  traurige  Blutschuld 
erbauen.  Er  legte  hiezu  im  J.  1108  den  Grund.  Er  that  aber 
kaum  vielmehr,  als  dieses;  denn  schon  am  21.  September  1109  fiel 
er  als  ein  beklagenswerthes  Opfer  der  Blutrache  4).  Da  vollendete 
sein  edlerer  Nachfolger  Wladislaw  I.  im  J.  1115  in  Gemeinschaft 
mit  seiner  Gemahlin  Richsa  von  Berg  (Tochter  des  Grafen  Heinrich 


])  ürkdn.  Erben  reg.  72.  87.  337.  338. 

*)  Magnoald  Ziegelbauer  Hist.  mon.  Brevnöv.  p.  209  und  210.  Lib.  Erect. 
XIII.  A.  9.  Sommer  V.  69. 

3)  Genannt  werden:  Opatowice,  Stolany,  Herzen,  Kopisty  (für  Dolany),  Mezi- 
lesy  (für  Skalic),  Matharsow,  Slakowic,  Police,  Wlkowyje,  Öernojedy,  We- 
sele,  Drzicze,  Hlawecko,  Placimice,  Lhota,  Prehrad,  Osiö,  Ostiö,  Wyso- 
kä,  Brezy,  Drahune,  Prelusce,  Soperce,  MakoSin,  Hilna,  Theile 
von  Chruppy,  Wtelno,  Luhinice,  Domasic,  Cerekwice,  Mylbezy,  —  ausser- 
dem grosse  Besitzungen  in  Mähren.  (Erben  reg.  72,  73,  87,  337,  338),  die 
Collatur  bei  S.  Peter  in  Königgräz.  (Bienenberg  Gesch.  v.  Königg.  S.  165.) 

4)  Vgl.  Palacky  I.  357-366. 


265 

von  Berg)  ')  das  begonnene  Werk  und  schuf  sich  durch  die  glän- 
zendste Dotation  des  neuen  Klosters  einen  unsterblichen  Namen. 
Dieses  neue  Ordenshaus  lag  der  westlichen  Gränze  der  jetzigen 
leitmeritzer  Diöcese  ziemlich  nahe,  und  musste  schon  dadurch  einigen 
Einfluss  auf  die  religiösen  Verhältnisse  im  Umkreise  der  letzteren 
gewinnen ;  mehr  aber  noch  war  diess  der  Fall  vermittelst  der  zahl- 
reichen Besitzungen,  die  es  alsbald  in  diesen  Gegenden  aufzuwei- 
sen hatte.  Erweislich  besass  Kladrau  unter  seinen  ausgedehnten  Gü- 
tern die  nachgenannten  Ortschaften  im  Bereiche  der  jetzigen  Diöcese 
von  Leitmeritz: 

a.  Den  Pfarrort  Pnetluky  (Netluk  G.  Neuschloss). 2)  Die 
dortige  Pfründe  bestand  jedenfalls  schon  ziemlich  lange  vor  1360. 
Im  Jahre  1384  betheiligte  sie  sich  mit  6  b.  Groschen  am  halbjäh- 
rigen Kirchenzehent.  3)  Um  diese  Zeit  erscheinen  bereits  Laiencol- 
latoren  daselbst,  und  zwar  1389  Marquard  v.  ßebfik  auf  Pnetluky, 
und  1414  Busek  v.  Ziwtin  auf  Pnetluky.  4) 

b.  Im  bunzlauer  Kreise  gehörte  uioprünglich  zu  Kladrau  das 
Pfarrdorf  Sezemice.  5)  Die  Kirche  daselbst  wird  schon  1359  als 
eine  vordem  bestandene  Pfarrkirche  erwähnt.  6)  Im  J.  1384  zahlte 
sie  6  böhm.  Groschen  zum  Kirchenzehent.  7)  In  nächster  Nähe  ge- 
hörten auch  Sowenice  und  Radowanowice  und  etwas  weiter 
Kobyly  zu  demselben  Kloster.  8) 

c.  Bei  Leitmeritz  besass  Kladrau  die  weiten  Waldungen  bei 
Probost  sammt  inneliegenden  Dorfschaften,  und  zwar  durch  einen 
Gütertausch  mit  dem  Johanniterorden  im  J.  1238  9j.  Eben  auch 
in  dieser  Gegend  gehörte  dem  Stifte  ein  unterthäniger  Fischer  in 


])  So  nennt  sie  Crusius  chron.'suev.,  Pubitschka  IV.  158.,  Palacky  1.387.  Da- 
gegen enthält  Chronicon  Pegav.  (Menken  III.  130)  die  Notiz:  Hujus  (Dietpoldi 
de  Vohburg,  des  Erbauers  der  Klöster  Reichenbach  und  Waldsassen)  filia  Rei- 
cza  ducissa  Bohemiae  construxit  monasterium  in  Cladicina  (?).  Erben  reg. 
p.  20.  nennt  diess  Cladicina  Kladruby.  Richsa  starb  1125,  27.  September. 

*)  Erben  Reg.  p.  89,  176-178. 

3)  Codex  deeimarum. 

4)  Lib.  Confirm. 

5)  Vgl.  obgen.  Urkunde. 

6)  Lib.  Confirm. 

7)  Codex  deeimarum. 

8)  Urkunde  Königs  Wenzel  1235.  —  Erben  reg.  416. 

9)  Urkde.  Erben  reg.  443. 


266 

Libochowan,  und  weiter  entlegen  eine  Wirthschaft  mit  einem 
Ackermasse  Landes  in  Laun.  l) 

d.  Die  von  Kladrau  aus  errichteten  Propsteien  2)  zu  T  a  u  s  k  o- 
wi ce  (Tuschkau  im  pils.  K.,  1424  zerstört),  Schloss  P  f  i  m  d  a  (Pfrauen- 
berg,  1306  errichtet),  und  Pf  estic  (gestiftet  1145)  lagen  der  jetzigen 
leitmeritzer  Diöcese  fern. 3) 

3.  Bereits  im  J.  1120  hatte  Graf  Wilhelm  von  Sulzbach,  Haupt- 
mann des  olmützer  Kreises,  ein  Verwandter  der  Gemalin  Wladi- 
slaws  I.  mit  Einwilligung  des  letztern  ein  neues  Benedictinerstift 


')  Urkde.  bei  Erben  ad  ann.  1186. 

2)  Dobn.  annal.  VI.  41.  45. 

3J  Anderweitige  Besitzungen  der  ältesten  Zeit:  die  Waldgegend  zwischen 
der  Mies  und  Msieha  bis  an  die  baierische  Gränze  —  mit  Ausnahme  von 
12  daselbst  gelegenen  älteren  Dorfschaften.  Hier  entstanden  durch  soge- 
nannte Expositionen  (vgl.  Selau)  eine  Menge  deutscher  Ortschaften,  ferner 
Theile  von  Domazlic  (Tauss),  Hochavic,  Lescin  (Laz),  Bonatic  (WonStic), 
Ostrov,  Midlovar  (Millowa),  Nahosic,  Strezes  (Neustadtl?),  Tachov,  Leschau, 
Telcna,  Leny,  Skapec,  Metelsko,  Unil,  Lukov,  Charadic,  Jonas,  Glinen, 
(Lihn),  Drahomisl,  Cocber,  Camenic,  Tuskov,  Hotesevic,  Masovic,  Bezemin, 
Gneunic  (Hnewnice),  Klenovic,  Gonezovic  (Honositz),  das  Dorf  Bigedl,  die 
Kirche  in  Dnesic,  Theile  von  Rozvad,  Dorf  Wrakovic,  die  Kirche  in  Seztoceh, 
(vielleicht  das  ehemalige  Swatost  bei  Tauss),  die  Dörfer  Milukovo  (Mili- 
kov),  Zlapnic,  Bzini  (Werschin?),  Öejkovic,  Malovic,  Wsanic,  Nehanic,  Ce- 
liwo,  Tufan,  Zbrazlav,  Luben,  Slawic,  Chrinosic,  Unterthanen  in  Lagowic 
Wsekar,  Drahaucic,  Zabowresk,  Lipan,  im  prager  Burgflecken  Lukov, 
Wranovic,  Mecklov,  Sytno,  Lesihas  (Lestkow?)  und  ein  Weinberg  in 
Uherce;  später  unter  Wegfall  mehrer  vorigen  die  Dörfer  Kladrub,  Wirbic, 
Ponebuzlaz,  Hlupenow,  Holostrewi  (Holezrieb),  Zumlez,  Boeznic,  Borowen 
(Turban),  Milewo  (Mühlhöfen),  Bukowa,  Watenice,  Mezlowe,  Mukorad, 
Podehuz,  Luzna,  W7inna,  Dutlenowic,  Milka,  Wilkis,  Podmokly,  Gorky, 
Stepanowic,  Mladetic,  Öelewo,  Kamik,  Mlinoha,  Cebevo  (Zebau),  Wladisla- 
wic,  Zesemic,  Ogniskowic,  Slatina,  Unterthanen  in  Pilsen,  Nezabudic,  Rep- 
ty,  Tynec,  Lubosin,  Kosetic,  Lun,  die  Dörfer  Krasowo,  Nemcic,  Potok, 
Kamenahora,  Zlusetin,  Sdanowo,  Kalise,  Miroslawo,  Wlkozowo,  Bezdedovic, 
Ocezcice,  Leskowice,  Walterowo,  Wratiwojovice,  Plezomi,  Lobzi  (Lobes), 
Malkowice,  Hrazd,  Lomnice,  Lubewice,  Kokosin,  Theile  von  Honezovic, 
Kozolup,  Hozletice,  Damnow,  Kozzowo.  (Näheres  in  den  Urkunden  in  Er- 
ben's  Regesta  p.  89,  176—178).  Spätere  Kauf-  und  Tauschverträge  haben 
an  diesen  ältesten  Besitzungen  viel  geändert.  Verpfändet  wurden  in  der 
Husitenzeit:  Kozolup  (1429),  Plezon  (1431),  Malkowic,  Pawlowice,  Stare 
Sedlo  (Altsattel)  nebst  einem  Vorwerk  (1420)  Radejowice,  Honcowice, 
Komberg.  (Palacky  Archiv  öesky  II.  196.  199  etc.  I.  199  etc.) 


267 

zu  Wilemow  (vom  Gründer  den  Namen  führend)  in  der  Gegend 
von  Caslau  gestiftet.  Auch  Wilhelms  Bruder  Hermann  hatte  sich 
dabei  mit  grosser  Aufopferung  betheiligt.  Später  (1223)  wird  als 
Wohlthäter  des  Stiftes  noch  der  Edle  Zezema  von  Kostomlat  ge- 
nannt. ')  Die  edlen  Gründer  hatten  derartig  für  ihre  Stiftung  Sorge 
getragen,  dass  angeblich  im  J.  1278  an  180  Mönche  und  nahezu 
200  Kleriker  daselbst  leben  konnten. 2)  Nachmals  besass  dieses 
Kloster  auch  noch  als  Filiale  die  Propstei  zu  Uberci  c  in  Mähren.  3) 
Weder  Mutter-  noch  Tochterhaus  hatten  Besitzungen  innerhalb  un- 
seres jetzigen  Bisthums  Leitmeritz.  4) 

4.  Das  Benedictinerstift  S.  Margareth  in  Podlazice  (auf 
der  jetzigen  Domaine  Chrast  im  chrudimer  Kreise)  bestand  bereits 
in  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  als  eine  Propstei  von 
Brewnow  (cella  in  terra  Graäicensi\  muthmasslich  vom  Prinzen  Theo- 
bald,  dem  Bruder  Wladislaws  IL  und  Besitzer  jener  Gegend  gegrün- 
det. Im  J.  1159  erhob  König  Wladislaw  dieselbe  zu  einer  Abtei, 
die  er  jedoch  der  Erzabtei  zu  Brewnow  unterstellte.  5)  Da  diese 
Erhebung  unmittelbar  auf  des  Königs  Piückkehr  aus  Italien  folgte, 
wo  er  dem  Kaiser  die  Stadt  Mailand  wieder  erobert  und  für  sich 
selbst  hohen  Kriegsruhm  gewonnen  hatte:  so  mochte  sie  wohl  ein 
Opfer  königlicher  Dankbarkeit  für  den  genossenen  Beistand  von 
Oben  sein.  Dieses  Kloster  war  wohl  immer  nur  unbedeutend;  denn 
im  J.  1350,  wo  alle  Klöster  Böhmens  in  höchster  Blüthe  standen, 
zählte  es  mit  Inbegriff  des  Abtes  nur  20  Personen  6),  —  und  in 
den  Decemregistern  von   1384  sowie  in  den  Erectionsbüchern  von 

l)  Erben  regest.  312. 

3)  Ziegelbauer  hist.  mon.  Brevnov.  p.  207. 

3)  Diplomat.  Wilemow.  (monum.  Boh.  VI.) 

4)  In  ältester  Zeit  werden  genannt:  Opoöenek  (Erben  312),  Oheb,  Wlacic, 
Baökov,  Okruhlice,  Chlistov  (registra  zapisüw),  Bucice,  Wulacice,  Herma- 
nice, Malojovice,  Kozojed,  Kobile,  Marko  vice,  Ruzen,  Opoönice,  Bolice, 
Pawlow,  Zmurdow,  Zwosce,  Watskow,  Stepanov,  Lubne,  Bosichzin  (Michel- 
berg, Hnndorf,  Sighartsdorf,  Lanzendorf,  Scheiblsdorf,  Kochansdorf,  Rech- 
ßice),  Lupniöka,  Bojanow  mit  24  Dörfchen,  Mladosic,  Auröic,  Wilemon, 
Habern,  Horeslawice,  Maliöin,  Prisecno,  Busowna,  Walec,  Lamprechtice, 
Libia,  Swetlä.  (Dipl.  Wilem.) 

5)  Hist.  diplom.  Brewnow.  in  Dobn.  mon.  VI.  p.  7. ,  Dobn.  annal.  VI.  403. 
Ein  Abt  Hugo  wird  1160  genannt.    (Erben  reg.  134.) 

6)  So  sagt  der  Brief  des  Erzbischofs  Ernest  an  Papst  Clemens,  cit.  Dobn. 
ann.  VI.  403. 


268 

1359  bis    1420   wird  es  gar  nie  genannt.    Die  Besitzungen  dieses 
Ordenshauses  werden  nirgends  aufgezählt. 

5.  Hajek  nennt  uns  noch  eine  Menge  Benediktinerklöster  aus 
dieser  Zeit,  die  aber  erweislich  gar  nicht  existirten,  sondern  nur 
Propsteien,  Pfarreien  oder  sonstige  Besitzungen  des  Benediktiner- 
ordens, zuweilen  selbst  anderer  Orden  waren.  Beispielsweise  nen- 
nen wir  Saaz  (Propstei  von  Postelberg  oder  verwechselt  mit  Zaton), 
Tusch  kau  und  Pfestic  (Propsteien  von  Kladrau),  Mestec 
Biökowice  (Commende  des  deutschen  Ordens),  Teslin  (Propstei 
v.  Ostrow),  ChoruSic  (zu  S.Georg). 

§.  68.  Das  Benediktinerkloster  Postelberg. 

1 .  Das  Kloster  Postelberg,  dessen  Name  bis  heute  der  un- 
ter seinem  Schutze  entstandenen  Stadt  geblieben  ist,  hiess  ursprüng- 
lich Apostolorum  porta,  d.  i.  Apostelpforte,  woraus  sofort  im  Munde 
des  Volkes  der  Name  Postoloport,  Postoloprty  und  Postolopurk  sich 
gebildet  hat.  Die  Gründung  desselben  fällt  in  den  Anfang  des  zwölf- 
ten, wenn  nicht  schon  in  die  zweite  Hälfte  des  cilften  Jahrhunder- 
tes.  Nach  der  Meinung  der  Einen  ')  ist  die  Stiftung  dem  mächti- 
gen Geschlechte  der  Wrsowecen  zu  verdanken,  welches  vielleicht 
hiedurch  die  am  heil.  Adalbert  und  an  dessen  Brüdern  begangene 
schwere  Schuld  zu  sühnen  gedachte.  Allerdings  sind  bis  1108  die 
Wrsowecen  Herren  dieser  Gegend  gewesen,  und  die  Thatsache,  dass 
im  Jahre  1174  schon  der  fünfte  Abt  dieses  Klosters  mit  Tode  abge- 
gangen ist,  3)  lässt  auf  eine  Stiftungszeit  schlicssen,  wo  das  erwähnte 
Geschlecht  noch  in  Blüthe  stand.  Dagegen  nennen  uns  wieder  An- 
dere :J)  als  ersten  Gründer  den  Herzog  Sobeslaw,  welcher  von  1110  bis 
1113  über  das  saazer  Gebiet,  und  von  1125  an  über  ganz  Böhmen 
herrschte.  Dieser  Angabe  zufolge  wäre  die  von  Jaroslaus  in  der 
ersten  Fortsetzung  des  Cosmas  a.  a.  1139  erzählte  Klosterstiftung 
auf  Postelberg,  und  nicht,  wie  Pulkawa  zuerst  annahm,  auf  Siloe 
(Selau)  zu  beziehen,  welches  Sobeslaw  schon  im  J.  1131  und  in 
Folge  eines  anderweitigen  Ereignisses  gestiftet  hatte. 4)  Sonach  würde 


')  Weidner:  Tria  memorabilia  MS.,    Crugerius:  Sacri  pulveres  ad  20.  Maji. 
*)  Contin.  Cosmae  ad  arm.  1174. 
3)  Rohn:  antiquitates  ecclesiarum  circ.  Satecensis. 

4,  Nachgewiesen  von  P.  Vinzenz  Pirclian.     Arcana   Status  Siloe.     Auch  bei 
Dubravius  XT.  87. 


269 

die  Veranlassung  dieser  Stiftung  Postelbergs  die  folgende  gewesen 
sein.  Der  Herzog  soll  auf  der  Rückkehr  aus  Meissen,  wo  er  von 
der  Gemalin  des  Grafen  Wiprecht  einige  Burgen  eingelöst  hatte, 
in  eine  waldige  Wildniss  gekommen  und  dort  bei  einem  furchtba- 
ren Sturme,  der  die  stärksten  Bäume  zerbrach,  in  drohende  Lebens- 
gefahr gerathen  sein,  während  sieben  seiner  Begleiter  wirklich  den 
Tod  fanden.  Bei  dieser  Gelegenheit  habe  ein  2upan  in  seinem  Ge- 
folge das  Gelübde  gemacht,  im  Falle  glücklicher  Rettung  Mönch  zu 
werden.  Nach  der  Zeit  habe  dieser  sein  Gelübde  gehalten  und  der 
Herzog  habe  (vielleicht  für  ihn  und  seine  nunmehrigen  Genossen) 
jenes  Kloster  gebaut.  ■  Wie,  wenn  in  letzterer  Angabe  eine  Vermitt- 
lung mit  der  angeblichen  Stiftung  durch  die  Wrsowecen  gesucht 
würde,  so  dass  entweder  das  erzählte  Ereigniss  vor  1108  zu  setzen, 
oder  statt  der  Wrsowecen  ihr  nächster  unbekannter  Nachfolger  im 
Zupanamte  von  Saaz  (um  1110)  anzunehmen  wäre?  Jedenfalls  wird 
bei  dem  Abgange  der  Stiftungsdocumente  und  aller  näheren  Nach- 
richten älterer  Chronisten  diessfalls  auf  völlige  historische  Sicher- 
heit zu  verzichten  sein. 

2.  Das  Kloster  war  wohl  ursprünglich  den  heil.  Aposteln, 
insbesondere  vielleicht  dem  heil.  Andreas  geweiht,  dessen  Kirche 
noch  im  codex  decimarum  vom  Jahre  1384  als  innerhalb  der  Klo- 
stermauer stehend  („infra  septa  monasterii  Portae  apostolorum") 
mit  einer  Decemabgabe  von  10  böhm.  Groschen  für  einen  Halb- 
jahrstermin erwähnt  wird.  So  Hesse  sich  auch  am  natürlichsten 
der  Name  des  Klosters  erklären.  Gewiss  war  später  erst,  als  die 
Baukunst  schon  in  Böhmen  erhebliche  Fortschritte  gemacht  hatte, 
die  prachtvollere  Kirche  der  heil.  Mutter  Gottes  erbaut,  von  der 
sich  seitdem  das  Kloster  monasterimn  S.  Mariae  in  Porta  apostolo- 
rum  nannte.  So  heisst  es  nämlich  ausdrücklich  in  den  Erections- 
büchern  unterm  18.  März  1405.  ')  Wenn  dagegen  Crugerius  3)  die 
heil.  Apostelfürsten  Petrus  und  Paulus  als  Patrone  von  Postelberg 
nennt :  so  fehlt  ihm  hiefür  offenbar  jeder  Anhaltspunkt.  Nach  der  Versi- 
cherung des  Historiographen  von  Bfewnow  *)  ist  es  für  ausgemacht 
zu  halten,  dass  dereinst  im  Kloster  Postelberg  an  dreihundert  Mönche 


')  Lib.  Erect.  VII.  A.  4. 

2)  Sacri  pulveres  1.  c. 

3)  Magnoaldus  Ziegelbauer  hist.  monast.  Brewnow,  p.  203. 


270 

lebten.  Wenn  dem  so  ist,  welchen  Umfang  muss  das  Gebäude 
nicht  gehabt  haben!  Diesem  Umfang  entsprach  denn  auch  der  Be- 
sitz an  Land  und  Leuten, 

§.  69.  Fortsetzung. 

Es  ist  nicht  zu  ermitteln,  wie  weit  der  ursprüngliche  Besitz 
des  Klosters  Postelberg  sich  erstreckt  habe;  jedenfalls  aber  ist  der- 
selbe weit  über  die  Gränzen  der  jetzigen  Herrschaft  gl.  N.  hinaus- 
gegangen. Wie  alle  Klöster  dieser  Zeit,  so  erhielt  auch  gewiss  Po- 
stelberg gleich  anfangs  eine  Menge  von  Maierhöfen  mit  Aeckern, 
Weinbergen,  Wiesen  und  Waldungen,  denen  die  nöthige  Anzahl  von 
Dienstleuten  —  jeder  mit  einem  Stück  Landes,  wo  er  seine  Hütte 
hatte  —  zur  Bestelluug  der  nöthigen  Arbeiten  des  Feldes  und  des 
Hauses  zugetheilt  war.  Dazu  kamen  Zinsleute  im  weiten  Umkreise 
mit  bestimmten  Jahresleistungen  an  Geld,  Incorporationen  unter- 
schiedlicher Pfarrkirchen,  deren  Einkünfte  gegen  Anstellung  eines 
Seelsorgsadministrators  in  die  Kasse  des  Klosters  flössen,  überdiess 
von  Fürsten  geschenkte  Antheile  von  Zöllen  und  Steuern.  })  Nach 
der  Zeit  fehlte  es  auch  nicht  an  ausgedehnten  Erwerbungen  durch 
Kauf  und  Tausch  von  Seiten  des  Klosters  selbst.  Privilegien  der 
Fürsten  sicherten  den  Besitz  der  Stifter,  befreiten  dieselben  von 
öffentlichen  Lasten  und  räumten  ihnen  mancherlei  kostbare  Vor- 
rechte ein.  Urkundlich  erscheinen  als  Besitzungen  und  beziehungs- 
weise als  Collaturen  des  postelberger  Stiftes  die  nachstehenden  Orte : 

a.  Kozzowo  (Gossau  bei  Haid  impilsner  Kreise)  und  Ma In- 
no wo  (wohl  Damnow  heute  noch  theil weise  zum  Dominium  Kla- 
drau  gehörig),  welche  beiden  Dörfer  von  Seiten  Postelbergs  unterin 
17.  December  1239  um  den  Preis  von  130  Mark  reinen  Silbers  an 
das  Benedictinerkloster  zu  Kladrau  verkauft  wurden.2) 

b.  Wrutek,  die  heutige  Stadt  Rudig  im  saazer  Kreise,  wo 
das  Kloster  erweislich  in  den  Jahren  1393  und  1418  das  kirchliche 
Präsentationsrecht  zur  dortigen  Pfarrpfründe  ausübte. 3)  Im  Jahre 
1227  hatte  Cojata  von  Swabenic  diesen  Ort  dem  Kloster  Zderas 


')  Im  J.  1431  verpfändete  König  Sigismund  die  dem  Kloster  Postelberg  gehö- 
rigen „berny  a  sumy"  an  Benes  v.  Kolowrat.  Palacky  archiv  I.  500. 

2)  Urkde.  Erben  regesta  453. 

3)  Lib.  Confirm.  a.  h.  ann. 


271 

in  Prag  testirt ').  Es  ist  unbekannt,  wie  selber  späterhin  an  Postel- 
berg gelangt  ist. 

c.  L  i  b  o  c  a  n ,  das  heutige  Pfarrdorf  gl.  N.  ebenfalls  im  saazer 
Kreise,  wo  das  Stift  in  den  Jahren  1389,  1403  und  1410  ein  glei- 
ches Recht  besass. 3) 

d.  Ebenso  war  das  Patronatsrecht  in  der  Stadt  S 1  a  w  e  t  i  n  im 
rakonitzer  Kreise,  dem  Kloster  von  der  Familie  Hasenburg  über- 
tragen worden.  Ueberhaupt  erscheinen  die  Herren  Zagic  von  Ha- 
senburg als  vorzügliche  Wohlthäter  des  Stiftes. 3) 

e.  Dem  Kloster  waren  auch  die  damaligen  Pfarrorte  L  e  n  e  s  i  c 
(1404)4),  Skupic  (1386,  1413) 5),  Lipenec  (1399)  auch  Mnichowy 
Lipen  genannt,6)  und  Podwofany,  das  heutige  Podersam7)  auf 
den  jetzigen  Dominien  Leneschitz,  Postelberg,  Neuschloss  und  Po- 
dersam einverleibt.  Hiezu  gehörten  ohne  Zweifel  auch  die  dahin 
eingepfarrten  Ortschaften. 

f.  Auch  ein  Dorf  Bzwany  erscheint  als  Eigenthum  von  Po- 
stelberg. Als  solches  wurde  es  1436  von  Kaiser  Sigmund  dem  Be- 
nes  von  Kolowrat  (zugleich  mit  Skupice)  gegen  500  Schock  in  Pfand 
gegeben.  8)  Wahrscheinlich  ist  damit  das  heutige  Dorf  und  Gut 
Pschan  gemeint. 

g.  Ueberdiess  besass  das  Kloster  zerstreute  Leibeigene  in  frem- 
den Ortschaften,  wie  z.  B.  in  Gr  o  s  s  1  i p p  e n  im  heutigen  Dominium 
Grosslippen  saazer  Kreises;  auch  bedeutende  Jahreszinse,  die  auf 
den  umliegenden  Dominien  radizirt  waren,  und  Antheile  an  den  kö- 
niglichen Landeseinkünften.  9)  Im  Laufe  der  Zeit  entstanden  wie 
auch  anderwärts,  durch  emphiteu tische  Zertheilung  der  Klostergrund- 


')  Dobneri  Monum.  Boh.  IV.  257. 

3)  Lib.  Confirm.  ad  h.  ann.  Lib.  Erect.  III.  E.  3. 

3)  Lib.  confirm.  1369,  1404,  1408,  1416.    Lib.  Erect.  VII.  A.  4,  7. 

4)  Lib.  Confirm.  ad  h.  ann. 

5)  ebendes.  Lib.  Erect.  VII.  K.  8.    Im  J.  1431  wurde  es  vom  K.  Sigismund 
an  Benes  v.  Kolowrat  verpfändet.    (Palacky  archiv.  I.  500.) 

6)  Lib.   Confirm.   1399.     Dieses    wurde    1437    um    370   Schock    verpfändet. 
(Palacky  archiv.) 

7)  Palacky:  Archiv    cesky  II.  447.     Es    yurde  vom   K.    Sigismund  1426  an 
Burian  und  Johann  von  Gutenstein  verpfändet. 

8)  Palacky  archiv  I.  500. 

9)  Aehnliches  besassen  eben  alle  Klöster  in  Böhmen. 


272 

stücke  zahlreiche  neue   Ortschaften:   so  gewiss   ein  grosser  Theil 
jener,  die  jetzt  das  Postelberger  Dominium  bilden.  — 

2.  Die  hervorragendsten  Besitzungen  des  Klosters  waren  aber 
seine  auswärtigen  Propsteien,  gleichsam  kleine  Filialklöster,  wo 
mehrere  Ordensbrüder  unter  einem  vom  Abte  aufgestellten  Präpo- 
situs  nach  der  Ordensregel  lebten. 

a.  Eine  Propstei  dieser  Art  war  Cella  jawtae  vitae  d.  i.  Le- 
benspforten-Zelle, das  heutige  Weberschan  in  der  Nähe  von  Po- 
stelberg. .!)  Die  Stelle,  wo  jetzt  das  Lokalistengebäude  steht,  hiess 
vordem  „auf  dem  Kloster."  Auch  in  den  benachbarten  Häusern 
sind  beim  Nachgraben  Mauern  von  alten  Gewölben  gefunden  wor- 
den. Noch  jetzt  heisst  die  Flur  hinter  Weberschan  bis  zum  Milay- 
berge  „die  Zelle."  Einer  der  letzten  Pröpste  von  hier  war  der  im 
J.  1407  erwähnte  Propst  Ullrich.  *2) 

b.  Eine  zweite  Propstei besass  das  Kloster  in  Saaz  und  zwar 
bei  S.  Prokop  in  der  niederen  Vorstadt,  welche  wie  es  scheint,  um's 
Jahr  1384  wahrscheinlich  von  demselben  Nicolaus  (Johannes) 
Daubowec  von  Daupowa  gestiftet  wurde,  der  sofort  selbst  das  Or- 
denskleid nahm  und  im  Jahre  1407  als  Propst  in  Saaz  einen  Jah- 
reszins von  13  Schock  böhmischer  Groschen  um  den  Preis  von  143 
Schock  vom  Kloster  Postelberg  erkaufte,  mit  der  Bedingung,  dass 
dieser  Zins  nach  seinem  Tode  für  ein  Krankenhaus  bei  der  Prop- 
stei zu  Saaz  verwendet  werde.  Im  Jahre  1400  erhielt  diese  Prop- 
stei auch  die  pfarrliche  Jurisdiction. :J)  Dieselbe  ist  aber  sehr  wohl 
von  der  Propstei  des  alten  Collegiatstiftes  Sadska,  oft  auch  Sacensis 
genannt,  zu  unterscheiden.  Dieses  1101  vom  Herzog  Boriwoj  IL 
gestiftete  Collegiatcapitel  ist  das  bereits  besprochene  in  Sadska 
bei  Nimburg.  In  Saaz  dagegen  hat  sich  zu  keiner  Zeit  ein  Colle- 
ge atstift  befunden  und  eben  desshalb  auch  keine  Säcularpropstei, 
wie  zuweilen  irrthümlich  angenommen  wurde. 

c.  Auch  das  heutige  Klösterle4)  (saazer  Kr.)  soll  vordem  eine 


')  Sommer:  Topographie  des  saaz.  Krs.  S.  71  und  72:  Ziegelbauer  hist.  mon. 
Bfewnow.  p.  203. 

2)  Lib.  Erect.  VII.  L.  6. 

3)  Lib.  Erect.  VII.  K.  8,  L.  6.    Rohn;  Antquit.  eccl.  p.  116. 

4J  nach  Schaller  und  Sommer  in  ihren  Topographien  des  saaz.  Kreis. ,  — 
bei  beiden  auf  Grund  einer  von  den  Ortsseelsorgern  bezeugten  älteren 
Tradition. 


273 

Propstei  von  Postelberg  gewesen  sein,  welche  wahrscheinlich  schon 
in  der  Mitte  des  dreizehnten  Jahrhundertes  gegründet  worden  sein 
dürfte.  Der  Name  selbst  (lateinisch  Claustrellum)  spricht  dafür. 
Angeblich  hat  dazu  (beziehungsweise  zu  Postelberg)  die  jetzige  Herr- 
schaft gleichen  Namens  gehört.  Diese  Propstei  muss  aber  wohl 
schon  vor  1358  dem  Kloster  entfremdet  worden  sein,  da  sich  in  den 
von  1358  anfangendem  Confirmationsbüchern  keine  Erwähnung  der- 
selben mehr  findet.  Im  Jahre  1379  gehörte  Klösterle  bereits  dem 
deutschen  Orden,  der  dort  eine  Commende  besass.1) 

Es  ist  möglich  und  sogar  wahrscheinlich,  dass  das  Kloster  Po- 
stelberg noch  mehr  als  die  erwähnten  Besitzungen,  Pfarreien  und 
Propsteien  besass;  doch  nur  die  genannten  lassen  sich  (mit  Aus- 
nahme von  Klösterle)  urkundlich  nachweisen. 

König  Pfemysl  Ottokar  I.  verlieh  dem  Kloster  für  alle  seine 
Besitzungen  die  Exemtion  vom  Cudengerichte  und  unterstellte  seine 
Rechtssachen  unmittelbar  dem  Gerichte  der  Stadt  Prag,  bei  dem  er 
selbst  in  Person  oder  durch  einen  Stellvertreter  den  Vorsitz  führte. 
König  Wenzel  bestätigt  um  1210  dieses  Recht  dem  Abt  Theodorich.3) 

3.  Als  Aebte  des  so  berühmten  Klosters  werden  genannt: 

a.  Rislaw  (Cislaw),  der  im  Jahre  1147  am  12.  Juni  mit  Tode 
abging.  Er  soll  bereits  der  fünfte  Vorsteher  des  Klosters  gewesen 
sein.3)    Unmittelbar  auf  ihn  folgte: 

b.  Bero,  gewählt  am  9. December  1148,  ein  Mann  voll  Liebe 
und  Tugend,  einfach  und  rein  in  seinen  Sitten,  ein  besonderer  Freund 
der  freiwilligen  Armuth.  Derselbe  war  seiner  besondern  Verdienste 
um  das  Ordensleben  willen  zuvor  im  Kloster  Bfewnow  der  erste 
mit  der  Dekanswürde  beehrt  worden.  Als  Abt  des  Klosters  Po- 
stelberg ward  er  vom  Bischof  Otto  introducirt  und  starb  daselbst 
am  11.  Mai  1156.4) 

c.  Abt  Friedrich  war  nicht  allein  als  tüchtiger  Vorsteher 
seiner  Klostergemeinde,  sondern  auch  als  gewandter  Staatsmann 
hoch  in  Ehren.5)  Im  Jahre  1157  ging  er  im  Auftrage  Wladislaws 


»)  Lib.  Confirm.  1379. 

3)  Urkunde  in  Prof.  Dr.  Höflers  M.  S. :  Monumente  des  Königthums  in  Böhm. 

3)  Contin.  Cosmae  ad  1147. 

4)  Contin.  Cosmae. 

5)  Contin.  Cosmae  ad  ann.  1157  nennt  ihn  einen  Mann   von   höchster  Er- 

18 


274 

mit  dem  als  ersten  Politiker  damaliger  Zeit  berühmten  prager  Bi- 
schöfe Daniel  an  der  Spitze  einer  Gesandtschaft  nach  Ungarn,  um 
dort  für  den  herzoglichen  Prinzen  Friedrich  um  die  Königstochter 
Elisabeth  zu  werben.  Da  starb  er  auf  der  Rückreise  am  20.  Jän- 
ner 1158.1) 

d.  Nach  dem  Tode  Friedrichs,  des  siebenten  Vorstehers  von 
Postelberg,  folgten  daselbst  innerhalb  52  Jahren  nicht  weniger  als 
neun  Aebte,  deren  Namen  uns  unbekannt  sind.  Erst  mit  dem  J. 
1210  werden  wir  die  Series  derselben  wieder  aufnehmen  können. 

§.  70.  Das  Praemonstratenserstift  Strahow. 

1.  Es  wurde  bereits  erwähnt,2)  dass  der  prager  Bischof  Jo- 
hann I.  den  vom  h.  Norbert  gestifteten  Orden  der  Praemonstraten- 
ser  als  ein  vortreffliches  Mittel  zur  Hebung  des  geistlichen  Lebens 
in  Böhmen  freudig  begrüsste,  indem  die  in  diesem  Orden  angestrebte 
Vereinigung  des  Lebens  der  Canoniker  mit  jenem  der  Mönche  die 
frommen  Zeiten  eines  seligen  Chrodegang  wiederzubringen  ver- 
sprach. Dieselbe  freudige  Hoffnung  hatte  vor  ihm  schon  der  da- 
mals am  böhmischen  Hofe  lebende  olmützer  Bischof,  Heinrich  Zdik  ge- 
habt, der  desshalb  auf  seiner  Pilgerreise  nach  Jerusalem  bereits  in  hei- 
liger Begeisterung  für  die  gute  Sache  ein  Mitglied  jenes  Ordens 
geworden  war.  Jetzt  vereinigten  sich  beide  geistlichen  Oberhirten, 
um  auch  ihren  Landesherrn  und  sein  fürstliches  Haus  für  die  Be- 
rufung des  neuen  Ordens  zu  gewinnen.  Es  gelang  ihnen  in  aus- 
gezeichneter Weise,  und  sofort  sehen  wir  Wladislaw  und  seine  Fa- 
milie einerseits  und  die  beiden  Bischöfe  anderseits  in  frommen 
Spenden  für  die  Erbauung  und  Dotirung  des  ersten  Praemonstra- 
tenserklosters  sich  förmlich  überbieten.  So  entstand  das  Kloster 
Strahow  auf  dem  Berge  Sion  in  Prag  (1138—1143).  Die  ersten 
Bewohner  desselben  kamen  schon  1138  aus  dem  Kloster  Steinfeld 
am  Rhein,  dessen  Abt  daher  lange  Zeit  Pater  Abbas  von  Böhmen 
und  Mähren  hiess,  und  seine  „Circaria"  alljährlich  visitirte,  diess  aber 


kenntniss   in   göttlichen   und   menschlichen  Dingen,  von  ergebener  Treue 
gegen  Gott  und  Menschen,  von  inniger  Herablassung  gegen  Jedermann. 

')  Monach.  Sazav.  apud  Menken  III.  1805;  Dobner  ann.  VI.  371. 

2)  Vgl.  §.  51. 


275 

in  Begleitung  eines  Convisitators  aus  den  Aebten  Böhmens  oder  Mäh- 
rens. ]) 

2.  a.  Von  den  bedeutenden  Gütern,  welche  vor  Allen  Bischof  Jo- 
hann dem  Kloster  Strahow  einräumte,  lag  ein  verhältnissmässig  nur 
sehr  geringer  Theil.  innerhalb  der  heutigen  Diöcesangränzen  von 
Leitmeritz.  Hiehergehörten  die  Dörfer  Konice  und  Jenisowice 
bei  Turnau  im  bunzlauer  Kreise.  Der  grössere  Complex  lag  wei- 
ter ostwärts  in  den  Kreisen  vonJicin  (Bydzow)  und  Königgrätz. 2) 
Von  obigen  beiden  Dörfern  war  Jenisowice  einer  der  ältesten  Pfarr- 
orte des  alten  Turnauer  Dekanats;  denn  in  der  Höhe  des  Kirchen- 
zeh ents  stand  es  im  J.  1384  (mit  12  böhm.  Groschen)  nur  noch 
hinter  Turnau,  Hrustice,  Dub  und  Pfepefe  zurück.3) 

b.  Von  den  Schenkungen  Wladislaws  lagen  innerhalb  der  be- 
zeichneten Gränzen  einige  sehr  bedeutende  Güter  zwischen  der  nie- 
dern  Eger  und  Elbe,  anschliessend  an  andere  Besitzungen  jenseits 
der  Eger.  Namentlich  werden  genannt  4  Grundbesitze  in  0  r  a  s  i  c  e, 
ein  Grundbesitz  in  L  a  h  o  w  i  c  e,  das  ganze  damalige  Dorf  L  o  b  o  s  i  c  e 
sammt  Waldung  nebst  einigen  jetzt  verschollenen  Ortschaften.4)  Ora- 
sice  erscheint  im  J.  1384  als  eine  der  Jüngern  Pfarreien  des  Schlaner  De- 
kanates, die  damals  den  in  dortiger  Gegend  verhältnissmässig  geringen 
Kirchenzehent  von  6  böhm.  Groschen  steuerte.5)  L  o  b  o  s  ic e  erscheint 
erweislich  im  J.  1248  als  längst  bestehender  Pfarrsitz.  Im  selben  Jahre 
wird  nicht  mehr  das  Kloster  Strahow,  sondern  Burggraf  Heinrich  de  Lipa 
von  Zittau  als  Besitzer  genannt.  Dieser  verkaufte  1248  Lobositz  emphi- 
teutisch  gegen  Vorbehalt  bestimmter  Ptechte  und  Abgaben  an  den  leit- 
meritzer  Bürger  Hertwik,  schenkte  aber  bei  dieser  Gelegenheit  „zur 
Ehre  Gottes  und  der  seligsten  Jungfrau  Maria  sowie  des  h.  Wenzel" 
der  Kirche  des  Ortes  eine  Hufe  (lan)  Feldes  als  Eigenthum,  und 
von  jeder  andern  Hufe  des  Dorfes  (die  alle  ausdrücklich  so  gross 
sein  sollten,  wie  die  Hufen  im  nahen  Dorfe  Prosmyk)  die  bleibende 
Abgabe  eines  Kübels  (kbelec)  Korn.6)     Im  Jahre  1251  befand  sich 


l)  Vgl.  Tomek  G.  P.  478  und  479.  Palacky  I.  413. 

3)  Vgl.  das  Fragment  der  Stiftungsurkunde  bei  Erben  reg.  106.   Dazu  To- 
mek G.  P.  I.  99. 

3)  Codex  decimarum. 

4)  Fragment  der  Stiftungsurkunde  Erben  106.  Tomek  G.  P.  99. 

5)  Codex  decimarum. 

6)  Urkde  Erben  reg.  562  d.  d.  Leitmeritz  6.  Nov.   Darin  werden  als  Zeugen 
auch  2  Pfarrer,  Absolon  und  Ötepan,  genannt. 

18* 


276 

dieser  Ort  im  Besitze  des  Smil  von  Lichtemberg,  welcher  es  da- 
mals sammtZugehör  an  das  Cisterzienserkloster  Altenzell  in  Meissen 
verkaufte.1)  Wahrscheinlich  gehörte  das  benachbarte  DorfSlerno- 
seky  (1384  Pfarrdorf  mit  9  b.  Gr.  Zehent)  frühzeitig  zum  Gute  Lo- 
bosice.  So  finden  wir  es  namentlich  1420  ebenfalls  als  Eigen thum 
von  Altenzell,  ward  aber  damals  vom  K.  Sigismund  um  20  Seh.  pr.  Gr. 
an  einen  gewissen  Rüdiger  für  rückständigen  Sold  verpfändet.2) 
Zur  Kirche  in  Lobosic  machten  1385  Freimuth  und  sein  Sohn  Zdi- 
slaw  von  Cernuc  und  1394  Peter  und  Erhard  von  Skalka  Schenkun- 
gen an  Jahreszinsen,  die  beiden  letztern  zur  Stiftung  eines  Vica- 
risten,  —  alle  aber  noch  mit  Erlaubniss  des  Abtes  von  Altenzell.3) 
Dieser  übte  auch  noch  1415  das  Collaturrecht  daselbst  aus.4)  In 
demselben  Jahre  aber  ward  Lobositz  durch  K.  Wenzel  an  Wla§ek  von 
Kladno  theilweise  verpfändet.5)  —  Ausser  den  obbenannten  und 
mehreren  anderweitigen  Orten  schenkte  Wladislaw  dem  Kloster  noch 
unterschiedliche  Zins-  und  Arbeitsleute. 

c.  Frühzeitig  erwarb  das  Kloster  Strahow  das  Präsentations- 
recht für  die  Marienpfarrkirche  zu  Saaz.  Erweislich  besass  es 
dasselbe  schon  im  J.  1273,  wo  ein  Privilegium  des  Papstes  Gregor 
solches  ausdrücklich  bestätigte. 6)  Es  war  diess  die  ehemalige  Haupt- 
kirche des  Saazer  Archidiakonats,  dessen  Archidiakon  jedoch  als 
Canonicus  des  Domcapitels  zu  Prag  residirte.  Ebenso  war  jene 
Kirche  zugleich  die  Hauptkirche  des  Saazer  Dekanats  und  zahlte 
im  J.  1384  als  die  unzweifelhaft  älteste  des  Sprengeis  darum  nur 
36  böhm.  Groschen  zum  Kirchenzehent,  weil  damals  nur  der  Vica- 
rius  perpetuus  derselben  von  seinem  Einkommen  steuerte,  der  Haupt- 
betrag aber  dem  Kloster  Strahow  unmittelbar  zur  Last  fiel. T)  Ausser 


')  Sommer  leitm.  Kr.  91.  Altenzell  (bei  Freiberg)  war  das  älteste  Cisterzienser- 
kloster in  Meissen,  eine  Colonie  von  Kloster  Pforta  bei  Naumburg.  Mark- 
graf Otto  von  Meissen  stiftete  es  im  Jahre  1166.  Unter  die  vom  Stifter 
geschenkten  Besitzungen  gehörte  auch  das  Dorf  Christiansdorf,  welches 
nach  Auffindung  der  dortigen  Silbergruben  als  Bergstadt  Freiberg  empor- 
blühte.   Annales  Veterocellenses,  ed.  Menken  IL  378  etc. 

2)  Palacky  archiv  I.  50.  , 

3)  Lib.  Erect.  XIII.  A.  10,  E.  1. 

4)  Lib.  Confirm.  VII. 

5)  Palacky  archiv  I.  520,  521. 

6)  Tomek   G.  P.  I.  481. 

7)  Codex  deeimarum. 


277 

dem  Pfarrer  (oder  Vicarius  perpetuus)  wurden  damals  noch  ein 
Frühmessner  und  zwei  Altarbeneficiaten  derselbeu  Kirche  erwähnt, 
der  Frühmessner  1380  von  der  Bürgerschaft  gestiftet,1)  der  Bene- 
ficiat  des  S.  Wenzelsaltars  aus  älterer  Zeit  stammend,  und  der  des 
Altars  der  h.  Stephan,  Laurenz  und  Urban  von  Henslin  Schadernicht 
zu  Kopie  und  Ottiko  Rys  von  Lowositz  dotirt.2)  Ausserdem  arbei- 
teten zu  dieser  Zeit  noch  besondere  Pfarrer  (plebani)  der  Vorstädte 
im  Seelsorgsamte.  Genannt  sind:  Der  Pfarrer  von  S.  Martin  in 
der  untern  Vorstadt,  der  1384.  15  böhmische  Groschen  zum  Kir- 
chenzehent  zahlte,3)  der  Pfarrer  von  S.  Jakob  in  der  obern  Vor- 
stadt mit  einer  Zehentleistung  von  18  böhm.  Groschen,4)  —  der 
Pfarrer  vom  S.  Nicolaus  in  der  obern  Vorstadt  mit  einer  Decem- 
zahlung  von  8  Groschen,  —  der  Pfarrer  von  S.  Michael  ebenda- 
selbst, ohne  Zehentleistung,  daher  wohl  sehr  gering  dotirt,  bis  1392 
Nikolaus  Leonis,  ein  prager  Bürger,  2  Schock  Zinsungen  im  Dorfe 
Milßewes  hinzufügte,5)  —  der  Seelsorger  von  S.  Maria  Magdalena, 
ebenfalls  ohne  Zehentpflicht,  —  der  von  S.  Johann  dem  Täufer  in 
Mlinar,  der  1390  2  Schock  böhm.  Gr.  Zinsungen  für  sein  Beneficium 
erwarb,*5)  —  wenigstens  nach  1384  der  Seelsorger  der  S.  Wenzels- 
kirche in  der  Untervorstadt,7)  u.  seit  1400  die  von  zwei  saazer  Wit- 
wen gestiftete  Spitalkaplanei  zum  allerh.  Frohnleichnam.8)  Schliess- 
lich ist  auch  zu  erinnern,  dass  neben  allen  diesen  Seelsorgen  auch 
noch  eine  postelberger  Propstei  bei  der  Kirche  und  dem  Hospitale 
des  h.  Prokop  in  der  untern  Vorstadt  bestand.9)  —  Um  wieder  auf 
das  Kloster  Strahow  zurückzukommen,  so  kaufte  selbes  unter  Pfe- 
mysl  Ottokar  I.  das  Dorf  Stank  o  wie,  das  im  J.  1384  sich  als  selbst- 


>)  Lib.  Erect.  IL  R.  2. 

2)  Lib.  Erect.  IV.  B.  8. 

3)  Codex  deeimarum.  Zehnten  und  Aecker  desselben  werden  erwähnt  Lib. 
Erect.  XII.  C.  2,  XIII.  P.  4.  ad  ann.  1406  und  1389.  Im  Jahre  1390  war 
der  hiesige  Pfarrer  Beneä  Dekan  des  Dekanats.    Lib.  Erect  XII.  C.  18. 

4)  Codex  deeimarum.  Im  Jahre  1379  verkaufte  Heinrich  von  Bezderow  auf 
Desnic  sein  Anrecht  auf  einige  „Unterthanen"  dieser  Kirche  an  Jakob  von 
Kolowrat.  Lib.  Erect.  II.  R.  1. 

5)  Lib.  Erect.  XII.  F.  19. 
«)  Lib.  Erect.  XII.  C.  18. 

7)  Lib.  Erect.  XIII.  E.  F. 

8)  Lib.  Erect.  VI.  C.  4}  IX.  L.  2,  P.  2. 

9)  Vgl.  Kloster  Postelberg,  oben. 


278 

ständige  Pfarrei  unter  der  Collatur  von  Strahow1)  mit  4  böhni. 
Groschen  am  Kirchenzehent  betheiligte,8)  und  im  J.  1399  durch 
die  Wohlthätigkeit  einiger  prager  Bürger  neue  Kirchengründe  er- 
warb,3) —  und  wenigstens  seit  1319  den  Hof  Twr§ic  in  der 
Nähe  von  Saaz.4)  Um  1250  erlangte  Strahow  auch  das  Pfarrdorf 
Cernicewes  (das  jetzige  Cernewes)  an  der  Elbe  bei  Wettel,  das 
aber  später  an  das  Kloster  Doxan  gelangte  ,5)  das  Patronat  der  Adal- 
bertikirche  auf  dem  Georgsberge  (ftip)  mit  dem  Eigenthumsrechte 
über  das  Dorf  Metes  (jetzt  Taubendörfel  bei  Eaudnitz).6)  Auch 
eine  dem  Kloster  zinspflichtige  Mühle  bei  Brüx  wird  seit  1323  er- 
wähnt.7) Unmittelbar  an  der  Gränze  des  jetzigen  leitmeritzer  Diö- 
cesangebiets  gehörten  dem  Kloster  schon  in  ältester  Zeit  die  Güter 
Patek  und  Badonic.8)  Die  übrigen  ältesten  Besitzungen  lagen  zu- 
meist in  den  Kreisen  von   Königgrätz,  Bidschow  und  Rakonitz. 9) 

§.71.  Das  Kloster  der  Praemonstratenserinnen  zu  Doxan. 

1.  Nach  dem  Muster  von  Strahow  gründete  die  zweite  Gema- 
lin  Wladislaws,  Königin  Gertrud,  Tochter  des  h.  Leopold  von  Öster- 
reich und  Mutter  des  seligen  Erzbischofs  Adalbert,  im  J.  1144  das 
Kloster  zu  Doxan  an  der  Eger,  zu  Ehren  der  allerseligsten  Mutter 
Gottes  und  der  Heiligen  Maternus,  Candidus  und  Laurentius.10)  Hier 


*)  Lib.  Confirm.  ad  ann.  1407. 

2)  Codex  decimarum.  Anno  1436  wurde  es  durch   K.  Sigmund  an  die    Stadt 
Saaz  verpfändet.    Palacky  archiv  IL  191. 

3)  Lib.  Erect.  XIII.  K.  3.    Diese   gingen  1437    durch  Verkauf  (während  der 
Pfändung)  verloren.    Palacky  archiv  IL  203. 

4)  Vgl.  Sommer  saaz.  Kr. 

5)  Von  diesen  verpfändete   es  K.  Ladislaw  1454   an   Zdenko   v.  Hasenburg. 
Urkunde  im  M.  S.  der  prager  Univ.  Bibl.  IL  B.  5.  Miscellanea  germ. 

6)  Vgl.  Tomek  G.  P.  I.  484.  Urkundenfragmente. 

7)  Ebend.  481. 

8)  Erben  reg.  157.  Sommer  rak.  Kr.  90. 

9)  Genannt  werden  im  königg.  Kreise  :  Lohenice,  Skalice,  Nedeliste,  Lusane 
mit  dem  Walde  Mesny;  im  bidschower  Kreise  Weli§,  Öirnotic,  Rasin, 
Trebnausewes,  Horic,  Gradisch,  Hudonic,  Lubonic;  im  rakonitzer  Kreise 
Radunic,  HHwöic,  Wrbne,  Chyska,  Lasowice,  Auhonice,  Holonoch ;  sonst 
noch  ein  Radowesice  (dafür  nachmals  Chraber),  Nakonopnice,  Telöice.  Vgl.- 
Tomek  G.  P.  I.  99  u.  100,  Dobn.  annal.  VI.  503.  Erben  reg.  157. 

,0)  Mika :  das  ruhmwürdige  Doxan. 


279 

sollten  nach  ihrem  Willen  fromme  Ordensschwestern  nach  der  Re- 
gel des  h.  Norbert  leben  und  ein  Priester  des  Prämonstratenseror- 
dens  (ein  Canoniker  von  Strahow)  sollte  als  Propst  die  geistliche 
Leitung  der  frommen  Schwestern  führen.  In  der  That  versammel- 
ten sich  alsbald  gottselige  Töchter  aus  den  edelsten  Familien  des 
Landes,  und  freigebige  Glieder  des  herzoglichen  und  königlichen 
Hauses  und  hochherzige  Verwandte  der  frommen  Ordensschwestern 
beeilten  sich,  die  Stiftung  der  edlen  Königin  Gertrud  in  der  Art 
zu  bereichern  und  zu  vervollkommnen,  dass  sie  in  Kurzem  als  eine 
der  ersten  und  grössten  des  weiten  Landes  da  stand.  Anderseits 
zollten  wieder  die  also  bedachten  geistlichen  Jungfrauen  ihren  Dank, 
indem  sie  neben  ihren  klösterlichen  Uebungen  die  weibliche  Jugend 
des  Vaterlandes  zu  einem  frommen  Leben  und  Walten  heranbildeten. 

2.  Das  Kloster  Doxan  musste  schon  durch  seine  Lage  unmit- 
telbar an  der  heutigen  Diöcesangränze  einen  Einfluss  auf  die  reli- 
giösen Verhältnisse  unserer  jetzigen  Diöcese  üben:  weit  mehr  aber 
musste  diess  der  Fall  sein  durch  die  Besitzungen  und  Collaturen, 
die  sich  unter  andern  auch  in  den  dermaligen  Kreisen  von  Leitme- 
ritz  und  Saaz  ausbreiteten. 

a.  Am  wichtigsten  waren  die  Besitzungen  des  Klosters  in  und 
um  Leitmeritz.  In  Leitmeritz  selbst  besass  Doxan  einen  Mai- 
erhof  mit  einem  geräumigen  Wohnhause, ')  in  welchem  nachmals 
die  geistlichen  Jungfrauen  eine  sichere  Zufluchtsstätte  zur  Zeit  der 
husitischen  Bürgerkriege  finden  konnten.  Im  J.  1336  war  auch 
die  sogenannte  Egermühle  an  der  Mündung  dieses  Flusses  in  die 
Elbe  durch  Kauf  an  Doxan  gekommen.2)  Ursprünglich  hatte  be- 
reits König  Wladislaw  dem  Stifte  die  ganze  heutige  Herrschaft  Do- 
xan geschenkt3):  dabei  noch  das  damalige   Städtchen  Mury  auf 


')  Mika:  das  ruhmwürdige  Doxan  p.  14.  König  Premysl  Ottokar  hatte  diesen 
Hof  um  1226  zugleich  mit  Petipsy,  Lenesic,  Lubedic,  dem  Hofe  in  Tribu- 
chic,  und  einigen  Unterthanen  in  Weltrus  gegen  die  ältere  Besitzung 
Oztlow  im  Tauschwege  an's  Kloster  überlassen.  (Erben  reg.  326.) 

2)  Urkunde  in  M.  S.  der  kais.  Univ.  Bibi.  in  Prag :  Miscellanea  germ.  II.  B.  5. 

8)  Damals  mit  Doksany,  Mury,  Wolewsko  mit  Bor,  Rohatce,  Chwalin,  Libo- 
teinic,  Bor,  halb  Dusnik,  Peless  (?),  Kmetinewes  und  Öernuc  kamen  erst 
1336  für  die  entlegenen  Orte  Welichov,  Radunfurt  und  Schloss  Hohenstein 
durch  Tausch  an  Doxan  (Urkunde  Erben  325,  Mika  44).  Andere  Dorf- 
schaften wurden  erst  später  angelegt,  oder  kamen,  wie  Dolanek,  Wraskow, 


280 

einer  Egerinsel  nahe  bei  Brozan,  mit  einer  uralten  Pfarrkirche1) 
die  jetzt  zum  Dominium  Brozan  gehörigen  Ortschaften  Chodaunky 
und  Hostenice,  und  das  uralte  Pfarrdorf  C h o t e § o w.2)  Von  letz- 
terem, dem  die  geistlichen  Schwestern  wohl  zur  steten  Erinnerung 
an  das  zweite  Jungfrauenkloster  ihres  Ordens  zu  ChotSsow  bei  Pil- 
sen diesen  Namen  gegeben  haben,  ging  die  Sage,  dass  da  die  from- 
men Nonnen  die  Kirche  schon  um  das  Jahr  1145  erbaut  und  in 
selbe  ein  Gnadenbild  der  allerseligsten  Jungfrau  geschenkt  haben, 
das  sofort  wirklich  der  Zielpunkt  zahlreicher  Wallfahrten  geworden 
ist.  Im  J.  1384  gehörte  die  Pfarrpfründe  daselbst  mit  einer  halb- 
jährigen Zehentleistung  von  12  Groschen  zu  den  besten  des  Treb- 
nitzer  Dekanats,  ja  sogar  einer  ziemlich  weiten  Umgegend.  Der 
Propst  zu  Doxan  übte  hier  noch  1409  und  1413  das  Patronats- 
recht  aus.3)  In  den  husitischen  Unruhen  gedieh  dieser  Ort  durch 
kaiserliche  Verpfändung  in  den  Besitz  der  Herren  von  Hasenburg. 
—  In  derselben  Gegend  schenkte  schon  Wladislaw  dem  Kloster  das 
Dorf  Zalezly  an  der  Elbe,  jedoch  mit  Vorbehalt  des  Lachsenfan- 
ges, der  landesfürstlich  blieb,  bis  endlich  1226  König  Premysl  Otto- 
kar I.  auch  diese  Freiheit  noch  hinzufügte,  unter  Einem  das  Kloster  von 
allen  Abgaben  und  Diensten  freisprach,  demselben  die  Gerichtsein- 
künfte der  Hlawa  (Mordsteuer),  Swod  (Sühngeld  für  Misshandlungen) 
und  Slawe  (Zahlung  von  Gottesurtheilen  durch  Wasser  und  glühendes 
Eisen)  schenkte  und  zollfreie  Schifffahrt  für  ein  Schiff  auf  der  Elbe 
verlieh.4)  Als  Eigenthum  Doxan's  erscheinen  in  dieser  Gegend  auch 

Kraböice,  Mneles,  ein  Theil  von  Martinewes  nachmals  durch  Schenkung 
hinzu. 
!)  Doxan  übte  hier  noch  1411  das  Collaturrecht  aus.  (Lib.  confirm.  ad  1411, 
wie  1376,  1383,  1403,  1407).  Das  Städtchen  halte  „deutsches  .Recht." 
Die  Kirche  zahlte  1384  9  böhm.  Groschen  als  halbjährigen  Kirchenzeh ent. 
Die  hiesige  Kirche  war  wie  die  Kmetinaves  und  S r b i c  dem  Kloster 
incorporirt  —  hauptsächlich ,  um  mit  den  Einkünften  die  Kosten  der 
klösterlichen  Gastfreundschaft  zu  decken  (propter  onera  hospitalitatis). 
Lit.  papal.  in  lib.  Erect.  V.  B.  2. 

2)  Mika  „das  ruhmwürdige  Doxan". 

3)  Lib.  Confirm.  ad  h.  ann.  Nach  Lib.  Erect.  XIII.  B.  2.  hatte  der  hiesige 
Pfarrer  alle  Samstage  eine  gestiftete  h.  Messe  zu  Ehren  der  h.  Mutter 
Gottes  zu  feiern. 

4)  Bestätigungsbrief  Premysl  Ottokars  1226  bei  Mika  p.  25  etc.  Erben  326. 
Irrig  setzt  Mika  das  bei  ihm  p.  14  genannte  Zaleky  (richtig  Zalesly,  wie 
S.  24)  in  die  Gegend  von  Leipa. 


281 

ein  Theil  des  Pfarrdorfs  Bau§owice  (1226  durch  Kauf  von  Bruno, 
dem  Sohne  Bleks  erworben)  sammt  der  Collatur  über  die  sehr  alte 
Pfarrkirche  daselbst, ])  das  bereits  erwähnte  Pfarrdorf  Cernöwes  bei 
Wettl,2)  das  damalige  Deutschkopist,  das  vor  Erbauung  der 
Festung  Theresienstadt  an  der  Stelle  der  jetzigen  Festung  stand, 
die  Dörfer  Brnian  und  Rochow,  letzteres  jetzt  zum  Dominium 
Brozan  gehörig,  beide  durch  Schenkung  eines  Grafen  Cenkow,3)  Ro- 
chow zur  Hälfte  von  Königin  Judith,  endlich  Pfestawlk  und  Wrbi- 
£an.  Brnian,  Bausowice,  Deutschkopist  (1454  wird  auch  Böhm.- 
Kopist  mit  erwähnt)  gelangten  nebst  den  noch  angränzenden  Do- 
xaner  Dörfern  Duümiky,  Rohatce,  Chwalin,  Liboteinic,  Kleinnuönic 
und  11  Unterthanen  in  Dolanek  im  J.  1436  durch  kaiserliche  Ver- 
pfändung um  den  Pfandpreis  von  600  Schock  Groschen  an  die  Stadt 
Leitmeritz.4)  Chotesow,  Wrbiöan,  Pfestawlk,  Cernewes  (überdiess  die 
Egerüberfuhr  bei  Chodöow)  kamen  1454  durch  Verpfändung  von  Sei- 
ten des  Königs  Ladislaw  an  Zdenko  von  Hasenburg.5) 

b.  Das  Kloster  erwarb  im  J.  1176  durch  Vermittlung  des  stra- 
hower  Abtes  Adalbert  von  Chfen,  dem  Sohne  des  melniker  Prop- 
stes Jurata  vorerst  einen  Theil  von  Chrawar  nebst  Waldungen 
mittelst  Tausch  gegen  4  Mark  Silber  und  einen  Maierhof  zu  Ra- 
dusewic.6)  Dass  diess  der  heutige  Pfarrort  Grabern  (Krawary,  Ra- 
dausow)  gewesen  sei,  dafür  bürgen  einerseits  die  in  der  Tauschur- 
kunde bezeichneten  Gränzen  Tynec  (Tein),  Stwolenic  (Drum),  Straze 
(Straschitz)  und  der  Bach  Pulsnice,  —  anderseits  aber  die  That- 
sache,  dass  Doxan  noch  bis  zur  Husitenzeit  das  Collaturrecht  in 
Grabern  ausübte.7)  Einen  zweiten  Theil  von  Chrawar  erkaufte  das 
Kloster  alsbald  von  Beznata  für  22  Mark  Silber,  einen  dritten  von 


')  Mika  S.  43.  —  Lib.  confirm.  —  Im  J.  1384  zahlte  B.  12  böhm.  Groschen 
Kirchenzekent.  (Codex  decimarum.) 

2)  Vgl.  §.  22. 

3)  Mika  1.  c. 

4J  Palacky  Archiv  I.  501,  541.  Ebenso  kamen  1421  die  doxaner  Dörfer 
Krabßice  an  Rus  von  Swina  um  120  Seh. ,  Cernuc  und  Kmetinewes  an 
Parcival  von  Prostibof  um  200  Seh.    (Palacky  Archiv  IL  193.) 

5)  Urkunden  im  M.  S.  der  präg.  Univ.  Bibl.  II.  B.  5  Mise.  germ. 

G)  Urkunde  Erben  reg.  157.  326. 

T)  Lib.  confirm.  ad  1383.  Tomek  G.  Pr.  I.  100  verlegt  Chrawar  irrthümlich 
in  die  Gegend  hinter  Liben. 


282 

Dionys  für  25  Mark,  und  einen  vierten  von  Woymir  um  18  Mark: 
sämmtliche  Verkäufer  werden  als  Verwandte  Chrens  angeführt.  Von 
einem  fünften  Verwandten  Chrens  erwarb  Doxan  unter  Einem  das 
Dorf  Witozlawice.1)  Wahrscheinlich  verdankte  Grabern  dem  Klo- 
ster die  Gründung  einer  eigenen  Pfarrkirche,  die  im  J.  1384  bei 
einer  Zehentleistung  von  18  böhm.  Groschen  entschieden  zu  den 
ältesten  des  Leipaer  Dekanats  gehörte.2)  Wohl  erscheint  1264 
eine  adelige  Familie,  die  sich  von  Krawar  nennt,  im  Besitze  von 
Grabern,3)  jedenfalls  aber  nur  in  Lehensabhängigkeit  vom  Kloster 
Doxan,  welches  erwiesener  Massen  noch  nach  wie  vor  im  Besitze 
des  Collaturrechtes  blieb.  In  derselben  Gegend  besass  das  Kloster 
bereits  als  Schenkung  der  Königin  Judith  das  Dorf  P  f  e  h  o  r  y  (jetzt 
zum  Dominium  Liebeschitz  gehörig),4)  ferner  noch  vor  dem  J.  1226 
das  Gut  B  r  o  z  a  n  y  (das  heutige  Brotzen  oder  Kleinpriesen  auf  dem 
Dominium  Liboch)  als  Geschenk  eines  gewissen  Reinhard,  des  Soh- 
nes Friedrichs  de  Spelunca,5)  der  selbst  den  halben  Hof  zu  We- 
schan,  sowie  sein  Bruder  Peter  seinen  Antheil  am  Dorfe  Basche 
dem  Kloster  zugewendet  hatte.6)  Auch  das  Dorf  Chudolas  bei 
Liboch  gehörte  nachmals  demselben  Kloster.7) 

c.  Im  jetzigen  saazer  Kreise  erhielt  Doxan  um  1226  vom  Kö- 
nige Pf emysl  Ottokar  im  Tauschwege  (gegen  Oztlow)  die  Dörfer  P  e- 
t  i  p  s  y  (Fünfhunden),  LeneSice,  Libedice  und  T  r  e  b  u  s  i  c  e,  über- 
diess  auch  durch  Kauf  einen  Theil  von  Liboöany.8)  Die  mei- 
sten dieser  Besitzungen  erscheinen  später9)  als  Eigenthum  des  Klo- 
sters Postelberg,  bei  dessen  Besprechung  wir  bereits  die  alten  Pfarr- 
orte Lenesice  und  Liboöany  kennen  lernten.  Auch  Libödice  erscheint 
als   einer  der  ältesten  Pfarrstationen   des   saazer  Dekanats,  da  es 


1)  Urkunde  Erben  reg.  327. 

2)  Codex  decimarum. 

3)  Rohn  antiq.  eccl.  M.  S. 

4)  Urkunde  Erben  326. 

5)  Ebendas.  S.  327.  Dieses  Gut  gehörte  dem  Kloster  bis  zur  Aufhebung  des- 
selben. Sommer  leitm.  Kr.  382. 

<])  Erben  327.  Weschan  dürfte  das  heutige  Vestany  (Weschen)  auf  der  Domäne 
Türmitz  sein.  Das  Dorf  selbst  haben  wir  bereits  als  Besitzung  des  Collegiat- 
stifts  S.  Apollinar  kennen  gelernt. 

7)  Sommer  leitm.  Kr.  382. 

8)  Erben  reg.  326. 

9,  In  der  Zeit  der  Lib.  Confirm.  1358—1419. 


283 

1384  halbjährig  12  böhm.  Groschen  zum  allgemeinen  Kirchenze- 
hent  beisteuerte.1)  Im  J.  1394  erscheint  hier  als  Besitzer  und  Col- 
lator  ein  gewisser  Slacho,  Lehensmann  zu  Libedie,  und  im  Jahre 
darauf  ein  gewisser  Erhard  Lehensmann  zu  Okunow.2) 

3.  In  nächster  Nähe  der  genannten  Ortschaften  schlössen  sich 
die  namhaften  alten  Besitzungen  des  Klosters  Doxan  in  der  alten 
Landschaft  Sedlec  an.  Genannt  werden  Welichow  (Welchau),  Jaku- 
bow  (Jokes),  Petersdorf,  Woykowic  (Wickwitz)  mit  Waldungen,  Lu- 
pelsdorf (Lappersdorf ?),  Domonic  (Damitz),  Schönwald,  Ledic  (Liti- 
tzau),  Chotenic  (Kuttenitz),  Permesgrün,  Ledwic  (?),  Janesdorf  (?),  Hau- 
enstein.3) Insbesondere  erwarb  sich  das  Kloster  in  dieser  Gegend 
ein  grosses  Verdienst,  indem  es  im  J.  1232  die  Stadt  Königs- 
berg gründete.4) 

§.  72.  Die  Praemonstratenserklöster   Selau,   Launiowic,  Leitomischl  und 

Mühlhausen. 

1.  Um  das  J.  1139  entstand  das  neue  Stift  Selau  (Zeliwo, 
Siloe).  Als  Gründer  desselben  wird  der  Abt  Reginard  von  Sazawa 
genannt,  welcher  —  unterstützt  vom  Herzoge  Sobeslaw  um  1139 
zunächst  eine  Benedikt inercolonie  aus  Sazawa  in  der  Wild- 
niss  von  Selau  ansiedelte.  Da  der  Grund  und  Boden  der  neuen 
Niederlassung  dem  Prager  Bischof  gehörte:  so  übte  dieser  sofort 
eine  Art  von  Patronatsrecht  in  dem  neuen  Ordenshause  aus.  So 
mochte  es  kommen,  dass  nachher  Bischof  Daniel  im  J.  1148  die 
Benediktiner  von  hier  entliess  und  Praemonstratenser  aus  dem 
Kloster  Steinfeld  einführte.5)     Die  neue  Stiftung  war  anfangs  sehr 


1)  Codex  decimarum. 

2)  Lib.  Erect.  XII.  G.  8.  Lib.  Confirm.  ad  1394. 

3)  Mika  p.  14. 

4)  Urkunde  Erben  reg.  370.  üeberdies  werden  genannt  die  Collaturen  von 
Weltrus,  Kmetinowes,  ChodSowic^e  (lib.  confirm.  1371,  1373,  1378,  1417). 
Der  Wald  Otochochene,  ein  Theil  von  Perichow  (bei  Chotesau),  Glusin, 
Dechan,  Hwojnic,  Öernuc,  Hostiwic,  Siwanic,  Wrbican,  Nemcic,  Protivis, 
Luhinic,  Cachow,  Peles,  Klobuk,  Kotwin,  Sbinic,  Srbic,  Uhrec,  Chenowic. 
(Erb.  reg.  325  etc.)  Maskros,  Radinic,  Leskow,  Sobechleby,  Stankov, 
Tiskovic,  Chudinic  und  mehrere  andere  minder  verbürgte  Besitzungen. 
(Mika  14  etc.) 

5)  Chron.  Siloens.  (Mon.  Boh.  I.  102  etc.) 


284 

arm.1)  Alsbald  aber  gedieh  auch  sie  namentlich  durch  die  Frei- 
gebigkeit des  grossen  Protectors  des  Praemonstratenserordens,  des 
olmützer  Bischofs  Heinrich  Zdik  zu  bedeutendem  Reichthume.  Die 
Besitzungen  lagen  zumeist  im  Umkreise  des  Ordenshauses.8)  Da 
ihnen  Anfangs  bedeutende  Waldstrecken  an  der  mährischen  Gränze 
zufielen:  so  beriefen  sie  deutsche  Ansiedler  in  Menge,  welche 
gegen  fünfjährige  Abgabenfreiheit  und  nachmalige  Verpflichtung  zu 
einem  Getreidezehent  und  einer  erst  im  eilften  Jahre  beginnenden 
Geldleistung  die  Wälder  lichteten  und  eine  Menge  nachmals  blü- 
hender deutscher  Ortschaften  anlegten.  Diese  Vorgehungsweise  wird 
im  J.  1252  als  eine  bereits  übliche  erwähnt3)  und  von  da  an  so- 
wohl von  den  Landesfürsten  als  auch  von  einzelnen  Grundherren 
vielfach  nachgeahmt.4)  Indem  auch  andere  Ordenshäuser  in  Böh- 
men wohl  schon  seit  ihrer  Stiftung  her  und  noch  mehr  von  dieser 
Zeit  an  ein  Gleiches  thaten,  so  verwandelten  sich  allmälig  die  wei- 
ten Gränzwälder  Böhmens  (die  grossentheils  den  Klöstern  Ossegg, 
Tepl,  Kladrau,  Nepomuk,  später  Hohenfurt,  Goldenkron  u.  s.  w. 
gehörten)  in  blühende  Niederlassungen  der  Deutschen. 

2.  Zu  gleicher  Zeit  mit  Selau  erhob  sich  das  Jungfrauenstift 
desselben  Ordens  Launiowitz  in  der  Gegend  von  Wlasnn.  Wie 
uns  der  sachkundige  Chronist  von  Selau5)  erzählt,  hat  Heinrich, 
ein  in  der  Arzneikunst  sehr  bewandter  Praemonstratenser  von  Se- 
lau, aus  manigfachen  zu  diesem  Zwecke  gesammelten  Geschenken 
dieses  neue  Ordenshaus  erbaut.  Die  ersten  Bewohnerinnen  waren 
fromme  Jungfrauen  aus  dem  Kloster  Donewald  in  der  Kölner  Diö- 
cese.  Ein  Prior  unter  der  Oberleitung  des  Abtes  von  Selau  be- 
sorgte daselbst  den  geistlichen  Dienst.8)     Die  Besitzungen  des  Klo- 


')  Ebendaselbst. 

a)  Genannt  werden  in  ältester  Zeit:  das  Gut  Stanimir  (nachmals  gegen  den 
grossen  Wald  Borek  an  der  mährischen  Gränze  vertauscht),  Podol,  Dobre, 
Scrisowe,  Bogedanz,  Pustsin,  und  namhafte  Zchente  in  der  Gegend  von 
Iglau.    Vgl.  Erben  reg.  152,  382  etc. 

3)  Erben  reg.  60G. 

4)  Erben  1.  c.  Als  spätere  Besitzungen  Seiaus  werden  von  K.  Sigmund 
1436  verpfändet:  Zbilidy  mit  einem  Teiche,  Petrowice,  Öihowice  und 
Nccice.  (Pal.  arch.  öesk.  I.  514.) 

5)  Dobn.  mon.  Boh.  I.  99. 

6)  Ebend.  110  etc. 


285 

sters  in  ältester  Zeit  werden  nicht  genannt l) :  jedenfalls  lagen  sie 
von  der  jetzigen  leitmeritzer  Diöcese  fern.  Nachmals  ging  von  hier 
eine  Schwestercolonie  nach  Kaunitz  in  Mähren  aus. 

3.  Im  Jahre  1145  räumten  auch  die  Benediktiner  zu  Leite- 
rn i  s  c  h  1  ihr  Ordenshaus  den  Praemonstratensern  ein.  Herzog  Otto 
von  Ohnütz  und  der  Bischof  Heinrich  Zdik  dotirten  es  auf  das  frei- 
gebigste aus  Dankbarkeit  für  eine  überstandene  Lebensgefahr.3) 
So  bedeutend  wurden  die  Besitzungen  dieses  Klosters  sowohl  in 
Böhmen  als  in  Mähren,  dass  es  nachmals  in  ein  Bisthum  sammt  ei- 
nem Domcapitel  verwandelt  werden  konnte.  Namentlich  gehörten 
auch  hieher  bedeutende  Waldstrecken  an  der  mährischen  Gränze,3) 
welche  sich  in  Kurzem  zu  Wohnsitzen  deutscher  Ansiedler  gestal- 
teten.4) 

4.  Im  Jahre  1184  stiftete  der  edle  und  fromme  Graf  Georg 
von  Mühlhausen  (Jurik  von  Milewsko)  eine  neue  Colonie  des  Prae- 
monstratenserordens,  die  seinen  Namen  verewigte.  Es  ist  das  Klo- 
ster Mühlhausen  (Milewsko)  in  der  Gegend  von  Pisek.5)  Der 
bekannte  Chronist  von  Selau  (Fortsetzer  der  Chronik  des  Selauer 
Capitulars  Jaroslaw),  der  eben  so  gelehrte  als  fromme  Ordensbru- 
der Gerlach  (Gerlacus)  ward  der  erste  Abt  des  neuen  Stiftes.  Eben- 
desshalb  ist  es  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  es  auch  die  ersten 
Ordensbrüder  aus  Selau  erhielt  und  auch  unter  der  mittelbaren  Lei- 
tung dieses  Mutterklosters  blieb.  Die  ältesten  Besitzungen  lagen 
in  den  Kreisen  von   Tabor,  Prachin  und  Budweis.6)     Als  Propstei 


1)  Kaiser  Sigmund  verpfändete  1420  zugleich  mit  dem  Klostergebäude  Lau- 
niowic  die  Ortschaften  (also  wohl  Besitzungen  des  Klosters) :  das  Städtchen 
Domasin,  die  Dörfer  Lhota,  Milanowice,  2elichowice,  Hrin,  Skry§ow,  Rat- 
merire,  Libun ,  Lazy,  Predborice,  Hrajowice,  Rajkowice,  Lhota,  Karhule, 
Krizow,  Utechowice,  Masejowice,  Milotice  und  Waöice  (Pal.  reg.  zäpis.  in 
Arch.  öesk.  I.  531). 

2)  Vgl.  Erben,  reg.  112. 

3)  Vgl.  Erben  reg.  112,  138,  139. 

4j  Als  älteste  Besitzungen  werden  nebst  grossen  Waldstrecken  genannt : 
Pametic,  Theile  von  Wazane,  Krekovice,  Richowice,  Sudic,  Sekry,  Unter- 
thanen  in  Rostok,  Dubraunic,  Nedosin,  Gradisce,  Theile  von  Lozic,  Zaläsaz, 
Lepejowice,  Tynec,  Triskowic,  Iwanowic,  Grubowic,  Domasic,  Hinow,  ftepin, 
Kolodes,  fökowice,  GruSowa,  Swabenice,  Bojanowice,  Cerekwice ,  Blejow, 
Brezne.  (Erben  1.  c.) 

5)  Urkunde  Erben  reg.  231. 

6)  Genannt  werden  Cernochow,  Theile  von  Treskolup  und  Kralup  (1207  für 


286 

wird  —  ohne   nähere  urkundliche  Begründung  —  Theusing  ge- 
nannt. ]) 

i 

§.  73.  Die  ersten  Cisterzienser  in  Böhmen. 

I.  Es  wurde  bereits  erwähnt,  in  welch'  nahem  Zusammenhange 
die  Einführung  der  Ordenssöhne  des  h.  Bernard  mit  clor  geistlichen 
Deformation  in  unserem  Vaterlande  stand.  Das  erste  Mutterhaus 
für  Böhmen  war  das  Kloster  Waldsassen  im  heutigen  König- 
reiche Baiern.  Dieses  von  den  einstigen  Besitzern  Egers,  den  Gra- 
fen von  Vohburg  gestiftete  und  dotirte  Ordenshaus  hatte  schon  von 
allem  Anfange  an  bedeutende  Besitzungen  und  dadurch  auch  be- 
deutenden Einfluss  in  Böhmen  erworben.  Diese  Besitzungen  erstreck- 
ten sich  namentlich  über  einen  beträchtlichen  Theil  des  Egerlandes 
und  des  ehemaligen  elbogner  Kreises,  —  hier  insbesondere  über 
viele  Ortschaften  der  Dominien  Chodau,  Schönbach,  Graslitz,  Ber- 
nau, Wallhof,  Katzengrün,  Sandau  und  Königsberg.  Uiberdiess  ge- 
hörten dahin  6  Höfe  in  Pilsen  und  eine  Besitzung  sammt  dem  Pfarr- 
patronate  in  Plan.2)  Aber  auch  in  den  Umkreis  der  heutigen  Di- 
öcese  von  Leitmeritz  reichten  die  Güter  dieses  Klosters  hinein. 
Hier  besass  Waldsassen  vorerst  durch  Schenkung  vom  Könige 
Wladislaw  I.  (1165,  28.  Juni)  in  der  saazer  Provinz  ein  Dorf  Dau- 
dlebic  mit  dem  sehr  ausgedehnten  Grundbesitze  Preolac  (jetzt 


Tynsa  vertauscht) ,  Belin ,  Pozretin  ,  Kdesice,  Dobrotesice ,  Mymonowic, 
Gray ko wie  (letztere  3  für  Strana,  Bratrejow,  Zbutko,  Chratna  eingetauscht), 
Bojnic,  Kojetiu,  Horosedly  (1234  gegen  Hrustice  vertauscht).  Vgl.  Erben 
reg.  231,  259,  260,  26G,  275,  285,  296,  355,  399,  413. 

»)  Illust.  Chron.  von  Böhm.  I.  322. 

-)  Genannt  werden :  das  freie  Steinhaus  in  Eger  mit  den  dazu  gehörigen 
Unterthanen  in  und  ausserhalb  Eger,  das  Quellgebiet  der  Elster  bei  Asch 
(begränzt  von  den  Bächen  Znata,  Tieffenbach,  grosse  und  kleine  Elster, 
Winbach,  Luboc,  Tonokop  sammt  inliegenden  Ansiedlungen) ,  Chodau, 
Neudorf,  Roztil  (1196),  ein  Grundbesitz  bei  Kulm  (1232),  Stadt  und  Gut 
Schönbach  (bis  c.  1348),  Konradsgrün  und  10  Höfe  in  Gassnitz  (1308  — 
c.  1348),  Lapitzfeld  (1308),  Gut  Liebenstein,  Schönwerth ,  Reichenau, 
Scheiben,  Perglas,  Nothhaftsgrün  (1298  —  c.  1348),  Unterlosau  (1218), 
Markhausen  (bis  c.  1348),  Oed  (1289),  ein  Hof  in  Pograt  (1287),  Schönlind 
(bis  1349) ,  Schossenreut  (1279) ,  Treunitz  (bis  c.  1348),  Oberkuenreut 
(1300),  Gut  Watzgenreut  (1154).  Vgl.  Erben  reg.  137,  166,  167.  Brenner 
Gesch.  des  Stiftes  Waldsassen  24—91.  Pröckl,  Eger  und  das  Egerland. 


287 

Dorf  Pröhlig)  und  den  Egerfluss  der  Ausdehnung  jenes  Grundbesitzes 
entlang.1)  Dazu  fügte  Herzog  Friedrich  im  J.  1182  noch  das  Dorf 
Penreit  in  derselben  Gegend  sammt  Feldern  und  Wäldern  (unter  Ei- 
nem auch  ein  Dorf  Bruwic  nahe  bei  Prag).3)  König  Wenzel  I.  ver- 
lieh 1238  dem  Kloster  noch  dazu  6  Höfe  und  das  ganze  confiscirte 
Erbe  des  gewesenen  königlichen  Jägermeisters  Orthe  in  Blzany 
(Flöhau)  sammt  Wiesen  und  Feldern.3)  Nachmals  (1248)  fügte  der- 
selbe Fürst  für  die  im  Kriege  mit  seinem  Sohne  Pfemysl  Ottokar 
erlittene  Verwüstung  des  Gutes  Preolac  in  derselben  Gegend  das 
Gut  Sattel  mit  Jagd- Fischerei-  und  Waldgerechtigkeit  hinzu.4)  Im 
J.  1290  (9.  Nov.)  schenkte  König  Wenzel  IL  dem  Kloster  für  die 
empfangenen  Dienste  des  damaligen  Abtes  Theodorich  die  Hälfte 
des  Dorfes  Holedic,  die  dem  Könige  von  dem  Bürger  Theodorich 
Brunner  in  Saaz  anheimgefallen  war.5)  Im  Jahre  1291  (27.  April) 
kaufte  das  Kloster  selbst  in  der  Nähe  von  Saaz  zwei  Höfe  in  S  t  r  u  t  z  \ 
(Dreihof)  an  der  Eger.6)  Etwas  später  erscheinen  bei  Saaz  die 
Ortschaften  Pressern  (Bf ezany),  S c h w i n au  (Schinau)  und  P u l'- 
schic  (?)  nebst  dem  bereits  erwähnten  Holedic  als  Besitzungen  von 
Waldsassen,  die  aber  im  J.  1346  durch  Verkauf  an  Trost  von  Win- 
kler in  Künsberg  übergehen.7)  Im  Jahre  1356  gelaugte  das  eine 
Zeit  lang  entfremdete  Gut  Preolac  als  Geschenk  von  Johelin  Jacobi 
von  Neuem  an  Waldsassen.8)  Im  J.  1332  hatte  König  Johann  dem 
Kloster  das  Patronat  von  Laun  geschenkt.9)  Das  oben  genannte 
Pressern  (Bf ezany)  erscheint  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahr- 
hunderts als  selbstständiger  Pfarrort,  wo  Waldsassen  die  Patronats- 
rechte  ausübte.  Die  Stadt  Laun  dagegen  ist  nächst  Saaz  entschie- 
den die  älteste  und  beste  Pfründe  des  saazer  Archidiakonats  ge- 
wesen, indem  selbe  1384  die  höchst  ungewöhnliche  Summe  von  2 
Schock  b.  Groschen  zum  halbjährigen  Kirchenzehent  entrichtete.10) 

')  Urkunde  bei  Erben  reg.  137. 

8)  Urkunde  ebend.  167.  Vielleicht  ist  dies  Branik. 

3)  Urkunde  ebend.  433. 

4)  Brenner  S.  36. 

5)  Ebend.  S.  55  und  59. 
6j  Ebend.  S.  56  und  59. 

7)  Ebend.  88. 

8)  Ebend.  92. 

9)  Ebend.  82. 

10)  Codex  decimarum. 


288 

Auch  später  noch  vermehrte  die  Freigebigkeit  der  Eingebornen  den 
Reichthum  ihrer  Kirche.1)  Im  Jahre  1196  bereits  hatte  ihnen  Her- 
zog-Bischof Heinrich  Bfetislaw  die  Zollfreiheit  in  Böhmen  verliehen.2) 
2.  Von  Waldsassen  zog  im  J.  1143  die  erste  Cisterzienser- 
colonie  nach  Böhmen  herein.  Hier  hatte  der  edle  Miroslaw,  an- 
geblich ein  Ahnherr  der  nachmaligen  Herren  von  Wartenberg  und 
Waldstein,  für  die  ehrwürdigen  Väter  das  erste  Kloster  zu  Sedlec 
erbaut,  —  und  zwar  „mit  Einwilligung  des  Herzogs  Wladislaw  und 
des  Bischofs  Otto  und  auf  Zureden  des  Bischofs  Heinrich  (Zdik) 
von  Mähren." 3)  Als  erste  Besitzung  schenkte  der  fromme  Stifter 
dem  neuen  Kloster  die  Güter  und  Höfe  Solnic,  Hothowic,  Podol- 
sany,  Zdebudice,  Pobof,  Odolany,  Belany,  Malejowice,  Lubenice,  Hli- 
zow,  Kacin  —  und  namentlich  auch  Gradische  sammt  Wasser,  Wie- 
sen und  Waldungen,  wo  alsbald  wieder  das  selbstständige  Kloster 
Münchengrätz  sich  erheben  sollte.  Uiberdiess  aber  bestimmte  Miro- 
slaw das  Kloster  Sedlec  zum  Erben  aller  seiner  Güter,  falls  er  und 
seine  Neffen  ohne  Erben  sterben  möchten.  Diesem  Beispiele  folgte 
auch  sein  Schwestersohn  Dfislaw,  wodurch  dem  Kloster  sehr  bedeu- 
tende Erwerbungen  zuflössen.4)  Nachmals  vermehrten  auch  noch 
neue  Schenkungen  unterschiedlicher  Wohlthäter  den  Besitzstand 
von  Sedlec,  —  unter  diesen  namentlich  auch  der  später  ausführ- 
licher zu  rühmende   Graf  Kojata  von  Brüx,  Sohn  des  Grafen  Hra- 


')  1395  errichtete  die  verwitwete  Bürgerin  Gutta  ein  neues  Altarbeneficium 
(S.  Corporis  et  sanguinis  J.  Christi)  mit  8  Seh.  Zinsungen.  (Lib.  Erect. 
XIII.  F.  3.)  —  1396  10.  Mai  schenkte  der  Priester  Peter  von  Laun  seiner 
Mutterkirche  einen  Allodialhof ,  damit  ein  tüchtiger  Prediger  daselbst  an- 
gestellt werde.  (Lib.  Erect.  XIII.  G.  1.)  In  demselben  Jahre  schenkte  die 
Bürgerschaft  der  Kirche  einen  anderen  Allodialhof  nebst  einem  Acker 
Landes  (Lib.  Erect.  IV.  T.  1.).  1409  schenkte  ein  Launer  Bürger  einen 
zweiten  Acker  dazu.  (Lib.  Erect.  XIII.  R.  8.)  1412  14.  Feb.  schenkt  aber- 
mals ein  von  Laun  stammender  Priester  der  Kirche  daselbst  einen  Allodial- 
hof mit  einem  Acker  Landes  zur  Stiftung  einer  S.  Marien-Frühmesse. 
(Lib.  Erect.  XIII.  T.  16.)  So  war.  Laun  bis  zur  Husitenzeit  einer  der 
hervorragendsten  Pfarrorte  Böhmens  geworden. 

2)  Urkunde  Erben  reg.  p.  193. 

3)  Stiftungsurkunde  bei  Erben  reg.  103.  Kapihorsky  hyst.  klastera  Sedleckeho  1. 
Illust.  Chron.  v.  Böhm.  IL  161.  Fälschlich  schreiben  Hajek  und  Pontanus 
diese  Stiftung  dem  prager  Bischöfe  Daniel  zu. 

4)  Stiftungsurkunde  wie  oben. 


289 

bi§a  von  Bilin. l)  Auch  erhebliche  Antheile  der  in  nächster  Nähe 
entstandenen  Silbergruben  von  Kuttenberg  steigerten  den  Reich- 
thum  des  Klosters,  welches  um  das  Jahr  1400  sogar  300  Priester 
und  200  Laienbrüder  zu  erhalten  vermochte.5)  Die  späteren  Be- 
sitzungen des  Klosters  lagen  zumeist  in  den  Kreisen  von  Caslau, 
Kauf  im  und  Chrudim.3) 

Im  Antheile  der  jetzigen  leitmeritzer  Diöcese  besass  Sedlec 
ausser  einigen  Elbmühlen  bei  Nimburg  die  Stadt  Hodkowice4). 
Es  ist  diess  um  so  gewisser  das  jetzige  Liebenau  im  bunzlauer 
Kreise,  als  diese  Besitzung  geradezu  als  Stadt  bezeichnet  wird  und 
die   beiden  andern  gleichnamigen   Orte  in  Böhmen   (im  kaufimer 


»)  Urkunde  Erben  reg.  333. 

2)  Illust.  Chron.  II.  161. 

3)  Namentlich  werden  ausser  den  bereits  genanuten  angeführt,  —  urkundlich: 
Sezemice,  Krastno,  Prelozy,  Zmine.  Bei  Kapihorsky  hist.  Sedl. :  Zinsungen 
zu  Kuttenberg  und  die  Collaturen  zu  Kuttenberg,  Malin,  Kolin,  Weletow, 
Königgrätz  und  in  den  mährischen  Orten  Jemnic  und  Jaromir.  Nach  einem 
dem  Könige  Ferdinand  überreichten  Catalogus  (Sartorii  Cisterc.  bist.  982 — 
985)  noch:  Pretoka,  Chleby  bei  Nimburg,  Podesheim  bei  Graz,  Kolin, 
Caslau,  Bresan,  mehre  Neudorf,  Chrawan,  Radhostic,  Celakowic,  Dymokur, 
Ujezd,  Hofmark  (in  Oesterreich),  KHwsudow,  3  Höfe  bei  Kolin,  Selmic, 
Cernöin,  Swojöiß,  Borowic,  zwei  Lhota,  Chysna,  Budsic,  Laz,  Brezina,  Ce- 
setic,  Herorc,  Slawnic,  Pawlow,  MikulaSow,  Dubec,  Bonowec,  Wesele,  Bon- 
kow,  Budisow,  Babice,  Cerkovice,  Grund,  Dolany,  S.  Jacob,  Kobylnic, 
Owöar,  Morasice,  Zbidlaw,  Jezery,  Öernice,  Belusice,  Zraky,  Zitenice, 
Blary,  Chröice,  Chwaletice,  Dubec,  Dobrinice,  Konkow,  Konowice,  Hrob 
bei  Kolin,  Osada,  Sestary,  Zdanice,  Chwostan,  Polkym,  Pawic,  Jenkow,  Barts- 
dorf, Longendorf,  Hohenrein,  Smilow,  Bergmeisterdorf,  Blumendorf,  Pfaffen- 
dorf, Chotowic,  Trebusic,  Krakowan,  Recenow,  Labwetin,  Horsan ,  Postub, 
Grellenort,  Pignersdorf,  Merbotsdorf,  Weigmannsdorf ,  Kojic ,  Zaboric, 
Wlinar,  Hohenredel,  Malesow,  Moßowic,  Wilanec,  Aigen,  Wislowic,  Sla- 
thauen,  S.  Nikolaus,  Radhost,  Bronkowic,  Michowic,  Usinec,  Kresetic,  Krupa 
und  einige  Zinsungen.  Offenbar  wurden  da  auch  Besitzungen  anderer 
Klöster  und  blosse  Theil-  und  Zinsdörfer  einbezogen.  Verpfändet  wurden 
von  K.  Sigmund:  Cirkwic,  S.  Jakob,  Kojetic,  die  Mühle  Hroby,  Hlisow, 
Kotowice  ,  Grewer  bei  Kolin ,  Luzow ,  Pfaffendorf,  Malesow ,  Zbyslaw, 
Rohozec,  Kunice ,  Tridwori ,  2  Mühlen  bei  Kolin,  Owcary,  Nowy  Dwür, 
Nowawes,  Hradistko,  S.  Katharina,  Zabor,  S.  Nicolaus,  Dolany,  Sestary, 
Belany.  (Pal.  Arch.  öesky.)  Diese  also  waren  sichere  Besitzungen  von  Sedlec. 

4)  Vgl.  Urkunden  Erben  reg.  103  und  333  u.  das  dem  König  Ferdinand  I. 
übergebene  Verzeichniss. 

19 


290 

und  königgrätzer  Kreise)  erweislich  andere  Besitzer  hatten.  Wahr- 
scheinlich ist  es  eben  jenes  Hothowice,  welches  schon  der  Stiiter 
Miroslaw  zugleich  mit  dem  nahen  Münchengrätz  dem  Kloster  Sedlec 
übergeben  hatte.  Im  14.  Jahrhunderte  finden  sich  jedoch  schon 
andere  Besitzer  dieser  alten  Stadt,  u.  z.  1363  die  Herren  von  Dra- 
zice  und  1376  ein  Herr  von  Biberstein. x)  Hodkowice  gehörte  ent- 
schieden zu  den  ältesten  Pfarrbeneficien  des  Dekanates  von  Tur- 
nau,  indem  es  im  J.  1384  den  in  dieser  Gegend  höchsten  Kirchen- 
zins von  12  böhmischen  Groschen  zu  entrichten  hatte.3)  Als  Ei- 
genthum  des  Klosters  Sedlec  wird  endlich  auch  noch  das  Einkom- 
men vom  Zupengerichte  in  Turnau  genannt,  auf  welchen  Ort  wir 
seiner  Zeit  näher  zu  sprechen  kommen  werden. 

Als  Propsteien  von  Sedlec  werden  Kauf  im,  Chotusitz 
und  Elbenteinitz  genannt.  Auch  verlegen  Hajek  und  Spätere 
ein  von  hier  aus  gegründetes  und  geleitetes  Jungfrauenkloster  der- 
selben Ordensregel  nach  Starkenbach  (Jilemnice)  im  ehemaligen 
bydschower  Kreise.3)  Die  Husiten  sollen  dasselbe  zerstört  haben. 
Während  jedoch  für  das  einstige  Bestehen  jener  Propsteien  zahl- 
reiche Urkunden  sprechen4) ,  findet  sich  für  die  letztere  Meinung 
bis  jetzt  nirgends  eine  historische  Spur.5)  Wahrscheinlich  hat  man 
auch  hier  wie  anderwärts  das  irgend  einem  Nonnenkloster  (un- 
bekannt welchem?)  gehörige  Herrschaftshaus  für  ein  Kloster  ange- 
sehen.6) Von  Sedlec  gingen  nachmals  die  neuen  Ordenscolonien 
Königssaal  und  Skalitz  aus. 

3.  Um  dieselbe  Zeit,  —  nach  Neplacho  sogar  schon  im  Jahre 
1 130  —  wurde  auch  das  Kloster  N  e  p  o  m  u  k  oder  Pomuk  gegründet. 7) 


*)  Lib.  Contirm.  ad  h.  a. 

2)  Regist.  decim. 

3)  Hajek.  Sommer,  bydsch.  Kr.  S.  171. 

4)  Index  librorum  erectionum.  Kapihorsky  hist.  Sedl. 

5)  Selbst  Kapihorsky  hist.  Kläst.  Sedlec.  weiss  nichts  davon. 

6)  Vgl.  S.  106.  (Kl.  Georg.) 

7)  Pomuk  heisst  dieses  Kloster  in  den  von  Erben  (Reg.  Boh.  etMor.)  gesammel- 
ten öffentl.  Urkunden  von  1188,  1234,  1246;  Nepomuk  dagegen  1176,  1224 
1239,  1252.  Pomuk  heisst  es  ferner  in  den  Libris  Erectionum  in  d.  J.  1409 
1412,1413,  1418;  Nepomuk  dagegen  in  den  Urkunden  des  Archiv  öesky  (v. 
Palacky)  von  1356,  1410,  1419.  Es  ist  also  offenbar,  dass  beide  Namen 
als  identisch  betrachtet  wurden.     Der  Sage  nach  soll  aber  Nepomuk  der 


291 

Der  Name  des  Gründers  ist  bis  jetzt  nicht  bekannt.1)  Spätere 
Schriftsteller  deuten  auf  die  Ahnen  der  nachmaligen  Grafen  von 
Sternberg  hin.  Sicher  ist,  dass  hundert  Jahre  nachher  der  Würz- 
burger Bischof  Berthold  von  Sternberg  ein  grosser  Wohlthäter  der 
neuen  Stiftung  wurde. 8)  Dieses  Kloster  ist  zunächst  desshalb  merk- 
würdig, dass  es  seine  ersten  Ordensbrüder  aus  dem  fränkischen 
Kloster  Eberach  erhielt,  desshalb  den  Abt  dieses  Mutterklosters 
fortan  als  geistlichen  Vorsteher  verehrte  und  somit  in  keinem  en- 
geren Verbände  mit  den  übrigen  Cisterzienser-Ordenshäusern  in 
Böhmen  stand.3)  Nachmals  diente  hier  der  heilige  Johannes  von 
Nepomuk  als  Knabe  den  Priestern  am  Altare.  Die  ältesten  Be- 
sitzungen lagen  wohl  in  nächsten  Umkreise.4)  Als  älteste  Aebte  wer- 
den Conrad  (1176),  Hermann  (1188),  Hartmund  (1219),  Heinrich 
(1240),  Berthold  (1250)  genannt.  Seit  der  Zerstörung  durch  die 
Husiten  erinnern  nur  noch  wenige  Trümmer  und  das  umliegende 
Dörfchen  Kloster  an  das  einst  blühende  Ordenshaus.5) 

Von  Nepomuk  aus  wurde  schon  im  Jahre  1157  die  Propstei 
Heiligenfeld  (Sacer  campus ,  Swate  pole)  nächst  Königgrätz  ge- 
gründet, zu  welcher  wieder  in  Königgrätz  selbst  eine  Pfarrei  mit 
einem  „Klösterlein"  gehörte.6) 

Auf  dem  Grünberge  bei  Nepomuk  soll  nach  Einigen  noch 
ein  anderes  Kloster  —  angeblich  der  Cisterzienserinnen  —  gestan- 


ursprüngliche  Name  des  Klosters,  Pomuk  aber  der  ursprüngliche  Name 
der  unfern  davon  ertstandenen  Stadt  gewesen  sein.  Dieselbe  Sage  führt 
die  Entstehung  des  Namens  auf  den  aus  Rom  heimkehrenden  heiligen 
Adalbert  zurück,  der  durch  sein  Gebet  (auf  dem  Grünberge)  das  aus- 
getrocknete Land  wieder  mit  Regen  befeuchtet  (pomok)  habe. 

J)  Auch  Neplacho  hat  ihn  nicht  genannt. 

3)  Jogelinus,  Baibin.  hist.  sacromont.  auct.  I.  c.  9. 

3)  Brusch  de  monast.  Eboracensi.  Baibin.  1.  c.  Pubitschka  IV.   260. 

4)  Genannt  werden:  Dnesic  (1239  an  Kladrau  verkauft)  und  Snopuse  (1239 
gegen  Radochowice  und  Bertholdice  vertauscht).  Sicher  verdankt  die  Stadt 
gleichen  Namens  ihre  Entstehung  dem  Kloster. 

5)  Vgl.  Sommer  VII.  33. 

6)  Jogelinus,  Sartorius.  Die  ehemalige  Lage  bestimmt  Bienenberg  (Gesch. 
von.  Königgrätz  S.  273),  der  übrigens  gleich  andern  diese  Propstei  für 
ein  wirkliches  Kloster  hielt.  Andere  suchen  die  ehemalige  Lage  bei  Opocno 
und  halteii  die  Stiftung  für  ein  Frauenkloster.  Die  Königgrätzer  zerstör- 
ten es  1420. 

19* 


292 

den  sein.1)  Urkunden,  welche  diese  Annahme  bestätigen  möchten, 
fehlen  gänzlich.  Doch  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  der  in 
nächster  Nähe  von  Nepomuk  gelegene  Grünberg  sammt  seiner  Burg 
eine  Zeit  lang  zu  den  Besitzungen  des  Klosters  gehörte  und  in  die- 
ser Eigenschaft  eine  Colonie  des  Mutterhauses  beherbergte.8)  Lange 
aber  hat  diess  wohl  kaum  gewährt;  denn  schon  im  Jahre  1247  fin- 
den wir  bereits  einen  erblichen  Herrn  von  Grünberg,3)  welchem  Ge- 
schlechte nachmals  die  Herren  von  Steinberg  im  Besitze  folgten.4) 

§.  74.  Das  Cisterzienserstift  Plass. 

1.  Dieses  Kloster  hat  für  die  jetzige  leitmeritzer  Diöcese  eine 
besondere  Bedeutung  durch  den  Umstand  gewonnen,  dass  dasselbe 
hier  seit  uralten  Zeiten  eine  Propstei  —  u.  z.  zu  Böhmisch-Leipa 
besass. 

Als  Stifter  des  prachtvollen  und  reichen  Ordenshauses  wird 
der  König  Wladislaw  I.  gerühmt,  der  auf  seinen  Jagden  das  dor- 
tige schöne  Thal  kennen  gelernt  und  liebgewonnen  hatte,  so  dass 
er  eben  dort  im  J.  1146  den  Grundstein  zu  einem  von  ihm  längst 
schon  projectirten  Cisterzienserkloster  legte.  Eine  Colonie  des  ost- 
fränkischen Klosters  Langheim  übersiedelte  in  die  neue  Ordens- 
stätte. Der  hochherzige  Gründer  sorgte  durch  Schenkung  bedeu- 
tender Grundstücke  und  Einkünfte  für  den  Bedarf  der  frommen 
Klosterbrüder.  Nachmals  thaten  Herzog  Friedrich  (1183),  Helicha, 
die  Gemalin  des  Herzogs  Otto  (1189),  der  Herzog-Bischof  Bretislaw 
(1190)  König  Premysl  Otokar  I.  (1207),  Bischof  Daniel  (1209)  und 
alsbald  auch  zahlreiche  Mitglieder  des  böhmischen  Adels  ein  Uibri- 
ges,  um  den  Reichthum  der  heiligen  Stiftung  von  Plass  zu  erhöhen 
und  dadurch  das  segenreiche  Wirken  der  frommen  Ordensbrüder  in 
Gottesdienst  und  Seelsorge,  in  Wissenschaft  und  Kunst,  in  Landcul- 
tur  und  Armenpflege  zu  erweitern. 

2.  Die  Besitzungen  des  Klosters  Plass  lagen  fast  durchgehends 
ausserhalb  der  Gränzen  der  heutigen  leitmeritzer  Diöcese. 


')  Hajek.    Nach  ihm  Balbin.  Jogeliu.  Sartorius. 
*)  Vgl.  Sommer  VII.  24. 

3)  Erben  regest,  p.  730  ad  1247. 

4)  Sommer  VII.  24.  Palacky  Archiv  öesky  IV.  74.  80.  81.  138.  234. 


293 

a.  Als  hiesige  dem  Kloster  gehörige  Ortschaft  wird  nur  Zus- 
san  genannt,  wohl  das  nachmalige  Pfarrdorf  Susany  (Zuscha  -— 
dermalen  zur  Domaine  Postelberg  gehörig).  Im  J.  1384  gehörte 
selbes  bereits  zu  den  älteren  Pfarrstationen  des  Dekanats  und  be- 
theiligte sich  damals  mit  9  böhm.  Groschen  an  dem  Halbjahrster- 
minen des  allgemeinen  Kirchenzehents. ')  Damals  und  auch  vor- 
dem erscheinen  daselbst  die  ritterlichen  Herren  von  Wildenfels, 
später  aber  einzelne  Bürger  der  k.  Stadt  Saaz  als  Collatoren  der 
Pfarrpfründe.2)  Dieses  Dorf  war  wohl  schon  sehr  bald  nach  der 
Stiftung  von  Plass  in  den  Besitz  jenes  Klosters  gekommen,  und 
zwar  als  Geschenk  des  Grafen  Bolic,  eines  Sohnes  des  Nacezsse.  Im 
J.  1175  kam  es  im  Tauschwege  —  ohne  Zweifel  der  weiten  Entfer- 
nung wegen  —  gegen  das  Gut  Ujezd  an  den  Herzog    Soböslaw.3) 

b.  Noch  von  der  ersten  Stiftung  her  besass  das  Kloster  Plass 
einen  Theil  des  Salzzolles  zu  Deöin  (Tetschen),  der  damaligen 
Hauptstadt  der  gleichnamigen  2upe.4)  Im  J.  1183  beklagten  sich 
die  Klosterbrüder  bereits  beim  Herzoge  Friedrich,  dass  es  ihnen 
schwer  falle  das  Erträgniss  dieser  Schenkung  Wladislaws  I.  „we- 
gen der  Länge  des  Weges  und  der  Nachstellungen  von  Seiten  der 
Räuber  ohne  grosse  Gefahr  ins  Kloster  zu  befördern."  In  Folge 
dessen  übernahm  Herzog  Friedrich  jenen  Zoll  wieder  selbst  und 
schenkte  dem  Kloster  dafür  ein  landesfürstliches  Dorf,  Namens 
Kopidl.5) 

3.  Die  für  uns  interessanteste  Besitzung  von  Plass  war  die 


l)  Regist.  decimarum. 

a)Lib.  Confirm.  ad  1360,  1369,  1389,  —  1407,  1412,  1417. 

3)  Urkunde  Erben  reg.  155. 

4)  Vgl.  S.  33  I.  Urkunde  Erben  reg.  118. 

5)  Urkunde  Erben  regesta  170.  Anderweitige  ursprüngliche  Besitzungen:  Obora, 
Kretkow,  Babina,  Lomnice,  Luti,  Ujezd,  Krpozis  (dafür  Lugow  und  spä- 
ter Szheshin),  Öellowic,  Chisko  (dafür  Zehutic  und  Koöin),  Kaznew,  Wrasni, 
Nebrisin,  Supa,  ein  Weinberg  bei  Prag,  Teskoy,  Loman,  Gluboc,  Uplevi, 
Udrascha,  Zrubni,  ein  Gütchen  bei  Kralowic,  Mozidlin,  Hluboky,  Uplewice, 
Udrazka,  Srubni,  ein  Theil  von  Ninonic,  Ninic,  Wsehrdy,  Teinic,  Olsowe, 
Ujezd,  Breze,  Ujezdec,  Korith,  Bezdekow,  Lasnic,  Darow,  Kostelec,  Kozlan 
(dafür  Sehela),  Hodin,  und  der  Zins  von  Wisoöan.  (Vgl.  Erben  reg.  118, 
143,  170,  171,  182,  184—187,  204,  222,  230,  237,  265,  288,  347,  357,370, 
383,  390,  415,  438—440,  457,  596,  597.) 


294 

Propstei  S.  Maria  Magdalena  in  Böhmisch-Leipa.  Des  frühe- 
ren Unterganges  dieser  alten  Stadt  und  ihrer  Wiedererbauung  durch 
den  tetschner  Äupan  Jakob  im  Jahre  1059  haben  wir  bereits  er- 
wähnt. ')  Wie  damals  durch  eine  Wasserfluth,  so  musste  im  Jahre 
1244  die  arme  Stadt  sammt  ihrem  Gotteshause  ein  Opfer  der  Flam- 
men werden.  Doch  auch  diessmal  erstand  sie  von  Neuem  aus  den 
Trümmern  und  zwar  schöner  und  grösser  als  je  zuvor.  Sie  dankte 
diess  vornehmlich  den  Herren  von  Lipa,  die  sich  damals  auch  durch 
die  Erbauung  der  neuen  Peterskirche  verewigten.  Die  neue  Stadt, 
jetzt  die  schönste  und  grösste  im  weiten  Gaue,  ward  nun  sogar  zum 
Hauptorte  der  Zupe  erkoren,  nachdem  D£cm  bereits  in  den  erb- 
lichen Besitz  der  Herren  von  Wartenberg  übergegangen  war.  Als 
neue  Äupane  wohnten  sofort  die  Herren  von  Lipa  daselbst,  welche 
allmälig  alles  noch  nicht  erblich  gewordene  Land  des  weiten  Um- 
kreises in  ihren  Besitz  brachten  und  unter  dem  Namen  der  Berka 
von  Duba  nachher  das  mächtigste  Adelgeschlecht  von  Böhmen  wur- 
den.2) Aber  auch  von  weiter  Ferne  her  gewann  das  wieder  er- 
standene Leipa  neuen  Glanz.  Vielleicht  aufgefordert  von  den  Her- 
ren von  Lipa  —  zog  jetzt  auch  eine  Colonie  der  Cisterzienser  von 
Plass  nach  Leipa,  und  so  entstand  hier  die  Propstei  und  Kirche 
zu  Ehren  der  h.  Magdalena.3)  Es  ist  diess  wohl  dieselbe  Magda- 
lenencapelle ,  welche  um  das  Jahr  1253  der  plasser  Abt  an  einem 
nicht  ausdrücklich  genannten  Orte  erbaute.4)  Der  neuen  Propstei 
gehörte  fortan  das  nahe  Gut  Lauben  nebst  Ziegenhorn,5)  wahrschein- 
lich dasselbe  Gut  Loman,  welches  im  J.  1192  ein  gewisser  Ulrich, 
Sohn  des  Drislaw,  dem  Kloster  geschenkt  hatte.6)  Ueberdies  wurde 
allmälig  ein  bedeutender  Grundbesitz  in   der  nächsten  Umgebung 


!)  S.  S.  30. 

a)  Der  Name  Berka  von  Duba  taucht  erst  im  Anfange  des  14.  Jahrhunderts 
auf.  Herren  von  Lipa  treffen  wir  bereits  um  1250.  Um  1200  lernen  wir 
den  Stammvater  dieser  und  jener  kennen  in  Smil  Swetlik  Burggrafen  von 
Zittau  und  Günstlinge  Ottokars  I.  Palacky  nennt  dieses  Geschlecht  nach 
einem  weit  älteren  Ahnen  Namens  Hron   den  Stamm  der  Hronowicen. 

3)  Sartorii  Cisterc.  bistertium  1004  u.  1005. 

4)  Sartorii  Cistercium  bistertium  p.  266. 

5)  Leiper  Kirchenchronik,  Illnst.  Chronik  v.  B.  I.  122,  Sommer  Topographie 
des  leitm.  Kr.  S.  324. 

fi)  Erben  reg.  p.  185. 


295 

der  Propstei  erworben,  derselbe,  der  nachmals  in  den  husitischen 
Bewegungen  von  der  Bürgerschaft  occupirt  und  theilweise  zu  Bau- 
plätzen verwendet  wurde,1)  nachdem  man  die  Ordensbrüder  aus 
ihrem  Asyl  vertrieben  hatte.3) 

4.  Von  Plass  gingen  allmälig  neue  Ordenscolonien  aus  — 
nach  Münchengrätz ,  nach  Welehrad  in  Mähren  (1202  und  von  da 
wieder  nach  Wizowic),  nach  Königsthron  ebendaselbst,  nacji  Golden- 
kron  in  Böhmen  (1263),  nach  Heiligenkreuz  in  Oesterreich.  Eine 
zweite  Propstei  besass  Plass  noch  überdies  hinter  dem  Aujezder 
Thore  von  Prag  in   der  Nähe  des  dortigen  Karthäuserklosters.3) 

§.  75.  Das  Cisterzienserkloster  Münchengrätz. 

1.  Es  wurde  bereits  erwähnt,  dass  schon  um  das  Jahr  1054 
ein  Hermann  von  Ralsko  etliche  Benediktiner-Brüder  von  Tornach 
auf  seine  Besitzung  in  Hradiste  berufen  haben  soll.4)  Wahrschein- 
lich hatten  diese  um  das  Jahr  1143  aus  Mangel  am  nöthigen 
Unterhalte  diese  Gegend  wieder  verlassen;  denn  eben  in  diesem 
Jahre  räumte  der  Stifter  von  Sedlec  diese  Besitzung  den  Cister- 
zienserbrüdern  seines  neuen  Klosters  ein.5)  Angeblich  noch  in 
demselben  Jahre,6)  wahrscheinlich  aber  nach  1146  legte  hier  ein 
neuer  Hermann  von  Ralsko,  Oberstkämmerer  des  Herzogs  Sobeslaw  IL, 
den  Grund  zu  einem  selbstständigen,  nachmals  hochberühmten, 
jetzt  aber  fast  verschollenen  Ordenshause.  Um  so  sicherer  ist 
diese  Gründung  erst  nach  1146  geschehen,  als  das  neue  Kloster 
jederzeit  als  ein  Tochterhaus  von  Plass  angesehen  wurde,  und  also 
von  dort  her  seine  ersten  geistlichen  Brüder  erhielt.7)    Das  neue 


1)  Wir  werden  später  die  daraus  entstandenen  langwierigen  Processe   zwi- 
schen Plass  und  Leipa  zu  erwähnen  haben. 

2)  Die  Gütertausche  zwischen  Plass  und  dem  Collegiatstifte  Melnik  haben 
wir  bereits  bei  Erwähnung  des  letzteren  angeführt. 

3)  Sartorii  Cisterc.  bist.  1004,   1005,  1088.  Libri  Erect.  IX.  E.  I. 

4)  Paprocky  251.    Palacky  über  Formelbücher.  I.  240. 

5)  Vgl.  Sedlec. 

6)  Kapihorsky  hist.  Sedlec. 

7)  Balbini  lib.  Erect.  IX.  E.  1.  Palacky  über  Formelbücher  I.  240,  citirt 
dafür  das  Gedenkbuch  von  Plass,  nennt  aber  irrig  das  Jahr  1177,  in  wel- 
chem  der  erste  Abt   Meinhard  nach  Grätz  gekommen  sei,    während  doch 


296 

Kloster,  alsbald  Mnichow-Hradiäte,  Münchengrätz  genannt,  erhob  sich 
zunächst  dem  alten  Orte  Hradistö  an  derselben  Stelle,  wo  jetzt 
das  waldstein'sche  Schloss  „Kloster"  die  weite  Umgegend  beherrscht. 
Seine  Besitzungen  verdankte  es  ohne  Zweifel  zum  grossen  Theile 
schon  dem  edlen  Gründer,  den  die  Wartenberger  und  Waldsteiner 
ebenso  wie  den  Stifter  von  Sedlec  zu  ihren  Ahnen  zählten.  Wahr- 
scheinlich war  er  der  Vater  jenes  Hermann  von  Ralsko,  der  1175 
bis  1197  unter  den  Edelsten  des  Landes  genannt  wurde,  und  so 
der  Grossvater  jenes  Bene§  Hermanow,  dessen  Heldenthaten  ein 
seinen  Namen  tragendes  Lied  der  Königinhofer  Handschrift  besingt. ') 
Die  Erben  dieser  grossen  Ahnen  suchten  gewiss  ihren  Ruhm  darin, 
die  schöne  Stiftung  ihrer  Väter  zu  noch  grösserem  Glänze  zu 
erheben.  So  musste  Münchengrätz  im  Laufe  der  Zeit  eines  der 
reichsten  und  berühmtesten  Klöster  des  Landes  werden. 

2.  Eine  Stiftungs-  oder  Confirmations-Urkunde ,  welche  uns 
die  ehemaligen  Besitzungen  des  Klosters  Münchengrätz  erschöpfend 
aufzählen  möchte,  ist  leider  nicht  mehr  vorhanden.  Nur  aus  etwas 
späteren  urkundlichen  Notizen  lassen  sich  die  Gebietstheile  des- 
selben annähernd  zusammenstellen. 

a.  Es  ist  wohl  kaum  zu  zweifeln,  dass  der  ursprünglich  zum 
Kloster  Sedlec  gehörige  Ort  HradiStö,  wo  nun  eben  das  neue 
Kloster  entstand,  sofort  in  den  Besitz  des  letzteren  überging. 
Frühzeitig  schon  ward  hier  eine  Pfarrkirche  gegründet,  die  von 
da  ab  die  Hauptkirche  des  Dekanats  von  Hradiste  war  und  im 
Jahre  1384  den  hohen  Halbjahrszehent  von  20  böhm.  Groschen 
zum  allgemeinen  Kirchendecem  beisteuerte. 

b.  Die  bedeutendste  Erwerbung  des  Klosters  war  die  P  r  o  p  s  t  e  i 
zu  Gabel.  Zunächst  wurde  am  30.  Juni  1378  die  Pfarrkirche 
von  Gabel  dem  Kloster  einverleibt  in  der  Art,  dass  nur  ein  Ad- 
ministrator die  Seelsorgc  daselbst  besorgte,  das  eigentliche  Pfarr- 
einkommen aber  in  die  Kasse  des  Klosters  fioss.2)    Diese  Kirche 


nach  anderen  Zeugnissen  der  erste  Abt  daselbst  bereits  im  J.  1165  ge- 
storben ist.    Wahrscheinlich  war  das  Jahr  1147  das  Gründungsjahr. 

•)  Derselbe  war  1217  und  1222  Kastellan  von  Budisin.  Vgl.  Palacky  in 
einem  Aufsatze  der  Bohemia  1858,  Nr.  292. 

2)  Lib.  Erect.  II.  A.  1.  „Jablonna."     Dass  wir  es  hier  in   der  That  mit  der 

Stadt  Gabel  zu  thun  haben,    dafür   bürgt  der  Umstand,  dass  auch  nach 

den  Lib.  Confirm.  geradezu   in  der  Stadt  Gabel   der  Abt    von   München- 


297 

war  bis  dahin  die  Hauptkirche  des  Gabler  Dekanates  und  die 
älteste  der  weiten  Umgegend  gewesen.  Von  hier  aus  war  der 
christliche  Glaube  nach  allen  Richtungen  hin  weiter  verbreitet 
worden.  Als  incorporirtes  Pfarrbeneficium  zahlte  Gabel  im  Jahre 
1384  nur  noch  15  böhmische  Groschen  als  Halbjahrszehent,  und 
ward  in  diesem  Stücke  von  der  benachbarten  Stadt  Niems  bis  zum 
Doppelten  übertroffen.1)  Im  Jahre  1398  hatte  der  von  München- 
grätz aus  exponirte  Seelsorger  die  Würde  eines  Propstes  (prae- 
positus),2)  offenbar  deshalb, weil  auch  noch  einige  andere  Ordens- 
brüder daselbst  ihm  zur  Seite  lebten  und  wirkten. 

c.  Urkundlich  sicher  besass  das  münchengrätzer  Kloster  eine 
Propstei  zu  Zleb  (Zleby  im  caslauer  Kreise).  Stifter  derselben 
waren  zwei  Brüder  von  Wartenberg  auf  Kost,  Marquard,  der  Ober- 
kämmerer,  und  Peter,  der  Obersthofmeister  Carls  IV.,  die  auf  diese 
Weise  das  Andenken  ihrer  Mutter  Agnes  (geb.  v.  Sliwno)  ehren 
und  das  Seelenheil  derselben  fördern  wollten.  Als  Dotation  be- 
stimmten sie  das  Dorf  Zehub  (wahrscheinlich  Zechow  im  berauner 
Kreise)  und  einen  Maierhof  von  zwei  Feldmassen  in  Trubsko  (be- 
rauner Kr.)  nebst  allen  Rechten,  Einkünften,  Zinsungen  und 
Zugehör.  Hievon  sollten  durch  alle  Zeiten  6  Ordensbrüder  von 
Münchengrätz  erhalten  werden,  deren  einer  mit  Einverständniss 
der  wartenb ergischen  Erben  vom  münchengrätzer  Abte  zum  Propste 
ernannt  werden  sollte.  Unter  der  Obhut  der  geistlichen  Brüder 
sollten  in  dem  zur  Propstei  gehörigen  Hospitale  12  Arme  ver- 
pflegt und  gekleidet  werden.  Diese  Stiftung  geschah  am  25.  Febr.  1377.3) 

d.  Mukafow,  jetzt  noch  zum  Dominium  Münchengrätz  ge- 


grätz  das  Collaturrecht  ausübte  (ad  1418).  Jablonec  dagegen,  und  zwar 
vorerst  das  heutige  Gablonz  gehörte  damals  nach  denselben  Lib.  Confirm. 
dem  Cyriacenserorden,  während  das  zweite  Jablonec  (Böhmisch-Jablonec) 
als  Besitzung  der  Wartenberger  erscheint.  (Lib.  Confirm.  ad  1362,  1369. 
1396,  1410.) 

*)  Codex  decimarum. 

a)  Lib.  Erect.  XIII.  T.  2,  nennen  nur  einen  praepositus  von  Jablonec,  ohne 
des  Ordens  zu  erwähnen,  dem  er  angehörte.  Aus  demsub  2,  b,  entwickelten 
Grunde,  dass  die  beiden  andern  Jablonec  zuversichtlich  nur  Pfarreien 
waren,  die  eine  unter  weltlicher  Collatur  und  die  andere  einem  Orden 
angehörig,  der  keine  Propsteien  besass,  lese  ich  statt  Jablonec  lieber 
Jablona  und  kaun  darunter  nur  das  heutige  Gabel  verstehen. 

3)  Lib.  Erect.  I.  F.  'ß.  II.  K,  1.  Die  Urkunde  ist  von    Schloss  Sliwno  datirt. 


298 

hörig,  erscheint  in  den  Confirmationsbüchern  ebenfalls  als  Collatur 
des  obigen  Klosters1).  Die  hiesige  Pfarrei  verdankte,  wie  die 
meisten  Klostercollatur-Pfarren ,  ihre  Entstehung  wahrscheinlich 
den  Aebten  von  Münchengrätz.  Im  Jahre  1384  erscheint  sie  mit 
einer  Leistung  von  9  böhmischen  Groschen  als  eine  der  bessern 
und  älteren  des  Dekanates.8)  Im  Jahre  1393  wird  noch  einer 
Schenkung  von  2  Feldmassen  und  einer  Wiese  von  Seiten  zweier 
Lehensleute  (des  Klosters?)  Pfecho  von  Sedliöek  und  Jaroslaw 
von  Limauöek  zu  Gunsten  der  Kirche  in  Mukafow  gedacht,  und  im 
Jahre  1398  einer  neuen  von  !/2  Schock  jährlicher  Zinsen,  verliehen 
vom  Lehensmanne  Wenzel  von  Pobibuk  gegen  Persolvirung  zweier 
Jahresgedächtnisse. 3) 

ei  Eine  andere  Collatur  des  Klosters  war  Hlawic,  ebenfalls 
noch  zum  Dominium  von  Münchengrätz  gehörig.  Der  Abt  jenes 
Klosters  erschien  hier  in  den  Jahren  1359,  1364,  1369,  1379, 
1402  und  1408  als  Pfarr-Präsentator.4)  Die  Pfarrkirche  gehörte 
im  J.  1384  mit  einer  Zehentsteuer  von  6  böhmischen  Groschen 
noch  zu  den  jüngeren  des  Dekanats. 

f.  Brezina  auf  der  jetzigen  Domäne  Swijan.  An  der  Pfarr- 
kirche daselbst,  welche  1384  auf  gleicher  Zehentstufe  mit  Hlawic 
stand,5)  übte  der  Abt  von  Münchengrätz  erweislich  in  den  Jahren 
1378,  1382,  1404,  1412  und  1418  das  Patronatsrecht  aus.6) 

g.  Mohelnice,  jetzt  ebenfalls  zu  Swijan  gehörig.  Auch  hier 
stellte  derselbe  Abt  im  Jahre  1405  einen  neuen  Seelsorger  an.7) 
Die  Pfarrkirche  stand  in  der  Zehentleistung  den  obigen  gleich.8) 

h.  Rychnow  oder  Reichenau  auf  demselben  Dominium.  Die 
Pfarrkirche  daselbst,  an  der  das  Kloster  in  den  Jahren  1369, 1373, 
1374,  1389,  1395  und    1418   das   Collaturrecht  übte,9)  zahlte  im 


')  Lib.  Confirm.  ad  1363,  1408,  1415,  in  welchen  Jahren  das  Collaturrecht 
ausgeübt  wurde. 

2)  Registrum  decimarum. 

3)  Lib.  Erect.  XII.  E.  6.  XIII.  J.  8. 

4)  Lib.  Confirm.  ad  h.  ann. 

5)  Registrum  decimarum. 

6)  Lib.  Confirm.  ad  h.  ann. 

7)  Ebendas. 

8)  Regist.  decimarum. 

9)  Lib.  Confirm.  ad  h.  ann. 


299 

J.  1384  gar  keinen  Zehent,  vielleicht  deshalb,  weil  sie  etwa  dem 
Kloster  zu  dieser  Zeit  incorporirt  war  und  nur  durch  Administrato- 
ren besorgt  wurde. 

i.  Lukow,  eine  der  ältesten  Kirchen  des  alten  turnauer  De- 
kanats, die  im  Jahre  1384  sich  mit  12  böhmischen  Groschen  am 
Kirchenzehent  betheiligte,1)  erscheint  im  Jahre  1416  ausdrücklich 
als  Collatur  von  Münchengrätz.2)  Dies  war  sie  jedenfalls  erst  kurz 
vorher  ^geworden,  da  unterm  20.  October  noch  die  Brüder  von  War- 
tenberg zu  Lämberg  als  Collatoren  genannt  werden.3) 

Je.  Sany  im  alten  Dekanate  von  Kolin  war  ebenfalls  eine 
Collatur  des  genannten  Klosters.  Erweislich  trat  hier  der  Abt  von 
Münchengrätz  im  J.  1375  als  Patronatsherr  auf.4)  Im  J.  1437 
wurde  dieses  Dorf  als  ehemalige  Besitzung  von  Münchengrätz  von 
K.  Sigmund  an  Friedrich  von  Sraznic  verpfändet.5) 

I.  Jezwe  oder  Neustadt  („nova  civitas")  bei  Leipa  wird 
ebenfalls,  und  zwar  in  den  J.  1360,  1376,  1378  u.  1415  als  Pa- 
tronatspfründe  von  Münchengrätz  angeführt.0)  Da  sie  im  J.  1384 
schon  9  böhmische  Groschen  zum  halbjährigen  Kirchenzehent  steu- 
erte, so  war  sie  kaum  mehr  eine  der  Jüngern  des  Dekanats.7)  Hier 
scheint  übrigens  der  Cisterzienserorden  auch  noch  nach  der  Zer- 
störung von  Münchengrätz  die  Verwaltung  der  Seelsorge  inne 
gehabt  zu  haben  —  zuletzt  in  den  traurigen  Zeiten  Luther's  das 
Kloster  Ossegg.8) 

m.  Als  Collatur  u.  Besitzung  von  Münchengrätz  erscheint  auch 
Wtelna  an  der  Iser,  ein  uralter  Pfarrort,  der  im  J.  1384  den 
ungewöhnlichen  hohen  Zehent  von  22  böhmischen  Groschen  zum 
allgemeinen  Kirchenzehent  beisteuerte.9)    Im  J.  1437  ward  dieser 


l)  Reg.  deeim. 
3)  Lib.    Confirm. 

3)  Ebendas. 

4)  Ebendas. 

5)  Palacky  Archiv  (regist.  zäpisüv).  I.  528. 

6)  Libri  Confirm.    In  älterer  Zeit  hatte  es  dem  Kloster  Tepl  angehört.   Vgl. 
die  Prämonstr. -Abtei  Tepl. 

7)  Regist.  deeim. 

8)  Davon  später  an  geeigneter  Stelle. 

9)  Regist.  deeimarum. 


300 

Ort  ausdrücklich  als  ehemalige  Besitzung  von  Münchengrätz  durch 
K.  Sigmund  an  Johann  von  Kunwald  verpfändet.1) 

n.  Auch  in  Prag  besass  das  Kloster  Münchengrätz  eine  Pa- 
tronatspfründe,  und  zwar  S.  Clemens  am  Pofic,  wo  der  dortige  Abt 
noch  im  Jahre  1407  das  Collaturrecht  ausübte.2)  In  Prag  besass 
übrigens  der  Abt  von  Münchengrätz  erweislich  im  J.  1407  gleich 
andern  hervorragenden  Prälaten  des  Landes  ein  eigenes  Residenz- 
haus, und  zwar  in  der  Nähe  der  Kirche  des  h.  Castulus.3)  Kaiser 
Sigmund  verkaufte  dasselbe  an  Hroch  von  Udim,  von  dem  es  an 
Betka  von  Bisic  gelangte,  welche  dasselbe  im  J.  1462  am  8.  Fe- 
bruar dem  Kloster  Königsaal  mit  dem  Bedingnisse  abtrat ,  dass  es 
im  Falle  der  Wiedererbauung  von  Münchengrätz  an  letzteres  Kloster 
zurückfallen  solle.4)  Offenbar  war  dieser  Rückfall  schon  vordem  — 
wie  in  andern  Fällen  —  vom  Kaiser  Sigmund  ausbedungen  worden. 

§.  76.   Fortsetzung. 

Wir  haben  bisher  nur  die  Pfarcollaturen  genannt,  welche  er- 
weislich dem  Kloster  Münchengrätz  zugehörten,  ohne  eben  dadurch  zu 
behaupten,  dass  die  erwähnten  Orte  selbst  ohne  Ausnahme  Eigenthum 
des  Klosters  waren,  ohne  aber  auch  in  Abrede  zu  stellen ,  dass  wieder 
anderweitig  nicht  selten  die  meisten  der  in  jene  Collaturkirchen 
zugewiesenen  auswärtigen  Dorfschaften  in  den  Besitz  des  Klosters 
gehört  haben  mögen.  Namentlich  besass  das  Kloster  ausser  jenen 
Collaturen  mit  urkundlicher  Sicherheit  einen  Hof  sammt  einem 
Vorwerk  zu  Swinaf,  das  Dorf  Badlo  und  4  Unterthanen  in  Nu- 
dwojowic,5)  welche  Heinrich  von  Wartenberg  zugleich  mit  dem  be- 
reits genannten  Pfarrdorfe  Richnow  sammt  allem  Zubehör  um  500 
Schock  b.  Gr.  vom  Kloster  erkauft  hatte,   und   deren   Besitz    sich 


l)  Palacky  Archiv  (regist.  zapisüv).  I.  544. 
8)  Lib.  Confirm. 

3)  Lib.  Erect.  VII.  L.  9. 

4)  Palacky  Archiv.    III.  571. 

5)  Nudwojowice  erscheint  als  eine  der  Jüngern  Pfarreien  des  turnauer  De- 
kanats (mit  3  Gr.  Zehent  im  J.  1384).  Als  Collatoren  werden  hier  die 
Herren  von  Wartenberg  auf  Wselis  genannt.  (Lib.  Confirm.  ad  1362  und 
1406.) 


301 

Hynek  von  Waldstein  im  J.  1436  von  König  Sigmund  bestätigen 
Hess.1)  Die  genannten  Orte  gehörten  damals  zum  „Gerichte  von  Je- 
ni&owicV)  einem  der  ältesten  Pfarrorte  des  turnauer  Dekanats,  der 
demnach  sehr  wahrscheinlich  ebenfalls  dem  Kloster  als  Eigenthum 
gehörte.  Im  J.  1384  zahlte  Jeni§owic  den  höchsten  Kirchenzehent 
jener  Gegend  mit  12  böhmischen  Groschen.3)  Als  ähnliche  Besitzungen 
von  Münchengrätz  werden  noch4)  von  der  Tradition  bezeichnet  die 
Orte  Zwiretic,  Witanowic,  Podol,  Bfeha,  Pentschin,  Aujezd,  Stri- 
zowic,  Podörawic  und  Girsko ;  nicht  minder  auch  die  jetzt  dem  Do- 
minium Münchengrätz  einverleibten  ehemaligen  Güter  Bakow,  We- 
sely,  Mankowice,  Gross-  und  Klein-Pteyrow.  Letztere  sollen  sammt 
den  vorhin  erwähnten  Dorfschaften  nachmals  vom  Könige  Georg 
von  Podebrad  an  Johann  von  Wartenberg  mit  der  ausdrücklichen 
Bedingung  verpfändt  worden  sein,  dass  die  Cistercienser,  falls  sie  nach 
Münchengrätz  zurückkehren  würden,  diesen  Besitz  zu  jeder  Zeit  ge- 
gen Erlag  des  Pfandpreises  wieder  einlösen  können.5)  Das  dar- 
unter genannte  Bakow  war  unzweifelhaft  eines  der  ältesten  Pfarr- 
beneficien  des  Münchengrätzer  Dekanats  und  zahlte  im  J.  1384  be- 
reits 15  böhmische  Groschen  zum  Kirchenzehent.6)  Der  wirkliche 
Besitz  von  Bakow  ist  jedoch  um's  J.  1379  wenigstens  zweifelhaft, 
im  J.  1392  aber  ganz  in  Abrede  zu  stellen.  Im  J.  1379  werden 
die  „Gebrüder  von  Marquartic  residirend  zu  Bakow  als  Kirchen- 
patrone angeführt;7)  im  J.  1392  aber  stiftete  Wilhelm  von  Zwiretic 
auf  Bakow  vier  Jahrgedächtnisse  zu  Bakow  durch  Verleihungen  jähr- 
licher Zinsungen  von  der  Burg  daselbst.8)  Jedenfalls  irrthümlich 
wird  diesen  Besitzungen  auch  noch  das  Gut  Laukowec  beigezählt9), 
das  angeblich  derselbe  König  Georg  im  Jahre  1475  an  Ignaz  von 
Waldstein  verpfändete.  Dieses  Laukowec  war  allerdings  Kloster- 
gut, gehörte  aber  nach  dem  verlässigen  Ausweise  der  Confirmations- 


1)  Palacky  Archiv   (registra  zäpisüv.)  I.  517. 

2)  Ebendaselbst. 

3)  Regist.  decimarum. 

4)  von  Sommer  in  seiner  Topographie  des  bunzl.  Kreises  S.  194,  211. 

5)  Ebendaselbst  198. 

6)  Regist.  decim. 
*)  Lib.  Confirm. 

8)  Lib.  Erect.  XII.  E.  2. 

9)  Sommer  1.  c.  198  vergl.  211. 


302 

bücher  dem  Orden  der  Johanniter,  deren  Grossprior  hier  im  J. 
1383  das  Collaturrecht  ausübte.1)  —  Ob  endlich  auch  noch  die  von 
einem  „Abt  Johann  und  dem  Convente  zu  Hradiste"  an  Johann  von 
Badry  zu  Obiclowic  verkauften  Dörfer  Badry  und  Lhota~)  und  das 
von  demselben  Abte  am  Jacob  Chmelik  von  Ujezd  und  seinen  Bru- 
der Hrzko  verkaufte  Dorf  Buzow  (Bysow3)  eben  dem  Kloster  Mün- 
chengrätz  gehörte,  ist  trotz  des  Umstandes,  dass  in  letzterem  in 
den  Jahren  1416  wirklich  ein  Abt  Johann  regierte4);  noch  zweifel- 
haft, weil  es  zu  gleicher  Zeit  auch  noch  in  Mähren  ein  Kloster 
Hradiste  gab. 

Hier  mag  auch  noch  der  angeblichen  Propstei  gedacht  werden, 
welche  Münchengrätz  zu  „Langen au  oberhalb  Hohenelbe" 
innegehabt  haben  und  die  im  J.  1424  zugleich  mit  dem  Jungfrauen- 
kloster Jilemnic  von  den  Husiten  zerstört  worden  sein  soll.5)  Wahr- 
scheinlich ist  dies  dieselbe  Propstei,  welche  Baibin  (in  literis  pu- 
blicis  Bohoem.)  nach  Hohenelbe  (Albipolis)  selbst  versetzt,  und  die 
im  J.  1705  zu  einem  Augustinerkloster  wiederhergestellt  worden 
ist.  Urkundliche  Anhaltspunkte  sind  dafür  nicht  vorhanden. 

2.  Der  erste  Abt  von  Münchengrätz  soll  Marquard  gewesen 
sein,  angeblich  der  Sohn  eines  Benes  von  Michalowic.  Er  soll  im 
J.  1165  bereits  in  die  Ewigkeit  hinüberbegangen  sein.6) 

Nach  ihm  erscheint  (ob  ohne  Lücke?)  ein  Abt  Dittrich, 
genannt  in  den  Jahren  1184,  1185  u.  1189.  Derselbe  wird  nämlich  in 
denselben  Jahren  als  Zeuge  in  landesfürstlichen  Urkunden  genannt,7) 
was  zugleich  zum  Beweise  dient,  dass  die  Aebte  von  Münchengrätz 


')  Lib.  Confirm. 

s)  Vergl.  Palacky  Archiv   (regist.  zäpisüv)  II.  444. 

3)  Ebend.  463. 

4)  Lib.  Confirm. 

5)  Sartorii:  Cistercium  bistertium. 

6)  Crugerius. 

7)  Erben  reg.  171—173.  Derselbe  zählt  zwar  im  Index  diesen  Theodoricus  zu 
den  Achten  von  Hradiste  in  Mähren,  aber  jedenfalls  irrthümlich;  denn 
in  jenen  Unterschriften  nennt  sich  Theodorich  abbas  de  Gradis,  was  in 
der  Regel  Münchengrätz,  und  nicht  de  Gradic,  was  ebenso  das  mährische 
Hradiäte  (bei  Olmütz)  bedeutet.  Ueberdiess  betreffen  jene  Urkunden  auch 
rein  böhmische  Angelegenheiten,  und  auch  die  Mitzeugen  sind  sonst  durch- 
wegs böhmische  Prälaten. 


303 

eine  einflussreiche  Stellung  selbst  in  der  Nähe  des  Thrones  inne 
hatten.  Im  Sommer  des  Jahres  1189  nahm  er  auch  an  den  Ver- 
handlungen des  Landtags  zu  Sadska  Antheil,  *)  wo  er  in  der  Reihe 
der  anwesenden  Aebte  unmittelbar  nach  den  Aebten  von  Strahow 
Brewnow  und  Sedlec  und  vor  den  Aebten  von.  Kladrau  und  Selau 
genannt  wird.  Ausser  ihm  ist  dermalen  kein  weiterer  Prälat  von 
Münchengrätz  aus  dem  Zeiträume   des  12.  Jahrhunderts  bekannnt. 

§.  77.  Die  Johanniter  in  Böhmen. 

Wir  lernten  bereits  den  edlen  Mann  näher  kennen,  welcher 
den  Johannitern  das  erste  Ordenshaus  in  Böhmen  als  Werb- 
und  Bildungsplatz  für  einen  tüchtigen  Nachwuchs  und  als  ruhiges 
Asyl  der  für  den  Kampf  nicht  mehr  geeigneten  Veteranen  er- 
baute: es  war  Martin,  Propst  von  Leitmeritz.  Im  J.  1156  hatte 
derselbe  im  Vereine  mit  seinem  Onkel  Gervasius  aus  eigenem  Ver- 
mögen das  Hospital  bei  S.  Maria  an  der  prager  Brücke  gegründet 
und  dotirt.  Im  J.  1180  nahm  er,  damals  Propst  von  Prag,  selbst 
das  Ordenskleid  und  wurde  alsbald  (1183)  Praeceptor  (Stellvertre- 
ter des  Grossmeisters,  Provinzial)  für  Böhmen,  Ungarn  und  die  ost- 
wärts angränzenden  Länder.8)  Von  Prag  aus  legte  der  Orden  all- 
mälig  die  Commenden  zu  Jungbunzlau,  Manetin,  Zittau,  Hirsch- 
felde, Glatz,  Böhmischaicha,  Königgrätz,  Kaaden,  Strakonitz,  Blatna,3) 
in  Mähren  Olmütz,  Znaim,  Brunn,  HoleSitz,  Iglau,  und  einige  an- 
dere an.  Das  Kloster  in  Prag  blieb  das  Hauptordenshaus  des  Lan- 
des und  der  Sitz  des  Landespriors  (Grandpriors)  bis  um  das  Jahr 
1272.  Von  da  ab  erscheint  Strakonitz,  wo  der  Grundherr  Bawor  I. 
von  Strakonitz  im  J.  1243  einen  reich  dotirten  Johanniter convent 
gestiftet  hatte,  als  Sitz  des  Grandpriors  von  Böhmen,4)  der  hin- 
fort auch  der  Meister  von  Strakonitz  hiess. 


l)  Palacky  I.  483. 

3)  Das  Nähere  §.  61.  n.  7. 

3)  Aus  templerischen  (?)  Mauerbildern  in  Blatna  hat  man  die  Existenz  einer 
dortigen  Templercommende  gefolgert  (Illust.  Chr.  I.  14  und  15).  Da  aber 
Blatna  bis  1300  erweislich  den  Herren  von  Strakonitz  gehörte  und  von 
1325  (wo  Wilhelm  von  Strakonitz  seine  Güter  den  Johannitern  übergab, 
diese  letztern  als  Besitzer  erscheinen  (Heber  böhm.  Burgen  III.  119):  so 
ist  obige  Annahme  wohl  nur  eine  Verwechselung. 

4)  Heber  böhm.  Burgen  III.  118.  Tomek.  G.  Prags  I.  490.  Not.  49. 


304 

2.  Die  Besitzungen  der  Johanniter  waren  weit  und  breit  im 
Böhmenlande  zerstreut.  Ein  beträchtlicher  Theil  derselben  lag  im 
Terrain  unserer  jetzigen  Diöcese  Leitmeritz.  Zu  den  ältesten, 
vielleicht  ursprünglichen  Erwerbungen  des  Ordens  gehörten  hier 
vor  Allen  die  Dörfer  Bofislaw  (Boreslau)  und  Hfibowice 
(jetzt  Herbitz  bei  Kulm),  deren  Besitz  schon  im  J.  1169  vom  Kö- 
nige Wladislaw  dem  Orden  confirmirt  wurde.1)  Es  ist  bereits  er- 
wähnt worden,  dass  diese  Besitzung  schon  im  J.  1185  an  das 
herzogliche  Haus,  von  da  im  J.  1186  wieder  an  dem  Johanniter- 
orden,  und  endlich  an  das  Kloster  Teplitz  gelangte.2)  Dafür  erhielt 
damals  der  Orden  vom  Herzoge  Friedrich  einige  „fast  verlassene 
Dörfer"  im  saazer  Gebiete,  und  zwar:  Stare  Sedlo  (Altsattel 
bei  Elbogen),  Zblasin  (wohl  das  heutige  Ploscha  bei  Laun),  Ray- 
So  wie  e  (das  jetzige  Reitschowes  bei  Saaz),  Merovi  krizi,  Za- 
hradky,  Napolene,  Skirsice,  Tichonin,  Offretin,  Wia- 
kosove,  Jungmero  vi  c  e.  (?  ?)  3)  —  Wir  heben  von  diesen 
Erwerbungen  RaiSowice  (oder  Radicewes)  hervor,  jetzt  sowie 
Ploscha  ein  Pfarrort  der  leitmeritzer  Diöcese.  Raisowice  besass  er- 
weislich schon  im  14.  Jahrhunderte  eine  eigene  Pfarrkirche,  welche 
im  J.  1384  als  eine  der  älteren  im  saazer  Dekanatssprengel  einen 
Halbjahrzehen t  von  15  böhmischen  Groschen  entrichtete.4)  Da- 
mals aber  besass  der  Johanniterorden  —  wenigstens  unmittelbar- 
schön  nicht  mehr  die  dortige  Grundherrschaft.  Im  Jahre  1368 
schon  übte  der  prager  Bürger  Nicolaus  von  Lipna  —  allerdings 
als  Cliens  —  in  Raisowice  das  Collaturrecht  aus.5)  Derselbe  ver- 
schenkte im  Jahre  1390  dieses  Recht  an  einen  andern  Nicolaus, 
der  im  königlichen  Dienste  stand  und  nach  dessen  Ableben  den 
Burggrafen  in  Rabstein  (Hostialek)  und  Elbogen  (Zdimir).6)  Im 
Jahre  1404  erscheint  Berwalcl,  Richter  der  prager  Neustadt,  und 
1406  Hrzek  von  Dne§ic  als   Collator.7)    Im   J.   1407  trat  Wenzel 


])  Urkunde  Erben  reg.  143. 
*)  S.  Kl.  Teplitz. 

3)  Urkunde  Erben  reg.  168,  169,  173. 

4)  Regist.  deeimarum. 

5)  Lib.  Confirm. 

6)  Lib.  Erect.  XII.  C.  2. 

7)  Lib.  Confirm. 


305 

Wachs  von  WSetaty  das  Collaturr echt  an  Nicolaus  von  Ujezd  ab. ]) 
Im  gleichen  Besitz-  und  wohl  auch  Altersrange  stand  im  J.  1384 
der  Pfarrort  Ploscha  (Blazim).  Damals  werden  aber  bereits  Herren 
von  Blazim  als  Besitzer  und  Collatoren  dieses  Dorfes  genannt.2) 
Für  vormalige  geistliche  Besitzer  spricht  aber  die  in  der  Gegend 
erhaltene  Sage,  dass  geistliche  Ritter  (Templer?)  ehedem  die  Bürg- 
in Ploscha  inne  hatten.3) 

3.  Zu  den  ältesten  Gütern  des  Crdens  gehörte  ferner  das  da- 
malige Dorf  und  nachmalige  Stadt  L  ewin  bei  Auscha.4)  Diese  vor- 
dem landesfürstliche  Ortschaft  war  ein  Geschenk  des  Königs  Wla- 
dislaw,  der  selbe  im  J.  1169  zugleich  mit  einem  Walde  bei  Olesnice 
dem  aufblühenden  Orden  einräumte.5)  Im  J.  1184  erneuerte  der 
Bischof  Heinrich  Bfetislaw  diese  Schenkung,  die  vielleicht  sein  Vater 
mittlerweile  gegen  eine  andere  vertauscht  und  eben  seinem  geistli- 
chen Sohne  als  Erbguts-Antheil  hinterlassen  hatte.  Aus  der  be- 
treffenden Schenkungsurkunde6)  erfahren  wir,  dass  König  Wladi- 
slaw  zu  Jerusalem  unter  dem  Grossmeister  Assalitus  in  die  Bruder- 
gemeinschaft des  Ordens  persönlich  eingetreten  war.  Die  Schen- 
kung geschah  ausdrücklich  für  das  Seelenheil  Wladislaws  und 
seiner  Gemahlin  Margareth  sowie  des  Geschenkgebers  selbst.  Als 
darauf  im  J.  1186  am  23.  April  der  Herzog  Friedrich  zu  Auscha 
seine  Tochter  dem  Markgrafen  Otto  von  Meissen  vermählte,  bestätigte 
er  dem  ebenfalls  dahin  gekommenen  Ordens-Präceptor  und  ehe- 
maligen Propste  Martin  unter  anderen  auch  diesen  Besitz.7)  Im  J. 
1384  zählte  Lewin  mit  einer  halbjährigen  Kirchenzinsung  von  12 
böhmischen  Groschen  bereits  zu  den  ältesten  Beneficien  des  Leit- 
meritzer  Dekanats.  Ein  hinter  dein  Hochaltare  aufgefundenes  Or- 
denszeichen der  geistlichen   Ritter  lässt  vermuthen,  dass   diese  die 


»)  Lib.  Erect.  XIII.  P.  8. 

8J  L.  Erect.  VII.   0.  5.    Im  J.  1408  starb  Litold  von  Blazim.    Der   Vormund 

seiner    Kinder  schloss    damals  einen    Zehentvertrag  mit  dem  Pfarrer  in 

Hawran. 

3)  Heber :  Burgen  III.  207. 

4)  Levin    prope  Usti,  so  wird  es  ausdrücklich  in  der  Bestätigungsurkunde 
des  Herzogs  Friedrich  bei  Erben  reg.  174.  genannt. 

5)  Urkunde  Erben  reg.  143. 

6)  Urkunde  ebend.  172. 

7)  Urkunde  ebend.  175. 

20 


306 

Gründer  des  Gotteshauses  daselbst  gewesen  sein  dürften.  Seit  1360 
waren  erweislich  schon  die  Grundherren  von  Auscha  zugleich  Be- 
sitzer Lewins,  indem  1363  der  dort  begüterte  Johann  von  Michels- 
berg und  1402  und  1408  Ales  von  Duba  auf  Drazic  das  Collatur- 
recht  in  Lewin  ausübten.1) 

4.  Im  J.  1185  gestattete  Herzog  Friedrich  dem  Orden,  eine 
Pfarrkirche  zu  Kadan  zu  bauen,  und  das  Collaturrecht  daselbst 
auszuüben.2)  Bei  dem  eben  erwähnten  Vermählungsfeste  zu  Auscha 
schenkte  er  dem  Orden  diesen  Ort,  der  bei  dieser  Gelegenheit  eine 
neue  Stadt  (burgum  novum)  genannt  wird,  zur  Gänze.3)  Von  da 
ab  erscheint  Kadan  als  eine  Commende  der  Johanniter4),  wo 
gewöhnlich  der  Commandern*  zugleich  pfarrliche  Jurisdiction  ausübte. 
Kadan  war  als  alte  landesfürstliche  Burg  wohl  schon  vordem  der 
Sitz  eines  Priesters  gewesen  und  war  vielleicht  schon  bis  1185 
der  Hauptort  des  gleichnamigen  Dekanats  geworden.  Letzteres 
blieb  Kadan  nach  wie  vor,  obwohl  hinfort  je  ein  Pfarrer  der  Nach- 
barschaft die  Dekanatswürde  bekleidete.5)  Der  Commandeur  (Com- 
thur)  von  Kadan  übte  erweislich  auch  im  benachbarten  Brunners- 
dorf  die  Pfarrcollatur.6)  Diess  geschah  im  J.  1363.  Da  die  Pfarr- 
kirche des  letzteren  Orts  1384  nur  3  böhmische  Groschen  halb- 
jährigen Kirchenzehent  entrichtete,7)  so  dürfte  sie  wohl  kaum  um 
vieles  vor  das  J.  1360  zurückreichen,  und  es  mögen  wohl  die  geist- 
lichen Ritter  von  Kadan  ihre  ersten  Erbauer  gewesen  sein. 

§.  78.  Fortsetzung. 
1.  Als  weitere    Besitzung  des  Ordens  erscheint  das  Pfarrdorf 
P  §  o  w  in  Saazer  Gebiete,  das  heutige  Kreuzherrengut  Schaab.  Diess 


')  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 
3)  Urkunde  Erben   reg.  168. 

3)  Ebend.  174.  Die  Burg  blieb  landesfürstlich  unter  eigenen  Burggrafen  bis 
zu  ihrer  Verpfändung  an  die  Herren  von  Egerberg  im  J.  1256. 

4)  Ein  solcher  Commendator  wird  1363  namentlich  genannt.  (Lib.  Confirm.) 
Noch  im  J.  1467.  4.  Mai  erliess  der  Administrator  des  Erzbisthums  Hila- 
rius  ein  Schreiben  an  P.  Cyriacus  Commendator  domus  Cadauensis  et  ple- 
banus.  (Pessina  Phosph.  p.  270.) 

5)  So  1392  der  Pfarrer  zu  Wilemice,  1393  der  Pfarrer  zu  2dar  u.  s.  w. 
(Lib.  Confirm.) 

6)  Lib.  Confirm.  ad  1363. 

7)  Registr.  Decirn. 


307 

hatte  schon  der  oft  erwähnte  Ordenspräceptor  Martin  zugleich  mit 
dem  Orte  Posirowic  (wohl  das  jetzige  Pösswic  auf  der  Domäne 
Rothenhaus)  dem  Prager  Domcapitel  abgekauft. ])  Die  Pfarrkirche 
daselbst  entrichtete  im  J.  1384  bereits  einen  Halbjahrsdecem  von 
12  böhmischen  Groschen,  ohne  dass  einer  neueren  Erwerbung  ir- 
gendwo gedacht  wird:2)  desshalb  zählte  sie  wohl  damals  zu  den 
ältesten  des  saazer  Dekanats.  Von  da  ab  erscheinen  hier  die  Herren 
von  Duba  als  Collatoren,3)  ohne  dass  die  Zeit  des  Uiberganges  des  Be- 
sitzes an  dieses  alte  Adelshaus  namhaft  gemacht  werden  kann.  Im 
J.  1413  am  3.  Februar  schenkte  Henzlin,  vordem  Herr  zu  P&ow, 
nun  Procurator  des  Kreuzherrenspitals  bei  S.  Peter  in  Prag,  der 
Kirche  zu  PSow  den  Genuss  einer  Jahreszinsung  von  1  Schock 
und  6  böhmischen  Groschen.4)  Im  Jahre  darauf  verlieh  Anka  Witwe 
nach  Johann  von  Frankowec  auf  Psow  derselben  Kirche  einen  Theil 
Acker.5)  In  den  Jahren  1416  und  1418  erscheint  der  königliche 
Obermarschall  Wr§  von  Modrejowic  als  Collator  zu  P§ow.6)  Bald 
darauf  gelangte  der  Ort  in  den  Privatbesitz  des  Kreuzherrengross- 
meisters  Johann  Stenic  und  durch  diesen  in  das  Eigenthum  seines 
Ordens.7) 

2.  Noch  vor  1186  hatten  Wilhelm  und  Ullrich,  Söhne  des  Gra- 
fen Hroznata  —  wohl  Verwandte,  wenn  nicht  bereits  ausgestattete 
Söhne  des  Gründers  von  Tepl  —  vom  Landesherrn  das  Dorf 
Bfeznice  (Gross-Priesen)  nebst  mehreren  Grundstücken  in  der 
Nähe  von  Aussig  gekauft  und  dem  Orden  als  Geschenk  verehrt. 
Im  genannten  Jahre  bestätigte  Herzog  Friedrich  auch  diese  Er- 
werbung —  zugleich  mit  dem  Eigentumsrecht  auf  die  dortigen 
Dorfschaften  Poverl  (Pömmerle),  Rigici  (Ryjice,  Reinlitz), 
Rostoky  (Rongstock),  Werece  (Raitza)  und  Ujezd  (?),  wel- 
che einst  Mesko,  ein  Bruder  Hroznatas  dem   Orden  verliehen  und 


1)  Urkunde  Erben  reg.  174 — 174. 

2)  Regist.   decim. 

3J  Im  J.  1395  Ale§  de  Duba,  1403  und  1407  Heinrich  Skopek  de  Duba  (Lib. 

Confirm.  ad   li.  a.). 
4)  Lib.  Erect.  VIII.  R.  8. 
5,  Ebend.  X.  B.  6. 
Gj  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 
7j  Vgl.  Sommer  saaz.  Kr.  S.  291. 

20* 


308 

Hroznata   selbst  gegen  einen  Jahreszins  vom  Orden  als   Lehen  ge- 
nommen hatte. ') 

3.  Zur  selben  Zeit  hatte  auch  der  herzogliche  Verwalter  Ger- 
don den  geistlichen  Rittern  das  Dorf  Kosmonos  bei  Jungbunzlau 
als  Stiftung  für  sein  Seelenheil  übertragen.2)  Nach  der  Zeit  erwarb 
oder  erbaute  der  Orden  —  vielleicht  von  hier  aus  —  die  Kirche 
bei  S.  Johann  dem  Täufer  zu  Jungbunzlau  und  errichtete  bei 
derselben  eine  eigene  Commende,  deren  Vorsteher  zugleich  als  selbst- 
ständiger Pfarrer  genannt  wird.3)  Im  Jahre  1384  wurde  diese  Kirche 
und  Commende  beim  Kirchenzehent  mit  keinem  besondern  Betrage 
angesetzt,  weil  der  Orden  bereits  als  solcher,  von  seinem  Gesammt- 
besitze  steuerte. 

4.  Im  J.  1188  bestätigte  der  Herzog  Friedrich  eine  Anzahl 
neuer  Erwerbungen  des  Ordens  in  der  Nähe  von  Leitmeritz,  nämlich 
die  Dörfer  Swadow  (Schwaden),  K o j e t i c e  (jetzt  Dom.  Schwaden), 
ßreznec  (Kl.  Priesen),  Zalezly,  Pogorice,  Probo§tow 
(Salesel,  Pohofic,  Proboscht),  Ploskowice  ( Ploschkowitz )  und 
Tasowsko  (Tasow,  Gut  Zahoran),  und  am  andern  Eibufer  Ne Sto- 
rni ce  und  Bfeznice  (Nestomitz  und  Priessnitz),  die  sämmtlich 
der  oft  genannte  Graf  Hroznata  dem  Orden  geschenkt  hatte.4) 

Aus  diesen  und  den  früheren  Erwerbungen  in  dieser  Gegend 
gestalteten  sich  sofort  die  grossen  Ordensdomänen  von  Plosch- 
kowitz, Schwaden,  Grosspriessen  und  Priessnitz.  Ploschkowitz  kam 
erst  im  Jahre  1437  durch  kaiserliche  Verpfändung  aus  dem  Besitze 
des  Ordens,  —  und  zwar  an  Jacob  von  Wfesowitz,  der  für  selbes 
und  einige  andere  anstossende  kleine  geistliche  Güter  damals  den 
Pfandpreis  von  5000  Schock  erlegte.5)  Die  übrigen  mögen  bereits 
vordem  abhanden  gekommen  sein.  Unter  den  genannten  Ortschaften 
erscheint  zunächst  Schwaden   als  ein  alter  Pfarrort,  der  im  J. 


lj  Urkunde  Erben  reg.  174  und  175. 
2J  Ebendaselbst. 

3)  Im  J.  1408  am  22.  Juni  war  da  ein  Fr.  Martin  plebanus  ecclesiae  S.  Joannis 
Bapt.  ordinis  cruciferorum  S.  Joannis  Hierosolymitani.  Derselbe  ver- 
tauschte damals  ein  Feld  Ackers,  das  seiner  Kirche  gehörte,  gegen  ein 
anderes  an  Swiest  von  Odic.  (Lib.  Erect.  IX.  A.  3.) 

4)  Urkunde  Erben  reg.  181. 

5)  Palacky  Archiv  II.  453. 


309 

1384  mit  einem  halbjährigen  Kirchenzehent  von  12  böhmischen 
Groschen  zu  den  reichsten  und  ältesten  des  aussiger  Dekanates 
zählte.1)  Urkundlich  wird  schon  im  J.  1363  ein  Benes  von  War- 
tenberg als  Collator  daselbst  genannt.2)  Nach  den  Wartenbergern 
gedieh  dieser  Besitz  an  die  Berka  von  Duba.3)  Auch  ProboSt 
wird  als  Pfarrsitz  genannt  und  betheiligte  sich  1384  mit  6  böhmi- 
schen Groschen  am  allgemeinen  Kirchenzehent.4)  Da  dieser  Ort 
bereits  bei  seinem  Uibergange  in  den  Besitz  der  Johanniter  1180 
seinen  Namen  (Propstort)  führte:  so  ist  anzunehmen,  dass  er  ur- 
sprünglich schon  von  einem  geistlichen  Grundheren  —  wahrschein- 
scheinlich  vom  Wygehrader  Propste,  dem  Herrn  des  benachbarten 
Ortes  Schüttenitz,  angelegt  wurde.  Im  J.  1238  (6.  August)  erwarb 
hier  der  Johanniterorden  auch  noch  die  grosse  anstossende  Wal- 
dung sammt  etlichen  an  deren  Saume  angelegten  Dorfschaften, 
und  zwar  diess  durch  einen  Gütertausch  mit  den  bisherigen  Be- 
sitzern, den  Benedictinern  von  Kladrau.  In  den  Jahren  1363  und 
1402  werden  hier  bereits  die  Herren  von  Wartenberg  als  Colla- 
toren  der  Pfarrpfründe  genannt,5)  so  dass  also  bis  dahin  der  Johan- 
niterorden diese  Besitzung  aufgegeben  haben  musste.  Um  1400 
gedieh  dieses  Dorf  in  den  Besitz  des  Wla§ek  von  Kladno  auf 
Schreckenstein6)  und  ist  seitdem  bei  letzterer  Domäne  verblieben. 
5.  Böhmisch-Aicha  war  erweislich  in  14.  Jahrhunderte 
eine  blühende  Commende  der  Johanniter.  Als  solche  wurde  im  J.  1380 
die  dortige  Pfründe  durch  den  Grandprior  Semovit,  Herzog  von 
Teschen,  vergeben.7)  Im  J.  1412  (1.  Jänner)  erlangte  der  dortige 
Comthur  Theodorich  von  Peter  Tista  von  Albrechtic  ein  Legat 
von  3  Schock  an   Zinsungen.8)     Auch  noch  im   J.   1415    (1.  Okt.) 


')  Regist.  decim. 

2)  Lib.  Confirm. 

3)  Ihr  Wappen  mit  der  Jahreszahl  1477  im  Presbyterium  angebracht  bekun- 
det sie  als  Hersteller  des  Gotteshauses. 

4)  Regist.  decim. 

5)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 

6)  Ebendas.  ad  h.  a. 

')  Lib.  Confirm.  ad  h.  a.  Hiemit  erledigt  sich  von  selbst  der  Widerspruch 
Balbins,  der  diese  Commende  an  verschiedenen  Orten  bald  den  Johannitern 
und  bald  den  Deutschherren  zutheilt.  (Vgl.  Lib.  Erect.  VIII.  P.  3  und 
Erect  X.  H.  1.) 

8)  Lib.  Erect.  VIII.  P.  3. 


310 

wird  dieses  Ordenshauses  wegen  Anlegung  einer  Jahreszinsung 
auf  den  Gütern  des  Nicolaus  von  Holubi-Dwür  erwähnt.1)  Damals 
bestand  der  Convent  aus  dem  Comthur,  dem  Prior,  dem  Pietanti- 
arius  (Oekonomieverwalter),  dem  Hausprediger  und  andern  Brüdern. 
Ein  Grundbesitz  dieser  Commende  ist  urkundlich  nicht  genannt :  wahr- 
scheinlich aber  gehörte  ihr  die  Domäne  von  Böhmisch-Aicha,  deren 
frühere  Besitzer  gänzlich  unbekannt  sind.3) 

6.  Noch  muss  auch  der  Commenden  in  Zittau  u.  Hirsch- 
felde gedacht  werden,  die  namentlich  für  das  sogenannte  böhmische 
Niederland  nicht  ohne  Bedeutung  bleiben  konnten.  Die  Stiftung 
der  Zittauer  Commende  fällt  mit  der  Erhebung  Zittaus  zur  Würde 
einer  befestigten  Stadt  zusammen.  Muthmasslich  war  König  Wenzel  IL 
von  Böhmen  ihr  Gründer,  der  vielleicht  auf  diese  Weise  jener 
Stadt  seine  Erkenntlichkeit  bezeugte,  die  ihn  als  Knaben  gastfreund- 
lich gepflegt  hatte.  Im  J.  1291  wird  die  Kirche  S.  Johann  —  den 
Johannitern  gehörig  —  bereits  als  Pfarr-  und  Hauptkirche  in  Zittau 
genannt,  und  im  J.  1303  wurde  die  geistliche  Aufsicht  über  das 
Hospital  zu  S.  Jacob  durch  König  Wenzel  IL  ausdrücklich  dem 
„Commendator  der  Kreuzritter  des  h.  Johannes"  übertragen.3)  Von 
hier  aus  entstand  wohl  bald  darauf  die  geistliche  Colonie  des  Or- 
dens im  nahen  Hirschfelde.  Anfangs  nur  eine  von  Zittau  ab- 
hängige Pfarrstation  des  Ordens  erhielt  sie  bald  nach  1300  den 
Rang  einer  selbstständigen  Commende,  welche  vom  Grandprior  der 
Ordensprovinz  verliehen  wurde,4)  wenn  auch  immerhin  an  Priester 
der  Mutter-Commende  zu  Zittau.5)  In  Zittau  und  Hirschfelde  er- 
hielten sich  die  geistlichen  Brüder  bis  1570,  in  welchem  Jahre 
beide  Commenden  an  den  Rath  von  Zittau  käuflich  übergingen.0) 


»)  Lib.  Erect.  X.  H.  1. 

2)  Dieses  Aicha  (Dub)  ist  nicht  zu  verwechseln  mit  der  Stammburg  der 
Herren  Berka  von  Duba.    Letztere  ist  Duba  (Dauba)  bei  Leipa. 

3)  Sintenis  :  Oberlausitz,  S.  81.  Vgl.  Grossem :  Laus.  Merkwürdigkeiten  I.  44 
Christ.  Manlii  rer.  Lusat.  Com.  ed.  Hofm.  p.  234.  — 

4)  Lib.  Confirm.  ad  anu.  1417. 

5)  Knothe,  Gesch.  des  Fleckens  Hirschfelde  in  der  Oberlausitz,   p.  39. 

6)  Ebendaselbst  p.  42.  Die  anderweitigen  Besitzungen  gruppirten  sich  um  die 
oben  erwähnten  Commenden  des  Ordens.  Genannt  werden :  Ilodowic, 
Ozoym,  Plane,  Cuhow  bei  Plass,  Manetin  mit  Lipe,  Kahow,  Wesce,  der 
Wald  Cozodre  und  ein  anderer  bei  Olesnice,  die  Kirche  S.  Johann  na  bo- 


311 

§.  79.   Das  Kloster  der  Benedictinerinnen  in  Teplitz. 

1.  Im  J.  1164  erhob  sich  in  Böhmen  ein  neues  Jungfrauen- 
stift nach  der  Regel  des  hl.  Benedict,  das  Kloster  bei  S.  Johann 
dem  Täufer  in  Teplitz.  Die  Stifterin  desselben  war  die  Königin 
Judith,  die  zweite  Gemahlin  des  Königs  Wladislaw  f.,  eine  Schwe- 
ster der  Landgrafen  Ludwig  von  Thüringen.1)  Im  J.  1164  führte 
nämlich  König  Wladislaw  dem  Könige  von  Ungarn  gegen  den  grie- 
chischen Kaiser  ein  böhmisches  Heer  zu  Hilfe.  Während  des  Feld- 
zugs weilte  Judith  ohne  Unterlass  in  den  Klöstern  des  Landes  und 
liess  in  selben  fromme  Gebete  für  die  glückliche  Rückkehr  ihres 
Gatten  verrichten.2)  Bald  endete  der  König  seinen  Feldzug  durch 
einen  glänzenden  Sieg  über  die  Griechen  und  kehrte  dann  mit 
reichen  Geschenken  des  ungarischen  Königs  beladen  ins  Vaterland 
zurück.  Da  ist  es  denn  im  hohen  Grade  wahrscheinlich,  dass  einer- 
seits nach  der  Sitte  der  Zeit  von  den  gewonnenen  Schätzen  irgend 
eine  geistliche  Stiftung  gegründet  wurde  und  anderseits  wieder  die 
hocherfreute  Königin  der  Dankbarkeit  für  ihre  erhörten  Bitten 
durch  irgend  ein  frommes  Werk  einen  thatsächlichen  Ausdruck 
gab.  So  Hesse  sich  die  Erbauung  des  Klosters  Teplitz  durch  die 
Königin3)  und  zugleich  die  wahrhaft  fürstliche  Austattung  desselben 


jisti  bei  Prag,  Maliniu  ostrow,  Upolene,  Wranow  mit  Waldung,  die 
Kirche  S.  Maria  ad  Argentariam  (?),  Trebiz,  ein  Grundstück  bei  Glaz, 
Ivanowic  und  Belchiz  und  ein  Besitz  in  Modlejovic  in  Mähren,  Grobeniky, 
Lunechowic,  Le§an,  Na  Zukowe  an  der  Mies,  Quastic  und  Plesow  an  der 
Mettau,  Abgaben  von  den  Silberwerken  an  der  Mies,  Glawen,  Stetin, 
Rowni,  Teinec  an  der  Elbe  ,  Ledec,  Netribiz,  Theile  von  Breza  und  Pod- 
skal,  die  Kapelle  in  Gosic  in  Mähren,  Thusnow,  Brezic,  Losow  (in  Schle- 
sien), eine  Mühle  in  Erpurch.  (Vgl.  Erben,  reg.  Urkunden  p.  143 ,  168, 
172—175,  181,  183,  188,  200,  203,  221,  224,  225,  254,  255,  257,  356,  407, 
446,  511,  523.) 

])  Der  alte  Chronist  Vincentius  von  Prag  (Dobneri  mon.  Bohem.  L),  Ne- 
placho  (Dobn.  mon.  Boh.  IV.)  und  Pulkawa  (Dobn.  I.)  nennen  glaubwürdig 
diese  zweite  Gemahlin  Wladislaw's  als  Stifterin.  Minder  glaubwürdig  er- 
zählen diess  die  viel  Jüngern  Geschichtsschreiber  Hajek  und  Ziegelbauer 
von  der  ersten  Gemahlin  Gertrud,  einer  Tochter  des  heiligen  Leopold  von 
Oesterreich.  Da  Judith  erst  1153  nach  Böhmen  kam,  so  ist  das  angebliche 
Stiftungsjahr  1146  gewiss  nur  durch  einen  Schreibfehler  für  1164  entstanden. 

3)  Vincentius  Prag.  ad.  1164. 

3)  Vincentius,  Neplacho,  Pulkawa.  • 


312 

durch  den  König1)  am  leichtesten  erklären.  Das  neue  Ordenshaus 
erhob  sich  vor  der  Stadt  auf  einem  Hügel,  der  Sage  nach  über  der 
Hauptquelle  der  teplitzer  Heilbäder.2)  Töchter  aus  den  edelsten 
Familien  des  Landes  bevölkerten  fortan  die  heiligen  Räume.3)  Ein 
Priester  des  Benedictinerordens  besorgte  als  Propst  (praepositus) 
mit  Beihilfe  einiger  geistlichen  Brüder  die  seelsorgerliche  Leitung 
des  Hauses.  Die  Klosterkirche,  zu  Ehren  des  hl.  Johannes  des 
Täufers  geweiht,  war  wohl  eine  der  prächtigsten  des  Landes ;  denn 
die  edle  Stifterin  hatte  zum  Schmucke  und  zu  den  Geräthen  dieses 
Heiligthums  angeblich  nicht  weniger  als  1000  Mark  feinen  Silbers 
und  300  Mark  Goldes  verwendet.4) 

2.  Ueber  die  ehemaligen  Besitzungen  des  Klosters  Teplitz 
liegen  keine  erschöpfenden  Quellen  vor.  Nur  annäherungsweise  lassen 
sich  selbe  theils  aus  den  Confirmationsbüchern  theis  aus  andern  alten 
Documenten  zusammenstellen.  Obenan  stand  gewiss 

a.  die  Burg  Teplitz  und  das  Herrschaftsrecht  über  die  gleich- 
namige Stadt  Dafür  bürgt  wohl  hinlänglich  der  Umstand,  dass 
im  Jahre  1417  der  „  Viceburggraf  von  Teplitz  im  Namen  der  Aeb- 
tissin  Sophie"  die  Besitzungen  des  Klosters  in  Brozan  reclamirte.5) 
Balbinus  behauptet,  Königin  Judith  habe  bereits  im  Jahre  1173 
„die  Bäder  zu  Teplitz  und  die  dazu  gehörige  Herrschaft,"  die  da- 
mals bis  über  Brüx  hinaus  sich  erstreckt  haben  soll,  dem  Kloster 
als  Geschenk  verehrt.6)  Die  Klosterkirche  S.  Johann  war  zugleich 
eine  der  beiden  Pfarrkirchen  von  Teplitz  und  war  im  J.  1384 
an  Einkünften  so  reich,  dass  sie  sich  mit  18  böhmischen  Gro- 
schen am  halbjährigen  Kirchenzehent  betheiligen  konnte.7)  Die 
Aebtissin  des  Klosters  übte  daselbst  das  Patronatsrecht  aus. 
Doch  betheiligten  sich  nachmals  auch  andere  fromme  Wohlthäter 
an  der  Bereicherung  dieses  Gotteshauses.  Im  Jahre  1386  schenkte 


')  Chronographus  Siloensis,  ad  ann.  1175  (Dobneri  mon.  Boh.  I.) 
2J  Rohn  antiquitates  eccl.  circ.  Litora.  M.  S. 

3)  In  den  Lib.  Erect.  werden  viele    Namen  solcher  adeligen  Klosterfrauen 
von  Teplitz  genannt. 

4)  Hajek. 

5J  Palacky  Archiv.  III.  491. 

6)  Balbini  epitom.  III.  377  und  IV.  462. 

7J  Regkt.  deejm. 


313 

die  Familie  des  Johann  von  Swetic  eine  Zinsung  von  23  böhm. 
Groschen.1)  Im  Jahre  1408  hatte  diese  Pfarrkirche  sogar  eigene 
Unterthanen,  die  damals  gegen  eine  fortlaufende  Zinsung  von 
2  Schock  und  24  Groschen  an  das  Kloster  überlassen  wurden.2) 
Ausser  dem  Haupt-  und  Pfarraltare  des  hl.  Johannes  bestanden 
damals  in  dieser  Kirche  noch  6  Seitenaltäre,  deren  jedes  seinen 
eigenen  gestifteten  Altarpriester  hatte.  Als  Stifter  dieser  Altäre 
und  Altaristen  erscheinen  Nicolaus  von  Wsechlap  (1406.  Altar 
der  heiligen  Maria  Magdalena),  Albert  von  Koldic  auf  ßilin  (als 
Vermehrer  derselben  Stiftung  1417),  Peter  Pentz  Herr  von  Eisen- 
berg und  Peter  MiliÖewes  in  Brüx  (1406  und  1407  die  Altäre 
Maria  Heimsuchung  und  der  heiligeu  10.000  Märtyrer),  Aebtissin 
Margareth  (1411  heil.  Kreuzaltar),  und  Aebtissin  Sophie  (1411 
S.  Veitaltar).3)  —  Bei  dieser  Pfarrkirche  gründeten  die  geistlichen 
Jungfrauen  im  J.  1370  eine  Allerheiligencapelle  auf  ihrem  eigenen 
Gottesacker4),  und  erwarben  nachmals  auch  einen  eigenen  Altari- 
sten dafür.5)  Ueberdiess  bestand  in  Teplitz  auch  noch  eine  zweite 
Pfarrkirche  zu  Ehren  der  h.  Maria,  die  im  J.  1384  auf  gleicher 
Zehenthöhe  mit  der  Johanneskirche  stand.6)  Auch  hier  besass  die 
Vorsteherin  des  Klosters  das  Patronatsrecht.  Diess  erhellt  aus  dem 
Umstände,  dass  im  J.  1370  daselbst  die  Aebtissin  Margareth  eine 
gesungene  Marienmesse  stiftete,  zu  deren  Abhaltung  sich  der 
Pfarrer  mit  Bewilligung  derselben  Aebtissin  verpflichtete.7)  In 
derselben  Kirche  vermehrte  im  J.  1396  Bor§o  von  Biesenburg  die 
Stiftung  eines  Allerheiligen-Altars  und  des  betreffenden  Altar- 
priesters.8) 

b.  Daubrawska  Hora,  der  heutige  Schlossberg  bei  Teplitz, 
wurde  nachmals  im  J.    1467  zugleich  mit  allen  übrigen  sicherge- 


')  Lib.  Erect.  XIII.  C.  10.  und  0.  10. 
8)  Ebend.  IX.  B.  12. 

3)  Erect.  VII.  G.  6.  XI.   0.  s.  X.  k.  4.  VII.  M.   10.  VIII.  M.  2.,  IX.   K.  10., 
X.  B.  10. 

4)  Erect.  I.  D.  6. 

5)  Erect.  I.  F.  6. 

6)  Regist.  decim. 

7)  Lib.  Erect.  XIII.  B.  10. 
8j  Lib.  Erect.  XIII.  G.  5. 


314 

stellten  Besitzungen  des  Teplitzer  Klosters  an  die  Herren  von 
Wresowic  verpfändet,  dürfte  also  wohl  ebenfalls  vordem  dem  Klo- 
ster zugehört  haben.  Dafür  spricht  auch  die  alte  Sage,  dass  dort 
ehedem  ein  Nonnenkloster  gestanden  sei,  unter  dem  aber  kaum 
etwas  anderes,  als  ein  Landhaus  der  geistlichen  Schwestern  von 
Teplitz  zu  denken  sein  wird.  Dagegen  streitet  nicht  im  Geringsten 
der  Umstand,  dass  in  den  Confirmationsbüchern  als  Patrone  des 
am  Fusse  des  Berges  gelegenen  jetzt  ganz  verschollenen  Pfarr- 
dorfes Dubrawice  die  Herren  von  Dubrawice  genannt  werden.1)  Möge 
dieses  Dorf  auch  ehedem  zu  dem  Schlosse  gehört  haben,  so 
konnte  es  ja  später  davon  verkauft  worden  sein;  auch  mögen  die 
Herren  von  Dubrawice  wohl  nur  Vasallen  des  Klosters  gewesen 
sein,  ebenso  wie  die  nahen  Herren  von  Brozan  wirklich  nur  solche 
Vasallen    gewesen  sind. 

c.  Eine  der  ältesten  Besitzungen  des  teplitzer  Klosters  war 
auch  der  uralte  Bergort  Kloster  grab.  Hier  consecrirte  Slavco  von 
Riesenburg,  Abt  von  Ossegg  und  Missionsbischof  in  Preussen, 
im  J.  1212  die  neuerbaute  Pfarrkirche.2)  Als  im  J.  1278  nach  König 
Pfemysl  Ottokars  traurigem  Tode  das  Kloster  Teplitz  von  den  kai- 
serlichen Truppen  unter  grausamer  Behandlung  der  geistlichen 
Jungfrauen  geplündert  und  die  Besitzungen  rings  umher  ver- 
wüstet worden  waren3),  sah  sich  der  verarmte  Convent  genö- 
thigt,  Einiges  von  seinen  frühern  Besitzungen  zu  veräussern,  um 
den  erlittenen  Schaden  einigermassen  wieder  gut  zu  machen.  So 
gelangte  im  J.  1282  Klostergrab  in  den  Besitz  des  Klosters  Ossegg 
und  zwar  zugleich  mit  dem  bisher  ebenfalls  zu  Teplitz  gehörigen 
Dorfe  Wernsdorf,  beide  zusammen  um  den  Preis  von  80  Mark 
feinen  Silbers.4) 

§.  80.  Fortsetzung. 

d.  HradistS,  das  heutige  Dorf  Ratsch  auf  dem  Dominium 
Teplitz,  erscheint  als  ein  alter  Pfarr-  und  Burgort  des  biliner  De- 


')  Lib.  Confirm.  1363.  1364.  etc.  Dubrawice  gehörte  ebenso  wie  Teplitz  noch 

zum  Dekanate  von  Bilin. 
3)  Cisterc.  bistert.  p.  296. 

3)  Contin.  Jaroslai. 

4)  Ossegger  Notizen. 


315 

kanats,  wo  das  Kloster  Teplitz  im  J.  1416  das  kirchliche  Collatur- 
recht  übte,1)  daher  in  dieser  Zeit  wohl  auch  das  Herrschaftsrecht 
besass.  Vordem  war  es  Eigenthum  und  Collaturort  von  Ossegg  gewe- 
sen. Im  J.  1384  gehörte  die  Pfarrkirche  daselbst  mit  einer  Halb- 
jahrszinsung  von  9  böhmischen  Groschen2)  bereits  zu  den  altern 
der  Gegend  und  wurde  ausser  Bilin,  Brüx,  Dux  und  Teplitz  nur 
noch  von  Peöow  (Hochpetsch),  Rwenice  (Seestadtl),  Zlatnik  (böhm. 
Scblading),  Wtelno  und  Badowesice  in  Zinsung  und  wahrscheinli- 
chem Alter  übertroffen. 

e.  Boris  law,  das  heutige  Boreslau,  jetzt  noch  zur  teplitzer 
Herrschaft  gehörig,  wird  in  den  Jahren  1399,  1402  und  1411  eben- 
falls als  Pfarrcollatur  des  teplitzer  Klosters  genannt.3)  Im  J.  1384 
gehörte  es  zum  Dekanate  Aussig  und  steuerte  daselbst  unter  den 
Beneficien  minderen  Ranges  6  böhmische  Groschen  zum  Kirchcn- 
zehent.4)  Im  J.  1169  war  dieser  Ort  nebst  einigen  andern  der  Ge- 
gend im  Besitze  des  Johanniterordens,  und  wurde  damals  sein  Be- 
sitz diesem  Orden  vom  Könige  Wladislaw  bestätigt.5)  Um  das  J. 
1185  aber  tauschte  Herzog  Friedrich  dieses  Dorf  sammt  Zugehör 
vom  Orden  ein  gegen  mehre  „fast  verlassene  Ortschaften"  im  saazer 
Gebiete :  Stare  Sedlo  (Altsattel),  Zblaäin  (vielleicht  Ploscha),  Ray- 
sowice  (Reitschowes)  und  einige  andere  Dörfer,  deren  wir  später 
gedenken  werden.0)  Aber  im  folgenden  Jahre  bereits  schenkte  der- 
selbe Fürst  jenes  Dorf  dem  Johanniterorden  von  Neuem.7)  Wahr- 
scheinlich gelangte  es  nachmals  durch  Kauf  oder  Tausch  an  das 
Kloster  Teplitz. 

f.  W  o  1  e  w  ö  i  c  e,  das  heutige  Wollepschitz  auf  dem  Dominium 
Bilin,  erscheint  im  J.  1391  als  Collaturpfarre  des  teplitzer  Klo- 
sters.8) Von  da  ab  gelangte  dieser  Ort  in  das  Eigenthum  und  un- 
ter die  Collatur  des  Klosters  Ossegg.  Im  Jahre  1384  steuerte   das 


l)  Lib.  Confirm.  ad  1416. 
3)  Regist.  decim. 

3)  Lib.  Confirm  ad  h.  ann. 

4)  Regist.  decim. 

5)  Urkunde  Erben  reg.  143. 

6)  Urkunde  Erben  reg.  168,  173. 

7)  Urkunde  ebends.  174. 

8)  Lib.  Confirm. 


316 

hiesige  Beneficium  als  eines  der  altern  des  damaligen  Dekanats 
von  Saaz  12  böhm.  Groschen  zum   halbjährigen  Kirchenzehent. 

g.  ßrozan,  das  jetzige  Prosanken  bei  Teplitz,  war  erweislich 
in  den  Jahren  1366  und  1405  und  1407  ein  Patronats-Pfarrbene- 
ficium  von  Teplitz.1)  Auf  dem  Schlosse  daselbst  sassen  Lehens- 
ritter des  Klosters,  die  sich  Herren  von  Brozan  nannten.  Dass  sie 
eben  nur  Lehensleute  waren,  beweist  der  doppelte  Umstand,  dass 
sie  sich  selbst  Ministeriales,  Armigeri  und  Clientes  nannten,2)  und 
dass  im  Jahre  1417  der  Yiceburggraf  von  Teplitz  im  Namen  der 
Aebtissin  Sophie  nach  dem  Ableben  des  letzten  Ritters  Johann 
von  Brozan  das  Eigenthumsrecht  des  Klosters  beim  Gerichte  in 
Aussig  reclamirte.3)  Als  Wohlthäter  der  Kirche  in  Brozan,  die  im 
Jahre  1384  mit  einein  Halbjahrszehent  von  9  böhmischen  Groschen 
bereits  zu  den  besser  dotirten  und  altern  des  aussiger  Dekanates 
zählte,4)  erscheint  im  Jahre  1388  ein  Johann  Rozy  auf  Rudny  mit 
einer  Schenkung  von  einem  halben  Schock  böhm.  Gr.  an  jährlichen 
Zinsungen.5)  Im  Jahre  1408  löste  die  Aebtissin  und  der  Convent 
von  Teplitz  einen  unterthänlichen  Zehent  in  der  Art  ein,  dass 
fortan  die  klösterliche  Kammer  selbst  zur  Zahlung  von  jährlichen 
2  Schock  24 73  Groschen  sich  verpflichtete.6)  Im  J.  1410  schloss 
Lewa,  ein  Sohn  des  Andreas  von  Brozan  einen  Zehentvertrag  mit 
dem  Pfarrer  daselbst.7) 

h.  Bukow,  jetzt  Böhmisch-Bockau  bei  Aussig,  wird  in  den 
Jahren  1376,  1397,  1398  uud  1403  ausdrücklich  als  Patronats- 
pfarre   des  teplitzer    Klosters  genannt.8)    Im  J.  1384   zahlte   die 


»)  Lib.  Confirm.  1366,  1405  Lib.  Erect.  VII.  K.  10. 

2)  Ebendaselbst. 

3)  Palacky  Archiv  III.  491.  Heber  in  seinen  „Böhmens  Burgen"  III.  420  ver- 
wechselt dieses  Brozan  mit  dem  zur  melniker  Propstei  gehörigen  gleich- 
namigen Orte  an  der  Eger.  (Vgl.  I.  166.)  Für  die  Identität  dieses  teplitzer 
Brozan  sprechen  die  Delegationen  benachbarter  Pfarrer  um  Aussig  herum 
zu  Installationen  in  diesem  Brozan.  (Lib.  Confirm.  ut  supra.) 

4)  Regist.  decim. 

5)  Erect.  XII.  B.  12. 

6)Lib.  Erect.  IX.  B.  11  und  12. 

7)  Lib.  Erect.  VIII.  L.  5. 

8)  Lib.  Confirm.  ad  h.  ann. 


317 

dortige  Kirche  als  eine  der  armem  und  Jüngern  des  Dekanats  nur 
3  böhmische  Groschen  zum  kirchlichen  Landeszehent. ') 

i.  Praskowice  bei  Leitmeritz  war  erweislich  im  J.  1416 
ebenfalls  eine  Collaturpfarre  von  Teplitz.5)  Dieses  Ortes  wurde 
bereits  bei  Besprechung  der  ältesten  Besitzungen  des  leitmeritzer 
Collegiatstiftes  gedacht. 

7c.  Probo§tow,  wohl  das  heutige  Probstau  bei  Teplitz,  dem 
Namen  nach  zur  Dotation  des  Klosterpropstes  zu  Teplitz  gehörig, 
hatte  im  Jahre  1414  eine  öffentliche  Capelle  unter  dem  Patronate 
des  Klosters;3)  im  Jahre  1384  erscheint  dieselbe  noch  nicht  als 
an  der  allgemeinen  Zehentzahlung  betheiligt,  dürfte  daher  wohl 
erst  später  erbaut  worden  sein. 

I.  Pfeöaply,  das  jetzige  Pritschapel  bei  Eidlitz  im  saazer 
Kreise,  war  erweislich  in  den  Jahren  1364,  1407  und  1416  eine 
teplitzer  Collaturpfarre4)  und  war  im  J.  1384  als  eine  der  ältesten 
und  besten  Pfründen  des  Kadner  Dekanats  mit  halbjährigen  15 
böhmischen  Groschen  zehentpflichtig.5)  Vordem  schon,  im  J.  1378, 
hatte  hier  der  Convent  von  Teplitz  einen  beständigen  Hilfsseelsorger 
gestiftet.6) 

m.  Ausser  den  genannten  Ortschaften,  denen  ohne  Zweifel 
noch  viele  der  eingepfarrten  Dörfer  zugezählt  werden  müssen,  be- 
sass  das  teplitzer  Kloster  noch  bedeutende  Zinsungsbezüge  in  der 
Nachbarschaft.  So  schenkte  am  20.  October  1410  (frühere  sind 
jedenfalls  vorauszusetzen,  aber  können  nicht  namhaft  gemacht  wer- 
den) der  Ritter  Johann  Ohnice  zunächst  für  die  mit  ihm  verwandte 
geistliche  Jungfrau  Elisabeth  von  Chodzow ,  nach  deren  Ableben 
aber  dem  Kloster  eine  Zinsung  von  2  Schock  weniger  5  Groschen.7) 
Ebenso  wandte  am  1.  October  1411  der  edle  Nicolaus  Cecwic 
von  Luzice  dem  Convente  eine  Zinsung  von  1  Seh.  Groschen  zu.8) 


l)  Regist.  deeimar. 

3)  Lib.  Confirm.  ad  h.  ann. 

3)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 

4)  Lib.  Confirm. 

5)  Regist.  deeim. 

6)  Lib.  Erect.  IL  R.  1. 

7)  Lib.  Erect.  VIII.  L.  5. 

8)  Lib.  Erect.  VIII.  0.  10. 


318 

Dasselbe  that  am  14.  April  1412  der  Ritter  Hanus  von  Rtin  (Her- 
tina), zunächst  zu  Gunsten  seiner  geistlichen  Schwester  Elisabeth 
v.  DlaSkowice  und  nach  deren  Ableben  für  den  Convent. ')  Im  sel- 
ben Jahre  am  25.  October  testirte  Dobes"  von  Kfemuz  dem  Kloster 
eine  jährliche  Zinsung  von  30  Groschen.2)  Die  Dotation  der  6 
Altaristen  der  Klosterkirche  bestand  ebenfalls  aus  ähnlichen  Zin- 
sungen,  die  zum  Theile  auf  den  Gütern  der  benachbarten  Herren 
von  Sulewic,  Peutz,  Skalka,  der  Blekta  von  Waltifow  (Waltirsche), 
der  Koldic  von  Bilin  und  Graupen  und  Anderer  aushafteten.3) 

Alle  diese  Besitzungen  des  teplitzer  Klosters  verpfändete  nach- 
mals, als  sie  herrenlos  geworden  waren,  der  König  und  Kaiser 
Sigismund  (1437)  an  die  Herren  von  Wfesowice.4) 

Die  Aebtissinnen  von  Teplitz  bis  in  die  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts sind  uns  namentlich  nicht  bekannt.  Sicher  aber  gehörten 
sie  den  edelsten  Geschlechtern  des  Landes  an,  deren  Töchter  er- 
weislich dieses  Kloster  zu  jeder  Zeit  zum  Asyle  ihres  gottgeweihten 
Lebens  erwählten. 

§.  81.  Das  Gisterzienserkloster  Ossegg. 

1.  Im  Jahre  1194  hatte  der  Graf  Johann  Milgost  eine  Ci- 
sterziensercolonie  aus  Waldsassen  auf  seine  Besitzung  MaStow 
(Maschau)  bei  Kaden  berufen,  und  selbe  bei  der  dortigen  Mutter- 
gotteskirche angesiedelt.5)  Sie  bestand  aus  J2  Priestern  unter  der 
Leitung  des  Priors  Rudhard.  Als  Dotation  wurden  ihr  das  Gut 
und  Dorf  Ma§tow  mit  Wald,  Wiesen  und  Zugehör,  der  Marktflecken 
Putscha  (?)c).   die  Pfarrdörfer    Tureö,    Mladejow    und    Chotöbu- 


»)  Lib.  Erect.  VIII.  P.  9. 
*)Ebend.  IX.  N.  11. 

3)  Ebendas.  X.  B.  10,  VIII.  M.  2,  X.  L    3.,  XI.  0.  10.—,  X.  0.  5.  — 

4)  Palacky  Archiv   II.  452. 

5)  Sartorii  Cisterc.  bistert.  1007.  Urkunde  des  Bischofs  und  Herzogs  Heinrich 
Bretislaw  von  1196  in  Erben  reg.  192.  Das  Jahr  1193  ergibt  sich  aus  der 
Confirmationsurkunde  des  ossegger  Klosters  von  Bischof  Daniel,  in  welcher 
das  Jahr,  1209  das  16.  nach  der  Auswanderung  aus  Waldsassen  heisst. 
(Erben  reg.  237.) 

6)  Vielleicht  das  spätere  Buskowice  oder  Puschwitz,  das  ira  J.  1384  in  der 
Zehentleistung  allerdings  weit  hinter  Maschau   (mit  42  Groschen)  zurück- 


319 

dice, v)  die  Dorfschaften  Nemcany  (Nemtschau),  Konice  (Kunitz),  Els- 
cove  (?),  Minow  (?),  Tyremow  (?),  Ulsthene  (?),  Tulchow  (?)  ,  Bluwaschow 
(?),  Hluboky  (Lubau),  Smilawaf?),  Schebletice,  nebst  je  einem  kleinen 
Maierhofe  in  Trub§ice  (Deutsch-Trebetitsch)  und  in  Grazt  (?)  zu- 
gewiesen.3) 

2.  Nur  6  Jahre  lang  verweilte  die  neue  Ordensfamilie  in 
Ma§tow :  dann  wurde  sie  einerseits  durch  den  Mangel  an  tauglichem 
Bauholz  und  anderseits  durch  häufige  Raubanfälle  genöthigt,  ob- 
wohl wider  Willen  des  Grafen  Milgost,  einen  andern  geeigne- 
teren und  ruhigeren  Wohnsitz  aufzusuchen.  Sie  fanden  einen 
solchen  in  einem  Aushaue  (osek)  am  Fusse  des  Erzgebirges  bei 
Dux,  wo  der  Grundherr  Slawko  von  Riesenburg,  Graf  von  Bilin 
und  später  Oberstlandeskämmerer  von  Böhmen,  sie  freudig  auf- 
nahm und  ihnen  die  daselbst  vor  Alters  schon  erbaute  Marien- 
kirche3) willig  überliess. 

In  dieser  hatte  im  Jahre  1196  Slawko's  Bruder  Hrabisa, 
Oberstkämmerer  des  Herzog-Bischofs  Heinrich,  seine  letzte  Ruhe- 
stätte gefunden  an  der  Seite  seiner  ebendaselbst  begrabenen  Ahnen.4) 
Slawko  und  die  Söhne  des   edlen  Bruders,   wohl  dieselben,  die  im 


stand,  selbst  aber  mich  den  erheblichen  Zehent  von  12  Groschen  entrich- 
tete. Hienach  war  damals  Maschau  das  reichste  und  gewiss  auch  älteste 
Benelicium  des  kadner  Dekanats,  das  noch  überdiess  im  J.  1391  von  Pe- 
ter Masco wec  von  Mastow  e;ne  neue  Schenkung  von  einer  Hube  Ackers, 
einem  Berge  mit  Waldung,  3  Wiesen  und  einem  Schock  Jahreszinses 
hinzu  erhielt  —  als  Dotation  für  einen  dritten  Hiilfspriester.  (Lib.  Erect. 
IL  F.  14.)  Puschwitz  erhielt  ebenfalls  eine  solche  Vicaristenstiftung  und 
zwar  im  J.  1405  von  Peter  von  Buäkowic  mit  Einwilligung  seines  Onkels 
des  Grundherrn  Drislaw  von  Krasna  hora  (Schönberg)  auf  Öernoc  (Lib. 
Erect.  VIII.  B.  10). 

l)  Turec  (Turtsch)  war  1384  in  derselben  Zehenthöhe  mit  Puschwitz.  Mla- 
dejow  stand  einst  in  der  Nä.he  von  Köttowic.  Jetzt  steht  da  noch  eine 
Kapelle  zu  Ehren  des  hl.  Stephan.  Im  J.  1384  zahlte  die  Pfarrkirche  da- 
selbst nur  3  böhmische  Groschen  Zehent,  eben  so  wie  Chotebudice 
(Köttowitz). 

2j  Diese  Besitzungen  bestätigte  Bischof  und  Herzog  Heinrich  Bretislaw  im 
J.  1196.  (Urkunde  bei  Erben  reg.  192.) 

3)  Mehrere  von  Slawko  dem  neuen  Kloster  gewidmete  Güter  waren  vordem 
„sanctificata  in  dotem  antiquae  ecclesiae."  Erben  reg.  230.  N.  504. 

4)  Urkunden  in  Erben  reg.  p.  230.  N.  504,  p.  192  N.  429. 


320 

Jahre  1190  die  Grabwächter-Brüder  in  Böhmen  eingeführt  und  mit 
reichen  Schenkungen  bedacht  hatten1),  bestellten  hier  die  Söhne 
des  h.  Bernard  als  bleibende  Fürbitter  für  ihre  Väter  und  für  sich 
selbst.  Im  J.  1199  5j  übernahmen  die  Ordensbrüder  ihr  neues 
Heiligthum  und  bauten  sich  daselbst  ein  hölzernes  Kloster,  das 
sie  erst  nach  1230  mit  einem  steinernen  vertauschen  konnten.3) 
Für  die  früheren  Besitzungen  um  Maschau  nahm  der  Prior  und 
nunmehrige  Abt  Rudhard  vom  Grafen  Milgost,  der  anfangs 
den  abgehenden  Brüdern  Alles  entzogen  hatte,  nachträglich  eine 
Entschädigung  an,  die  aber  der  Convent  für  ungenügend  und  nur 
durch  Einschüchterung  aufgedrungen  erklärte.  In  Folge  dessen 
entspann  sich  ein  Process  mit  Milgost,  der  den  Brüdern  die  ersten 
Jahre  ihres  Aufenthalts  in  Ossegg  verbitterte  und  erst  im  J.  1207 
auf  Befehl  des  Papstes  Innocenz  III.  durch  ein  aus  den  Bischöfen 
von  Prag  und  Olmütz  und  dem  Collegiatpropste  von  Leitmeritz 
zusammengesetztes  Schiedsgericht  beigelegt  wurde.4)  Wahrschein- 
lich geschah  die  Beilegung  durch  einen  theilweisen  Gütertausch 
der  Grafen  Slawko  und  Milgost,  und  durch  eine  um  so  reichere 
Dotirung  des  Klosters  in  unmittelbarster  Nähe  aus  Slawko's  und 
seiner  Verwandten  eigenem  Besitze.5) 

3.  Der  Marienkirche  in  Ossegg  hatten  bereits  vor  der  An- 
kunft der  Cisterzienser  der  Zehent  vom  Weine  und  Getreide  in 
Swinsic  (Schwindschitz)  und  ein  Wocheneinkommen  in  Grabisin 
gehört,  —  ein  Geschenk  von  Slawko's  Bruder  BoreS.6) 

Am  meisten  spendete  Slawko  selbst  zur  Dotirung  des  neuen 
Klosters.  Er  schenkte  demselben  die  Besitzung  Ossegg  sammt 
Waldung,  Wiesen,  Feldern  und  Hutweiden,  das  halbe  Dorf  Hain 
(Hahn  bei  Ossegg),  Hirdloch  (Hrdlowka  oder  Herrlich  bei  Ossegg) 


»)  Vgl.  §.  83. 

2)  Im  Confirmations-Briefe  des  Bischofs  Daniel  (Erben  237.  N.  519)  heisst 
das  Jahr  1209     das  zehnte  nach  dem  Auszuge  von  Mascow. 

3)  Im  J.  1230  testirte  ihnen  Graf  Johann  von  Riesenburg  neue  Güter  für  den 
Fall,  „cum  aediticare  de  lapidibus  coeperint."  Erben  reg.  p.  226. 

4)  Urkunde  Erben  reg.  p.  229. 

5)  Dass  so  auch  Milgost  als  Mitstifter  Osseggs  zu  gelten  habe,  erhellt  aus 
der  Ottokarischen  Confirmationsurkunde  v.  24.  April  1203  bei  Erben  reg. 
p.  214. 

6)  Urkunde  Erben   reg.  p.  230. 


321 

Sconvelt  (Schön wald ?),  Domaslawice  (?)  und  Duban  (Eich- 
wald?), dann  das  zehnte  Wocheneinkommen  in  Zawidow  (Saida 
in  Sachsen),  den  Getreidezehent  in  Briechin  (Bruch?),  den  Wein- 
und  Getreidezehent  in  P  e  t  s  c  h  o  w  (Hochpetsch),  ein  Grundstück 
in  Odolice  (Wodolice  bei  Liebs  chhausen)  und  2  Feldstrecken  in 
Friedbach  (?).  Ueberdiess  schenkte  er  noch  den  dritten  Theil 
des  ganzen  Weinerträgnisses  in  Petschow  als  Beitrag  zu  den  Bau- 
kosten. —  Slawko's  Sohn  Bonus  law  schenkte  dem  Kloster  eine 
Mühle  bei  Hostemic  bei  Doxan  und  den  Getreidezehent  in 
Sirnchow  (Cernochow  im  rak.  Kr.),1)  nebstdem  das  Patronats- 
recht  in  der  entweder  von  seinem  Vater  oder  diesem  zu  Ehren 
erbauten  neuen  Stadt  Slavcowerd  (Schlackenwerth)  und  das  Dorf 
P  a  s  e  n  g  r  ü  n. 

Der  Sohn  des  verstorbenen  Hrabisa  von  Pdesenburg,  Kojata, 
widmete  dem  Stifte  den  Weinzehent  in  Brüx,  —  und  Slawko 
des  Bores  Sohn,  ein  zweiter  Neffe  des  Stifters,  schenkte  hiezu  auch 
den  Zehent  in  Odolic  (bei  Liebschhausen.2)  Später  (um  1230) 
gab  Johann  v.  Riesen  bürg  dem  Kloster  noch  das  Dorf  Nesekow 
(Neschikau  bei  Tepl?)  und  dabei  eine  Zinsung  von  jährlichen  20 
Mark  und  zu  jeder  Mark  eine  Schüttung  von  7  Strich  Getreide. 
Nebstdem  gab  derselbe  das  urkundliche  Versprechen,  zum  künftigen 
Steinbaue3)  soviel  Grundstücke  anweisen  zu  wollen,  als  zu  einem 
Jahreserträgniss  von  30  Mark  erforderlich  sein  würden,  auch  ver- 
sprach er  für  diesen  Fall  die  Beistellung  von  3  hörigen  Fuhrleuten 
und  anderen  3  Lehensleuten  und  so  vielen  Bauern,  als  zum  Baue 
nöthig  sein  möchten.  Ebenso  verpflichtete  er  sich  zur  Abtretung 
eines  Platzes  für  eine  viergängige  Mühle  und  Beischaffung  der  hiezu 
erforderlichen  Steine  und  Hölzer,  überdiess  zu  einem  neuen  Ge- 
schenke von  12  Aeckern  fruchtbaren  Bodens  und  zum  Ankaufe 
des  seinem  Bruder  gehörigen  Dorfes  Saredim  (?)  mit  Fischteichen 


')  Vgl.  Palacky  Archiv.  T.  521.  Cernochow  wurde  nebst  Odolice,  Tynec 
Smolnic,  Smuc  und  Pecenic  als  ossegger  Gut  im  J.  1421  an  einen  ge- 
wissen Wla§ko  verpfändet. 

3)  Vgl.  die  Ottokarische  Bestätigungsurkunde  v.  1207  (Erben  reg.  229  u.  230) > 
welche  wenigstens  eine  constante  Tradition  beurkundet,  wenn  sie  auch 
ihrer  Form  nach  falsch  sein  sollte. 

3)  Demnach  war  das  Kloster  bis  dahin  nur  von  Holz  erbaut. 

21 


322 

und  Waldungen  und  zur  Uiberlassung  einer  für  Anlegung  neuer 
Dörfer  geeigneten  Waldstrecke. ')  Zur  Beleuchtung  der  Kirche  wies 
er  dem  Stifte  4  Zinsmühlen  mit  1  Mark  Zinsung  zu  und  versprach 
überdiess,  so  laug  er  lebe,  nie  aufhören  zu  wollen,  für  das  Kloster 
Sorge  zu  tragen.2)  —  Endlich  schenkte  noch  Bohus  law  von  Riesen- 
burg, Oberstkämmerer  Wenzels  L,  eine  Waldung  in  S  Chemnitz, 
durch  deren  Aushau  im  Jahre  1326  das  Dorf  Schönau  entstand.3) 
—  So  wetteiferten  zunächst  die  Herren  v.  Riesenburg,  dem  neuen 
Kloster  reiche  Besitzungen  zuzuwenden. 

4.  Die  Fürsten  des  Landes  thaten  ein  Gleiches. —  Vor  Allen 
nahm  König  Ottokar  die  neue  Stiftung  in  seinen  Schutz ,  befreite 
sie  von  der  Zahlung  der  sogenannten  allgemeinen  Berna,  bereicherte 
sie  durch  Schenkung  des  landesfürstlichen  Gutes  Hosnice  (bei 
Skrle),  verlieh  dem  Kloster  das  Einkommen  der  9.  Woche  vom 
Zolle  in  Kopie e  (Kopitz),  die  Hälfte  des  Zolles  bei  Ossegg,  für 
das  Stift  selbst  die  Zollfreiheit  an  beiden  Glanzpunkten,  die  Markt- 
freiheit in  Bilin  und  auf  allen  Märkten  der  Biliner  Zupe,  end- 
lich die  unmittelbare  Gerichtsbarkeit  über  die  eigenen  Unter- 
thanen.4) 

König  Wenzel  I.  mit  seinem  Sohne  Premysl  Ottokar  IL  schenk- 
ten auf  Verwendung  des  Abtes  Slawko  dem  Kloster  1250  als  Ersatz  für 
den  im  vorhergegangenen  Bürgerkriege  erlittenen  Schaden  die 
Hälfte  der  Fischer  in  Komoran  (Kommern  bei  Seestadtl)  und 
den  zugehörigen  Teichantheil  daselbst,  Theile  der  Dörfer  Chfelin 
(vielleicht  Strahl  bei  Dux),  Cyrnin  (vielleicht  Cernice  bei  Seestadtl), 
P o  1  u  r a d  (wohl    Polehrad   bei  Postelberg),  Homov   (?),  N o s 1 1  i 


')  Diese  neuen  Dörfer  wurden  alsbald  und  in  gleicher  Weise  angelegt  und 
bevölkert,  wie  diess  bereits  vom  Kloster  Selau  berichtet  wurde.  Deutsche 
Ansiedler  tibernahmen  gegen  fünf-  und  theilweise  zehnjährige  Abgabenfrei- 
heit die  Ausrodung  der  Wälder  und  den  Anbau  des  Bodens.  Solche  Grund- 
überlassungen hiessen  in  der  Rechtssprache  jener  Zeit  „expositiones." 

8)  Urkunde  Erben  reg.  226  und  227. 

3)  Urkunde  d.  28.  Juni  1239  bei  Erben  reg.  449. 

4)  Urkunde  d.  25.  Apr.  1208  Erben  reg.  p.  232 ,  wenigstens  dem  Inhalte 
nach  verlässig.  —  Item  Sartori  Cisterc.  bistert.  1008  und  1009,  wo  diess 
irrig  Premysl  IL  zugeschrieben  wird. 


323 

(wahrscheinlich  Novosedly,  Neudorf'  bei  Ossegg) ')  und  den  Wald 
Drien  bei  Koblitz  in  der  Nähe  von  Leitmeritz.-) 

Pfemysl  Ottokar  IL  schenkte  nach  seinem  Siege  über  die 
Ungarn  dem  Kloster  den  Zeigefinger  des  h.  Johannes,  bestätigte 
alle  Immunitäten  des  Stiftes  und  nahm  es  neuerdings  in  könig- 
lichen Schutz.3) 

König  Johann  incorporirte  dem  Kloster  für  immerwährende 
Zeiten  die  Seelsorge  der  Stadt  Pirna  in  Sachsen  (1317)  in  der 
Art,  dass  fortan  daselbst  ein  beständiger  Vicarius  die  geistlichen 
Angelegenheiten  verwalten  sollte.4)  Derselbe  Fürst  ertheilte  im 
Jahre  1341  dem  Städtchen  (oppidum)  Skyrla  den  Rang  einer 
befestigten  Stadt  (civitas  munita)  und  alle  Rechte  der  übrigen  Städte 
des  Königreichs,  sowie  auch  die  Erlaubniss,  alle  Dienstage  einen 
Wochenmarkt  abhalten  zu  dürfen,  alles  auf  Verlangen  und  Erlaub- 
niss des  Klosters  Ossegg.5) 

König  Karl  schenkte  dem  böhmischen  Cisterzienserorden  und 
somit  auch  Ossegg  im  Jahre  1325  (am  17.  December)  das  Haus 
S.  Bernard  in  Prag,  vordem  Jerusalem  genannt,  sammt  der  dazu 
gehörigen  Capelle  und  allen  Rechten,  wie  einst  der  hochberühmte 
Canonicus  Johannes  Militius  dasselbe  durch  milde  Gaben  erworben 
und  ausgebaut  hatte.6) 

Der  Bischof  Daniel  von  Prag  schenkte  dem  Ordenshause  bei 
Gelegenheit  seines  Besuches  daselbst  im  Jahre  1209  das  Kirchen- 
patronat  zu  Saida  in  Meissen,7)  wo  der  Orden  nachher  auch  den 
zehnten  Theil  des  Zolles  bezog.8) 

5.  Ausser  der  Familie  der  Stifter  und  den  Fürsten  des  Landes 
vermehrten  auch  fromme  Edle  und  selbst  auch  einfache  Insassen 
die  Besitzungen  von    Ossegg.    Alsbald  nach   der   Stiftung   testirte 


')  Urkunde  Erben    578. 

3)  Diese  Besitzung  nebst  einer   Zinsung  in  Drien  und  Kobelic  wurde   1328 
von  König  Johann  bestätigt. 

3)  Höfler  MS.:  Urkunden  des  Königthums  in  Böhmen  N.  135. 

4)  Urkunde  des  Bischofs  Witigo  von  Meissen  dd.  Idibus  Maji  1317. 

5)  Cisterc.  bist.  1010  und  1011. 

6)  Lib.  Erect.  I.  T.  7. 

7)  Erben  reg.  236.  Bestätigt  1280  von  Markgraf  Heinrich  von  Meissen  ,  1300 
von  Bischof  Albert  und  1317  von  Bischof  Witigo  von  Meissen. 

8)  So  in  der  Bestätigung  des  Markgrafen  Heinrich  d.  1280. 

21* 


324 

Skutibor  dem  Convente  die  Dörfer  Zwina  und  Wranow  (bei 
Mies)  mit  der  Beschränkung,  dass  die  hinterbleibende  Witwe  die- 
selben auf  Lebenszeit  noch  benützen  sollte.  Diese  beiden  Orte 
wurden  vom  Kloster  im  J.  1231  ihrer  Entfernung  wegen  an  Kladrau 
verkauft. ')  Jaroslaw  von  ZabruSany  (Sobrusan  bei  Dux)  schenkte  ge- 
meinschaftlich mit  seinem  Vater  den  Wein-  und  Getreidezeh ent  in 
Swinöic  und  ein  Wocheneinkommen  in  Grab i Sin  (Swindschitz, 
Dom.  Ossegg,  GrabiSin  unbekannt).  Derselbe  fügte  später  im  Ein- 
verständnisse mit  seinen  Söhnen  die  Dorfschaften  B  i  d  n  e  (oder 
Bilen?),  Hrnöife  (taborer  oder  kauf.  Kreis?),  einen  Theil  von 
T  e  1  c  e  (das  ein  gewisser  Bohuta  in  Mähren  durch  Tausch  ab- 
getreten hatte),  desgleichen  einen  Theil  von  Bohnice  (tab.  Kr.?) 
und  den  Zehent  des  Wochenmarkteinkommens  in  B  r  ü  x  hinzu.2)  Der 
Brüxer  Bürger  Gereon  schenkte  (c.  1250)  in  ähnlicher  Art  als 
fromme  Stiftung  für  sein  Seelenheil  das  Dorf  Hagenswerth 
(vielleicht  Hagensdorf  im  saazer  Kreise),  das  er  aber  gegen  Erlag 
weiterer  20  Mark  Silbers  auf  Lebenszeit  als  Lehen  des  Klosters 
behielt.3)  Thymo  von  Rysin,  Lehensmann  des  Albert  v.  Seberg  schenkte 
dem  Kloster  im  Jahre  1289  einen  Bezug  an  Wein  von  Bilin, 
und  7o  Mark  Silber  (Zinsung)  von  seinem  Erbgute  in  Wiese 
(Dom.  Dux).  Im  Jahre  1290  widmete  Albert  von  Seberg  dem 
Stifte  sein  GutRezel  (?)  bei  Brüx.4) 

6.  Durch  Kauf  kamen  überdiess  noch  neue  Erwerbungen  hinzu. 
So  erwarb  das  Kloster  1239  das  Dorf  Lubkowice  (Liquitz),5) 
im  Jahre  1282  von  dem  Kloster  Teplitz  die  Orte  Klostergrab 
und  Wernsdorf  für  80  Mark  Silber.  Ebenfalls  im  Jahre  1282 
erhielt  das  Kloster  eine  Mühle  in  Ob  er  nie  nebst  einigem  Gelde 
vom  Pfarrer  Heinrich  in  Luchwitz  (Lubkowitz,  jetzt  Liquitz).  Im 
Jahre  1 290  wurde  eine  Zinsung  zu  R  u  d  e  1  s  d  o  r  f  einem  brüxer  Bür- 
ger und  eine  andere  einem  Herrn  v.  Zedwic  abgekauft.  Hier  er- 
warb das  Kloster  nachher  (1349)  auch  noch  einen  Maierhof  als 
Eigenthum.  Um  1312 — 1315  kaufte  das  Stift  von  den  Brüxer  Mino- 


l)  Urkunde  Erben  reg.  363. 
2j  Erben  reg.  230. 

3)  Urkunde  in  Höflers  Ms. :  Urkunden  des  Königthums  in  Böhmen. 

4)  Notizen  des  Dr.  Sal.  Mayer  aus  dem  Klosterarchiv. 
5J  Urkunde  Erben  reg.   471. 


325 

riten  eine  Zinsung  in  Stf  ibnic  (Strimitz  Dom.  Ossegg)  und  eben- 
daselbst noch  mehrere  andere  von  andern  Besitzern.  Um  1318  erwarb 
es  eine  Zinsung  zu  Radunsfurt  (Rodisfurt).  Im  J.  1322  wurde  erst 
ein  Acker  zu  Prisan  (Prinsen,  Dom.  Ossegg)  und  darauf  das  ganze 
Dorf  Breschan  (Preschen,  D.  Ossegg)  angekauft.  Im  J.  1352 
gelangte  durch  Kauf  das  Gut  Settelin  (Zettel,  Dom.  Dux)  und 
1363  eine  Besitzung  in  Pozilep  in  das  Eigenthum  des  Klosters. ]) 
Vor  1430  erkaufte  man  von  dem  biliner  Bürger  LuStek,  ein  neues 
Gut  in  Noskow  (tabor.  Kreis?).3) 

7.  Als  Besitzungen  unbekannten  Ursprungs  werden  genannt : 
Croywart  (?),  Naposcherad  (Putscherad  bei  Postelberg),  Wisocan 
(Gut  Skrl),  Kfiwatec  oder  Mnichow  (?),  der  Weinzeh ent  in  Mire- 
äowic  (vielleicht  bei  Leitmeritz),  der  Getreidezehent  in  Lubtic 
(Liptitz  bei  Dux).3) 

§.  82.   Fortsetzung. 

1.  Als  Collaturen  des  Stiftes  Ossegg  werden  um  1350  und 
weiterhin  folgende  genannt: 

a.  Das  Dorf  Alt-Össegg  selbst  (in  den  Confirmations- 
büchern  antiquum  claustrum,  das  alte  Kloster  genannt,  vielleicht 
weil  eben  dort  das  erste  hölzerne  Kloster  gestanden  ist,  während  das 
neue  erst  um  1250  durch  die  Freigebigkeit  des  Grafen  Johann  von 
Riesenburg  von  Stein  erbaut  worden  sein  mag.4)  Fortan  blieb  hier 
beständig  eine  Pfarrkirche,  welche  im  J.  1384  einen  halbjährigen 
Kirchenzehent  von  6  prager  Groschen  zu  entrichten  hatte.5)  Ein 
Confirmationsact  betreffs   dieses  Ortes  wird  im  J.  1402    erwähnt.6) 

b.  Racice,  der  jetzige  weitbekannte  Wallfahrtsort  Maria- 
Ratsch,  gehörte  entschieden  schon  zu  den  älteren  Pfarrsitzen  des 
alten  Dekanats  von  Bilin.  Im  J.  1384  steuerte  es  6  böhm.  Gr. 
als    halbjährigen    Kirchenzehent.7)    Confirmationsacte    werden    in 


])  Notizen  des  Dr.  Sales  Mayer. 
8)  Palacky  Archiv  I.  419. 

3)  Vgl.  Palacky,  Archiv  I.  521.  Erben,  reg.  236,  214,  735.  Lib.  confirm. 

4)  Vgl.  §.  81.  n.  1.  b. 

5)  Regist.  decimarum. 

6)  Lib.  Confirm. 

7)  Regist.  decimarum. 


326 

den  Jahren  1362,  1389,  1395,  1412,  1414  und  1419  genannt.1) 
Wohl  damals  schon  war  die  Kirche  in  Racic  der  h.  Jungfrau  Maria 
geweiht  und  erfreute  sich  eines  frommen  Zuspruchs  aus  Nah  und 
Ferne.  Dafür  spricht  der  Umstaud,  dass  nachher  zur  Zeit  Luthers 
eben  in  Raöice  ein  Rest  katholischer  Landleute  sich  -erhielt,  die 
man  mit  dem  Namen  Marienbauern  bezeichnete.2) 

c.  H  r  a  d  i  s  t  e  (Ratsch,  Dom.  Teplitz)  erscheint  ebenfalls  als 
eine  alte  Patronatspfarre  von  Ossegg3),  die  im  Jahre  1384  bereits 
den  im  biliner  Dekanate  nicht  unbeträchtlichen  Zehentbetrag  von 
9  böhmischen  Groschen  entrichtete.4)  Im  Jahre  1412  schenkte 
Zazema,  Lehensmann  daselbst,  dieser  Kirche  einige  Aecker  als 
Umtausch  gegen  einen  herkömmlichen  Zehent  im  Dorfe  Nakle 
(chrud.  Kr.  Dom.  Hefmanmestec).5)  Von  da  ab  scheint  HradiSte 
an  das  Kloster  Teplitz  gelangt  zu  sein,  denn  im  Jahre  1416  übte 
die  dortige  Aebtissin  Sophie  daselbst  das  Collaturrecht  aus.0) 

d.  Libkowice  (das  heutige  Liquitz),  schon  1407  Likwic 
genannt,  erscheint  in  eben  diesem  Jahre  als  eine  Collaturpfarre 
von  Ossegg. T)  Im  Jahre  1384  hatte  selbe  bereits  halbjährig  6 
böhm.  Groschen  als  Kirchenzehent  entrichtet.8) 

e.  Neswetice  (jetzt  unbekannt)  zahlte  1384  ebenfalls  6 
böhmische  Groschen  Zehent  und  wurde  noch  in  den  Jahren  1407 
und  1416  von  Ossegg  aus  mit  Seelsorgern  besetzt.0) 

f.  Wolewcice  (Wolepschitz),  eine  der  reichsten  und  ältesten 
Pfründen  des  saazer  Dekanats,  zahlte  im  Jahre  1384  einen  Zehent 
von  12  Groschen.10)  Damals  und  noch  im  Jahre  1391  übte  daselbst 
die  Aebtissin  von  Teplitz  das  Collaturrecht  aus.  In  den  J.  1406  u.  1417 
aber  erscheint  dagegen  der  Abt  von  Ossegg  als  Pfründenpatron.11) 


')  Lib.  Confirni. 

a)  Sartorii  Cisterc.  bistcrt.  732. 

3)  Lib.  Confirm.  ad  ann.  1391. 

4)  Regist.  decim. 

5)  Lib.  Erect.  IX.  0.  11. 

6)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 

7)  Lib.  Confirm. 

8)  Regist.  decim. 

n)  Regist.  decim.  und  Lib.  Confirm. 
,n)  Regist.  decim. 

")Lib.  Confirm.  Die   Meinung,   dass  dieses  Gut  1333  von.  Ossegg  angekauft 
wurde,  dürfte  somit  irrig  sein. 


327 

g.  Wysocany  ( Wisch  ezahu)  war  1384  mit  einem  Zehent 
von  6  böhm.  Groschen  fatirt. T)  Das  Patronat  gehörte  nur  theil- 
weise  zu  Ossegg.  Im  Jahre  1362  theilt  es  der  Abt  mit  Arnold  von 
Ceharn,  1387  mit  der  Witwe  des  Johann  von  Wsehrd,  1398,  1413 
und  1415  mit  Stephan  von  Wsechlap  auf  Hofenic.2)  Angeblich 
war  Wisocany  im  J.  1343  nebst  Losan  als  Lehen  abgegeben  wor- 
den: demzufolge  dürften  die  genannten  Mitcollatoren  eben  nur 
Lehensleute  Osseggs  gewesen  sein.3) 

h.  Skrle  war  —  wie  bereits  erwähnt  wurde  —  bis  1341 
ein  Städtchen  und  erhielt  im  selben  Jahre  den  Hang  einer  be- 
festigten Stadt.  Die  Pfarrkirche  daselbst  erscheint  in  den  Jahren 
1362  und  1370  als  Collatur  von  Ossegg4)  und  betheiligte  sich  1384 
mit  halbjährigen  5  böhm.  Groschen  am  kirchlichen  Landeszehent.5) 

i.  S watbor  (Cwetbor,  Swatobor,  jetzt  Zw7etbau  bei  Engel- 
haus) wird  in  den  Jahren  1359,  1383,  1391,  1401  und  1414  als 
ossegger  Collaturpfarre  genannt.6)  Dem  Alter  und  Dotationsrange 
nach  war  Swatbor  im  Jahre  1384  das  fünfte  Beneficiuin  des  elbo- 
gener  Dekanats  (nächst  Schlackenwerth ,  Radunsfurt,  Lomnic  und 
Falkenau),  und  zahlte  damals  18  böhmische  Groschen  als  Kirchen- 
zehent.7)     Somit  war  diess  die  reichste  Pfründe  Osseggs. 

%.  Lukawec  (am  wahrscheinlichsten  das  im  Zehentregister 
von  1384  zum  klattauer  Dekanate  gezählte  Pfarrdorf  Lukawice, 
mit  einer  Zehentleistung  von  6  Groschen)  wird  im  Jahre  1386 
ebenfalls  als  Collatur  von  Ossegg  angeführt,8) 

l.  Zu  Saaz  besass  Ossegg  eine  Altaristencollatur  in  einer 
Vorstadtkirche,  deren  im  J.  1400  gedacht  wird.9) 

m.  Der  Collaturrechte  zu  Schlackenwerth,  der  reichsten 


')  Regist.  decim. 

2)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 

3)  Notizen  des  Prof.  Dr.  Sales  Mayer. 

4)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 

5)  Regist.  decimarum. 

6)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 

7)  Regist.  decim. 

8)  Lib.  Confirm. 

9)  Ebendas. 


328 

und  nächst  Sedlec  ältesten  Kirche    des   elbogener  Dekanats, ')  und 
zu  Pirna  und  Saida  wurde  bereits  gedacht.2) 

2.  Bisher  nicht  genannte  Besitzungen  des  ossegger  Klosters 
lassen  sich  aus  den  nachmaligen  Verpfändungen  des  Kaisers  Sig- 
mund sicher  stellen. 

a.  Im  Jahre  1420  verpfändete  Kaiser  Sigmund  eine  auf  dem 
Dorfe  2elcin  bei  Melnik  (damals  dem  Peter  von  Jeöewic  gehörig) 
haftende  Jahreszinsung  des  ossegger  Klosters  an  Johann  von  Ber- 
nikow  —  zugleich  mit  dem  zum  wygehrader  Capitel  gehörigen 
Dorfantheile  von  Zelcin  um  den  Pfandpreis  von  4  Schock  theils 
für  „die  Bewahrung  dieses  Gutes  und  theils  für  geleistete  Dienste1'. 3) 

b.  In  demselben  Jahre  vergab  der  Kaiser  an  Nicolaus  von 
WSebofic  (Schöbritz)  die  ossegger  Dorfschaften  Swincice  und 
Obrynice  um  den  Pfandpreis  von  78  Schock  Groschen.4)  Somit 
hatte  sich  der  ursprüngliche  Besitz  des  Wein-  und  Getreidezehents 
in  ersterem,  und  einer  Mühle  im  zweiten  Dorfe5)  allmälig  zur 
völligen  Grundherrschaft  vergrössert. 

c.  Im  Jahre  1421  vergab  derselbe  Kaiser  viele  (ungenannte) 
Dörfer  und  Zinsungen  an  einen  gewissen  Nicolaus.0) 

d.  Im  selben  Jahre  wurden  die  Dörfer  Odolic  (Wodolitz), 
Tynec  Mnichow  (Teinitz),  Simnutec  (Smuc,  jetzt  Synutz), 
sämmtlich  jetzt  zur  Domäne  Liebschhausen  gehörig,  ferner  D  ö  ö  e  n  i  c  e 
(DeÖany,  jetzt  Jetschan  bei  Tf iblitz),  C e r n o c h o w  und  Smolnic 
(im  rakon.  Kreise)  als  ossegger  Besitzungen  für  800  Schock  Gr. 
an  einen  gewissen  Wlasek  verpfändet,  mit  der  Verpflichtung,  dass 
er  daselbst  100  Pferde  für  den  Kriegsdienst  halte.7) 

e.  Im  Jahre  1436  ging  die  damals  schon  zu  einem  Dorfe 
herabgesunkene  ehemalige  Stadt  Skrle  als  Pfand  an  Hanus 
Honiger  über.8) 

')  Es  wurde  noch  im  J.  1408  ausgeübt.  Lib.  Coniirm. 

*)  Janek  erscheint  noch  1363,  1364,  1368,1406,  1408,  1412,  1418  als  Collatur 

der  Grafen  von  Puesenburg    (Slawik  1363—1368,   Bores  1408—1418)   Lib. 

Confirm.  Klostergrab  (Hrob)  wird  als  Pfarre  noch  nicht  erwähnt. 

3)  Palacky  Archiv  cesky  I.  542. 

4)  Ebend.  I.  453. 
5)Vgl.  §.81. 

c)  Ebend.  I.  491). 

7)  Ebend.  IL  521. 

8)  Palacky  Archiv  öesky. 


329 

3.  Zu  den  umfangreichen  Besitzungen  Osseggs  gesellten  sich 
allmälig  auch  sehr  ausgedehnte  Privilegien. 

a.  Schon  der  König  Ottokar  I.  gab  dem  Kloster  (1203  oder 
1208)  die  Gerichtsbarkeit  (den  sogenannten  Blutbann)  über  Land 
und  Leute  auf  den  erworbenen  Besitzungen,  befreite  es  von  Lan- 
descollecten  und  der  Berna,  desgleichen  vom  Marktzolle  in  Bilin 
und  auf  den  übrigen  Märkten  des  Landes,  und  stellte  es  unter  den 
unmittelbaren  Schutz  des  böhmischen  Thrones. })  Dieselben  Rechte  be- 
stätigte König  Ottokar  IL  um  das  J.  1261.  Er  pries  bei  dieser 
Gelegenheit  die  Demuth,  die  Ordensstrenge,  die  Gastfreundschaft 
und  Nächstenliebe  Osseggs  vor  allen  anderen  Klöstern  und  nannte 
es  wegen  dieser  Vorzüge  um  so  würdiger  der  königlichen  Huld 
und  Freigebigkeit.  Letztere  bethätigte  er  besonders  durch  die 
Schenkung  einer  äusserst  kostbaren  h.  Reliquie, —  des  Zeigefingers 
des  h.  Johannes.2)  Alle  nachfolgenden  Fürsten  bestätigten  immer 
wieder  von  Neuem  die  Freiheiten  des  Stiftes.3) 

Im  Jahre  1330  fügte  König  Johann  zu  den  alten  noch  das 
neue  Recht  hinzu,  in  Prag,  Brüx  und  allen  andern  königlichen 
Städten  des  Landes  Häuser  uud  Höfe  durch  Kauf  oder  Sehen kuug 
ohne  alle  Abgabenbelastung  zu  erwerben.  Von  ihm  rührt  auch 
das  Stadtprivilegium  von  Skrl  her.4)  Johann  hatte  auch  besondere 
Gründe,  die  Brüder  des  Cisterzienserordens  in  jeder  Weise  aus- 
zuzeichnen ;  denn  eben  durch  Vermittlung  der  Aebte  dies  es  Ordens 
hatte  er  die  Krone  Böhmens  erworben.  Ebendesshalb  war  auch 
Carl  IV.  ein  frommer  Gönner  Osseggs.5) 

b.  Auch  von  geistlicher  Seite  her  fehlte  es  nicht  an  Freiheits- 
briefen für  Ossegg.  Schon  im  Jahre  1208  bestätigte  der  grosse 
Papst  Innocenz  III.  die  Besitzungen  des  Klosters  und  empfahl  dem 
Metropoliten  von  Mainz  den  Schutz  und  die  Verteidigung  der 
geistlichen  Brüder  gegen  die  Kühnheit  ihrer  Widersacher.8) 


')  Urkunden  Erben   reg. 

2)  Urkunden  des  Königthums  in  Böhmen,  M.  fc>.  des  Prof.  Dr.  Const.  Höfler. 

3)  Dasu  gehören  zwei  Privilegien  Wenzels  f.,  6  v.  Ottokar  IL,  1  v.  "Wenzel  IL, 

20  v.  Johann,  2  von  Carl  als  Markgrafen  von  Mähren. 

4)  Cisterc.  bistert.  1010. 

5)  Vgl.  §.  81  d. 

6)  Die  Bullen  „Solet  annuere"  und  „Non  absque  dolore"  Vgl.  Cisterc.  bist.  1011. 


330 

Im  Jahre  1230  versicherte  neuerdings  Gregor  IX.  das  Stift 
des  päpstlichen  Schutzes.  Ein  Aehnliches  that  später  Johann  XXIL, 
der  im  7.  Jahre  seines  Pontificats  die  Domdechante  von  Meissen, 
Wysehrad  und  Naumburg  zu  Richtern  und  Schinnvögten  gegen 
geistliche  und  weltliche  Uebergriffe,  das  Kloster  Ossegg  betreffend, 
bestellte.1)  Honorius  III.  schenkte  im  5.  Jahre  seines  Pontificats 
dem  Kloster  Reliquien  der  heiligen  Cosmas,  Sebastian,  Fabian, 
Cyprian  und  der  heiligen  Petronilla,  und  die  üblichen  Ablässe  für 
das  Kirchweihfest  in  Ossegg.2) 

c.  Andere  geistliche  Fürsten  vermehrten  ebenfalls  die  Frei- 
heiten des  ossegger  Stiftes.  Noch  vorhandene  Urkunden  nennen 
nur  den  Bischof  Daniel  von  Prag,  der  im  J.  1209  die  Besitzungen 
Osseggs  zu  Ossegg  selbst  bestätigte3),  und  den  prager  Weihbischof 
Pfibislaw  Sathavonis  (Minorit),  der  im  Jahre  1342  dem  Kloster 
neue  Ablässe  zu  Gunsten  frommer  Wallfahrer  verlieh.4)  Das  Pri- 
vilegium Wenzels  IL  (1287)  nennt  auch  —  freilich  ohne  nähere 
Andeutung  —  die  römischen  Kaiser  vor  ihm  als  Wohlthäter  des 
Stiftes.5) 

§.  83.  Die  Kreuzbrüder  und  Kreuzschwestern  des  h.  Grabes. 

1.  Aus  den  Schaaren  der  Kreuzfahrer  sonderten  sich  wohl 
von  allem  Anfang  her  so  manche  fromme  Ritter  aus,  welche  die 
h.  Stätte  des  Grabes  unseres  Heilands  nie  wieder  verlassen  wollten. 
So  finden  wir  daselbst  nach  dem  zweiten  Kreuzzuge  auch  böhmische 
Edle,  die  sich  Wächter  des  h.  Grabes,  auch  Kreuzbrüder  des  heil. 
Grabes  (Custodes  s.  sejmlcri,  fratres  cruciferorum  dominici  sepulcri) 
nannten.  Sie  lebten  zu  Jerusalem  im  geistlichen  Vereine  und  be- 
trachteten den  jeweiligen  Patriarchen  von  Jerusalem  als  ihren 
höchsten  Obern.  Da  sie  eben  nur  der  Bewachung  des  h.  Grabes 
ihre  Dienste  weihten,  so  nahmen  sie  wohl  keinen  Antheil  an  den 
kriegerischen  Kämpfen  des  Landes :  in  der  That  finden  wir  sie  so- 


')  Ebend.  1012  dd.  III.  Idus  Octob. 
s)dd.  11.  Cal.  Maj:  Ebend. 

3)  Erben  reg.  236. 

4)  Cisterc.  bistert.  1012. 

5)  Urkunden  des  Königthums  in  Böhmen  M.  S.  Dr.  Prof.  Const.  Höfler. 


331 

fort  liiu1  als  Chorherren,  welche  die  Kegel  des  h.  A.ugustin  befolg- 
ten (fratres  cruciferoram  dorn,  sepulcri  Hierosolomitani  oräinis  S. 
Augtistini).  Im  Jahre  1190  erwarb  dieser  geistliche  Verein  auch 
ein  Ordenshaus  in  Prag,  das  hinfort  unter  der  Leitung  eines 
Propstes  stand,  —  offenbar  als  Pflanzschule,  Emeritenhaus  und 
Almosenstätte  für  das  Ordenshaus  und  das  h.  Grab  in  Jerusalem. 
Weiterhin  nahmen  auch  Vereine  frommer  Frauen  die  Regel  und 
den  Namen  dieses  Ordens  an  und  stellten  sich  ebenfalls  unter  die 
geistliche  Leitung  eines  Priors  aus  der  Mitte  der  Kreuzbrüder. 
Das  Ordenszeichen  Aller  war  und  blieb  ein  rothes  Doppelkreuz 
auf  schwarzem  Gewände.1)  Der  Patriarch  zu  Jerusalem  bestellte 
jeweilig  einen  Visitator  der  Ordenshäuser  bald  aus  dem  Regular- 
clerus  des  Landes  bald  aus  den  nachmals  auf  Pfarreien  des  Abend- 
landes zerstreuten  Canonikern  des  Domcapitels  von  Jerusalem.2) 

2.  Die  Gründer  des  ersten  böhmischen  Ordenshauses  der 
Kreuzbrüder  waren  Kojata  von  Brüx  (de  Gnevin  Most}  und 
sein  Bruder  Wsebor,  beide  Söhne  des  Grafen  Hrabisa,  eines 
Ahnen  der  Riesenburger ,  wahrscheinlich  desselben  Hrabisa,  den 
wir  bereits  als  Bruder  Slawko's  des  Gründers  von  Oss egg  kennen 
lernten.  Diese  führten  im  Jahre  1190  die  böhmischen  Kreuz- 
brüder in  die  Kirche  des  hl.  Peter  am  Zderas  zu  Prag  ein,  und 
dotirten  selbe  mit  ausgezeichneter  Freigebigkeit.  Schliesslich  schenkte 
ihnen  Kojata  bei  seinem  Ableben  die  Stadt  Brüx  mit  allem  Zu- 
gehör,  ebenso  die  Orte  Wrutek  (Rudig)  und  Kopist  (im  saazer 
Kreise),  Lipetin  (Lindau  bei  Dux  im  leitm.Kr.),  das  Dorf  Jamnes(im 
pils.  Kr.),  dessgleichen  Tlustowous,  Lemuz,  und  Sestajowic  (im  kauf*. 
Kr.).  Ueberdiess  testirte  Kojata  dem  Orden  einige  Dörfer  in  Mähren,3) 
nur  sollte  seine  Gattin  Wratislawa  den  Nutzgenuss  eines  Theiles 
dieser  Schenkung  auf  Lebenszeit  beziehen.4)    Der  Mitgründer  Wse- 


»)  Vgl.  Tomek  G.  Pr.  8.  25,  490  etc. 

3)  1258  war  es  der  Abt  von  Postelberg  (Dipl.  Zderas),  1326  war  es  Fr.  Ni- 
colaus, Canonicus  der  Kirche  von  Jerusalem,  1334  Fr.  Heinrich,  Pfarrer 
in  Meziric,  Domherr  des  h.  Grabes  und  Chorherr  von  Zderas  (Tomek 
G.  Pr.  I.  490). 

3)  Bedekowice ,  Kojetice,  Turiiiovice .  Ostrasan.  Vgl.  Neplach  108,  Urkunde 
Erben  reg.  332.  Dobn.  mon.  Boh.  IV.  257. 

4)  In  Brüx  sollte  nach  seinem  Testamente  die  S.  Laurenzkirche  in  üpatowic 


332 

bor  folgte  dem  Beispiele  seines  edlen  Bruders ,  indem  er  ebenfalls 
einen  Theil  seiner  Besitzungen  dem  neuen  Orden  überliess. !)  Leider 
ward  diese  Schenkung  alsbald  durch  die  Fürsten  des  Landes  da- 
durch verkürzt,  dass  sie  die  Stadt  und  Burg  Brüx  für  sich  selbst 
in  Anspruch  nahmen.  Dafür  restituirte  nachmals  König  Pfemysl 
Ottokar  IL  unterm  6.  December  1287  auf  Andrängen  des  Papstes 
einige  andere  Güter ,  und  gab  dem  Orden  für  alle  Zeiten  das  Pa- 
tronatsrecht  in  Brüx  zurück.2)  Fortan  verwaltete  immer  ein  Zderaser 
Ordensbruder  die  Seelsorge  in  Brüx,3)  die  so  bedeutend  war,  dass 
sie  im  Jahre  1384  die  grosse  Summe  von  42  Groschen  als  halb- 
jährigen Kirchenzehent  zu  entrichten  hatte.4)  Wrutek  (Rudig), 
im  Jahre  1384  ebenfalls  eine  bedeutende  und  gewiss  sehr  alte 
Pfarrstation  mit  21  Groschen  Kirchenzehent,5)  war  wenigstens  nach 
1400  nicht  mehr  im  Besitze  der  Zderaser;  ausdrücklich  erscheint 
es  im  Jahre  1442  als  Eigen thum  eines  Jakob  v.  Bilin.6)  Schon  im 
Jahft  1412  bestand  hier  bereits  ein  von  der  Gemeinde  mit  Grund- 
stücken dotirter  Vicarius  neben  dem  Pfarrer.7)  Von  Kojatas  Schen- 
kungen war  auch  das  oben  erwähnte  Dorf  Kopist  bei  Brüx  ein 
Pfarrdorf,  das  1384  einen  Kirchenzehent  von  9  Groschen  zu  ent- 
richten hatte.8)  Auch  dieser  Ort  erscheint  um  1400  wieder  in 
anderen  Händen;  in  den  Jahren  1409  und  1417  besass  erweislich 
ein  Wenzel  von  Meflic  daselbst  die  Collatur  und  muthmasslich  auch 
das  Eigenthumsrecht.9) 


bei  Prag  (jetzt  ein  Theil  der  Prager  Neustadt )  den  neuoten  Theil  des 
Marktgeldes  beziehen.  Anderwärts  wies  er  auch  den  Klöstern  zu  Strahow 
und  Sedlec  erhebliche  Schenkungen  an.    Urkunde  Erben  reg.  p.  333. 

])  Dobn.  mon.  Boh.  IV.  259,  Erben  232.  Die  Orte  werden  nicht  genannt. 
Später  (1238)  werden  solche  ausdrücklich  erwähnt,  wie  folgen  wird. 

*)  Hammerschmidt  prodromus  287.  1295  bestätigte  Bonifacius  VIII.  dieses 
Patronatsrecht 

3)  1296  war  Henricus  cruciger  Zderasensis  Pfarrer  daselbst.  1354,  1369, 
1411,  1415,  1419  und  1447  übte  der  Orden  noch  immer  das  Patronatsrecht 
aus.  (Ebend.  u.  lib.  Confirm.) 

4)  Regist.  deeimarum. 

5)  Ebend. 

6)  Lib.  Conf. 

7)  Lib.  Erect.  X.  A.  7. 

8)  Regist.  deeim. 

9)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 


333 

3.  Zu  diesen  ursprünglichen  Besitzungen  kamen  später  noch 
mehrere  andere  im  Umkreise  des  jetzigen  leitmeritzer  Sprengeis. 
Die  noch  übrigen  Theile  vonLipetin  und  Kopist,  das  Dorf  Drach- 
kow  (Drakowa bei Türmitz),  Wenzelsdorf  beiBrüx  undDobro- 
witz  im  bunzl.  Kreise  (?)  kamen  im  J.  1238  durch  Kojatas  Bruder 
WSebor  hinzu.1)  Im  Jahre  1294  wurde  eine  Elb-Mühle  bei  Nim- 
burg  gekauft.2)  In  derselben  Zeit  besassen  die  Zderaser  bereits 
das  Patronat  der  Klosterkirche  in  S  w  e  t  e  c  (Schwatz) ,  deren  wir 
alsbald  weiter  gedenken  werden.  Dazu  kamen  noch  —  namentlich 
durch  die  Freigebigkeit  der  Herren  von  Swabenic  —  mehrere  aus- 
gedehnte Güter  in  Mähren,  Schlesien  und  im  nordöstlichen  Böhmen.3) 
So  wurde  Zderas  eines  der  begütertsten  Klöster  in  Böhmen  und 
übte  in  Folge  dessen  einen  nicht  unbedeutenden  Einfluss  auf  die 
kirchliche  Entwicklung  unseres  Vaterlandes. 

4.  Näher  noch  interessirt  uns  die  einzige  weibliche  Colonie 
desselben  Ordens  in  Böhmen,  das  Kloster  der  Kreuzschwestern 
in  Swetec  (Schwatz  bei  Teplitz).  Diese  Niederlassung  frommer 
Chorfrauen  nach  der  Regel  der  Kreuzbrüder  von  Zderas  wurde  von 
Wratislawa,  der  edlen  Witwe  des  Kojata,  Stifters  von  Zderas,  ge- 
gründet.4) Hier  lebten  sofort  fromme  Töchter  aus  den  edelsten 
Familien   des  Landes    unter    der    unmittelbaren    Regierung    einer 


])  Toraek  G.  Pr.  492.  Ueberdies  noch  Horusan  (kaur.). 
*)  Ebend.  494. 

3)  Genannt  werden :  das  Spital  zu  Aupa  (Neu-Trautenau)  sammt  dessen  Gü- 
tern (Lobec  und  Debrne  und  viele  Zehnten),  die  Dörfer  Zalsi  und  Slaup- 
nitz  (bei  Hohenmaut),  Theile  von  Morawan  und  Detkowic,  einige  Besitzungen 
bei  Potworow  im  pilsner  Kreise  (Potworow,  Sedlec,  Bukowina,  Kremesin) 
und  die  Benützung  der  dortigen  Feste,  die  Stadt  Neweklow,  Bor,  Draho- 
iiowic,  Dobrotic  und  11  andere  Dörfer  bei  Schüttenhofen,  die  Feste  Cho- 
dow,  der  Zehent  von  Sluh  (kaur.  Kr.)  und  Chotetic  (byd.  Kr.),  das  Patro- 
nat zu  Aupa,  Brusnitz,  Bernartic,  Olesna,  Walberic  (kggr.  Kr.),  Mittel-Lhota 
bei  Hohenmaut,  Morawan,  Swabenic,  Adlerkostelec,  Alt-Trautenau,  Meziriö, 
Ruda,  Zruc,  Solnic,  Straz,  Brenn,  Buben,  in  Prag  bei  S.  Michael,  S.  Wenzel 
u.  S.  Lazarus.  Ein  Zweig  des  Ordens  hatte  seinen  Sitz  zu  Neisse  in  Schle- 
sien (1334  von  der  polnischen  Ordenprovinz  getrennt)  mit  den  Propsteien 
Ratibor,  Reichenbach  und  Frankenstein.    Vgl.  Tomek  G.  Pr.  492 — 495. 

4)  Baibin  will  in  den  uralten  Documenten  des  Klosters  Doxan  gelesen  haben: 
Ad  16.  Jan.:  Obiit  Wratislawa  fundatrix  coenobii  Swrtccensis  (antiquit. 
eccl.).    Eine  Jahrszahl  wird  nicht  angeführt.  Falsch  ist  Crugerii  Behauptung, 


334 

Meisterin  (magistra)  und  einer  Priorin  (priorissa). ')  Im  J.  1258 
stand  dieses  Kloster  noch  nicht  unter  der  Obedienz  des  Propstes 
von  Zderas,  obwohl  es  von  diesem  seine  Seelsorger  erhielt.  Es 
scheint  damals  exemt  gewesen  zu  sein,  da  erweislich  im  genannten 
Jahre  der  Papst  Alexander  über  die  Visitation  dieses  Klosters  ver- 
fügte und  selbe  dem  Abte  von  Postelberg  auftrug.3)  Erst  im  J. 
1337  unterstellte  es  König  Johann  durch  ein  Decret  vom  30.  Juni 
dem  zderaser  Ordenshause. :i)  Mittlerweile  war  das  Kloster  im  J. 
1278  nach  dem  Tode  Pfemysl  Ottokars  IL  von  den  Truppen  des 
Kaisers  Rudolph  hart  mitgenommen  worden.4)  Im  J.  1287  hatte  es 
König  Wenzel  IL  unter  seine  besondere  Obhut  gestellt.5)  So  blühte 
es  fort  bis  zum  J.  1421,  wo  es  der  Wuth  der  Llusiten  erlag,  nach- 
mals aber  nothdürftig  wieder  hergestellt  wurde. 

5.  Ueber  die  ehemaligen  Besitzungen  dieses  Klosters  liegen 
uns  keine  älteren  Urkunden  vor.  Muthmasslich  gehörten  ihm  vom 
Anfange  her  alle  jene  Ortschaften,  welche  heute  das  Dominium 
Schwatz  bilden,  zumal  selbe  eben  als  damaliges  Eigenthum  des 
Klosters  im  J.  1580  dem  Erzbischof e  von  Prag  als  Dotationsantheil 
übergeben  wurden, ?)  der  sie  auch  noch  heute  inne  hat.  Ja  die 
Besitzungen  desselben  müssen  vordem  sogar  noch  ausgedehnter 
gewesen  sein.  Namentlich  wird  ein  nicht  weit  von  Swetec  gelegenes 
Pfarrdorf  Zidowice  erwähnt,  das  —  verschieden  von  dem  zu 
Zahras  in  Brüx  gehörigen  Seidowitz  —  in  den  husitischen  Kämpfen 
zerstört  worden  sein  mag.  Dort  übte  erweislich  das  Kloster  Swe- 
tec in  den  Jahren  1359,  1364,  1398,  1401  und  1418  die  Collatur 
des  Pfarrbeneficiums  aus.7)  Die  dortige  Kirche  entrichtete  im  Jahre 


es  sei  ein  Kloster  Crucigerorum  virorum  cum  navicula  sepulcri  Domini 
gewesen.  Eben  so  falsch  wird  sich  Stranskys  Meinung  (IL  92)  erweisen, 
selbes  habe  wohl  anfangs  den  rubeae  crucis  gerulis  gehört,  sei  aber  später 
von  Clarissinen  bewohnt  worden. 

')  Diplom.  Zderas.  cid.  16.  Febr.  1300,  Rohn  antiquit.  eccl. 

8)  Ebend. 

»)  Ebend. 

4)  Contin.  Jaroslai  p.  126. 

5)  Hammerschmidt  prodrom.  284. 

6)  Es  sind  dies  :  Swetec,  Krupa,  Chotejowice,  Hostomnice,  Kniewiöky,  Hud- 
cow,  Aupor,  Pohradice,  Strbice,  Chotowinky,  Lyskowice,  "NVsechlapy,  Aujezd 
öerweny  und  Antheile  von  Radowesice  und  Dobrdice. 

7)  Lib.  Confirm.  ad  h.  a. 


335 

1384  als  eine  der  mittleren  des  biliner  Dekanats  den  halbjährigen 
Zehent  von  6  böhmischen  Groschen.1)  Im  Jahre  1405  am  6.  Nov. 
schenkte  Ctibor  (Tiburtius)  von  Krsin  dem  Kloster  auch  noch  die 
Collatur  der  Pfarrkirche  von  Swetec  selbst,  die  er  später  im  Jahre 
1409  noch  mit  einem  Jahreszehent  von  2  Schock  bedachte.3)  — 
Ueberdies  hatte  das  Kloster  im  Jahre  1388  mit  Erlaubniss  des 
Königs  Wenzel  IV.  eine  Jahreszinsung  von  15  Schock  b.  Groschen 
angekauft.3)  Späterhin  im  Jahre  1471  beklagte  sich  die  Priorin 
von  Swetec,  dass  ihr  Jakob  v.  Wfesowitz,  damals  Herr  v.  Teplitz, 
nicht  weniger  als  9  Dörfer  mit  Zinsungen  und  Wäldern  wider- 
rechtlich entfremdet  habe.4)  Da  das  Kloster  nichts  destoweniger 
fortbestehen  konnte,  so  musste  sein  Besitz  anderweitig  noch  ein 
ziemlich  bedeutender  gewesen  sein. 

§.  84.  Das  Praemonstratenserkloster  Tepl. 

1.  Der  selige  Hroznata  (von  Gutenstein),  ein  Abkömmling  der 
alten  Zupane  von  Melnik5)  (Sohn  des  Sezima  und  der  Dobroslawa), 6) 
reich  begütert  in  zahlreichen  Gauen  Böhmens,  besonders  aber  in 
den  Gegenden  des  damaligen  saazer  und  leitmeritzer  Gebietes,7) 
ein  treuer  Anhänger  des  Königs  Pfemysl  Ottokar  L,  hatte  schon 
im  Jahre  1193  den  Grund  zum  Kloster  Teplä    (Tepl)  gelegt,8)  wo 


1)  Regist.  decim.  Das  andere  2idowice  (Seidowitz)  wurde  damals  zum  saaz. 
Dekanate  gezählt.  (Palacky  dejep.  Beilage.)  Das  Kloster  Swetec  selbst 
zahlte  damals  1  Schock  und  15  Groschen  halbj.    Zehent.    (Regist.  decim.) 

2)  Erect.  VIII.  G.  9,  II.  9. 

3)  Diplomatar.  Zderas. 

4)  Urkunde  Palacky  Archiv.  IV.  263. 

5j  Nach  Baibin.  Mise.  V.  54.  Hroznata  selbst  nennt  sich  „de  primatum  Boe- 
miae  clariori  stemmate  descendens."  Originaltestament  im  Stiftsarchiv,  cit. 
in  Karlik's  Gründung  der  Prämonstratenserabtei  Tepl,  S.  8.  Die  Beweise 
der  Stammverwandtschaft  Hroznata's  mit  dem  spätem  Gutensteinern  führt 
Karlik  ebendaselbst  an. 

6)  Choteschauer  Necrologium,  s.  Karlik  S.  9. 

7)  Diess  beweisen  seine  nachherigen  Schenkungen. 

8)  Baibin.  Seiner  zweiten  Stiftung  Choteschau  wird  später  gedacht  werden. 
Ob  er  kinderloser  Witwer,  oder  aber  jener  Hroznata  war,  der  1186  seine 
Söhne  ("Wilhelm  und  Ullrich)  bereits  ausgestattet  hatte,  lässt  sich  urkund- 
lich nicht  sicher  stellen.  Vgl.  §.  78.  n.  2. 


336 

er  in  frommer  Zurückgezogenheit  und  heiliger  Andacht  das  Ende 
seines  Lebens  zu  erwarten  gedachte.  Im  selben  Jahre  aber  war 
im  fernen  Oriente  der  furchtbarste  Feind  der  Christenheit,  Sultan 
Saladin  von  Aegypten  gestorben,  nachdem  er  zuvor  sein  weites 
Reich  unter  seine  12  Söhne  getheilt  hatte.  Da  erweckten  die  blu- 
tigen Zwistigkeiten  der  Erben  von  Neuem  die  Hoffnung  des  da- 
maligen Papstes  Coelestin  III.  und  dieser  forderte  deshalb  die 
Christenheit  von  Neuem  zu  einer  Kreuzfahrt  auf.  Leider  verzögerte 
sich  trotz  des  eindringlichen  Aufrufs  in  Worms  (6.  Decemb.  1195) 
das  gläubige  Unternehmen  —  in  Deutschland  durch  den  eben  aus- 
gebrochenen sicilischen  Aufstand,  in  Böhmen  durch  die  gefährliche 
Erkrankung  des  Herzog-Bischofs  Heinrich  Bfetislaw,  der  ebenfalls 
das  Kreuz  genommen  hatte.  Erst  die  Sendung  des  Cardinais  Peter 
a  via  lata  in  unser  Vaterland  im  J.  1197  erzielte  —  nebst  der 
Reformation  der  Geistlichkeit  —  den  begeisterten  Aufbruch  vieler 
edlen  Männer  Böhmens  zum  heiligen  Kampfe.  Auch  Hroznata  hiess 
die  Gelegenheit  willkommen,  im  Dienste  des  Gekreuzigten  seine 
ritterliche  Laufbahn  zu  beschliessen  und  nahm  daher  das  Kreuz. 

Zuvor  aber  wollte  er  seine  zeitlichen  Angelegenheiten  ordnen 
und  namentlich  den  Fortbestand  seines  im  Jahre  1196  vollendeten 
Klosters  Tepl ])  sichern.  In  einem  deshalb  verfassten  Testamente3) 
vom  J.  1197  befriedigte  er  daher  seine  nächsten  Anverwandten 
durch  reiche  Legate,  dem  Kloster  aber  schenkte  er  für  alle  Fälle 
den  Ort  Tepl  sammt  Zugehör,  eben  so  auch  alle  seine  übrigen 
ausgedehnten  Besitzungen  für  den  Fall,  dass  er  nicht  mehr  in's 
Vaterland  zurückkehren  möchte.3)  Dann  verliess  er  das  Vaterland 
und  zog  an  der  Spitze  einer  wohlgerüsteten  Schaar  auf  den  Sam- 
melplatz nach  Apulien,  nachdem  ein  früherer  Zug  unter  Conrad 
von  Mainz  bereits  direct  ins  Morgenland  abgegangen  war.4)  Hroz- 
nata wählte  den  südlichen  Zug,  um  zuvor  noch  in  Rom  die  Gnade 


')  Des  Klosters  Chpteschau  wird  damals  nicht  erwähnt;  also  bestand  es  auch 
noch  nicht. 

2)  Erben  reg.  S.  194. 

3)  Vorher  hatte  Hroznata  —  muthmasslich  derselbe —bereits  Bedeutendes  für 
die  Collegiatstifte  Leitmeritz  und  Melnik  und  für  den  Orden  der  Johanniter 
gethan.  Vgl.  die  betreffenden  §§. 

4J  Vgl.  Damberger  IX.  345  etc. 


33*7 

des  li.  Stuhles  für  seine  fromme  Stiftung  zu  erbitten.  Hier  er- 
langte er  in  der  Tliat  am  7.  August  1197,  dass  Coelestin  III.  das 
Kloster  Tepl  bestätigte  und  in  päpstlichen  Schutz  aufnahm,  dem 
Abte  die  Pontificalien  verlieh  und  den  Besuchern  der  Klosterkirche 
einen  Ablass  gewährte. ')  Die  apulische  Expedition  scheiterte  grossen- 
theils  an  dem  plötzlichen  Tode  des  Kaisers  Heinrichs  VI.  in  Mes- 
sina am  28.  September  1197.  Was  noch  nicht  eingeschifft  war, 
zog,  arge  Kämpfe  in  Deutschland  befürchtend,  wieder  in  die  Hei- 
in ath  zurück.  Unter  den  letzteren  war  nun  nothgedrungen  auch 
Hroznata,  Doch  ging  er  zunächst  wieder  nach  Rom,  um  dort  zu 
den  Füssen  des  h.  Vaters  das  vereitelte  Gelübde  der  Kreuzfahrt 
mit  dem  Gelübde  des  Eintritts  in  den  Prämonstratenserorden  zu 
vertauschen.-)  Nach  seiner  Heimkehr  gab  es  namentlich  in  Be- 
ziehung auf  das  mittlerweile  auf  seinen  Gütern  entstandene  Kloster 
Choteschau  Manches  zu  schlichten  und  zu  ordnen.  Dann  nahm  er 
für  immer  das  Kleid  des  h.  Norbert.  Er  lebte  in  Tepl  anfangs 
als  untergeordneter  Bruder,  bald  aber  als  Propst  des  Hauses,  dem 
es  oblag,  die  Piechtsgeschäfte  des  Convents  zu  leiten,  die  Güter 
zu  beaufsichtigen  und  die  Oekonomie  des  Hauses  zu  besorgen.3) 
In  dieser  Eigenschaft  erwirkte  er  persönlich  am  königlichen  Hofe 
im  J.  1213  die  Bestätigung  der  Besitzungen  und  Privilegien  der 
Klöster  Tepl  und  Choteschau,  die  Befreiung  von  den  Zupengerichten 
und  Landescollecten  und  den  ungestörten  Besitz  der  (wahrschein- 
lich von  Hroznata  auf  königlichem  Lehensgrunde  angelegten)  Stadt 
Hroznetin  oder  Lichtenstadt.4)  Auch  ordnete  er  einen  Streit  des 
Stiftes   Tepl  mit   dem   Prager  Bischöfe    bezüglich  mehrerer    dem 


')  Urkunden  Erben  reg.  197  und  198.  »Sie  fallen  dem  Datum  nach  in  die 
Zeit  der  Hinreise,  nicht  der  Rückkehr,  wie  Karlik  S.  23  meint. 

3)  Dass  dies  Gelübde  in  Rom  erfolgte,  erzählen  alle  Legenden.  Unwahr- 
scheinlich aber  ist  es,  dass  er  desshalb  noch  einmal  geflissentlich  aus 
Böhmen  nach  Rom  reiste,  zumal  er  schon  1201  urkundlich  als  Ordens- 
bruder genannt  wird.  (Vgl.  Erben  reg.  205.)  Das  Gelübde  hinderte  ihn  auch 
nicht,  daheim  endgiltig  seine  Angelegenheiten  zu  ordnen. 

3)  Urkunden  in  Erben  reg.  259.  266.  Solche  Pröpste  fanden  sich  —  neben 
dem  Abte  —  namentlich  im  Benedictinerorden.  Die  spätem  Orden  nahmen 
meist  eine  gleiche  Einrichtung  an.  Kachher  hiessen  diese  Pröpste  richtiger 
Provisoren. 

4)  Urkunde  Erben  reg.  255. 

22 


338 

Stifte  durch  Schenkung  zugefallenen  Zehente.1)  In  diesem  Amte 
sollte  er  auch  seinen  Tod  finden.  Auf  einer  Dienstreise  wurde  er 
in  der  Nähe  von  Lichtenstadt  von  etlichen  Feinden  des  Klosters 
gefangen  genommen  und  nach  der  Burg  Kinsberg  bei  Eger  abge- 
führt, um  sofort  für  seine  Auslieferung  ein  ansehnliches  Lösegeld 
zu  erpressen.  Da  war  es  Hroznata  selbst,  der  jede  Auslösung- 
standhaft  von  sich  wies,  um  nicht  durch  Befriedigung  der  unge- 
rechten Forderungen  den  Bestand  seiner  Stiftung  zu  gefährden. 
Er  starb  endlich  in  der  Haft  zu  Kinsberg  nach  grossen  Entbehrun- 
gen und  Leiden  am  14.  Juli  1217.  Sein  Leichnam  fand  nachher 
in  Tepl  ein  würdiges  Grab.  Das  Stift  sowie  auch  die  ganze  Kirche 
Böhmens  verehrten  ihn  fortan  als  einen  Seligen  Gottes.2) 

2.  Tepl  hatte  gleich  von  seinem  Ursprünge  an  sehr  bedeu- 
tende Güter  im  Umkreise  der  jetzigen  leitineritzer  Diöcese.  Hieher 
gehörten : 

a.  eine  Besitzung  in  Leitmeritz  selbst,  die  aber  nicht 
näher  bestimmt  ist,  nebst  einem  Zugehör  in  naher  Nachbarschaft. 
Im  J.  1228  bestätigte  König  Pfemysl  Ottokar  in  einer  eigenen  Ur- 
kunde, dass  er  dem  Stifte  diese  Besitzung  entzogen  habe,  wofür 
er  demselben  das  Dorf  Cramolin  verleihe.'1) 

b.  Die  Dörfer  Bickowice,Klepy,  Owenec  (Pischkowitz, 
Klappay  und  Sobenitz)  in  der  Umgebung  von  Leitmeritz,4)  nebst 
den  dortigen  kleineren  Ortschaften  Nezel,  Ujezdec,  Perna 
(Nessel,  Augezd,  Pirnai)  und  einem  später  erworbenen  Meierhofe 
in  Leitmeritz  selbst  und  mehreren  Weinbergen.  Diese  Besitzungen 
—  ausser  Owenec  und  Klepy  — wurden  im  J.  1233  um  den  Preis  von 
400  M.  Silbers  der  Königin  Constantia  zu  Gunsten  der  Deutschherren 
von  Prag  überlassen,  für  welchen  Betrag  und  zugelegte  200  Mark 
die  Königin  Constantia  für  Tepl  die  Dörfer  Withsin,  Utheri,  OleSowice, 
Leschen,  Pochovo,  Dfevohrisi,  Staresedlo,  Dobrawoda,  Nenicice, 
Hristowo,  Brachomety,  OstrocinundTisovo  abliess,  von  den  Deutsch- 
herren  aber   zu   Gunsten   der  neuen   Kreuzherren  mit  dem  rothen 


»)  Urkunde  Erben  reg.  270,  Karlik  54. 

~)  Baibin  1.  c.  Heber    Böhmens  Burgen  III.  48.  Crugerius,  sac.  pulv.  ad   14. 
Juli.  Karlik,  Köpl  1.  c. 

3)  Erben  reg.  338. 

4)  Urkunde  Erben  reg.  194  und  284. 


339 

Steine  das  Beterspital  in  Prag  nebst  Hlaupetin  und  Zugehör  ent- 
gegen nahm.1)  Von  den  genannten  Ortschaften  erscheint  Bicko- 
wice  fortan  als  Pfarrdorf  und  Conimende  des  deutschen  Ordens. 
Klepy  befand  sich  ebenfalls  nach  dem  13.  Jahrhunderte  nicht  mehr 
im  Besitze  von  Tepl.  Im  Jahre  1336  vergab  es  König  Johann, 
der  es  nebst  Libochowice,  Radowesice,  Lhota  und  Popice  von  der 
Familie  Slewen  (Sliwno)  erkauft  hatte,  an  die  Herren  Zajic  von 
Waldek,3)  seit  welcher  Zeit  die  Burg  zu  Klepy  den  Namen  der 
Hasenburg  erhielt.  Klepy  hatte  damals  schon  eine  sehr  alte  Pfarr- 
kirche, da  selbe  im  Jahre  1384  die  ungewöhnliche  Summe  von  21 
böhmischen  Groschen  als  halbjährigen  Kirchenzehent  entrichtete.3) 
Fortan  waren  die  Herren  von  Hasenburg  die  grössten  Wohlthäter 
dieser  Kirche.4)  —  Auch  Owenec  oder  Sobenice  erscheint  im 
J.  1384  als  Pfarrdorf  mit  einer  Zehentleistung  von  9  böhm.  Gr.5) 
Dieser  Ort  war  im  J.  1284  durch  einen  Gütertausch  in  den  Besitz 
des  Königs  Wenzel  gelangt,  jedoch  mit  Ausnahme  eines  Maierhofs, 
der  dem  Kloster  Tepl  verblieben  war,  bis  auch  diesen  König  Sig- 
mund im  Jahre  1437  an  Heinrich  von  Waldstein  verpfändete.6)  Zu 
Ende  des  14.  Jahrhunderts  gehörte  Sobenic  selbst  den  Herren 
Mespor  von  Sobönic  und  nach  diesen  den  Herren  von  Techlowic 
und  Konojed.7) 

c.  Auch  ein  Ort  Jeswy  im  leitzmeritzer  Bezirke  wird  als 
Besitz  Tepls  genannt.  Es  kann  das  nur  das  jetzige  Neustadt  bei 
Leipa  sein,  das  aber  später  urkundlich  als  Collatur  des  Cisterzien- 
serstiftes  Münchengrätz  erscheint.8)  Die  Art  des  Besitzwechsels 
ist  nicht  zu  ermitteln.  —  Bei  Petersburg  im  saazer  Kreise  erhielt 
das  Kloster  die  Burgen  und  Orte  Psowlky  (Pschoblik)  und  Soseh 
(Sossen).    Endlich   wird    noch  ohne  nähere    Bestimmung   ein  Hof 


')  Urkunde  cid.  6.  Feb.  1233  bei  Erben  reg.  376. 

2)  Weidner  M.  S.:  Tria  memorabilia.  dto.  Kaufurkunde  von  Klepy  in  Rohns  M. 
S.  Antiquitates  eccl.  — 

3)  Regist.  decimarum.  Lib.  Contirm.  ad  1365  etc. 

4)  Paprocky  de  statu  dominorum  p.  74  und  75. 
5j  Regist.  decim. 

f3j  Köpl,  Stift  Choteschau,  9,  13. 

7)  Lib.  Connrm.  ad  1363,  1385,  1416,  1418. 

H)  Siehe  den  betreffenden  §. 

22* 


340 

Neuberg  nebst  Zubehör  an  der  Elbe  als  Schenkung  Hroznatas  ge- 
nannt.1) Mutmasslich  lag  diese  Besitzung  in  der  Nähe  von  Mel- 
nik,  wo  das  Kloster  noch  jetzt  einen  ausgebreiteten  Weinberg 
besitzt. 

3.  Die  anderweitigen  Besitzungen  Tepls  lagen  meist  im  Um- 
kreise des  Stiftes.  Am  wichtigsten  war  hier  das  sandauer  Gebiet 
bis  Plan  und  an  den  Gränzwald,  als  Geschenk  vom  Bischof  Hein- 
rich Bfetislaw.  Hier  entstanden  alsbald  durch  zahlreiche  Exposi- 
tionen eine  Menge  deutscher  Gränzorte.2)  Ausserdem  werden  ge- 
nannt —  im  tepler  Bezirke:  der  Hof  des  Adold,  Babice  (Powitz), 
Beranowo  (Borau) ,  Benin  (Bern) ,  Bezwerow  ( Weserau) ,  Cihana, 
Dökowic  (Schaf hof),  Holowin,  Hostee  (Hursk),  Chutnow,  Jankowice 
(Enkengrün),  Kladruby  habrowe,  Kladruby  (Kladales),  Kramolin 
(Kramling) ,  Kriwce  (Krips),  Martinow,  Milhostinow  (Milestau), 
Mnichow  (Einsiedl),  Mrasowo  (Prosau),  Nezdice  (Nesnitz),  Pekowice 
(Pocken),  Popowice  (Pfaffengrün),  Piajow  (Rojau),  Rankowice,  Sta- 
nowice,  Tepl,  Trepkowice  (Schrikowitz),  Uswice  (Auschowitz),  Wi§- 
kowice,  Wysocany,  Zahrada,  Zadub  (Hohendorf),  Zäwisin  (Habaschin), 
Zluzetin  (Lusading).  Im  Umkreise  von  Krukanice :  Budec  (Wutsch), 
Cernewice  (Scherlowitz) ,  Hwozdan  (Woschana),  Krukanice,  Luky 
(Lischka),  Bernarce,  Pitel  (Pichel),  Roznewice  (Roslowitz),  Stipoklasy 
(Stipokl),  Ujezd,  Uncici  (Hundschütz).  Auch  gehörte  hieher  Lich- 
tenstadt  mit  den  anstossenden  Waldstrecken ,  in  welchen  sofort 
durch  Expositionen  ebenfalls  deutsche  Orte  in  Menge  entstanden; 
so  namentlich  Dittrichsgrün ,  Tiefenbach,  Rinolsgrün,  Wernharts- 
grün,  Voitsgrün,  Ullrichsgrün,  Merklinsgrün,  Kammersgrün,  Oders- 
grün, Heinrichsgrün,  Dippoldsgrün ,  Ruprechtsgrün ,  Spitersgrün, 
Vitikesgrün.  Endlich  in  unbekannter  Gegend  die  Orte  Tirnow, 
Gradsko,  Rochow,  Unil  (v.  König  Wenzel),  Luschemposk,  Neschow, 
Nesjekow,  BraniSow.3) 

§.  85.  Das  Praemonstratenserinnenkloster  Choteschau. 
1.  Graf  Hroznata  hatte  bei   seinem   Abgange   nach    Apulien 


')  Erben  reg.  284. 

3)  Dieses  Gebiet  kam  1242  vom  Kloster  weg,  jedoch  mit  Vorbehalt  bedeu- 
tender Zinsungen. 

3)  Vgl.  Urkunden  Erben  reg.  194,  195,  197,  214,  255,  259,  284,  338,  369, 
376,  392,  426.  Palacky  Archiv  I.  529,  II.  189.  Karlik  S.  34-36. 


341 

zwei  Schwestern  zurückgelassen,  die  noch  unverehelichte  Judith 
und  die  in  Polen  verheirathete  Woyslawa. l)  Der  letzteren  hatte 
er  Choteschau  sammt  allem  Zubehör  auf  Lebenszeit  testirt,  falls 
sie  als  Witwe  in  die  Heimath  zurückkehre  und  keine  zweite  Ehe 
eingehe.  Die  erstere  sollte  von  den  Einkünften  des  tepler  Klosters 
bis  zu  ihrem  Tode  erhalten  werden.2)  Glaublich  war  wohl  der 
Gemahl  der  Woyslawa  während  Hroznatas  Pilgerzuge  gestorben.3) 
Da  mag  sie  nun  ihren  Witwensitz  Choteschau  unter  der  Aegide 
von  Tepl  zu  einem  Klösterlein  umgestaltet  und  auch  ihre  zweite 
Schwester  Judith  nebst  anderen  frommen  Frauen  da  aufgenommen 
haben;4)  Thatsache  ist,  dass  eine  eigentliche  Errichtung  des 
Klosters  Choteschau  nirgends  nachgewiesen  ist.5)  Sie  war  aber 
schon  geschehen,  als  Hroznata  in  die  Heimath  zurückkehrte.  Da 
war  es  nun  seine  Aufgabe,  durch  einige  Abänderungen  seines  ersten 
Testamentes  den  Fortbestand  der  frommen  Frauencolonie  zu  sichern 
und  so  der  eigentliche  Stifter  derselben  zu  werden. 

Die  geistliche  Leitung  des  neuen  Ordenshauses  führte  aller- 
zeit  das  Stift  Tepl  und  zwar  durch  einen  Propst,  der  dahin  nebst 
einigen  anderen  Priestern  exponirt  war.6)  In  Bezug  der  ersten 
wirklichen  Ordensschwestern  wurde  Choteschau  eine  Colonie  von 
Doxam7) 


l)  So  die  Urkd.  Erben  reg.  194.  Köpl,  (Stift  Choteschau)  liess  sich  durch  die 
verschiedene  Schreibweise  verleiten,  4  solche  Schwestern  anzunehmen,  nebst 
obigen  noch  Ida  nnd  Wiceslawa.  Hätte  Hroznata  mehr  Schwestern  gehabt, 
so  hätte  er  sie  gewiss  im  Testamente  erwähnt. 

a)  Dieselbe  Urkunde. 

3)  Nach  Karlik  ist  er  Zupan  zu  Krakau  gewesen. 

4)  Köpl  erzählt  die  Aufnahme  aller  von  ihm  angenommenen  4  Schwestern. 

5)  Die  Meinung,  Hroznata  selbst  habe  es  errichtet,  ist  jedenfalls  irrig.  Er 
errichtete  es  nicht  vor  seiner  Abreise,  diess  beweist  sein  Testament;  er 
errichtete  es  aber  auch  nicht  nach  seiner  Heimkehr,  weil  ihn  diess  seinem 
ersten  Testamente  untreu  gemacht  hätte.  Dagegen  konnte  und  musste  er 
sich  einer  bereits  fertigen  Thatsache  fügen.  Uebrigens  steht  der  Fall,  dass 
Frauenklöster  unter  der  Obhut  eines  Männerklosters  ohne  eigentliche  Er- 
richtung entstehen,  gar  nicht  vereinzelt  da;  er  war  fast  die  Kegel. 

G)  Baibin  meint,  Hroznata  selbst  sei  der  erste  Propst  gewesen,  —  irrig,  wie 

bereits  bei  Tepl  nachgewiesen  wird. 
7)  Köpl,  Stift  Choteschau. 


342 

2.  Chotöschau  erhielt  schon  vom  seligen  Hroznata  einige  Be- 
sitzungen in  der  Gegend  von  Leitmeritz,  die  nachmals  sich  noch 
beträchtlich  vermehrten. 

a.  Hier  wird  zunächst  wieder  das  Dorf  Owenec  erwähnt, 
dessen  wir  bereits  bei  Tepl  gedachten;  wahrscheinlich  gehörte  es 
längere  Zeit  beiden  Klöstern  gemeinsam.  Dazu  schenkte  nachmals 
im  Jahre  1271  König  Pfemysl  Ottokar  IL  das  Dorf  Hru§owany 
(jetzt  Expositur  von  Gastorf)  —  damals  schon  mit  Einschluss  der 
Collatur  über  die  dortige  Kapelle  des  h.  Gotthart, ')  die  sonach 
eines  der  ältesten  Gotteshäuser  der  Gegend  war ;  ausserdem  noch 
die  Dörfer  Prachowa  mit  einer  Kirche  des  h.  Nicolaus,  Trnowa, 
Wrutice,  Zwafenice  und  Lutochowice  (Prachowa,  Terno- 
wey,  Webrutz,  Schwarzenitz ,  säinmtlich  zur  Domaine  Enzowan  ge- 
hörig, und  vielleicht  Lukowitz).  Von  diesen  blieb  Hrusowany 
der  Sitz  des  geistlichen  Administrators  der  umliegenden  Besitzun- 
gen, sowie  eines  Pfarrers,  der  aus  dem  tepler  Kloster  dahin  ge- 
geben ward;2)  auch  bestand  daselbst  ein  Herrschaftshaus,  in  wel- 
chem zu  Zeiten  die  Aebtissin  von  Choteschau  mit  einigen  geist- 
lichen Schwestern  Einkehr  nahm.3)  So  entstand  nachmals  die 
irrige  Tradition ,  dass  zu  Hruschowan  in  alter  Zeit  ein  Frauen- 
kloster  bestanden  habe,  das  die  Husiten  zerstört  hätten.  Im  J. 
1384  entrichtete  die  Pfarrkirche  zu  Hruschowan,  als  eine  der 
ältesten  im  weiten  Umkreise,  einen  Halbjahrszehent  von  24  bölim- 
Groschen.4)  Auch  Prachowa  —  jetzt  nur  noch  eine  mit  Wein- 
reben und  Obstbäumen  bepflanzte  Anhöhe  mit  einer  Kapelle  des 
h.  Wenzel,  !/4  Stunde  von  Hruschowan5)  —  war  urkundlich,  wie 
auch  jetzt  noch  die  Sage  erzählt,  ein  Pfarrort  und  blieb  als  solcher 
ebenso  wie  Hruschowan  bis  zur  Husitenzeit  unter  der  Collatur  von 


')  Köpl  S.  11.  Bestätigungsurkunde  Gregors  X.  dd.  23.  Mai  1272  in  Palacky 

Archiv  IV.  34. 
8)  Als  solcher  wird  1312  ein  P.  Jacob  genannt.  Köpl  S.  14. 

3)  Vgl.  Kl.  S.  Georg  und  das  Dorf  Chorusice.  Im  J.  1543  machte  die  kön. 
Kammer  die  weite  Entfernung  als  angebliche  Gelegenheit  eines  die  Sitten 
der  Klosterfrauen  gefährdenden  Ausflugs  und  als  Ursache  häuslichen  Un- 
friedens geltend  und  zwang  desshalb  das  Kloster  Choteschau  zum  Verkaufe 
des  Gutes  Enzowan  und  Hruschowan.  (Köpl  3.  38.) 

4)  Regist.  decim. 

5)  Die  Ortschaft  wurde  in  der  Husitenzeit  zerstört. 


343 

Choteschau. ')  Im  J.  1384  zahlte  Prachowa  nur  6  böhm.  Groschen 
zum  allgemeinen  halbjährigen  Kirchenzehent. 

b.  Später  kaufte  das  Kloster  Choteschau  noch  einige  weitere 
Ortschaften  in  derselben  Gegend,  und  zwar  vor  Allen  im  J.  1335 
Encowany,  angeblich  soviel  als  Vinicowany  d.  i.  Weinanpflan- 
zung, hinfür  die  Schutzburg  der  umliegenden  Güter,  woselbst  das 
Kloster  einen  wehrhaften  Lehensmann  unterhielt.  Im  J.  1337  kam 
dazu,  ebenfalls  durch  Kauf, das  nahe  Dorf  Kothol ice  (Kautlitz).8) 
Im  Jahre  1437  werden  noch  als  Besitzungen  von  Choteschau  einige 
andere  vielleicht  seither  neuangelegte  oder  zugekaufte  Orte  genannt 
und  zwar  Sedlec  (Selz),  Lhota  (Welhota),  Hlupice  (Luppitz) 
und  Hribojedy  (?).  Diesse  letztern  wurden  damals  nebst  dem  Hofe 
in  Sobenic  und  vielen  anderweitigen  geistlichen  Besitzungen  der 
Gegend  (des  Capitels  Leitmeritz,  des  deutschen  Ordens  und  des 
Kl.  S.  Georg)  von  Kaiser  Sigismund  um  500  Schock  b.  Gr.  an 
Heinrich  von  Waldstein  verpfändet.3)  — 

3.  Als  anderweitige  Besitzungen  des  Klosters  Choteschau 
werden  in  jener  Zeit  genannt :  Mantow,  Wsuse  mit  der  Waldstrecke 
RozkoSin,  Pretino,  Swichow,  Jucharec,  Holysowo,  Hridowice,  Stod 
(Staab),  Lysowo,  Witowo,  Zaluzy,  Kotowici,  Disina,  Hrast,  Sedlece  bei 
Choteschau,  Tynec  (Teinitzl),  Aujezdec  (Steinaujezdec),  Lyen,  halb 
Oypernitz,  Geznowe,  Nyfany,  Hofekowice,  Turnow,  Cernotin,  Wra- 
bina,  ein  Theil  von  Kosetic,  Lelow,  Streue,  Lazan,  PfeySow,  Bra- 
welnö,  Welkanowo,  Zamilic,  Lesina,  Sekifana,  Rothaujezd,  Zboch, 
Luho,  Mlinec,  Wsahlaw,  Lubakowice,  Wodokrt,  Dudlebec,  Malic, 
Dolan,  Popowic,  Aucowa,  Stankow,  Dobran,  Podole,  Tuskow,  Wa- 
tow,  Marktgeldantheile  von  Pilsen,  Mies  und  Taus.4) 

§.  86.  Die  meissnischen  Bischöfe  des  11.  und  12.  Jahrhunderts. 

Wir  können  diesen  Abschnitt  nicht  schliessen,  ohne  noch  der 
nächstbenachbarten  Kirchenfürsten  zu  Meissen  zu  gedenken,  deren 


l)  Letzte  Präsentation  für  Hruschowan  1408  durch  Propst   Sulek  (Lib.   Con- 

firm.  ad  h.  a.)  Letzte  Präsentation  für  Prachowa  1398  (ebend.). 
*)  Köpl  S.  16. 

3)  Palacky  Archiv  I.  505. 

4)  Vgl.    Köpl  4  etc.   Erben  reg.  251,  410,  419,  435,  505,   564,   584;   Palacky 
Archiv  II.  469,  199,  451. 


344 

Sprengel  —  wie  bereits  erwähnt  wurde  —  auch  den  nördlichsten 
Theil  unseres  Vaterlandes  umfasste. 

1.  Hier  haben  wir  zuletzt  den  h.  Benno  genannt  als  den 
hochverdienten  Mann,  der  die  letzte  Hand  an  die  Bekehrung  seiner 
äussersten  Gränzgaue  legte.  Wir  müssen  seiner  an  dieser  Stelle 
noch  einmal  als  treuen  Anhängers  Gregors  VII.  im  traurigen  In- 
vestiturkampfe gedenken. 

Benno  durfte  sich  in  früheren  Jahren  der  Gunst  Heinrichs  IV. 
rühmen:  Beweis  derselben  waren  einige  bedeutende  Schenkungen 
dieses  Kaisers  an  die  meissner  Kirche.1)  Als  aber  angeblich  der 
h.  Bischof  und  seine  Verwandten  unterlassen  hatten,  dem  Kaiser 
Hilfe  gegen  die  Sachsen  zu  leisten  (1075),3)  wurde  er  nebst  einigen 
andern  Bischöfen  des  nördlichen  Deutschlands  gefangen  gesetzt. 
Zwar  erhielt  er  schon  im  folgenden  Jahre  seine  Freiheit  wieder; 
aber  nun  suchten  die  kaiserlichen  Vögte  eine  Ehre  darin,  den  hei- 
ligen Mann  in  jeder  Weise  zu  kränken.  Diess  ward  nicht  besser,  als 
der  Kaiser  nach  des  Markgrafen  Dedo  Tode3)  die  Marken  Meissen 
und  Lausitz  seinem  treuen  Freunde  Wratislaw  von  Böhmen  schenkte 
(1076),  der  aber  das  neue  Land  erst  erobern  musste.  Schon 
die  gewaltsame  Besitznahme  des  Landes  musste  dem  fried- 
liebenden Bischöfe  Verlegenheiten  bereiten.  Als  aber  auch  noch 
der  unglückselige  Streit  Heinrich's  und  Wratislaw's  mit  Gre- 
gor VII.  entbrannte,  und  zuletzt  beide  Fürsten  in  die  Excommuni- 
cation  verfielen,  musste  Benno  als  treuer  Anhänger  des  Papstes 
sein  Heil  ausser  Landes  suchen.  Er  eilte  nach  Rom.  Indess  setzte 
man  an  seine  Stelle  in  Meissen  schismatische  Bischöfe  ein,  erst 
einen  gewissen  Theodorich,  der  aber  bald  mit  Tode  abging,  und 
nach  diesem  einen  gewissen  Felix.  Erst  im  J.  1088  gelang  es 
Benno,  den  König  Wratislaw  für  den  rechtmässigen  Papst  wieder- 
zugewinnen, worauf  er  selbst  in  sein  Bistimm  zurückkehren  konnte. 


')  Diese  Schenkungen  (Borelitz  und  Rothiboresdorf)  fallen  in  die  Jahre  1071 
und  1074.     (Calles  series  episc.  Misn.  p.  79  etc.) 

8)  Nach  Lambertus  p.  225  hielt  Benno  überhaupt  keire  bewaffnete  Mann- 
schaft.   Vgl.  Ritter,  meissn.  Gesch.  191. 

*)  Nach  Ritters  meissn.  Gesch.  p.  183  und  ff.  war  Dedo  nur  Verweser  der 
meissnischen  Mark  für  den  jungen  Egbert.  Dedo's  eigene  Mark  sei  die 
Ostmark  (Lausitz)  gewesen. 


345 

Hier  widmete  er  die  letzten  Jahre  seines  Lebens  der  Vollendung 
des  grossen  Bekehrungwerkes  im  Norden  und  Osten  seiner  Diöcese. ') 
Er  starb  am  16.  Juni  1106  im  90.  Jahre  seines  Alters  nach  vierzig- 
jähriger Verwaltung  des  bischöflichen  Amtes  im  allgemeinen  Rufe 
der  Heiligkeit.2)  Schon  sein  Wirken  im  apostolischen  Predigtamte 
hatte  Gott  durch  Wunder  verherrlicht:3)  noch  mehr  geschah  diess 
mit  ihm  im  Grabe.  In  Folge  dessen  ward  sein  heiliger  Leib  im 
Jahre  1270  feierlich  erhoben  und  in  der  Mitte  des  Meissner  Doms 
in  einer  Tumba  beigesetzt.  Im  Jahre  1523  erfolgte  endlich  seine 
Heiligsprechung  durch  Papst  Hadrian  VI.  und  zwar  auf  die  ge- 
meinschaftlichen Bitten  Carls  V.,  Ferdinands  L,  Georgs  von  Sachsen 
und  der  Bischöfe  des  deutschen  Reichs.4) 

Aus  der  Zeit  des  h.  Benno  rührt  eine  bedeutende  Klosterstif- 
tung an  den  Gränzen  des  meissner  Bisthums  her,  die  sowohl  durch 
ihren  Gründer  als  durch  die  verwendeten  Mittel  einiges  Interesse 
auch  für  Böhmen  hat.  Es  ist  das  Benedictinerstift  Pegau,  im  J. 
1092  von  Wiprecht  Groitsch  mit  Hilfe  seines  königlichen  Schwie- 
gervaters Wratislaw  von  Böhmen  erbaut.5)  Derselbe  Wiprecht  grün- 
dete auch  im  J.  1105  das  Kloster  Luczke  in  der  Diöcese  Merse- 
burg, und  im  J.  1110  das  Kloster  Reinerdorf  an  der  Unstrutt  als 
Colonie  von  Pegau.  Endlich  nahm  er  in  Pegau  selbst  das  Ordens- 
kleid und  starb  daselbst  am  22.  April  1124/) 

2.  Bennos  Nachfolg  er  war  Hartwig  (Herwig),  welcher  am  30. 
Mai  1108  zu  Merseburg  die  Investitur  von  Kaiser  Heinrich  V.  er- 
langte.7) Er  verewigte  seinen  Namen  durch  die  Gründung  eines 
Collegiatstifts   in  der  seinem  bischöflichen   Stuhle  gehörigen   Stadt 


')  Dessen  ward  bereits  §.   21.  Nr.  3  ausführlich    gedacht.     Vgl.  Damberger 

VII.  520. 
a)  Calles  series  episc.  Misn.  87  etc.  Palacky  I.  321.  Ritter  meissn.  Gesch.  216. 

3)  Solche  leben  heute  noch  im  Munde  des  Volkes  um  Meissen  fort.  So  er- 
zählen sich  die  protestantischen  Bewohner  daselbst,  die  Frösche  eines 
Teiches  gegenüber  von  Meissen  seien  bis  heute  noch  stumm ,  da  ihnen 
S.  Benno  einst  bei    einer  dort   abgehaltenen  Predigt  das  Schreien  verbot* 

4)  Vita  S.  Bennonis  bei  Menken  II. 

5j  Fund,  coenobii  Bigaug.    Script.  Lusat.  ed.  Hoffmann  IV.    121.    Vita  Vi- 

perti  Groic.  I.  17.  ed.  Hofmann. 
G)  Fund.  coen.  Bigaug  121,  122,  124. 
7)  Damberger  synchr.  G.  VII.  569. 


346 

Würzen,1)  welche  fortan  eine  gewöhnliche  Residenz  seiner  Nach- 
folger wurde,  die  zu  Meissen  ziemlich  ungern  sowohl  die  Mark- 
ais die  Burggrafen  als  Rivalen  ihres  Ansehens  neben  sich  sahen. 
In  seiner  Zeit  veranstalteten  die  norddeutschen  Bischöfe  einen 
Kreuzzug  gegen  die  heidnischen  Nordslaven,  welche  bei  ihren  oft 
wiederholten  feindlichen  Einfällen  die  Christen  mordeten  und  die 
Kirchen  zerstörten :  der  diessfällige  Aufruf  an  die  Christenheit 
trägt  auch  Hartwigs  Namen  an  der  Spitze.2)  Er  starb  am  27.  Juni 
1118.3) 

3.  Als  Nachfolger  wurde  Grambert  gewählt  und  vom  Magde- 
burger Metropoliten  geweiht  im  J.  1 1 1 9.  Er  erlebte  die  Beendigung  des 
langwierigen  Investiturstreites  im  J.  1122.  Auch  gründete  Kaiser 
Lothar  im  J.  1125  das  Benedictinerkloster  S.  Johann  in  Chem- 
nitz, von  welchem  nachmals  die  Filiale  Neukersdorf  in  der  Mer- 
seburger Diöcese  ausging.4)  Zu  gleicher  Zeit  entstand  auch  das  Kloster 
Lauterberg  (inons  serenus)  bei  Halle  durch  die  Frömmigkeit  des 
Grafen  Dedo,  des  Schwiegersohns  Wiprechts  von  Groitsch.5)  Bischof 
Grambert  starb  bereits  am  31.  Mai  1129.6) 

4.  Der  neue  Bischof  Gottbold  war  ein  inniger  Freund  des 
heiligen  Erzbischofs  Norbert  zu  Magdeburg  und  somit  wohl  auch 
selbst  dem  heiligen  Freunde  nicht  unähnlich.  Er  benützte  die  neue 
Zeit  des  Friedens,  um  Hand  an  die  Reformation  seines  Clerus  zu 
legen.  Zu  diesem  Zwecke  hielt  er  eine  „Generalsynode"  zu  Meissen 
im  J.  1129.  Doch  soll  damals  der  Erfolg  ein  geringer  gewesen  sein. 
Zu  seiner  Zeit  gründete  Heinrich,  der  Sohn  Wiprechts  v.  Groitsch, 
das  Kloster  Bürgein  bei  Naumberg.7)  Auch  verlegte  damals  Bi- 
schof Udo  von  Naumburg  das  vom  Pleissner  Burggrafen  Bruno 
1132  gestiftete  Cisterzienser-Kloster  Schmollen  im   Altenburgischen 


')  Calles  p.  111. 

a)  Ebendaselbst  10Ü— 110. 

3)  Ebendaselbst  112. 

4)  Monach.  Pirnens.  bei  Menken  II.  1572.  Mantissa  hist.  com.  Leisnic,  Men- 
ken  II.  1108. 

5)  Ritter  meissn.  Gesch.  238. 

6)  Calles  116,  117. 

7)  Calles  118  etc. 


347 

wegen   häufiger    Beunruhigungen   durch    die  benachbarten   Slawen 
nach  Pforta. ')  Gottbold  starb  am  31.  August  1140.2) 

5.  In  der  bischöfl.  Würde  zu  Meissen  folgten  nun  schnell  nach- 
einander Rein  wart,  Propst  zu  Meissen  (f  24.  Juli  1146),  Berthold 
(f  10. Juli  1149)  und  Albert  (fll51).3)  Von  Reinwart  ist  nur  be- 
kannt, dass  er  mit  dem  Markgrafen  Conrad  «in  Streit  wegen  eini- 
ger bischöflicher  Güter  bei  Budisin  gerieth,  die  dieser  an  sich  ge- 
zogen hatte.  Diesen  Streit  schlichtete  Kaiser  Conrad  im  J.  1144 
durch  einen  Vergleich  zu  Merseburg.4)  Von  Berthold  wissen  wir 
nur  den  Todestag.  Albert  starb  als  Gesandter  des  Kaisers  auf  einer 
Reise  nach  Griechenland.5) 

6.  Allmälig  wird  es  immer  lichter  in  der  Geschiche  der  Bi- 
schöfe Meissens.  Der  18.  derselben  und  Nachfolger  Alberts  war 
Gerung,  ehedem  Abt  des  Benedictinerklosters  Bosau.  Bekanntals 
überaus  fromm  und  verehrungswerth ,  bestieg  er  im  J.  1154  dem 
Wunsche  des  gesanimten  Clerus  gemäss  den  bischöflichen  Stuhl.6)  Auf 
sein  und  des  magdeburger  Erzbischofs  Wigmanns  Anrathen  vollen- 
dete 1055  der  meissnische  Markgraf  Conrad  das  Kloster  Lauter- 
berg bei  Halle,7)  wo  er  im  nächsten  Jahre  selbst  das  Ordens- 
kleid nahm  und  schon  nach  2  Monaten  daselbst  starb.8)  Ebenso  er- 
baute 1162  Conrads  Sohn  Otto  der  Reiche  das  Cisterzienserkloster 
Altenzelle  und  führte  daselbst  eine  Colonie  des  Klosters  Pforta 
bei  Naumburg  ein.  Auf  dem  Grunde  des  Klosters  Altenzelle  erhob 
sich  schon  nach  6  Jahren  an  der  Stelle  des  bisherigen  Dorfes 
Christiansdorf  die  neue  Bergstadt  Freiberg,  welche  das  Kloster  so- 
fort wieder  gegen  das  Städtchen  Rosswein  an  seinen  Stifter  Otto 
vertauschte.9) 


»j  Ritter  248,  394  etc. 

8)  Calles  119.  Mantissa  bist,  com.  Leisn.  Vita  Viperti.    (Menken  I.  u.  III.) 

3)  Calles  121  —  126. 

4)  Ritter  250. 

5)  Calles  124—126. 

6)  Cum  votivo  totius  cleri  assensu.  Chron.  Citicense.  —  Ritter,  meissn.  G. 
p.  213. 

7)  „Mons  serenus"  Lauterberg,  später  Petersberg,  war  ein  Prämonstratenser- 
stift;  daneben  bestand  ein  Stift  der  Benedictinerinnen  S.  Johannis  bapt., 
das  1218  nach  Gerbstadt  übertragen  wurde.  (Monacli.  Pirn.  1591.) 

8)  Fabric.  cit.  Calles  129. 

°)  Annales  Veterocell.  ed.  Menken.  Ritter  386  etc. 


348 

Es  wurde  schon  erwähnt,  dass  dieses  Stift  bedeutende  Be- 
sitzungen in  der  Nähe  von  Leitmeritz  besass. ') 

Derselbe  Otto  stiftete  auch  die  Propstei  Kloster -Au  bei 
Leissnig  als  Colonie  des  Klosters  S.  Mauritz  bei  Naumburg.2) 
Bischof  Gerung  erwarb  vom  böhmischen  Könige  Wladislaw  neuer- 
dings die  Besitzung  Prisnitz  (bei  Dresden)  und  erbaute  die  bi- 
schöfliche Burg  Mügeln.  So  lange  er  lebte,  zeigte  er  sich  als  vor- 
züglichen Wohlthäter  des  Stiftes  Lauterberg:  dafür  fand  er  dort 
nach  seinem  Tode  (20.  November  1170)  sein  Grab.3) 

7.  Ihm  folgte  ein  Regularcanoniker  von  Lauterberg,  Martin,  auf 
dem  bischöfl.  Stuhle  nach,  ein  Mann  des  Friedens,  von  dem  aus- 
drücklich gerühmt  wird,  dass  er  mit  den  Fürsten  und  seiner 
Priesterschaft  stets  in  Eintracht  lebte.4)  Unter  ihm  erbaute  Mark- 
graf Dietrich  das  Kloster  S.  Thomas  in  Leipzig  für  Regularca- 
noniker  (1161),  ebenso  das  Kloster  und  die  Stadt  Schiida  (bei 
Eulenburg),  und  (1184)  noch  als  Mutterhaus  für  die  Missionen  un- 
ter den  Wenden  das  Cisterzienserkloster  Dobrilug  in  der  Lausitz, 
letzteres  aber  gemeinschaftlich  mit  seinem  Bruder,  dem  Markgrafen 
Otto.5)  Zur  selben  Zeit  entstand  auch  das  Cisterzienser-Kloster 
Bucha  im  Osterland  durch  den  Burggrafen  Heinrich  v.  Leisnig0) 
und  das  Frauenkloster  Brene  bei  Halle  durch  die  Grafen  Otto 
und  Friedrich  von  Brene  (1181).7)  Damals  führte  auch  Graf  Dedo 
von  Rochlitz  die  Regularcanoniker  in  sein  (1184)  neuerbautes  Klo- 
sterTschille  ein.8)  Bischof  Martin  selbst  zeigte  sich  wieder  als  be- 


')  Vgl.  §.  69. 

3)  Annal.  Veterocell.  388  (ed.  Menken).  —  Monach.  Pirn.  1457  ebend. 

3)  Calles  129,  133,  134. 

4)  Calles  137. 

5)  Monach.  Pirn.  ed.  Menken  p.  1461.  Hist.  com.  Leisnic.  ed.  Menken  III. 
1028.  —  Calles  144  u.  145.  Dieses  Kloster  war  in  der  Niederlausitz  reich 
begütert.  1431  wurde  es  von  den  Husiten  zerstört,  sein  Besitz  1540  von 
Ferdinand  I.  säcularisirt.  (Grossem  III.  37.) 

G)  Vallis  S.  Aegidii  oder  Ilgenthal,  Kolonie  von  Sittichenbach  im  Mansfeld- 
schen.  Thammii  chron.  Coldic.  678. 

7)  Annal.  Veterocell.  p.  399. 

8)  Annal.  Veterocell.  p.  396.  Es  war  eine  Colonie  von  Lauterberg.  Später  er- 
hielt es  den  Namen  Wechselburg.  (Petri  Albini  geneal.  Leisnic.  ed.  Men- 
ken ni.  923.) 


349 

sondern  Wohlthäter  des  Klosters  Gottes gnad  (Gratia  Dei)  bei 
Magdeburg.1)  Im  Jahre  1179  befand  er  sich  in  Rom  bei  der  da- 
maligen ökumenischen  Synode  im  Lateran.3)  Im  Jahre  1188  nahm 
er  mit  Kaiser  Friedrich  Barbarossa  das  Kreuz  und  fand  auf  dem 
Zuge  gleich  dem  Kaiser  den  Tod  (1190).3) 

8.  Nach  ihm  wurde  der  bisherige  Propst  von  Meissen  zum 
Bischöfe  gewählt  als  Theodorich  11.(1191).  Er  wird  als  ein  vor- 
züglicher Beförderer  des  Klosters  S.  Afra  in  Meissen  gerühmt,  wo 
er  eine  Erziehungsanstalt  für  12  Knaben  einrichtete  —  die  ersten 
Anfänge  der  künftigen  Fürstenschule.  Auf  seine  Anordnung  ward 
das  Fest  des  h.  Augustinus  in  der  meissner  Diöcese  alljährlich 
feierlich  begangen.4)  Er  starb  am  30.  August  1207.5)  — 

§.  87.   Fortsetzung.   Bischof  Bruno  II.  und  das  neue  Collegiatstift 

zu  Budisin. 

1.  Nach  Theodorich  IL  Tode  konnte  sich  das  Meissner  Ca- 
pitel  ein  ganzes  Jahr  lang  über  die  Person  des  Nachfolgers  nicht 
einigen.  Endlich  wählte  man  den  bisherigen  Propst  zu  Meissen  un- 
ter dem  Namen  Bruno  IL  Er  soll  ein  Graf  von  Baruth  und 
reich  begütert  gewesen  sein.6)  Nächst  dem  heil.  Benno  wurde 
Bruno  IL  für  unser  böhm.  Niederland  der  unvergesslichste  Ober- 
hirt. Obgleich  er  im  J.  1209  den  bischöflichen  Stuhl  bestieg  und 
erst  1229  aus  dem  Leben  schied:  so  schliesst  doch  erst  sein  Wir- 
ken das  Aufsteigen  unseres  Vaterlandes  in  die  goldene  Zeit  voll- 
ständig ab. 

Er  stiftete  nämlich  1213  aus  seinen  eigenen  Mitteln  das  Colle- 
giatstift  B  u  d  i  s  i  n ,  das  schon  von  da  ab  unmittelbaren  Einfluss  auf 
die  kirchlichen  Verhältnisse  des  böhmischen  Niederlandes  nahm, 
insbesondere  aber  im  Reformations  -  Zeitalter  die  Stütze  des 
katholischen  Glaubens  in  der  Lausitz   und  im  nördlichen  Böhmen 


')  Urkunde  Calles  144. 

2)  Calles  141. 

3)  Fabric.  u.  Monach.  Erford.  bei  Calles  145. 

4)  Monach.  Cellens.  u.  Fabric. 

5)  Calles  150. 

6j  Leuber,  Beschreibung  des  Schlosses  Ortenburg.  S.  82. 


350 

wurde  und  bis  heute  selbst  das  Bisthum  Meissen  überlebte. 
Seit  807  stand  bereits  die  Stadt  Budisin,  fortan  der  Hauptort 
eines  eigenen  Gaues,  der  frühzeitig  an  Böhmen  gedieh. ])  Dort  stand 
nun  seit  alten  Zeiten  schon  die  alte  S.  Peterskirche  als  Haupt- 
kirche der  Umgegend,  noch  berühmter  in  letzter  Zeit  durch  den 
Arm  des  h.  Petrus,  den  der  böhmische  König  Pfemysl  vom  Papste 
als  Geschenk  erhalten  und  hieher  verehrt  hatte. 

Bruno  stiftete  bei  dieser  Kirche  einen  Propst,  als  welcher 
immer  ein  Canonicus  von  Meissen  fungiren  sollte,  einen  Domde- 
chant3)  und  anfänglich  5,  später  aber  12  Canoniker.  Der  Propst 
sollte  zugleich  das  Archidiakonat  über  die  gesainmtc  nachmalige 
Oberlausitz  verwalten,  und  in  dieser  Würde  im  Namen  des  Bi- 
schofs die  Geistlichen  seines  Sprengeis  confirmiren  und  kirchliche 
Streitigkeiten  entscheiden.3)  Bischof  Bruno  liess  auch  die  mit  weiten 
Kirchhofmauern  umgebene  alte  Peterskirche  abbrechen  und  im  J. 
1215   den  jetzigen  grossen  Petersdom  erbauen. 

Von  da  ab  unterstanden  dem  Dompropste  zunächst  einige 
Pfarreien  der  Umgegend  unmittelbar,4)  im  Uebrigen  aber  die  De- 
canate  Budisin,  Bischofswerda,  Kamentz,  Löbau,  Görlitz,  Sorau, 
Stolpen,  Lauban,  Reichenbach,  Seidenberg  und  Hohenstein-Sebnitz. 
Das  Decanat  Budisin  unterstand  wieder  unmittelbar  dem  Domde- 
chant  in  Budisin:  hieher  gehörten  die  nachmals  böhmischen  Pfarr- 
orte Hainspach,  Zeidler  und  Schirgiswalde.5) 

Das  Dekanat  Hohenstein-Sebnitz  erstreckte  sich  ebenso  über 
die  nachmals   böhmischen   Orte   Schluckenau,  Nixdorf  (Nikelsdorf), 

')  Vgl.  §.ll. 

8)Als  solche  werden  genannt:  1221  Hermann,  1226  Hugo,  1281  Gottfried, 
1314  Theodorich,  1317  Friedrich,  1343  Heinrich,  1348  Nikolaus,  1375  Ru- 
dolf, 1399  Johann,  1400  Johann  v.  Kittlitz,  1402  Otto,  1410  Heinrich  von 
Freiberg,  1426  Ernst,  1434  Fra